Polizeidirektion bestätigt: Simon Bromma war/ist nicht alleine

do not question authority

Die Ausforschung der linken studentischen Szene in Heidelberg in den Jahren 2009/10 erfolgte nicht allein nur durch den von Antifaschistinnen enttarneten Polizisten Simon Bomma. In einer Klageerwiderung der Landespolizeidirektion im Regierungspräsidium Karlsruhe, dem die Polizeidirektion Heidelberg zugeordnet ist, wird erklärt: „4. Aufgrund dieser Erkenntnisse kam es zu Anordnung von Verdeckten Ermittlern.“ (Fehler im Original). Folglich kann auch nicht ausgeschlossen werde, daß noch immer beamtete Spitzel unterwegs sind, um die linke wie Umweltgruppenszene in Heidelberg auszuforschen.

 

Besonders abstrus gerät den staatlichen Juristen in dieser Klageerwiderung jedoch die Rechtfertigunglinie des Spitzeleinsatzes. Bei den Erkenntnissen handelt es sich nämlich um die folgenden:

 

  • In Heidelberg sei ein Anstieg „linksextremistisch motivierter Kriminalität“ [beim Bundeskriminalamt existiert eine Datei „Politisch motivierte Kriminalität links - Zentralstelle“ („PMK-links Z)“, auf die MitarbeiterInnen der Staatsschutzabteilungen der jeweiligen Kriminalpolizeien Zugriff haben] zu beobachten gewesen. Tatsächlich gab es in Heidelberg im Jahr 2009 einen starken Anstieg dieser „Kriminalität“: Mehr als 100 StudentInnen, die im Zuge des bundesweiten Bildungsstreiks aus Frust über ihre prekäre Lage friedlich das Rektorat der Neuen Uni besetzt hielten.
  • Auch der Vorwand einer in Flaschen gespeicherten brennbaren Flüssigkeit in einer WG weit ausserhalb - 60km - Heidelberg, darf nicht fehlen, obschon dieser völlig zusammenhangslose Vorgang, der in einem nicht rechtskräftigen Urteil "Besitz von Waffen" - einer Strafe unterhalb der gesetzlichen Voraussetzungen "erhebliche Straftaten erwarten lassen" - zur Rechtfertigung in Heidelbergs Politjustiz führte, um notdürftig eine "besondere Gefahr" zu konstruieren;
  • aufhorchen zu der Feindbestimmung lässt jedoch die Mutmaßung einer „eskalative Zuspitzung“ zwischen „rechts und links“, die erwartbar gewesen sein soll. Als Begründung hierfür listet die Polizei acht Demonstrationen auf, wovon sechs von Nazis angemeldet wurden. Antifaschistisches Engagement als Prognose einer Gefahr und dann noch Simon Bromma - und seine beamteten Kumpane? - mittendrin in der Antinazi-Gegendemo - Ein rechtsstaatlich höchst erbauliches Konstrukt!
  • Ausser jedem Grundrechtsverständis bewegen sich die Juristinnen zur Rechtferitgung des der gesetzlichen Voraussetzungen entbehrenden Spitzelanordnung jedoch dort, wo sie gar „Die fortdauernde Gefahr ergab sich gerade auch aus einer defizitären Erkenntnislage.“ herbeischwadronieren. Man merke: Nicht die (konkrete) Gefahr, sondern die nur aus einem Generalverdacht der Polizei gegen Links herrührenden, aber gerade fehlenden "Erkenntnisse" werden bemüht, um eine Gefahrandauer zu konstruieren!
  • Bei soviel Abstraktion von Realität und rechtsstaatlichem Bezug der Einsatzanordnung verwundert schon nicht mehr mit welch kaltschnäuzigen Arroganz und Ignoranz den gut von Simon Bromma allein in den Intimsphären ausgeforschten und mit Protokollen aktenkundig dokumentierten Menschen am Beispiel des Klägers ihre Ausforschung auch noch selbst zum Vorwurf gemacht wird: Als nicht Ziel - sondern Kontaktperson von gemutmassten "Gefährdern": „Hier ist darauf hinzuweisen, dass es ausschließlich die Entscheidung des Klägers war und ist, mit welchen Personen er in Kontakt tritt.“

Aber Hallo! Say Good Bye Grundrechte und Rechtsstaatsprinzip, say hello zur Republik des Generalverdachtes mit totalem staatlichen Ausforschungsanspruch!
Es ist Zeit, dass die grün-rote Landesregierung endlich ihren Koalitionversprechen Taten folgen lässt: Restlose Aufklärung der Spitzelaffäre und Änderung der gesetzlichen Bestimmungen, um nachhaltig derart wahnwitzige präventivpolizeiliche Amokläufe auszuschließen!

Radio Dreyeckland (kmm 6-3-12)

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

....den Wahrheitsgehalt dieses Artikels anzweifeln zu wollen aber man sollte im Hinterkopf behalten, dass ein aufgeflogener Bulle (Simon) für die Staatsgewalt fast wertvoller ist, als ein nicht aufgeflogener. Ich denke genug Menschen haben die Paranoiawelle mitbekommen die bundesweit über linke Strukturen geschwappt ist, nachdem dieser Maulwurf aus dem Loch gejagt wurde.

Von daher haben derartige "Bestätigungen" natürlich auch einen psychologischen Wert, denn wenn niemand mehr niemandem vertraut, weil sich alle vor dem allmächtigen Repressions- Spitzel- und Überwachungsorgan in die Hosen scheissen, haben sie auch ein Ziel erreicht, nämlich systemkritische Strukturen von innen heraus zersetzt und handlungsunfähig gemacht.

 

Schöner Schachzug ;)

Das ist zwar eine Theorie, die sich in linken Kreisen gerne hält, aber ich denke, das Gegenteil ist der Fall. Bromma war der erste Bulle, der nach seiner Enttarnung floh und dennoch zur Strecke gebracht wurde. Sein komplettes Leben wurde durchleuchtet und das dürfte für weitere potenzielle Spitzel durchaus abschreckend sein. Ich denke nicht, dass diese Zersetzung - mal abgesehen davon, ob sie überhaupt eingetreten ist - Ziel des Einsatzes war. Und die Heidelberger Strukturen sehe ich nicht im gleichen Maße geschwächt, wie die Repressionsstrukturen durch die öffentliche Sezierung des Spitzels sind. Spitzeleinsätze sind nicht nur das allerletzte, durch Bromma sind sie auch überaus unpopulär.

Was wäre denn die bescheuerte Schlussfolgerung aus deiner These?
Die Spitzel lieber unbehelligt weiterarbeiten lassen um das sichere Weltbild der linken AktivistInnen nicht zu stören? Das ist doch quatsch. Selbstverständlich müssen diese Spitzel geouted und an den Pranger gestellt werden.

.....wie dein Kommentar wäre das. Aber glücklicherweise ging es mir garnicht darum, die Maulwürfe unentdeckt zu lassen. Was ich kritisiere, ist diese Paranoia die irrationalerweise geschoben wird ".....jeder könnte ein Bulle sein!".

Versuch mal, nach einem Umzug in einer neuen Stadt in Aktivistenkreisen Fuß zu fassen, noch dazu, wenn du keine Dreads und Piercings hast bzw. allgemein den Lifestyle nicht so ǘbernimmst wie das alle anderen getan haben. Irgendein Arschloch findet sich dann garantiert, der das Gerücht in die Welt setzt du wärst ein Bulle. Klar, wer bescheid weiß, weiß auch, dass Herr Bromma im Rahmen seiner Spitzeltätigkeit durchaus diesen Lifestyle mit getragen hat, aber das wissen eben nur die Informierten.

 

Ein Konzept muss her, nach dem man vorgeht, um sich gegen Spionage wehren zu können, ohne überall Bullenspitzel zu sehen! Auch wenn jetzt wieder der nächste Troll kommen wird und behauptet, bisher würde alles richtig gemacht....."ja und wie willst du das machen?"....ja, das weiß ich auch nicht, aber darüber muss man sich mal Gedanken machen! Bullenoutings dienen der Vorsicht und der Information, aber nicht der Panikschürung, genau DAS wird aber momentan erreicht, und die Gegenseite weiß das.

 

Mag sein dass das in Heidelberg nicht so ist, aus dem einfachen Grund, weil dort die Leute über Bromma bescheid wissen bzw. ja allgemein Heidelberger die besseren Aktivisten sind ;) aber betrachtet man das bundesweit, und Menschen, die den Fall Bromma nur aus dem Internet und vom Hörensagen kennen, so benehmen sich viele Strukturen wie aufgescheuchte Hühner.

 

Denkt bitte daran, dass es Angst ist, die die bestehende Gesellschaft am Funktionieren hält! Angst vor karrieristischem Scheitern, Angst vor Fremden, Angst vor Terroristen und auch Angst vor Repression.

....ist dieser Artikel hier kein Outing, sondern einfach nur eine Aussage, dass es noch mehr Bullenspitzel gibt. Und genau deswegen schürt er ja Panik. Welchen Sinn wird es wohl für die Bullen haben, wenn sie, nachdem der Skandal um einen Vorfall in der Versenkung verlaufen ist, und sie merken, es passiert ihnen nichts, auf einmal auspacken dass sie das immer noch bzw. wieder tun und tun werden. War bei der Dresdner Funkzellenauswertung genau dasselbe, der alte Bullenchef musste deswegen, als Bauernopfer, gehen, aber der Neue kündigte an alles wieder genauso machen zu wollen. (Dass es -angeblich- nicht dazu kam, wissen wir alle, es geht mir dabei nur um die Androhung!)

 

Nun läuft es hier genauso, die Bullen wissen dass die parlamentarischen Ermittlungen zu Bromma im Sand verlaufen werden, und damit ist ihr Vorgehen zwar nicht legal, aber nicht nur dort, wo kein Kläger ist, sondern auch da, wo kein genau bekannter Angeklagter ist, ist kein Richter! Und jetzt packen diese Deppen aus, und behaupten, es gibt noch mehr Brommas da draußen.......

 

Welchen Sinn soll so etwas haben, wenn kein psychologischer?

Die packen nicht einfach aus, sie musste über viele Anfragen und viel Druck dazu gebracht werden, das zuzugeben. Was du machst, ist Paranoia schüren.

Das Auspacken kam erst, nachdem klar war dass von politischer Ebene genug Deckung vorhanden ist. Als ob eine Institution, der aberzogen wurde eigenes Handeln und dessen Legitimität kritisch zu hinterfragen, durch sogenannten Druck auf einmal einen Anfall von Selbstzweifeln bekommt und alles zugibt.

 

Ist für diese Spitzelaffäre jemand geflogen? Nein!

 

Hat für den 30.09.2010 in Stuttgart jemand wirklich Verantwortung übernehmen müssen? Nein!

 

Das sind nun ein paar Beispiele aus Baden-Württemberg, man könnte die Sache noch auf ganz Deutschland ausdehnen, aber feststeht, dass niemand innerhalb der Polizei von juristischer Seite hier jemals "Druck" verspüren muss, solange sich gegenseitig auf der Verwaltungsebene gekannt und gedeckt wird!

Diese Affäre könnte - ebenso wie der Bulleneinsatz im Park - Einfluss auf den Wahlausgang gehabt haben. Wenn du also polemisch Konsequenzen in Form von "Köpfe rollen" hören willst, dann kannst du dir die schwarz-gelbe Landesregierung anschauen, die ist nämlich komplett gegangen. Wie gesagt, sicher war Bromma nicht das entscheidende Moment, aber einen Beitrag geleistet hat er meiner Meinung nach schon.

ich könnte dein Vertrauen in den Parlamentarismus teilen. Aber wie kommt es wohl zustande, dass die neu gewählte Regierung die Sache dann wohl doch nicht aufdeckt? Also ein Haufen Scheisse den ihre erklärten Feinde aus der vorherigen Legislaturperiode zu verzapfen haben. Wobei man sagen muss, dass der Vergleich vielleicht zugegebenermaßen ein wenig hinkt. Der Bulleneinsatz in S ging "von ganz oben" aus, der Fall Bromma aber maximal vom LKA. Und da sitzen, genauso wie beim VS, den Staatsanwaltschaften, den Polizeien und allen anderen staatlichen Einrichtungen die nichts mit Politik zu tun haben, genau dieselben Leute wie vor der Wahl auch.

 

Ich wage dabei zu behaupten, dass im Kopf eines Polizeichefs oder Staatsanwalts die Bekämpfung linker Strukturen zur "Wahrung von Recht und Ordnung" über alles geht, völlig egal ob seine Handlungen indirekt zu einem Regierungswechsel führen, von dem er persönlich nicht betroffen ist.

Was für ein Vertrauen in den Parlamentarismus? Ich habe behauptet, dass der Skandal um Bromma Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben könnte. Ich habe nicht behauptet, dass die neue Regierung irgendwie besser sei oder die Sache eher aufklären wolle.

 

Meiner Meinung nach war das wichtigste am "Fall Bromma", dass gezeigt wurde, dass Spitzel auch nach der Enttarnung noch erfolgreich gejagt werden können. Es endete eben nicht so, wie es die Frankfurter Allgemeine Zeitung an jenem Sylvester vor etwas über einem Jahr gerne beendet hätte:

 

Gegen elf Uhr abends ging die Befragung auf der Straße dann zu Ende. Es entstand noch jenes Foto, und es fiel dieser Satz, nach dem man nichts mehr von ihm hören sollte. Dann ging der Mann, der sich Simon Brenner nannte, zu seinem Fahrrad, schloss es ab und fuhr weg.

wobei ich ja damals schon gewisse Zweifel an dem Ausgang hatte, den die FAZ beschrieben hat. Aber vielleicht ist es ja ein Bullentick, dass sie nur mit ABgeschlossenen Fahrrädern unterwegs sind ;)

1. Es ist schädlicher, wenn ein Spitzel nicht auffliegt, z.B. wenn es wegen seiner Ermittlungen zu Strafverfahren kommt oder Aktionen vereitelt, bzw. unterwandert/als Hinterhalt genutzt werden.

=>

(i) Es ist eine durchaus nützliche Info, dass es mind. einen weiteren Spitzel gibt.

(ii) Die Info ist mit hoher Sicherheit kein Fake. Auch das Zustandekommen der Info (Fehler der Pol.Dir. HD) spricht dafür.)

2. Es bestand doch von Anfang an der Verdacht, dass es zwei weitere Spitzel gibt aufgrund einer Veröffentlichung durch die Antifaschistische Initiative. Die Aktivist*innen in HD hingen also nun über 1 Jahr lang in der Luft und waren sich nicht im Klaren, ob es diese weiteren Spitzel tatsächlich gibt. Schon das gibt die Grundlage für Paranoia. Durch die jetzige Bestätigung dieses Verdachts ist eine klarere, eindeutigere Situation geschaffen worden. Man kann nun ohne Zweifel und mit den neuen Erkenntnissen anfangen mit dieser Situation klarzukommen (zumal wie ich hörte die Menschen aus HD mittlerweile sehr gut mit dem Problem "Spitzel" umgehen können).

3. Faktisch sind Spitzel schwer zu enttarnen. Im Fall Bromma handelte es sich um einen Zufall im Zusammenspiel mit Brommas mangelnder Professionalität was Geheimhaltung betrifft. Jede Art von Hexenjagd ist nicht erfolgversprechend und wie du schon angedeutet hast hinderlich für politisches Arbeiten. Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass in HD die Leute jetzt anfangen wieder Spitzel zu suchen oder gar wild Leute zu verdächtigen.

4. Der Cop ist auch im Kopf. Die Paranoia ist in den Köpfen. Deine Sorge ist nun, dass damit unser Handeln beeinflusst wird. Überhaupt der Sinn von Repression ist doch unser Handeln zu beeinflussen und weiter als bisher in kontrollierbare Bahnen und letztendlich in den (vorauseilenden) Gehorsam zu lenken. Das ist leicht zu erkennen. Der nächste Schritt liegt auf der Hand: Wir passen unser Verhalten in der Tat an die neue Situation an, aber nicht in der Form von Gehorsam. Wir können den Cop nicht nur nach außen, sondern auch nach innen bekämpfen. Wir können den Fall Bromma zum Anlass nehmen, unsere Prägungen, Konditionen, Verhaltensmuster zu hinterfragen und anzugreifen. Beim nächsten enttarnten Spitzel werden dann weniger Leute paranoid und die Strukturen weniger in Mitleidenschaft gezogen.

(Im Übrigen: Wenn, wie du behauptest, die Strukturen VON INNEN kaputt gehen, dann liegt es doch auf der Hand genau INNEN anzusetzen und nicht bei Infos die von außen kommen.)

Erstmal vielen Dank für den Artikel und das Interview!

 

Nur eine Sache zum letzten Punkt müssen wir richtigstellen:

Es handelt sich bei dem erwähnten Kläger nicht um eine Kontaktperson. Laut Einsatzordnung gab/gibt es zwei Zielpersonen und zwei Kontaktpersonen, sowie sieben "unvermeidbar betroffene Dritte Personen". Allen anderen spricht sprechen die Behörden ab, Betroffene gewesen zu sein. Dabei ist es ganz egal, ob Bromma Tag ein Tag aus in deren Wohnung verkehrt hat und mit ihnen zusammen politisch unterwegs gewesen ist. Fünf der Kläger_innen gelten als eben jene nicht betroffene Personen, deren Klage die Polizeidirektion mit obiger Begründung versucht als unzulässig darzustellen.

 

Hier unsere Presseerklärung zur Sache:

 

Pressemitteilung des „Arbeitskreises Spitzelklage“ zur Klageerwiderung der Landespolizeidirektion:

Regierungspräsidium Karlsruhe bestätigt offiziell weitere Spitzel in Heidelberg

Seit den Rechercheergebnissen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) vom Januar 2011 wissen wir von zwei weiteren verdeckten ErmittlerInnen der  Polizei, die in Heidelberg eingesetzt waren oder sind. Regierungs- oder Polizeikreise schwiegen bisher dazu: Ihre Existenz wurde bestritten oder es wurde, je nach  politischer Windrichtung, auf das eine oder andere angespielt. In der nun eingetroffenen Klageerwiderung des Regierungspräsidiums  Karlsruhe/Landespolizeidirektion wird nun von offizieller Seite aus bestätigt, dass es - abgesehen von Simon Bromma, der im Dezember 2010 enttarnt werden  konnte - noch weitere verdeckte ErmittlerInnen in Heidelberg gegeben hatte, indem konsequent im Plural gesprochen wird:


„4. Aufgrund dieser Erkenntnisse kam es zu Anordnung von Verdeckten Ermittlern.“
(Fehler im Original)

Die „Erkenntnisse“, mit denen die Rechtsabteilung der Landespolizeidirektion die Einsätze zu rechtfertigen versucht, sind eine Farce:
Ein in Heidelberg zu beobachtender Anstieg „linksextremistisch motivierter Kriminalität“ [beim Bundeskriminalamt existiert eine Datei „Politisch motivierte  Kriminalität links - Zentralstelle“ („PMK-links Z)“, auf die MitarbeiterInnen der Staatsschutzabteilungen der jeweiligen Kriminalpolizeien Zugriff haben] habe einen  Einsatz notwendig gemacht. Tatsächlich gab es in Heidelberg im Jahr 2009 einen starken Anstieg dieser „Kriminalität“: Mehr als 100 StudentInnen, die im Zuge  des bundesweiten Bildungsstreiks aus Frust über ihre prekäre Lage friedlich das Rektorat der Neuen Uni besetzt hielten. Die zu erwartende große  Gewaltbereitschaft bei diesem Anstieg der "PMK-links“ begründet das Karlsruher Regierungspräsidium mit dem zufälligen Fund mehrerer „gebrauchsfertiger Mollis“  in einer Wohngemeinschaft 50 Kilometer von Heidelberg entfernt; zwei damalige WG-Bewohner sind mehr als ein Jahr nach diesem Zufallsfund wegen des niedrigschwelligen Delikts des „Besitzes von Waffen“ zu äußerst harmlosen Strafen verurteilt worden (das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig).


Außerdem ist die Landespolizeidirektion der Meinung, eine „eskalative Zuspitzung“ zwischen „rechts und links“ erwarten zu müssen. Als Begründung hierfür listet  sie acht Demonstrationen auf, wovon sechs von Nazis angemeldet wurden. Skandalös ist die Erwähnung einer Gegendemonstration, an der Bromma selbst  teilgenommen hat. Allen Ernstes versucht also das Regierungspräsidium, den Spitzeleinsatz u. a. mit einer Veranstaltung zu begründen, an der der Eingesetzte  bereits aktiv teilnahm  Schlussendlich macht die Landespolizeidirektion selbst keinen Hehl aus den fehlenden Legitimationsmitteln für den massiven  Grundrechtsentzug:

„Die fortdauernde Gefahr ergab sich gerade auch aus einer defizitären Erkenntnislage.“

Würde diese Begründung rechtmäßig werden, dann müssten alle, die noch nicht zur gläsernen Bürgerin oder zum gläsernen Bürger geworden sind, damit rechnen,  von verdeckten ErmittlerInnen überwacht zu werden. Nicht, weil sie eine Gefahr darstellen, sondern nur, weil die Polizei aus einem Generalverdacht  heraus nicht weiß, ob sie eine Gefahr darstellen könnten. In dubio contra reo.


Als wäre dies der traurigen Realsatire nicht schon genug, wird pauschal allen über hundert Betroffenen, in deren intimste Lebensbereiche Bromma -stets protokollierend - eingedrungen ist und die zufällig nicht eine der vier Ziel- und Kontaktpersonen sind, der Grundrechtseingriff nicht nur abgesprochen:

„Der Einsatz war nicht gegen ihn (den Kläger, Anm. AKS) gerichtet, er war nicht Adressat der Maßnahme“,


sondern sogar als ihr eigenes Verschulden pervertiert:

„Hier ist darauf hinzuweisen, dass es ausschließlich die Entscheidung des Klägers war und ist, mit welchen Personen er in Kontakt tritt.“

Die Polizei hat als Trägerin des Gewaltmonopols neben ihrem primären rechtsstaatlichen Legitimationskonstrukt, die Eigentumsverhältnisse und die körperliche  Unversehrtheit der BürgerInnen der BRD zu schützen, auch noch die Aufgabe, Angriffe auf die Grundrechte, die Meinungsfreiheit und die Privatsphäre zu  sanktionieren und diese bürgerlichen Errungenschaften nicht etwa als missliebige Hindernisse in ihrem Überwachungswahn zu sehen.
Wir fordern die Landesregierung auf, personelle Konsequenzen zu ziehen.

Wir verlangen eine vollständige und ungehinderte Aufklärung des Spitzeleinsatzes, den sofortigen Abzug weiterer Spitzel in Heidelberg und ein sofortiges Ende der  Kriminalisierung linker Politik.
Bei weiteren Fragen oder Unklarheiten stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung:
Arbeitskreis Spitzelklage | ak-spitzelklage@riseup.net |
http://spitzelklage.blogsport.de/

Heidelberg, den 05.03.2012