Bedenkt das Gedenken!
Der 23. Februar muss wieder den Pforzheimern gehören
Claudius Erb
PZ-Redakteur
Das
war der extreme Tiefpunkt: Der Gedenktag ist völlig aus dem Ruder
gelaufen. Bevor am Samstagabend Glockengeläut an den Luftangriff auf
Pforzheim am 23. Februar 1945 erinnerte, schrillten Martinshörner und
dröhnten Hubschrauber. Oben auf dem Wartberg wurde gekämpft statt
getrauert. Die Stadt bevölkerten so viele tumbe Neonazis, so viele
gewaltbereite Gegner und so viele Polizisten wie noch nie. Denkt
eigentlich noch jemand an die Bedürfnisse der Pforzheimer Bürger? Viele,
die noch im vergangenen Jahr zur Kundgebung auf dem Marktplatz gekommen
waren, sind zu Hause geblieben. Sie hatten Angst, ungewollt zwischen
die Fronten zu geraten. Vor allem aber können sie nicht verstehen, warum
kein gemeinsamer Weg gefunden wird, miteinander der Opfer der Kriege zu
gedenken und dem braunen Spuk zu begegnen. Sie können nicht
nachvollziehen, wieso monatelang über einer Formulierung für einen
Aufruf gebrütet wird, dem Teile des bürgerlichen Lagers dann doch die
Unterschrift versagen. Ganz klar: Es ist unabdingbar, im Widerstand
gegen rechtsextremistische Strömungen Kante zu zeigen. Aber einem großen
Teil jener, die die Stadt am Samstag im Wortsinn unsicher machten, ist
Pforzheim völlig egal. Die Korrespondenzen auf Facebook und Twitter
glichen denen von Hooligans vor Fußballspielen: Dagibt es Randale, da
muss man dabei sein. Wer schon auf dem Weg zum Wartberg Steine
aufklaubt, um damit später Polizisten zu bewerfen, der ist nur auf
Krawall gebürstet. Wie immer nach einer solchen Eskalation gibt es
Kritik wegen des massiven Einsatzes der Polizei. Aber wie groß wäre der
Aufschrei, wenn die Beamten tatenlos zusähen, wie sich Autonome die
Köpfe einschlagen und Leib und Leben Unbeteiligter gefährden? Die Demo
vor dem Rex-Kino, bei der so viele Menschen friedlich gegen Rechts
einstanden, wurde unterwandert und gnadenlos missbraucht. Ab sofort
müssen die Aufarbeitung und zugleich die Vorbereitungen für den 23.
Februar 2014 beginnen. Ohne Schuldzuweisungen und ideologisches Gezänk.
Auf einen Nenner kommen müssen alle, die den Missbrauch des Gedenktags
durch Neonazis verhindern wollen und die demokratischen Grundrechte
achten. Erst wenn sie alle zusammenhalten, werden Extremisten und
Militante endlich auf verlorenem Posten stehen.
Mensch kann gar nicht...
...so viel essen wie Mensch kotzen möchte.