Erneut stehen Nazis aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg vor Gericht. In den letzten Jahren gab es eine Vielzahl von Verfahren gegen zum Teil Einzelpersonen aus verschiedenen extrem rechten Verbindungen vor Ort. Nach diversen Verfahren gegen Mitglieder der heute aufgelösten «Nationale Offensive Herzogtum Lauenburg» und gegen Mitglieder der zum Teil lose organisierten örtlichen Kameradschaftsszene wurde zuletzt Anfang Februar Dieter Kleinschmidt, Mitglied der «Ost-Block Brotherhood», wegen rechter Hetze und Aufruf zu Straftaten im Internet zu einer Geldstrafe verurteilt. Am gestrigen Verhandlungstag mussten sich zwei Mitglieder der extrem rechten Gruppierung «Koberger Jungs» wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ vor dem Amtsgericht Ratzeburg verantworten. Dieser Straftatbestand wurde in dem Kreis direkt an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren vermehrt verhandelt.
In der lauenburgischen Gemeinde Borstorf mit ihren knapp 280 Einwohner_innen fand am 13. November 2015 ein Laternenumzug statt, welcher am örtlichen Dorfgemeinschaftshaus der Freiwilligen Feuerwehr Borstorf endete. Im späteren Verlauf beteiligten sich auch Miglieder der «Koberger Jungs», darunter die Angeklagten Marc Pöhls und Luca Scott Grabeleu. Gegen 22.30 Uhr befanden sich nach Schätzungen etwa 30 Anwohner_innen der Gemeinde und Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr im Dorfgemeinschaftshaus, als Marc Pöhls den Arm zum „Hitlergruß“ hob und dazu mehrmals „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“ gröhlte. Der Einzige, der sich an diesen Vergehen störte, war der Berufssoldat Leon K., der zusammen mit seiner Ehefrau deren Eltern in der Gemeinde besuchte. Als dieser Marc Pöhls auf sein Verhalten ansprach, kam es zur einer verbalen Auseinandersetzung. Die Dorfgemeinschaft ignorierte das Verhalten von Pöhls, obwohl er nach Aussagen von Zeugen wegen ähnlichen Delikten und anderen Vorfällen schon mehrmals negativ in Erscheinung getreten war.
Leon K. verließ zusammen mit seiner Ehefrau nach eigener Aussage frühzeitig die Veranstaltung, da er Angst gehabt habe, dass die angespannte Stimmung weiter eskalieren könne und seine schwangere Ehefrau gefährdet würde. Als Leon K. mit seiner Frau, deren Freundin und seinem Schwager im Auto ausparkte, versuchte Marc Pöhls in Begleitung mit Luca Scott Grabeleu ihn bei der Weiterfahrt zu behindern. Er hob erneut den Arm zum „Hitlergruß“ und skandierte dazu rechte Parolen. Leon K. fuhr mit seiner Begleitung zu dem etwa einen Kilometer entfernten Haus der Familie seiner Ehefrau, um dort zu übernachten. Kurz nach der Ankunft am Haus der Familie traf ein VW Golf ein. Am Steuer saß der Angeklagte Grabeleu, Beifahrer war Marc Pöhls. Unmittelbar darauf traf ein weiteres Fahrzeug ein, in dem weitere Mitglieder der «Koberger Jungs» saßen, darunter Felix Beeken und Sahin Bayrak, welcher eine treibende Kraft der extrem rechten Dorfszene in Koberg und Umland ist. Zusammen versuchten die Nazis Leon K. unter Druck zu setzen, indem sie bei ihm und der Nachbarschaft Sturm klingelten. Zudem skandierten sie unmittelbar vor der Haustür, dass er seine Meinung zu ändern hätte und sie ihn ansonsten totschlügen. Zudem berichtete Leon K., dass Pröhl ein Glas in Richtung des Hauses geworfen habe. Aus Angst vor der unmittelbaren Bedrohung verständigte die Familie von K.s Ehefrau die Polizei, welche kurze Zeit später die Personalien der anwesenden Nazis aufnahm. Ein Zeuge berichtete, dass Mitglieder der Freiweiligen Feuerwehr Borstorf über die Vorkomnisse vor der Wohnung von Leon K. informiert worden und ihm und seiner Ehefrau zu Hilfe geeilt seien. Durch den alkoholisierten Zustand der Helfer_innen war dies jedoch nur noch zu Fuß möglich, so dass diese in der zeitlichen Abfolge nach der Polizei eintrafen.
Die Staatsanwalt hielt Pöhls nach Aktenlage vor, dass dem vorausgegangenen „Hitlergruß“ ein weiteres Vergehen zu Grunde liege. Pöhs soll auf seinem Handy Medien der extrem rechten Szene abgespielt bzw. gezeigt haben, in denen unter anderem gegen Geflüchtete gehetzt worden sei. Dies wurde im Verlauf des Verfahrens nicht weiter berücksichtigt. Zeugen berichten zudem, dass Pöhls bereits im Dorfgemeinschaftshaus über Handy versuchte hätte, seine Kameraden zu verständigen, um gegen Leon K. vorzugehen. Er soll unter anderem in einer Whats-App-Gruppe um Unterstützung gebeten haben, was ein möglicher Grund dafür gewesen sein könnte, dass ein weiteres Fahrzeug der «Koberger Jungs» vor dem Elternhaus von K. Ehefrau ankam.
Pöhls, der sich durch seinen Rechtsanwalt Pfeiffer vertreten ließ und sein Mitangeklagter Grabeleu, der ohne Rechtsbeistand vor Gericht erschien, verweigerten zunächst die Aussage und machten keine Angaben zur Sache. Rechtsanwalt Pfeiffer ließ als Zeugen den Arbeitgeber von Pöhls vorladen, welcher schilderte, dass sein langjähriger Angestellter – erst als Auszubildender, später als Geselle – niemals „rechtsradikale“ Äußerungen getätigt hätte. Pöhls habe in seiner Firma auch schon mit „Ausländern“ und „Afrikanern“ zusammengearbeitet. In der Firma wurde erzählt, dass der „Afrikaner“ „müffeln würde“, dies sei jedoch keine Aussage von Pöhls gewesen. Er sein ein „guter Auszubildener gewesen und ein noch besserer Geselle“. Er habe nichts mit „Rechtsradikalismus“ zu tun, dafür würde er seine Hand ist Feuer legen.
Die Beweislast der vorausgegangenen Zeugen war jedoch so erdrückend, dass Rechtsanwalt Pfeiffer sich zu einem Rechtsgespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit bereit erklärte. Nach dem Rechtsgespräch wies der Vorsitzende Richter die Angeklagten darauf hin, dass ein vorläufige Einstellung nur in Frage komme, wenn Angaben zur Sache gemacht würden. Dies willigten die Angeklagten ein.
Grabeleu, der dem Verfahren mit verschränkten Armen und oftmals abwesend beiwohnte, schilderte, dass er nicht viel mitbekommen habe. Er sei mit Freunden auf dem Weg zur Disco in den „Fun-Park“ in Trittau gewesen. Auf Nachfrage zum zeitlichen Ablauf der Geschehnisse musste Grabeleu eingestehen, dass er das Fahrzeug gefahren habe und dass er Leon K. vor dessen Tür mit dem Tode bedroht habe. Dies sei jedoch nicht „ernst gemeint gewesen“, so Grabeleu weiter.
Pöhls sagte aus, dass er sich an den Abend nicht mehr erinnern könne. Seine Eltern, welche ebenfalls der Verhandlung beiwohnten, schilderten ihm am nächsten Morgen, dass er „kalt gespuckt“ haben soll. Auf Nachfrage des Richters gab er im späteren Verlauf zu, dass er den „Arm gehoben“ habe. Er könne sich vorstellen, dass er einige Dinge „aus Provokation“ getätigt habe, er sei aber kein Nazi. Er würde mit „Ausländern“ zusammenarbeiten und habe kein Problem mit diesen. Zu den «Koberger Jungs» hätte er nur sporadischen Kontakt, man kenne sich halt. Zu einigen von Ihnen hätte er ein freundschaftliches Verhältnis, würde deren Meinung aber nicht vertreten.
Die verfahrensbeteiligten Parteien einigten sich auf eine vorläufige Einstellung des Verfahrens mit Auflage einer Geldstrafe, sowie einer Eintragung im Jugendstrafregister. Der Vorsitzende Richter ordnete nach Grundlage der Einkommen eine Geldstrafe für Pöhls in Höhe von 1.000 Euro und für Grabeleu von 500 Euro an.
• Einschätzungen & Kommentar
Wir als Antifaschist_innen wollen nicht über ein „gerechtes“ Strafmaß diskutieren. Wir sehen es auch nicht als unsere Aufgabe an, juristische Straftaten aufzuklären. Dennoch sehen wir es als unsere Pflicht, uns in Prozesse einzumischen; gewisse Ermittlungsschritte können wir kritisieren. Wir müssen extrem rechte Verbindungen benennen, diese aufzeigen und entschieden bekämpfen. Unser Anliegen muss es sein, dafür zu sorgen, dass extrem rechte Strukturen nicht aufkeimen und dessen Verbindungen zerschlagen werden.
In dem Verfahren gegen Marc Pöhls und Luca Scott Grabeleu verwundert es uns nicht, mit welcher Vehemenz versucht wird, das Verfahren zu entpolitisieren. Gleiches haben wir bereits in anderen Verfahren wie gegen Sven Schrader erlebt, dessen mögliche Verbindungen zu extrem rechten Strukturen kaschiert wird und der mit einer abenteuerlichen Geschichte versucht hat, den Fund hunderter Waffenteilen klein zu reden.
Es stört uns, dass die einzelnen Vorkommnissen nicht angemessen in Verbindungen gebracht werden. Am Ende interessiert sich das Gericht nur dafür, ob Pöhls den Arm gehoben hat oder eben nicht. Es geht aber nicht darum, ob ein Dorfnazi – in seiner geistig eingeschränkten Art und Weise – unter Einfluss von Alkohol „seinen Arm nicht unter Kontrolle hat“, sondern darum, dass die Strukturen wie die «Koberger Jungs» maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass rechtes Gedankengut unkommentiert hingenommen wird. Wäre Leon K. – so sehr man ihn für seine berufliche Tätigkeit als Soldat verachten mag – nicht eingeschritten, hätte die Dorfgemeinschaft in Borstorf rechte Übergriffe kommentarlos hingenommen – sicher nicht zum ersten Mal.
Das Verhalten der «Koberger Jungs» in diesem Fall zeigt auf, wie unverkrampft der Umgang mit Nazis in Dorfgemeinschaften bzw. ländlichen Bereichen ist. Pöhls hätte sich mit seinem „Sieg“ am Feuerwehrhaus zufrieden geben können, doch scheint eine Kritik gegen das Zeigen des „Hitlergrußes“ schon so schwerwiegend an ihm zu nagen, dass er sich dazu entschließt, die Situation noch zu eskalieren und Menschen in ihrem persönlichen Rückzugsraum mit dem Tode zu bedrohen. Morden hat bei Nazis Tradition.
Die «Koberger Jungs» werden nicht ohne Grund die halbe Nachbarschaft wach geklingelt haben. Es liegt auf der Hand, dass hier ein Versuch unternommen wurde, Grenzen abzustecken und ein Exempel zu statuieren. „National befreite Zonen“ gab es in Kreis Herzogtum Lauenburg leider auch schon in der Vergangenheit.
Absolut unbegreiflich ist das Verhalten der vorgeladenen Zeugen. Auf Nachfrage des Gerichts möchte sich niemand zu den «Koberger Jungs» äußern. Angeblich kann keiner konkrete rechte Aktivitäten benennen, obwohl bereits vor wenigen Monaten ein Rechtsrockkonzert in Koberg, welches nur 5 km von Borstof entfernt liegt, für überregionale Schlagzeilen sorgte. Dies ist nicht das erste Konzert, das die «Koberger Jungs» die letzten Jahre im Umland organisierten – nicht er erste Übergriff, nicht die erste Aktivität.
Pöhls Arbeitgeber scheint Gespräche über das „Müffeln bei Afrikanern“ in seiner Firma wahrzunehmen, doch scheint er die Augen verschlossen zu halten, wenn es darum geht die tiefbraunen Akivitäten seines Gesellen zu benennen oder auch nur zu erkennen. Es steht außer Frage, dass Pöhls und Grabeleu Mitglieder der «Koberger Jungs» sind. Bilder, welche von der Nazi-Struktur selbst veröffentlichen wurden, sind ein Zeugnis ihrer Zugehörigkeit. Grabeleu zeigt sich bei Dorfveranstaltungen mit einem „Ehre und Treue“-T-Shirt und beide machen aus ihrer Gesinnung keinen Hehl. Doch niemand hat das Rückgrat sie als das zu benennen, was sie sind.
Wir werden euch diese Bürde abnehmen: Es sind Nazis, Menschenfeinde, Menschen die kein Problem damit haben, Mordandrohungen gegen politische Andersdenkende offen auszusprechen. Menschen, die durch ihr Handeln dazu beitragen, dass ein Klima gegen Geflüchtete geschürt wird und in der Konsequenz Verantwortung tragen das Unterkünfte für Geflüchtete brennen.
Antifaschistische Koordination Lübeck
Antifaschistische Aktion Herzogtum Lauenburg
Namen & Adressen
Marc Pöhls
*07.08.1995 in Hamburg
Möllner Straße 21
23881 Borstorf
Luca Scott Grabeleu
*13.06.1996 in Lüneburg
Dorfstraße 16
21481 Schnakenbek
Sahin Bayrak
*16.09.1992 in Ostercappeln
Rosenstraße 18
21516 Tramm
Felix Beeken
*30.07.1992 in Hamburg
Kirchenstraße 22
22969 Witzhave
Arbeitgeber
Marc Pöhls
Wolf-Dieter Lange
Tischlerei Lange e.K.
Inhaber Wolf-Dieter Lange
Theodor - Körner - Straße 8
21514 Büchen
Fahrzeug
Marc Pöhl
VW, Weinrot
RZ MP 7895
Eltern
VW, Silber
RZ DY 22
Sahin Bayrak
Sahin Bayrak war im rechten Online-Shop "Division Strassenjungz" als Model zu sehen:
Sahin Bayrak
..so heissen echte Deutsche!;)
denic abfrage
das Impressum der strassenjungz-website ist unvollständig - eine Denicabfrage spuckt den Inhaber der Domain aus.
Florian Groth
Gehört Florian Groth, welcher auf den Bild mit Luca Scott Grabeleu zu sehen ist ebenfalls zu den „Koberger Jungs“?
Florian Groth
Florian Groth ist Mitglied der „Koberger Jungs“
Adresse
Florian Groth
*27.11.1991 in Mölln
Kieferweg 21
21516 Wolterdorf
Koberger Jungs & Ehrlichkeit?
Folgende Stellungnahme verteilten die „Koberger Jungs“ und dessen Umfeld im Bezug auf das Rechtsrock, welches am 11.06.2016 in Koberg in der Gaststätte „Zum Koppelkaten“ stattfand. Als Band spielte u.a. die Rechtsrockband „Kategorie C“.
Gute Arbeit!
Schlimmer als der Eintrag in das Jugendstrafregister, scheint mir der Artikel und dessen Kommentare zu sein.
Pöhls & Grabeleu - gibt euch ein Ruck, eure Infos und steigt aus!
Nazi sein heißt Probleme kriegen!
WOW
Habt ihr antifaschistischen Geheimdienst da oben? Lückenloser Bericht, super Dossier. Weiter so!