…umsGanze! Kampagnenaufruf gegen Rassismus, Sozialchauvinismus & Kapitalismus veröffentlicht

Vielen Dank für die Blumen!

Kampagnenaufruf: Vielen Dank für Die Blumen! Gegen Integration und Ausgrenzung

Der Ton wird rauer, die Politik verrückter und die Aussichten immer brutaler. es gibt allen Grund, sich gegen diese Zumutungen zu wehren. Stattdessen wird nach unten getreten, wo es noch geht. Aber: So wie es ist, muss es nicht bleiben. Das kommunistische „...ums Ganze!“-Bündnis lädt zum gepflegten Aufstand gegen Sozialchauvinismus, Rassismus und Kapitalismus ein.

 

 

Menschen: Material in der Weltmarktkonkurrenz


Was tragen Sie zum Erfolg des Standorts bei? Die Frage muss sich heute jede_r gefallen lassen. Mit der anhaltenden Krise wird deutlich: Auch in den kapitalistischen Zentren ist der Wohlstand nicht sicher, sondern muss gegen andere Nationalökonomien verteidigt werden. Kapitalismus ist ein endloser Wettlauf um maximale Verwertung. Den Menschen bleibt nichts, als ihre Lebenszeit auf immer engeren Arbeitsmärkten zu verkaufen. Sie müssen froh sein, überhaupt eine Lohnarbeit zu ergattern, und jedes noch so miese Angebot annehmen. Auch die bürgerlichen Staaten bringen ihr „Humankapital“, also die ihnen unterstellten Menschen, gnadenlos auf Trab. Sie biegen jede_n zurecht, um in ihrem Herrschaftsbereich optimale Verwertungsbedingungen zu schaffen. Das ist der offen ausgesprochene Konsens aller politischen Lager, gestritten wird nur über die bestmögliche Umsetzung. Mit staatlicher Gängelung und sozialer Diskriminierung werden alle gezwungen, den ständig wechselnden Trends auf dem Arbeitsmarkt hinterherzulaufen. Die Stammtischparole der Volkswirtschaft lautet: „Wer sich genug anstrengt, bekommt auch einen Job.“ Aber in Wahrheit werden die Letzten immer von den Hunden gebissen, egal wie sehr sie sich anstrengen.

 

Deutschland zeigt, was ein Danke ist

Die meisten Bürger_innen stimmen dieser Politik auch noch zu, und beteiligen sich an ihrer eigenen Zurichtung. Sozialchauvinismus macht sich breit, von der BILD-Zeitung bis ins Philosophieseminar. Schuld an der Misere ist nicht das kapitalistische System, schuld sind „die Anderen“, die „Sozialschmarotzer“ und „Integrationsverweigerer“ – so lautet die Botschaft. Dem Staat aber genügt diese vorauseilende Hetze nicht. Er stellt seiner Bevölkerung eine schonungslose Mängelliste aus: zu alt, zu unflexibel, nicht bereit zum „lebenslangen Lernen“, und bitte weniger Kinder aus den „bildungsfernen Schichten“.

 

Vielen Dank für die Blumen. Aber die Besitzlosen können nichts dafür, dass sie den ständig wechselnden Anforderungen kapitalistischer Verwertbarkeit niemals werden genügen können. Insbesondere nicht, wo die rasante Steigerung der Produktivkräfte immer mehr Lohnabhängige überflüssig macht. Was im Übrigen gar nicht schlimm sein muss. Dass „die Arbeit knapp“ wird, ist nur unter der stumpfsinnigen Logik der Kapitalvermehrung ein Problem.


Hass und Hetze: Opium der Frustrierten

 

Statt mit dieser verrückten Logik zu brechen, heißt es „Alle gegen Alle“: Festangestellte betonen ihre Qualifikationen gegenüber Leiharbeiter_innen, Herkunfts-Deutsche und EU-Bürger_innen verteidigen ihre rechtlichen Privilegien gegenüber Migrant_innen, Hartz-IV-Empfänger_ innen empören sich über angeblich faule Schicksalsgenoss_innen, und die migrantische Bildungselite verstärkt das nationale Klagelied gegen vermeintlich „integrationsunwillige“ Einwander_innen. Einst abseitige Gestalten wie Thilo Sarrazin und der TV-Plapperphilosoph Peter Sloterdijk gelten inzwischen als mutige Tabubrecher. Sie bestätigen ein Millionenpublikum in altbekannten Vorurteilen, und beweisen so ein weiteres Mal, dass das Gerede vom „postideologischen Zeitalter“ nach 1989 nur eine hohle Phrase ist. Die Leute spinnen wie eh und je.

 

Den Fans der kapitalistischen Gesellschaft galten bis vor kurzem „Manager“ als Vorbilder an Mut und Initiative, als „Macher“ des Standorts. Doch wie es kommt: Nach dem Crash erscheint deren gerade noch hochgelobte Risiko-bereitschaft nur noch als „unverantwortlicher Exzess“. Die politische Öffentlichkeit verurteilt solche Geschäftspraktiken erst, seit sie den Standort als ganzen gefährden. Urteilsmaßstab ist also nicht „ethisches Verhalten“ oder „solide kaufmännische Werte“, sondern immer das, was gerade einen nationalen Vorteil verspricht.

 

Wo Chefs nicht mehr als Vorbilder taugen, erfindet der Staat neue Maßnahmen zur allgemeinen Ertüchtigung. So verteilt er statt Bargeld nun Bildungs- und Kulturgutscheine an die Verlierer_innen der „sozialen Marktwirtschaft“. Dies aber nur, wenn die zuständigen Behörden darin einen gesellschaftlichen Nutzen erkennen. Auf diese Weise erscheint der Staat als Wohltäter, und behält doch die volle Kontrolle. Die Ohnmacht der Zuwendungsempfänger_innen wird vertieft, ihr gesellschaftlich produzierter Ausschluss erscheint weiter als individuelles Versagen.

 

Vielen Dank für die Blumen. Aber das autoritäre „Fördern und Fordern“ geht uns am Arsch vorbei. Die Sorgen des Standorts auch. Wir machen keinen Finger krumm fürs nationale Kapital und für einen „Sozialstaat“, der unsere Ohnmacht zementiert.

 

Angepasst: Wer alles kann und nichts will

Das die öffentliche Moral beim nationalen Vorteil beginnt und auch endet, zeigt sich aktuell wieder in der Debatte über Flüchtlinge aus Nordafrika. Zwar werden die Demokratie-Bewegungen in den Maghreb-Staaten inzwischen von der europäischen Politik begrüßt. Doch dass Menschen, die nach mehr Freiheit streben, sich auch frei bewegen wollen, gilt wie selbstverständlich als Problem. Anders als bei flüchtigen DDR-Bürger_innen 1989, wird diesmal der Wunsch nach Sicherheit und einem materiell verbesserten Leben nicht anerkannt. Um in der EU leben zu dürfen, muss etwas angeboten werden: eine möglichst hohe Qualifikation, die auch noch auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt wird. Dann darf es auch mal jemand aus Tunesien oder Algerien sein. So funktionieren Menschenwürde und Freizügigkeit im bürgerlichen Nationalstaat. Wer seinen Kriterien nicht entspricht, muss eben zuhause bleiben, egal wo das ist.

Damit die Fliehenden auch wirklich dort bleiben wo der Pfeffer wächst, hat die Europäische Union FRONTEX eingerichtet – die „Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen“. Diese verhindert mit modernster Technik und Bewaffnung, dass vom Grundrecht auf Asyl zu viel Gebrauch gemacht wird. Dabei schleppt sie auch gerne mal Flüchtlingsboote aufs offene Meer zurück, oder überstellt Flüchtlinge gleich den uniformierten Kollegen in Verfolgerstaaten. Beim Versuch, das europäische Grenzregime zu überwinden, sind in den vergangenen Monaten Hunderte, wenn nicht Tausende ertrunken. Die Abendländer kümmert das bislang eher wenig.

 

In den EU-Staaten selbst wird Jugendlichen, deren Großeltern einmal in der Türkei, in arabischen Staaten oder anderswo gelebt haben, durch Medienmeinung und Abschiebepraxis klar gemacht, dass sie ins Land ihrer Vorfahren verschwinden können, wenn sie sich hier nicht brav „integrieren“. In Österreich und vielen anderen europäischen Ländern lassen sich mit offen rassistischen Positionen saftige Mehrheiten erzielen. In Deutschland wird der anschwellende Rassismus der Mehrheitsgesellschaft noch problemlos von den Parteien der Mitte repräsentiert. Ausgrenzung wird meist mit Verweisen auf eine vermeintlich andersartige kulturelle Prägung begründet. Seltener sind sozialdarwinistische Begründungsversuche, die im Vokabular der rassistischen Genetik übers Erbgut faseln. Selbstgefällig wird unterschlagen, dass das Leben von Menschen „mit Migrationshintergrund“ vor allem durch jahrzehntelange und anhaltende Diskriminierung bestimmt ist.

 

Auch deutsche Ureinwohner werden auf Trab gebracht, wenn sie sich nicht für den Standort ins Zeug legen. Wer hier lebt und aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden kann, soll sich wenigstens nützlich machen. In sachlichem Ton fordern Politiker_innen Arbeitsdienst für Transferleistungsabhängige – sei es in der Kinderbetreuung oder beim Schneeschippen und Laubsammeln. Wer solche „gemeinnützigen“ Jobs verweigert, bekommt seine Bezüge gekürzt. Auch sonst lässt die staatliche Arbeitsverwaltung kaum eine Gelegenheit aus, Zuwendungsberechtigte durch systematische Willkür zu gängeln: durch endlose Prüfverfahren, hirnrissige Qualifikationsmaßnahmen, erzwungene Wohnortwechsel und dergleichen mehr. Durch all das fördert und fordert der Staat die charakterliche Entwicklung seiner Bürger_ innen zu selbstbestimmten Standortameisen.

Vielen Dank für die Blumen. Wir verzichten gern auf eure Erziehung zum Mitmachen. Den Zwängen der kapitalistischen Ordnung kann sich zwar niemand einfach entziehen. Es gibt aber auch keinen Grund, sie willig zu vollstrecken. Die kläglichen Privilegien der so genannten freien Welt sind ohnehin nur möglich, weil andere ausgeschlossen und niederkonkurriert werden. In dieser Weltordnung geht es allen schlecht, manchen nur auf höherem Niveau.

 

Horizonte der Politik: Der staatliche Selbstzweck


"Alternativlos" ist ganz zu Unrecht das Unwort 2010. Es beschreibt sehr treffend den Charakter aktueller Staatspolitik. Das Argument der Alternativlosigkeit soll die Brutalisierung staatlichen Handels rechtfertigen. Dabei wird aber auch der schmale Horizont der herrschenden Politik deutlich. Denn alternativlos – und damit einzig zu rechtfertigen – sind Sozialabbau, Flüchtlingsabwehr und das Sortieren von Menschen in nützliche und unnütze nur unter der Bedingung zwanghafter Kapitalverwertung und Profitvermehrung. Deren alltägliche Katastrophen wiederum lassen die behauptete Alternativlosigkeit überhaupt erst plausibel erscheinen. Diese Tretmühle muss gestoppt werden. Dafür braucht es eine solidarische Bewegung, die über die Summe der persönlichen und nationalen Interessen hinaus denkt.

 

In Österreich und Deutschland ist eine solche Bewegung bislang nicht auszumachen. Die Unruhen, die Nordafrika, Griechenland und Portugal unter verschiedenen Vorzeichen aufwühlen, haben auf Zentraleuropa nicht übergegriffen. Die mageren sozialen Kämpfe drehen sich um die Verteidigung vermeintlich fortschrittlicher „sozialer Rechte“. Im Parlament wird gestritten, ob staatliche Transferleistungen monatlich um fünf oder acht Euro aufgestockt werden sollen. Wer mit solchen Minimalforderungen Politik macht, hat die Spielregeln und Zwänge staatlicher Herrschaft längst anerkannt. Ein Übriges leistet die Ideologie der „Sozialpartnerschaft“ zwischen Lohnabhängigen und Unternehmen. Am Ende stehen Reformen, die, am Maßstab der vorhandenen Produktivkräfte und der Möglichkeit einer solidarischen Gesellschaft gemessen, schlicht jämmerlich sind.

 

Der kommende Aufstand


Deutschland oder Österreich brauchen also offensichtlich keine Angst zu haben, dass plötzlich ägyptische Zustände ausbrechen. Dennoch befürchten diese Staaten, dass ihre Menschen die Spielregeln der kapitalistischen Gesellschaft umgehen könnten. Deshalb kontrollieren sie sie mit hoch technisierten Überwachungsmethoden, speichern Telefon und Internetdaten, lassen sie durch Ämter und Behörden bespitzeln, schleusen verdeckte Ermittler in linke Hochschulgruppen ein, und so weiter. Jede halbwegs gesellschaftskritische Position wird inzwischen als „extremistisch“ denunziert, und so auch der leiseste Gedanke verunglimpft, dass die Welt auch anders eingerichtet werden könnte. „Blühende Landschaften“ und „Wohlstand für alle“ werden auch längst nicht mehr versprochen. Der gute Staatsbürger von heute muss auf dem Markt zuschlagen können wie ein Hammer und einstecken wie ein Amboss. Nur „seines Glückes Schmied“ wird auf diese Weise kaum jemand.

 

Vielen Dank für die Blumen. Die Paranoia der staatstragenden Politik verdeutlicht nur ihre verzweifelte Lage. Sie muss den Kapitalismus bis zum Letzten verteidigen, doch verlockende Argumente dafür findet sie nicht mehr. Dass Staat und Kapital den Bedürfnissen der Menschen dienen, wird als Ideologie immer unglaubwürdiger. Auch der real existierende Sozialismus hat vor allem gezeigt, dass staatliche Strukturen keine Option auf Befreiung bieten. Staat und Kapital sind zusammen entstanden und lassen sich auch nur zusammen bekämpfen.

 

Staat und kapitalistische Produktionsweise zwingen alle, ihr Auskommen im Wettstreit gegen einander zu sichern. Krisen sind dabei unausweichlich, kein „Stresstest“ wird sie verhindern können. Sozialchauvinismus und Rassismus sind die neuen Leitideologien dieser Crash-Gesellschaft. Sie fordern Anpassung und Ausgrenzung gleichermaßen, erhöhen den Druck auf alle und jedes Einzelnen auf sich selbst.

 

Am 22. Juni trifft sich die Innenministerkonferenz in Frankfurt am Main. Der Bundesminister und seine Länderkollegen wollen neue Drangsalierungsmaßnahmen und Integrationsauflagen verabreden. ...UmsGanze! kommt auch, um folgendes klarzustellen:

 

Wir wollen eure Ordnung fallen sehen, lieber heute als morgen. Wir wollen eine Gesellschaft ohne Staat, Nation und Kapital – und ganz sicher ohne Ausländerbehörde. Für den Kommunismus!


...umsGanze im Mai 2011

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Meiner Meinung nach sehr gelungener Aufruf und ein interessanter beziehungsweise spannender Weg den das ..umsGanze-Bündnis dieses Jahr verfolgt. Gut zu sehen dass auch ihr so langsam an realpolitische Themen stößt, statt irgendeinem Theorie-Wirr Warr ohne eindeutige Linie! Anscheinend habt ihr die Kritik der letzten Jahre auch ernsthaft wahrgenommen und euch mit ihr auseinandergesetzt!

 

Mehr davon!

 

Für die soziale Revolution!

Für den Kommunismus!

Gut zu sehen dass auch ihr so langsam an realpolitische Themen stößt, statt irgendeinem Theorie-Wirr Warr ohne eindeutige Linie!

 

DAs sollte doch eig normal sein, das man sich am Anfang erstmal mit Theorie auseinandersetzt, anstatt blinden Aktionismus zu betreiben! Und das anfangs in der Theorie nicht alles immer Perfekt ist und sich erst ne "eindeutige Linie" suchen muss, ist doch auch normal vor allem, wenn man ein Bündnis aus mehreren Gruppen ist.

 

Anscheinend habt ihr die Kritik der letzten Jahre auch ernsthaft wahrgenommen

 

Meinst du die Kritik der Antideutschen?

Wenn nicht, dann sag mir bitte mal welche Kritik, weil das würde mich interessieren was es da noch für ne Kritik gab, weil von allen anderen kam sonst nur der Vorwurf das ...umsGanze selbst antid wäre (zumindest soweit mir bekannt).

passt sehr gut zu eurer diskussion.

der text der gruppe top aus der vorletzten phase2.

 

Zurück in die Politik! http://phase2.nadir.org/rechts.php?artikel=845&print=

Antinationale Kritik ist die Wahrheit des antideutschen Gefühls. Doch es kommt darauf an, sie praktisch zu machen.

 

Wer nicht an systematischer Wahrnehmungsverzerrung leidet, muss anerkennen, dass der »spezifisch deutsche« Nationalismus oft so spezifisch deutsch gar nicht ist. Vor allem ist er derzeit ideologisch nicht konsistent strukturiert, jedenfalls nicht konsistent völkisch. Es gibt eine quer laufende liberalistische Leistungsideologie und einen Sozialchauvinismus, der sich auch gegen Volksdeutsche richtet. Insofern ist die aktuelle ethnonationalistische Zuspitzung der »Sozialstaatsdebatte« zur »Integrationsdebatte« gerade kein Ausweis völkischer Disposition. Sie ist vor allem kein deutsches Spezifikum.

sowas hören antid's natürlich garnicht gerne ;-)