[Berlin-Buch] Tolerieren und Wegschauen: Akzeptierende Jugendarbeit mit Neonazis

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Seit 2012 hat sich der Ber­liner Bezirk Buch zu einem Schwer­punkt rechter Pro­pa­ganda ent­wi­ckelt. Ver­ant­wort­lich dafür ist die Kame­rad­schaft „Freie Natio­na­listen Buch“ (FN-Buch). Mit­glieder der Gruppe werden im örtli­chen Sport­ju­gend­club (SJC) bewusst geduldet und in Frei­zeit­ak­ti­vi­täten ein­ge­bunden. Ein FN-Buch-Mitglied tritt für die SJC-Ringermannschaft bei Wett­kämpfen an. Auch der Co-Trainer bekundet Sym­pa­thie für rechtes Gedan­kengut.

 

Freie Natio­na­listen Buch

 

Auf­kleber rechter Orga­ni­sa­tionen, Pla­kate, die dem Hitler Stell­ver­treter Rudolf Hess hul­digen oder Sprü­he­reien wie „Heim ins Reich“, „Buch bleibt braun“ oder „NS jetzt!“ — bis in den April diesen Jahres kam es fast wöchent­lich im Pan­kower Stadt­teil Buch zu mas­siven Pro­pa­gan­da­wellen, die oft das gesamte Viertel erfassten. Laut Sta­tis­tiken der Pan­kower Regis­ter­stelle „mos­kito“ stellt Buch im Bezirk mitt­ler­weile den Schwer­punkt im Zusam­men­hang mit rechten Akti­vi­täten dar.

 

Ver­ant­wort­lich für diese Ent­wick­lung ist die Gruppe „Freie Natio­na­listen Buch“ (FN-Buch). Ihr werden auch die Schän­dung des Bucher Ehren­mals für die gefal­lenen sowje­ti­schen Sol­daten am 8. Mai 2013 und die Schän­dung des Denk­mals für die „Euthanasie“-Opfer auf dem Bucher Kli­ni­kums­ge­lände am 03.06.2012 zuge­rechnet. Das Mahnmal besprühten sie mit „SS“-Symbolen, dem Wort „Lüge“ und dem Kürzel „Anti-Antifa Buch“.

 

Die „Akti­ons­gruppe Buch (AGB)“ und die sich überwiegend aus dem glei­chen Per­so­nen­kreis zusam­men­set­zende „Anti-Antifa-Buch“, die auch unter den Bezeich­nungen „AG Buch“, „AG-Buch88“ oder „AG-B“ in Erschen­i­nung trat, sind iden­tisch mit der Grup­pie­rung, die unter dem Label FN-Buch fir­miert. [1] Der Namens­wechsel vom häufig ver­wen­deten Kürzel „AG Buch“ zur Bezeich­nung „FN Buch“ erfolgte nach einer Haus­durch­su­chung am 5. Sep­tember 2012. Trotz eines geschei­terten Ver­suchs, am 18. Januar 2013 in Buch eine Spont­en­de­mons­tra­tion durch­zu­führen, der Beschlag­nah­mungen und Per­so­nen­kon­trollen nach sich zog, ist die Gruppe wei­terhin aktiv. Vor allem in den letzten Monaten ver­klebte und steckte sie Mate­rial der NPD und von deren Jugend­or­ga­ni­sa­tion „Junge Natio­nal­de­mo­kraten“ (JN).

 

FN-Buch fer­tigen auch selbst Auf­kleber an. Diese spie­geln deut­lich die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Hal­tung der Gruppe wieder: Auf­kleber mit einem Hitler-Smilie und der Losung „Wir sind noch da! FN Buch“, Hakenkreuz-Sticker oder Motive, die NSDAP-Mitglieder dabei zeigen , wie sie ein „Kauf nicht beim Juden“-Schild auf­hängen, tauchten zu Beginn des Jahres im Ein­zugs­ge­biet auf. „Juden werden hier nicht bedient“ heißt es auf einer wei­teren Sticker-Selbstanfertigung der Kame­rad­schaft.

 

Als Reak­tion auf die mas­sive Neo­na­zi­pro­pa­ganda fanden seit März 2013 zwei Putz­spa­zier­gänge statt, um Auf­kleber und rechte Sprü­he­reien im Viertel zu besei­tigen. Beim ersten Spa­zier­gang am 2. März hatten sich Neo­nazis in Buch ver­mummt auf ver­schie­denen Bal­konen angren­zender Plat­ten­bauten pos­tiert. In der Wilt­berg­straße wurden Teilnehmer_innen des Spa­zier­gangs vom Balkon aus abfo­to­gra­fiert. Foto­graf war der Neo­nazi Chris­tian Schmidt, vom „Natio­nalen Wider­stand Berlin“ (NW). Die Bilder die Schmidt anfer­tigt wan­dern ins „Anti-Antifa“-Archiv des NW und werden in letzter Kon­se­quenz für Angriffe und Ein­schüch­te­rungen gegen poli­ti­sche Gegner_innen genutzt.

 

Schmidt ist nicht nur an der Durch­füh­rung von Aktionen der Kame­rad­schaft in Buch betei­ligt, son­dern bindet die Bucher Neo­nazis auch in den NPD-Wahlkampf aktiv mit ein. Dabei liegt nahe, dass die Freien Natio­na­listen aus Buch all­mäh­lich in der lokalen Pan­kower JN-Struktur auf­gehen, mit deren Aufbau Chris­tian Schmidt der­zeit betraut ist. So wurde der Per­so­nen­zu­sam­men­hang am 6. August 2013 beim Hängen von NPD-Plakaten in Wei­ßensee gesichtet. In der von Diego Pfeifer (NPD-Pankow) und Chris­tian Schmidt gelei­teten Gruppe befanden sich unter anderem die FN-Buch-Aktivisten Fabian Knop und Daniel Stern.

 

Am 19. Mai 2012 ver­suchten die Bucher Neo­nazis die Dieter Eich-Gedenkdemonstration, die jähr­lich an den von Rechten ermor­deten Sozi­al­hil­fe­emp­fänger erin­nert, zu stören. Ver­gleicht man die Gruppe mit jener vom 6. August 2013 in Wei­ßensee, werden per­so­nelle Über­schnei­dungen deut­lich. Beide Male ist Fabian Knop mit der glei­chen wei­teren Person zu sehen, was einen kon­stanten rechten Per­so­nen­zu­sam­men­hang in Buch, als auch Fabian Knops Akti­vi­täten bis Mai 2012 belegt.

 

Antifa-Beobachtungen zufolge dient Knops Woh­nung immer wieder als Treff– und Aus­gangs­punkt für Aktionen im Viertel, so auch am Tag des zweiten anti­fa­schis­ti­schen Putz­spa­zier­gangs am 19. Mai. In der Gruppe die von Fabian Knops Woh­nung aus dem Spa­zier­gang folgte, mit dem Ziel, dessen Teilnehmer_innen zu pro­vo­zieren, befanden sich Daniel Stern und Tobias Rein­holz. Rein­holz ist eben­falls Teil der FN-Buch und gehört zu Knops politisch-sozialem Umfeld. Um auf Knops Akti­vi­täten auf­merksam zu machen, wurde dessen Nach­bar­schaft im Mai mit Pla­katen und Flug­zet­teln über ihn und seine Akti­vi­täten infor­miert.

 

Jun­ge­neo­nazis, die sprühen gehen, Auf­kleber kleben und Anschluss an gefes­tig­tere Struk­turen finden – alles in allem kein unüb­li­cher Weg einer Jung­ka­me­rad­schaft. Pikant im Fall Buch aller­dings ist die Tat­sache, dass Mit­glieder der Kame­rad­schaft im lokalen Sport­ju­gend­club Buch (SJC) regel­mä­ßige Gäste sind. Teile der FN-Buch ver­bringen dort ihre Frei­zeit, werden zu Unter­neh­mungen mit­ge­nommen oder trai­nieren, wie im Fall von Fabian Knop auch im clu­b­ei­genen Sport­verein, dem „SV Berlin — Buch e.V.“. Bei den „Bucher Rin­ger­wölfen“, der Rin­ger­mann­schaft des Ver­eins, trai­nierte Knop bereits lange vor seiner Betä­ti­gung im orga­ni­sierten rechten Spek­trum.

 

Igno­ranz sei­tens des SJC-Buch

 

Die Fülle an neo­na­zis­ti­schen Sprü­he­reien und Auf­kle­bern im Bucher Stra­ßen­bild ist kaum über­sehbar, auch die immer wie­der­keh­rende Erwäh­nung Buchs als rechter Pro­pa­gan­da­schwer­punkt ist den Mit­ar­bei­tern des SJC hin­läng­lich bekannt. Dass es sich bei den Ver­ur­sa­chern des Nazi­images, das Buch mitt­ler­weile wieder anhaftet, um die eigene Kli­entel han­delt, ist ihnen sehr wohl bewusst. Der Umgang sei­tens des SJC damit bleibt jedoch unver­än­dert: tole­rieren und weg­schauen.

 

Nicht einmal als zu Beginn des Jahres 2013 das Gebäude des SJC selbst mit Pla­katen von FN-Buch beklebt wurde, hatte dies für die Jungnazis Kon­se­quenzen. Mitte April wie­der­holte sich das Spek­takel. Die Ein­rich­tung wurde mit Kel­ten­kreuzen und rechten Kür­zeln wie „NSBA“ und „ANBA“ (Natio­nale Sozia­listen Bun­des­weite Aktion / Auto­nome Natio­na­listen Bun­des­weite Aktion) besprüht, was die SJC-Belegschaft aller­dings auch diesmal nicht aus ihrer stoi­schen Ruhe zu bringen schien. Wozu der SCJ selbst nicht in der Lage war, erle­digten Teilnehmer_innen des anti­fa­schis­ti­schen Putz­spa­zier­gangs am 19. Mai, ganze andert­halb Monate später, als sie die rechten Sprü­he­reien an der Ein­rich­tung besei­tigten.

 

Fabian Knop konnte trotz seiner offensichtlichen Verbindung zu den Schmierereien weiterhin an Trainings in der „Wolfshöhle“, wie die Bucher „Bucher Ringerwölfe“ ihre Halle nennen, teilnehmen. Noch im Mai 2013 schickte ihn der SV Buch zu den Offenen Berliner Meisterschaften, wo er für die „Bucher Ringerwölfe“ am 19. Mai Bronze holte. Weder von der Dieter-Eich-Demo, die auch an Knops Wohnung vorbeizog, noch von den Nachbarschaftsflugblättern zu seiner Person am Tag zuvor zeigten sich die Sozialpädagog_innen und Trainer_innen des SJC beeindruckt. Dabei liegt Knops Wohnung in unmittelbarer Nähe der Jugendeinrichtung. Nicht mitbekommen zu haben, wer oder was da thematisiert wurde, ist deshalb schon eine Kunst an sich.

 

Nur eine Woche später trat er dann für den SV Buch beim 27. Internationalen Pfingstcup Berlin erneut an, genau so wie er am 20-Jahre-Fest des SJC am 31. August beteiligt war.

 

Trainer der „Bucher Ringerwölfe“ sympathisiert mit Neonazis

 

Benno Atorf, Co-Trainer der Abteilung Ringen des SJC, trainiert wöchentlich Jugendliche in eben dieser Disziplin und begleitet sie auf Turniere, so auch Fabian Knop. Wie es scheint, ist auch Knops Trainer, der sich als „Leitwolf“ des Ringerteams bezeichnet, rechter Ideologie gegenüber nicht abgeneigt. Atorf selbst gibt unter den „Gefällt mir“-Angaben seines Facebook-Profils neben „Germanische Götterwelten“ auch den „NMV-Versand“ an.

 

Hier können Devotionalien der Neonazibands „Macht und Ehre“, „Sturmwehr“ oder Shirts mit Aufdrucken wie „Braun ist Trumpf“ geordert werden. Die über den Onlineversand erhältlichen T-Shirts mit der Aufschrift „Wolfsschanze – Ostpreussen“ werden auch von Mitgliedern der „Freien Nationalisten Buch“ öffentlich zur Schau getragen. Auf einem Shirt, das die Rechtsrockband „Lunikoff-Verschwörung“ über NMV vertreiben lässt, wird die Freilassung des Nazi-Kriegsverbrechers Erich Priebke gefordert. Außerdem veröffentlichte NMV auf Facebook im Februar 2013 einen Solidaritäts-Banner für Ralf Wohlleben, der derzeit als Unterstützer der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) vor Gericht steht.

 

Der NMV-Versand ist nicht mehr rechts­offen, son­dern ein knall­harter Neo­na­zi­ver­sand. Von einem Ver­sehen kann bei Atorfs „Gefällt mir“-Angabe darum nicht die Rede sein, zumal diese schon min­des­tens ein halbes Jahr sein Profil schmückt. So ver­wun­dern auch die zahl­rei­chen Neo­nazis in Atorfs Freun­des­liste kaum [2].

 

Ein Rene Kohls ver­herr­licht hier in seinen Pos­tings die Wehr­macht und bekundet seine Unter­stüt­zung für die NPD, den inhaf­tierte Holo­caust­leugner Horst Mahler und das rechte Skinhead-Forum „Skin­pride Boots and Braces“ [3]. Auf einem Foto posiert ein Freund in Wehr­machts­uni­form vor einer metal­lernen „Gibor“-Rune (Wolfs­angel) und hält eine „Run­en­wache“ ab. Frank Betker, eben­falls ein Freund Atorfs, ist auf einem wei­teren Bild mit Mili­tär­mütze zu sehen, die ein Reichsadler-Uniformstück ziert.

 

Unter dem Pseud­onym „Trebor Hcrots“ prä­sen­tiert Robert Storch auf seinem Profil das Eiserne Kreuz, umrahmt in schwarz-weiß-rot und liked Seiten wie „Ich bin stolz, Deut­scher zu sein“ oder „Kri­mi­nelle Aus­länder raus“ [4]. Wei­terhin wird sich in Atorfs Freun­des­kreisen gegen ein NPD-Verbot (Adre Gesinke) [5] oder für die „Todes­strafe für Kin­der­schänder“ (Andre Tap­pert) [6] stark gemacht. Benno Atorfs Fami­li­en­mit­glied Peter Atorf „gefällt“ unter anderem die rechts­po­pu­lis­ti­sche Partei „Alter­na­tive für Deutsch­land“ (AfD) [7], die in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Slogan „Ein­wan­de­rung ja. Aber nicht in unsere Sozi­al­sys­teme!“ um rechte Wäh­ler­stimmen buhlt. Der Bucher Neo­nazi Ronny Döbel, eben­falls in Benno Atorfs Freun­des­liste, zählt NPD-Funktionäre wie Udo Voigt, Jens Pühse, Holger Apfel, Jürgen Gansel und Ronny Zasowk zu seinen Freunden [8].

 

Exkurs: NMV-Versand

Hinter dem NMV-Versand steht der Bran­den­burger Neo­nazi Gordon Rein­holz. Seit 2011 zeich­nete sich Chris­tian Banaskie­wicz als Inhaber auf der Ver­sand­seite ver­ant­wort­lich. Rein­holz und Banaskie­wicz, die beide Füh­rungs­kader des 2006 ver­bo­tenen „Mär­ki­schen Hei­mat­schutzes“ (MHS) waren, haben die Inha­ber­schaft später an Falko Hes­sel­barth über­tragen. Dieser ist Sohn der DVU-Abgeordneten Liane Hes­sel­barth und gehörte zur 2005 ver­bo­tenen Kame­rad­schaft „Alter­na­tive Natio­nale Straus­berger Dart-, Pier­cing und Tattoo-Offensive“ (ANS­DAPO), in der auch der Mörder des 1993 ermor­deten Hans-Georg Jacobsen aktiv war. Das Trio und ihr Umfeld betreiben neben dem NMV-Versand ver­schie­dene Inter­net­vers­ände, sowie einen Neo­na­zi­l­aden mit Tex­til­dru­ckerei in Ebers­walde.

 

Hel­lers­dorf: aktive und ehe­ma­lige SJC-Nutzer mischen mit bei ras­sis­ti­schen Pro­testen

 

Ein Blick auf die ras­sis­ti­sche Mobil­ma­chung der letzten Monate gegen die Flücht­lings­un­ter­kunft in Berlin-Hellersdorf macht deut­lich, dass es sich bei Atorfs rechten Schü­lern und Freunden nicht um bloße Online-Nazis han­delt, die ihre Hetze im Netz kund tun oder ihrem Akti­onsmus auf Buch beschränken.

 

Die sollen sich dahin ver­pissen, wo sie her­ge­kommen sind!“, […] „die sollte man alle ver­gasen!“ — diese und ähnliche Rufe waren bei der Hel­lers­dorfer Bür­ger­ver­samm­lung am 9. Juli 2013, auf der über die Eröff­nung des Flücht­lings­heims dis­ku­tiert werden sollte, zu hören. Atorfs Freund Ronny Döbel stand wäh­rend der Ver­an­stal­tung mit einer grö­ßeren Gruppe Neo­nazis zusammen, die immer wieder in das ras­sis­ti­sche Gejohle ein­stimmten.

 

Einer von ihnen trug ein T-Shirt mit der Auf­schrift „Wel­come to Ger­many“ in Ver­bin­dung mit einem Adolf-Hitler-Smilie. Teil von Döbels Clique war auch der Neo­nazi Ronny Smetek, der am 19. August, dem Tag der Hei­mer­öff­nung, trau­rige Berühmt­heit erlangte, als er vor lau­fender Kamera Flücht­lingen und deren Unterstützer_innen den Hit­ler­gruß zeigte.

 

Ronny Döbel, der in Jugend­jahren selbst öfter Gast der Jugend­ein­rich­tung war, ist seit Beginn der Pro­teste in Hel­lers­dorf nicht nur auf Face­book an der Hetze betei­ligt, son­dern wurde auch im Umfeld des Heimes bereits mit anderen Neo­nazis gesichtet.

 

Auch Fabian Knop betei­ligt sich an der Hass­kam­pagne. Am 20. August waren er und andere Neo­nazis ein­ge­teilt, bei einer NPD-Kundgebung gegen das Heim das Trans­pa­rent der Ber­liner NPD zu halten, was einmal mehr für dessen wei­tere Ein­bin­dung in orga­ni­sierte rechte Struk­turen spricht.

 

Die ras­sis­ti­sche Hetze hat kon­krete Akteure

 

Die ras­sis­ti­sche Mobil­ma­chung in Hel­lers­dorf, als auch die Anti-Moschee-Proteste gegen die „Ahmadiyya“-Gemeinde in Pankow-Heinersdorf 2006–2008 (Video) belegen die tief sit­zenden Res­sen­ti­ments der deut­schen Mehr­heits­be­völ­ke­rung und zeigen, dass orga­ni­sierte Rechte nicht das Copy­right auf Ras­sismus gepachtet haben. Aller­dings machen Bei­spiele wie Hel­lers­dorf, wo die NPD eine tra­gende Rolle spielt oder Hei­ners­dorf, wo CDU und Kleinunternehmer_innen den Pro­test stützten, deut­lich, dass ras­sis­ti­sche Mobil­ma­chungen ohne ein orga­ni­sa­to­ri­sches Rück­grat zum Schei­tern ver­ur­teilt sind.

 

Schon jetzt deutet sich an, dass die NPD/JN-Pankow ver­sucht die Eröff­nung einer Asylbewerber_innenunterkunft in der Pan­kower Müh­len­straße zu nutzen [9], um sich an die Spitze eines mög­li­chen Pro­testes gegen das Heim stellen zu können. Die der­zei­tige Kam­pagne gegen Asylbewerber_innen in Berlin hat klare Akteur_innen, zu denen auch die Neo­nazis um Fabian Knop und die FN-Buch gehören. Etwas gegen das Treiben „ihrer Jungs“ zu unter­nehmen, hätte auch in den Händen des SJC-Teams gelegen. Aber was soll man auch erwarten, wenn selbst der Co-Trainer des Rin­ger­teams eine offene Flanke nach rechts auf­weist. Sozialpädagog_innen und Trainer_innen des Sport­ju­gend­clubs können ihrem Schütz­ling nun dabei zusehen, wie er mit der NPD auch im Bezirk Pankow seine Pro­pa­gan­da­st­reif­züge gegen Flücht­linge ver­an­staltet — wenn sie es denn sehen wollen.

 

Im Osten nichts Neues: Glat­zen­pflege auf Staats­kosten

 

Träger des SJC ist die „GSJGESELL­SCHAFT FÜR SPORT UND JUGEND­SO­ZI­AL­AR­BEIT gGmbH“, wäh­rend eine klare Posi­tio­nie­rung gegen Neo­nazis mitt­ler­weile bei den meisten Trä­gern zur Selbst­ver­ständ­lich­keit gehört, gab es mit Verfechter_innen der soge­nannten „Akt­zep­tie­renden Jugend­ar­beit„ in der Ver­gan­gen­heit immer wieder auch Pro­bleme. Straßensozialarbeiter_innen von Gangway standen im Jahr 2003 in der Kritik, als sie durch regel­mä­ßige Treffen mit Neo­nazis am S-Bahnhof Grünau einen Angst­raum für poten­ti­elle Opfer der Rechten eta­blierten. Das ist im aktu­ellen Fall von beson­derer Rele­vanz, als dass das Gangway-Regionalteam Nord sein Büro im 1. Stock des Bucher SJC hat.

 

Auch im Lich­ten­berger SJC, unter anderer Trä­ger­schaft, aber den­noch dem Kon­zept von Akzep­tanz fol­gend, haben Neo­nazis nicht nur die Mög­lich­keit an regel­mä­ßigen Frei­zeit­ak­ti­vi­täten und Grup­pen­reisen teil­zu­nehmen, sowie den Fit­ness­raum zu nutzen. Im Jahre 2008 gelang es den „Freie Kräften“ sogar, über den Lich­ten­berger Sport­ju­gend­club Zugang zu einer Turn­halle für Kampf­sport­übungen zu erlangen [10]. An dahin­ge­hendem Pro­blem­be­wusst­sein fehlte es nicht nur dem lang­jäh­rigen Leiter der Ein­rich­tung, Peter Steger wäh­rend dessen Dienst­zeit Schütz­linge des SJC immer wieder durch neo­na­zis­ti­sche Akti­vi­täten und Überg­riffe auf­fielen. Auch nach dessen Weg­gang Ende der 2000er Jahre halten die Sozialpädagog_innen des SJC an der akzep­tie­renden Jugend­ar­beit fest und so ver­wun­dert es nicht, dass auch im neuen Jahr­zehnt aktive Neo­nazis den SJC nutzen können. Auf einem Promotion-Foto, das im Netz noch im Jahre 2011 für den SJC Lich­ten­berg warb, waren an der Klet­ter­wand des Clubs die Neo­nazis Lars Wün­sche und Martin Kalina zu sehen. Beide waren bei den „Freien Kräften“ aktiv und für meh­rere Überg­riffe auf Ver­an­stal­tungen und alter­na­tive Jugend­liche ver­ant­wort­lich [11]. Erst nach wie­der­holter Kritik ent­fernte der Lich­ten­berger SJC das Bild schließ­lich von seiner Seite, ob Kon­se­quenzen auch in Bezug auf die Kon­zep­tion der eigenen Arbeit gezogen wurden, darf hin­gegen bezwei­felt werden.

 

Akzep­tie­rende Jugend­ar­beit mit Neo­nazis

 

Wäh­rend die akzep­tie­rende Jugend­ar­beit mit Neo­nazis in den 90ern heftig kri­ti­siert und spä­tes­tens Ende der 2000er Jahre voll­ends für geschei­tert erklärt wurde, haben sich andern­orts neue Kon­zepte zum Umgang mit rechten Jugend­li­chen in der sozialen Arbeit eta­bliert. Zum Bei­spiel Pro­jekte der „Auf­su­chenden Sozi­al­ar­beit“, bei denen Sozi­al­päd­ago­ginnen zwar den Kon­takt zu rechten Jugend­li­chen suchen, der Cli­entel jedoch keine Räum­lich­keiten oder Res­sourcen über­lassen, welche die rechte Szene in ihrem Sinne zu instru­men­ta­li­sieren weiss.

 

Nur in Buch und Lich­ten­berg scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Hier geht man immer noch davon aus, dass es sich bei Neo­na­zismus um eine Art Jugend­krank­heit han­delt, die sich irgend­wann ver­wächst, wenn man die jungen Neo­nazis nur aus­rei­chend in vor­han­dene Sozi­al­räume „inte­griert“.

 

Wer aber glaubt, dass sich Neo­nazis in „net­tere“ Men­schen ver­wan­deln, wenn sie nur mit Frei­zeit­an­ge­boten und Tole­ranz über­schüttet werden, wird nicht nur daran schei­tern, sie vom „rechten Weg“ abzu­bringen, son­dern ver­kennt auch die Dimen­sionen faschis­ti­scher Ideo­logie und Orga­ni­sie­rung. Dieser Ideo­logie inbe­griffen ist ein durch nichts irre zu machendes Über­le­gen­heits­denken, das immer wieder auch als Trieb­feder für Angriffe oder Pro­pa­gan­da­touren im Auf­trag der „natio­nalen Sache“ gilt. Neben Frei­zeit­an­ge­boten und Lebens­hilfe wird den jungen Neo­nazis auch der Zugang zu Räumen gewährt, in denen sie auf Sympathisant_innen treffen und Angst­räume für all jene schaffen können, die sich offen gegen Neo­na­zismus posi­tio­nieren oder nicht ins „rechte Welt­bild“ passen. Erin­nert sei hier an die lei­digen Erfah­rungen mit der „Glat­zen­pflege“ der 90er und Anfang der 2000er Jahre, zu denen gehört, dass bei­nahe alle Jugend­ein­rich­tungen in Buch von rechten Jugend­cli­quen domi­niert wurden, wäh­rend die Sozialarbeiter_innen sich gegen die rechte „Unter­wan­de­rung“ machtlos zeigten.

 

Eine Jugend­ein­rich­tung ist keine abge­schot­tete Blase — Posi­tion beziehen!

 

Und so gilt auch heute: Solange Respekt nur inner­halb des Jugend­clubs oder der Sport­halle gilt, außer­halb dieses Rah­mens aber gegen „Fremde“ und nicht-rechte Men­schen verbal und phy­sisch vor­ge­gangen werden kann, ist jeder Anspruch von Gewalt­frei­heit und gegen­sei­tigem Respekt eine leere Floskel. Eine Jugend­ein­rich­tung ist keine abge­schlos­sene Blase, die abge­schottet von gesell­schaft­li­chen Pro­blemen exis­tiert. Zu diesen gehört neben sozialer Aus­gren­zung, nied­rigem Ein­kommen und wei­teren jugend­spe­zi­fi­schen Pro­blemen auch Ras­sismus. Wie sich das ras­sis­ti­sche All­tags­klima aus der Sicht „nicht­deut­scher“ Men­schen vor Ort dar­stellt, beschreibt Dr. Ulrich Scheller vom Bucher Max-Delbrück-Centrum wie folgt: „Wis­sen­schaftler aus über 57 Nationen sind hier tätig. Immer wieder klagen sie über Pöbe­leien, auch Rem­pe­leien auf dem Weg vom Bahnhof zum Bucher Campus“. So gibt es „Ängste, sich wegen aus­län­der­feind­li­cher Pöbe­leien im Orts­teil zu bewegen. Wir haben sogar über ein Taxi-Shuttle vom MDC zum Bahnhof nach­ge­dacht. Wohnen in Buch wollen die wenigsten.“ [12]


Spä­tes­tens nach dem jüngsten Vor­fall müsste sich der SJC einer Aus­ein­an­der­set­zung mit Ras­sismus im eigenen Sozi­al­raum stellen. So wurde laut Poli­zei­mel­dungen am 16. Juli ein 14-Jähriger von einem etwa Gleich­alt­rigen vor dem SJC ras­sis­tisch belei­digt und am Arm ver­letzt. Das Alter der Kon­flikt­be­tei­ligten, als auch die Tat­sache, dass sich auf­grund der Lage des Clubs kaum Zufalls­gäste oder Passant_innen dahin ver­irren, lässt auf eine Aus­ein­an­der­set­zung unter SJC-Gästen schließen.

 

Zu einer Stel­lung­nahme sah sich der SJC, wie kaum anders zu erwarten, auch diesmal nicht genö­tigt. Ob es jemals zu einer offenen Aus­ein­an­der­set­zung über den Angriff oder die Akti­vi­täten, der im SJC ver­keh­renden Jungnazis kommen wird, bleibt zu bezwei­feln. Doch es wäre an der Zeit die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Ideo­logie ihrer Kli­entel und Benno Atorf, dem Co-Trainer des Rin­ger­teams, zu suchen, sowie mit Fabian Knop, einen nach­weis­lich aktiven und in Struk­turen ein­ge­bun­denen Neo­nazi aus der Jugend­rin­rich­tung zu ver­weisen!

 

SJC Berlin-Buch


Karower Chaussee 169 c
13125 Berlin

 

Telefon: 030 949 78 25
Fax: 030 94 51 82 45
E-Mail: sjcbuch@gmx.de

 

Vor­stand SV Berlin–Buch e.V.


1. Vor­sit­zender
René Romanik (Vol­ley­ball)
Telefon: 0179 — 108 92 62
E-Mail: r.romanik@o2online.de

 

2. Vor­sit­zender
Peter Man­delkow (Ringen)
Telefon: 0173 — 606 24 53
E-Mail: sjcbuch@gmx.de

 

Trä­ger­schaft SJC Berlin-Buch

 

Hanns-Braun-Straße / Frie­sen­haus II
14053 Berlin

 

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Regio­nal­team Nord


Karower Chaussee 169 c (1. Etage im SJC Buch)
13125 Berlin

 

Telefon: 030 943 99 028
E-Mail: gangwaypankow@gmx.de

 

Jugendamt Pankow

 

Direk­torin Frau Pfennig


Ber­liner Allee 252–260
13088 Berlin — Wei­ßensee

 

Telefon: 030 902 95 74 64
Fax: 030 902 95 29 49

 

[1] Kleine Anfrage der Abge­ord­neten Elke Brei­ten­bach und Hakan Taş (LINKE) vom 28.03.2013 / Ant­wort: 11. April 2013
[2] Bild­be­lege aus Benno Atorfs Facebook-Freundesliste, Stand 31.08.2013: Frank Betker, Ronny Döbel, Fabian Knop, Rene Kohls, Andre Gen­sicke, Trebor Hcrots, Andre Tap­pert, Peter Atorf
[3] Rene Kohls „gefällt“ Holo­caust­leugner Horst Mahler, die NPD und das rechte Skinhead-Forum „Skin­pride Boots and Braces“, face­book, Stand: 31. August 2013
[4] Robert Storch, alias „Trebor Hcrots“, schmückt sein Profil mit Eisernem Kreuz, fortert „Kri­mi­nelle Aus­länder raus!“ und ist „stolz Deutsch zu sein“, face­book, Stand: 31. August 2013
[5] Andre Gesinke: „Soll die NPD ver­boten werden?“ „Nein, die NPD tut nichts ver­bo­tenes!“ face­book am 25. Sep­tember 2012
[6] Andre Tap­pert teilt die For­de­rung „Todes­strafe für Kin­der­schän­dert“ und befür­wortet einen Kopf­schuss, face­book, Stand 2. Sep­tember 2013
[7] Peter Artof „gefällt“ rechts­po­pu­lis­ti­sche „Alter­na­tive für Deutsch­land“: face­book, Stand: 31. August 2013
[8] Ronny Döbel zählt NPD-Funktionäre wie Udo Voigt, Jens Pühse, Holger Apfel, Jürgen Gansel und Ronny Zasowk zu seinen Freunden, face­book, Stand 31. August 2013
[9] „Die ersten Pappen gegen das geplante Asyl­be­wer­ber­heim in Pankow hängen nun in der Straße…“, NPD-Pankow-Website, 28. August 2013
[10] fight.back 04 — Antifa-Recherche Berlin-Brandenburg, Mai 2009, S. 42
[11] fight.back 03 — Antifa-Recherche Berlin-Brandenburg, Februar 2006, S. 37 / fight.back 04 — Antifa-Recherche Berlin-Brandenburg, Mai 2009, S. 42 f., S. 55
[12] „Rechte Vor­fälle nehmen zu“, Bucher Bote, Januar 2013, S. 3

 

 

Download:

[recherche&aktion] Akzeptierende Jugendarbeit mit Neonazis in Berlin-Buch (PDF, 6.4 Mb)

 

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[recherche&aktion]

recherche-und-aktion.net

recherche-und-aktion@riseup.net (PGP)

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Der Server von recherche&aktion hat scheinbar leider gerade Probleme. Eine Kopie des Artikels findet sich auf antifa-berlin.info: http://www.antifa-berlin.info/recherche/337-tolerieren-und-wegschauen-ak...

Leider nicht ganz so hübsch aufbereitet.

Das kommt davon, wenn ihr hier nur Teaser postet, um Leute auf eure Seite zu locken.

Wenn ich mir den Artikel in voller Länge anseh, dann kann man froh sein, dass er aufbereitet auf einem Blog liegt. Nichts gegen Linksunten, aber die vorhanden Gestaltungsmöglichkeiten stoßen, ab einer gewissen Textlänge und Anzahl von Medien, auch mal an ihre Grenzen.

Besser ist, wenn der Artikel sowohl auf dem Blog als auch auf linksten wäre. Indymedia hat auch eine Geschichtsschreibungs- und Archiv-Funktion.

Weniger gegeneinander denken ist mehr miteinander handeln! ;-)

es ist durchaus möglich hier sehr schick zu layouten, leider aus der mode geraten aber wer im kaleidoskop auf den weiter zurückliegenden seiten stöbert stößt schnell aus sowas hier: https://linksunten.indymedia.org/de/node/263 (und es gab da noch ausgearbeitetere..)

wir haben den Artikel auf Indy linksunten kopiert.