Dieser Text ist ein Versuch einer groben Einordnung der rassistischen Situation und den offenen autoritären Entwicklungen im letzten Jahr in Deutschland (mit Focus auf Sachsen insbesondere Dresden und Umgebung). Er soll als Diskussionsgrundlage dienen, weiter ergänzt und kritisiert werden. Es gab zu keinem Zeitpunkt den Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr wurden einzelne Ereignisse gewählt, um eine Entwicklung zu verdeutlichen.
Der Rechten ist es gelungen eine Bewegung auf die Straße zu bringen. Ihr Zentrum ist Dresden und das Umland der Stadt, die fast wöchentlich Aufmärsche oder Kundgebungen mit tausenden von TeilnehmerInnen auf die Straße bringt. Dresden ist schon länger eine Stadt die (zumindest in Teilen) als Homezone für Nazis gilt. Auch wenn die großen geschichtsrevisionistischen Demonstrationen zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens durch antifaschistische Kampagnen und bundesweite Mobilisierungen medienwirksam verhindert werden konnten, stand dies nie symbolisch für die alltäglichen Kräfteverhältnisse. Auch die staatliche Repression machte deutlich, dass antifaschistischem Handeln im Freistaat Sachsen ein rauer Wind entgegen weht. Auch wenn die Dresdner Naziszene ohnehin schon stark ist, ist zu beobachten, dass ein großer Teil organisierter und militanter Neonazis aus dem Umland anreist und eng mit der Dresdner Szene verknüpft ist. In den umliegenden Orten von Dresden gibt es auch schon länger etablierte, organisierte Nazistrukturen. Der rassistisch geführte Diskurs über Flucht- und andere Migrationsbewegungen in Politik und Medien und dem größten Teil der Gesellschaft hat es den organisierten Nazis möglich gemacht in den Orten und Regionen in denen es kaum antifaschistischen Widerspruch gibt, die Deutungshoheit der Geschehnisse zu erlangen. Durch PEGIDA konnte eine Bewegung geschaffen werden, die enorm schnell radikalisiert. Nicht nur den gesellschaftlichen Diskurs, sondern auch die Beteiligten an der Bewegung selbst. Durch das fast wöchentliche Treffen bei PEGIDA ist ein enormes Gemeinschaftsgefühl erwachsen. Es wurden Kontakte geknüpft und genetzwerkelt. Auch hierbei sind die organisiert angereisten Gruppen aus dem Umland (wie z.B. Freital, Heidenau, Pirna, Meißen,…) von Bedeutung. Durch ihre Präsenz beeinflussen sie die Diskussion innerhalb der Bewegung. Dazu kommt, dass organisierte Reisegruppen Anschlussmöglichkeiten für nicht organisierte bieten und so eine Möglichkeit darstellen in Kontakt zu kommen (zu politisieren) und in längeren Gesprächen ihre Weltanschauungen zu festigen und zu propagieren. In der Präsenz nach außen möchten sie zum einen vermitteln (z.B. auch über Fahnen), dass PEGIDA nicht nur von Dresden gestützt wird, also breiter aufgestellt ist, und zum anderen treten sie als organisierte Gruppen auf, von denen Gewalt ausgeht. Zusätzlich sorgen sie für ein größeres Stammklientel.
Ideologisches Grundgerüst
Die beiden Hauptthemen von PEGIDA, die Hetzte gegen Geflüchtete (Fremdenfeindlichkeit) und die Islamfeindlichkeit gehen einher mit der Identifikation mit Volk und Nation und bei den meisten auch mit einem nicht weiter definierten „Christlichen Abendland“. Dies spricht ein ziemlich weites Spektrum unserer Gesellschaft an, wovon nur ein Bruchteil auf der Straße partizipiert. Durch PEGIDA ist ein Forum entstanden, in dem Menschen aus der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ mit verschiedensten außerparlamentarischen Strömungen der Rechten in Verbindung kommen. Ob VerschwörungstheoretikerInnen oder Hooligans, Burschenschaften oder christliche FundamentalistInnen, ReichsbürgerInnen oder Neonazis. Deshalb war es auch so wichtig, dass PEGIDA möglichst lange ein bürgerliches Image pflegte (und Politik und Medien den Dialog möglichst lange suchen). Durch die Diskreditierung von allen externen Informationen als „Lügenpresse“ oder als gezielt gestreute Fehlinformation wahlweise von „den Juden“, vom Staat oder „der Antifa“, wird auch hier die Inhaltliche Deutungshoheit erlangt. Durch direkte Begegnungen und Internetforen (Bspl. PI News) wird ein eigenes Informationsnetzwerk aufgebaut, das in der Bewegung als vertrauliche Quelle gilt. So radikalisiert sich eine ganze Bewegung (abgeschottet von äußeren Informationen und Argumenten) und trägt dazu bei, dass sich der gesellschaftliche Diskurs weiter in Richtung autoritärer Ansätze verschiebt.
Allen AkteurInnen gemeinsam sind die Konstruktionen des Volks und der Nation. So schaffen sie es trotz innerer Widersprüche der rechten Bewegung gemeinsam gestärkt hervor zu gehen. In (vermeintlichen) Krisensituationen, ist in breiten Teilen der Gesellschaft eine Abgrenzung eines vermeintlichen Wir zu beobachten. Dies findet oft auf verschiedenen Ebenen statt. So z.B. die Volksgemeinschaft, als größerer Zusammenhang oder die konservative Familie im Kleinen. Das Patriachat ist einer der Fundamente autoritärer Gesellschaftsentwürfe. Umso mehr Menschen an Volk und Nation glauben, desto größer ist das Potential der rechten Bewegung (und der einzelnen Strömungen), welches sie mit ihrer Propaganda erreichen können. Aus diesem ergibt sich ein Mobilisierungspotential, worin wiederum ein Rekrutierungspotential besteht.
Kurze Skizzierung der Entstehung der Bewegung
Nachdem im Sommer 2013 in Berlin Hellersdorf rassistische Proteste gegen ein Lager für Geflüchtete in der Carola-Neher-Str. durch antifaschistische Interventionen und kontinuierliche Arbeit vor Ort vorerst zurück gedrängt werden konnte, folgte im zweiten Halbjahr 2014 eine rassistische Mobilisierung, die auch 2015 weiter andauerte. Der vorerst größte Höhepunkt in Marzahn endete in einer rassistischen Demo mit 600 TeilnehmerInnen Ende 2014, die bundesweit mediale Beachtung fand. Die „Nein-zum-Heim Initiativen“ scheinen ein gutes Format für Nazis zu sein, mit anderen Menschen zu demonstrieren und gemeinsame rassistische Positionen zu propagieren. So konnten sie ihre „Isolation“ aufbrechen und es entstanden bundesweit „Nein-zum-Heim Initiativen“ und „Bürgerwehren“. Spätestens HOGESA 2014 hat gezeigt, dass die rassistische Mobilisierung auch das Hooliganspektrum ansprach und das die Fluchtbewegung und die gesellschaftliche Reaktion auf diese, viel Potential für das Politisieren dieses Spektrums beinhaltet. Zwar schafften sie es bisher nicht zu einem Revival der "Massenmilitanz“ im Oktober 2014 in Köln, jedoch fanden einige von ihnen ihren Platz in der Bewegung, z.B. als OrdnerIn oder um den „Schutz“ zu organisieren. Die „Jungs fürs grobe“ finden in der Bewegung Anerkennung für ihre Rolle und werden so von dem/der gewaltsuchenden AlltagsrassistIn zum/zur nicht weniger gewalttätigem/n politischen AkteurIn.
Schnell etablierte sich Dresden als Zentrum der aufkeimenden Bewegung. Durch das Entstehen von PEGIDA und den Ablegern entstand eine mediale und politische Aufmerksamkeit, die der Bewegung zugestand, tatsächlich politische Einflussmöglichkeiten zu besitzen. Doch anstatt die Bewegung zu isolieren und offensiv gegen sie anzugehen, wurden die RassistInnen als „besorgte Bürger“ verharmlost, deren Sorgen (nicht nur rassistische Vorurteile und Einstellungen) man ernst nehmen müsse. So wurde und wird in großen Teilen der Gesellschaft der Dialog gesucht und damit Rassismus als legitimer Standpunkt akzeptiert, den es zu diskutieren lohnt. Was vor dem ideologischen Hintergrund, dass Geflüchtete weithin als Bedrohung gesehen werden und die faktisch schon bestehende Festung Europa (innerhalb und außerhalb) fleißig ausgebaut wird, nur folgerichtig ist. Hier zeigt sich die breite Verankerung rassistischer Denkweisen in dieser Gesellschaft ganz klar und offen. Über das Konstrukt der bürgerlichen Mitte wird der Dialog legitimiert.
In dieser gesellschaftlichen Stimmung werden zunehmend künftige und bewohnte Lager für Geflüchtete angegriffen. Während die Brandanschläge vorerst meist unbewohnte Lager trafen, schien sich dies spätestens seit Mitte 2015 geändert zu haben. Zunehmend werden auch bewohnte Lager angezündet und auch Angriffe auf Geflüchtete, die dezentral in Wohnungen untergebracht wurden, mehren sich. Ausschreitungen und Belagerungszustände wie in Dresden, Freital und Heidenau, die durch das bewusste Nichthandeln der staatlichen Behörden und der Polizei erst in dieser Form entstehen konnten, sind Finstere Ausblicke auf Kommendes.
Zunehmend werden bei den Rechten auch für sie untypische Aktionsformen ausprobiert. Im Dresdner Stadtteil Übigau richteten RassistInnen eine Art Mahnwache als Blockade des Zugangswegs zum Lager für Geflüchtete. Obwohl die Mahnwache angab die „Blockade“ zu räumen, wenn sie dazu aufgefordert würden, wurde darauf verzichtet und lieber ein neuer Zufahrtsweg errichtet, um drinnen mit den Aufbauarbeiten zu beginnen. Auch gab es bei der Verteilung von Geflüchteten in Sachsen Blockaden von Bahnhofsvorplätzen (Freiberg und Meerane) und Besetzungen von taktisch guten Kreuzungen, um den Transport von Geflüchteten per Bus zu stören. An Silvester wurde von einer rassistischen Initiative ein Ultimatum an die Stadt Dresden gestellt. Die Geflüchteten sollten innerhalb von 14 Tagen wieder verschwinden. Glücklicherweise hatte das erfolglose Ultimatum bis jetzt keine bekannt gewordenen Folgen auf der Straße.
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Mit Freital und Heidenau gewann die Stimmung nochmal an Schärfe. Die RassistInnen zeigten militante Straßenpräsenz vor und gegen Lager von Geflüchteten. Sowohl in Freital, als auch in Heidenau baute sich der „Protest“ über mehrere Tage auf. Während in Freital die Gewalt gegen Menschen noch hauptsächlich im Umfeld der Veranstaltung (Hin- und Rückweg) stattfand, ging die Gewalt in Heidenau in eine Art „Massen“-militanz über. Dabei war eine alarmierend gute Organisierung der Nazis zu erkennen. So gab es am Samstag neben dem Angriff auf der Straße einen weiteren koordinierten Angriff auf die antifaschistische Kundgebung aus anderer Richtung. Auch eine Art improvisierten Checkpoint auf der Landstraße hatten sie errichtet, an dem Fahrzeuge gestoppt und zumindest vereinzelt zurückgeschickt wurden.
Der PEGIDA-Geburtstag am 19.10.15 war ein nächster Schritt. Organisierte RassistInnengruppen schafften es am Ende des Tages deutlich die Straßen zumindest in der Altstadt zu dominieren. Vielerorts wurden Gegendemonstrant*innen gejagt und angegriffen.
Der PEGIDA-Geburtstag war ein länger feststehender Termin und so gab es sowohl von PEGIDA, als auch von antifaschistischer/antirassistischer Seite eine bundesweite Mobilisierung. Nachdem eine organisierte Gruppe aus 200-300 RassistInnen ohne jegliche Polizeibegleitung (mit Fronttransparent und unter Rufen wie: „Hier marschiert der Nationale Widerstand“) vom Hauptbahnhof zur PEGIDA-Kundgebung demonstrierte, lief es an anderen Zugangswegen für die RassistInnen nicht ganz so reibungslos. Während der Kundgebung zerstreuten sich die Gegendemonstrant*Innen um möglichst an allen Zugangspunkten präsent zu sein, einige suchten auch nach Gelegenheiten wenigstens in direkte Sichtweite zur Kundgebung zu gelangen. Nach Beendigung der PEGIDA-Kundgebung zogen organisierte Gruppen durch die Altstadt und griffen immer wieder Menschen an, die sie als nicht zu ihrem Volkskörperweltbild gehörend betrachteten und lieferten sich vereinzelt kleinere Scharmützel mit den Bullen. Nach dem eine antirassistische Demo zurück in die Neustadt stattfand, um eine Möglichkeit des sicheren Rückzugs anzubieten, fanden auch dort im Nachhinein Angriffe durch RassistInnen statt.
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Am 21.12.15 wollte PEGIDA in die Neustadt ziehen. Nachdem am 12.12.15 der Versuch von Neonazis durch Connewitz zu laufen, von Auseinandersetzungen zwischen Antifaschist*Innen und den Bullen begleitet wurde, wollte PEGIDA klarstellen, dass sie in Dresden laufen wo sie wollen. So gab es eine überregionale Mobilisierung zu diesem Termin, welche auf antifaschistischer Seite eher gering ausfiel. PEGIDA wurde per Auflage an den Rand der Neustadt verlegt und auf beiden Seiten nur stationäre Kundgebungen erlaubt. Nach halbherzigen Versuchen von Antifaschist*Innen die weiträumige Trennung zu überwinden, hatten sie sich verstreut oder wieder zurückgezogen. In Autokonvois organisierte Gruppen von RassistInnen bewegten sich unabhängig von PEGIDA durch die Neustadt. Als sich eine dieser Gruppen dem AZ Conni näherte, bewegte sich eine größere Gruppe Antifaschist*Innen in ihre Richtung, wurden allerdings von Bullen gestoppt und in Richtung AZ getrieben. In der Folge wurde das AZ umstellt und ca. 10 Personen von den Bullen gefilzt und kontrolliert. Andernorts in der Neustadt wurde eine Gruppe Antifaschist*Innen von einer 20-30 köpfigen Gruppe RassistInnen angegriffen. Im Nachhinein wurde eine Person bewusstlos in einer Seitenstraße gefunden.
Silvester und die Bullen
Wenn in Heidenau der braune Mob angreift, hat die Polizei angeblich keine Hundertschaft mehr zur Verfügung. Hätte es zum gleichen Zeitpunkt eine Scherbendemo in Dresden gegeben, wäre bestimmt recht schnell eine da gewesen. Wenn in Leipzig ein paar Mülltonnen brennen und die Polizei ihrem Beruf nachgeht die Steine abzufangen, damit es nicht „die Richtigen“ trifft, wird von „Straßenterror“(nicht etwa von den Nazis) gesprochen. Und folgerichtig wird zu Silvester in Connewitz das Grundrecht auf Versammlung eingeschränkt, während die Polizei in Dresden keine Notwendigkeit dazu sieht Lager in der Silvesternacht besonders zu schützen, obwohl am Abend vorher eine teilweise vermummte Demo unter Böllerwürfen und mit Fackeln durch Laubegast zog.
LEGIDA-Geburtstag (Leipzig 11.01.16)
Während LEGIDA durch Leipzig marschiert gibt es zeitgleich eine organisierte Scherbendemo, durchgeführt von ca. 250 RassistInnen in Connewitz. Auch eine weitere Gruppe von ca. 50 RassistInnen ist unabhängig von der Demo durch die Stadt gezogen. Antifaschist*Innen, die sich in Bewegung setzen wollten wurden von der Polizei gekesselt und so daran gehindert einzugreifen, während ihr eigener Kiez von organisierten RassistInnen angegriffen wurde. Abgesehen von einer größeren Gruppe Nazis, welche die Bullen nach der Scherbendemo eingekesselt und abtransportiert hatten, konnten sich die restlichen RassistInnen auch in größeren Gruppen lange ungestört bewegen. Trotz 2000 Bullen mit Pferden, Räumpanzern und einigen Wasserwerfern, haben sich die Bullen zum Großteil darauf beschränkt, Antifaschist*Innen vom Eingreifen abzuhalten und die Nazis und ihre Autos am Rand von Connewitz zu schützen. Über Twitter drohten RassistInnen abends Einzelpersonen durch die Nennung des Namens und der angeblichen Straße in der die Person wohnen soll. Einen ähnlich organisierten Naziangriff in Connewitz hat es das letzte Mal in den 90igern gegeben.
Dazu gab es in den Tagen vor der Demo gegen Kassek (Grüne) und Nagel (Linke) Morddrohungen.
Ein besonderes Augenmerk in der Analyse sollten wir auch auf diese Aspekte richten:
Das letzte Jahr hat gezeigt, dass einige AkteurInnen, die schon Anfang der neunziger aktiv waren, heute wieder aktiv geworden sind z.B. organisatorische Aufgaben übernehmen. Durch die rassistische Stimmung in der Gesellschaft, werden alte Kader wieder motiviert, klinken sich in bestehende Netzwerke ein und bringen alte Kontakte mit. So ist der „besorgte“ Rassist, der versuchte die Kölner OB Henriette sowieso mit einem Messer umzubringen, schon aus den 90igern bekannt.
Wieder ausgegrabene und erneut veröffentlichte Rechercheartikel aus den 80igern und 90igern könnten wahrscheinlich hilfreich sein, um die Entstehung von (vermeintlich) neuen Netzwerken besser nachvollziehen zu können.
Auch ist auffällig, dass einige AkteurInnen in wichtigen organisatorischen Rollen in ihrer Kindheit in Kaderlagern der Naziszene (die seit den 50igern mehr oder weniger ununterbrochen in (West-)Deutschland stattfinden) waren. Sie sind also seit dem Drill der Kindheit psychisch und physisch dazu geschult worden, eine solche Bewegung ins Leben zu Rufen und sie zu steuern.
Momentan treffen ihre Bemühungen auf fruchtbaren Boden. Wir dürfen nicht den Fehler machen sie zu unterschätzen. Es gibt lange bestehende Strukturen, die sich eine rechte Bewegung herbeigesehnt haben und die im letzten Jahr verdammt schnell ein enormes Potential entfalten konnten. Sie schaffen es eine Dynamik zu entfalten, in der sie Anschlussfähigkeit an große Teile der Gesellschaft haben.
Die Arbeit rechter Think-Tanks sollte mehr ausgewertet und in die Analysen stärker mit aufgenommen werden. Zwar zeugt das Gerede von einer konservativen Revolution auch in der jetzigen gesellschaftlichen Situation von Spuren des Größenwahns, jedoch verdeutlicht es auch, wie bestätigt und motiviert sie sich durch die Präsenz einer Rechten (außerparlamentarischen) Bewegung auf der Straße fühlen. Es werden zwar einzelne AkteurInnen wie Elsässer und sein Compact-Magazin angegangen, jedoch scheinen die Think-Tanks in der Regel nicht die Aufmerksamkeit zu bekommen, die sie verdienen. Wer versucht die großspurigen Formulierungen zu ignorieren und die Texte auf seine Inhalte reduziert, wird feststellen, dass durchaus durchdachte Ansätze dahinter stehen die bestimmte Impulse in die Bewegung senden sollen.
Seit dem Auffliegen der Terrorzelle um Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt ist das bestehende NSU-Netzwerk bekannt. Das diese Terrorzelle nur ein kleiner Teil eines Netzwerkes ist, steht außer Frage. Nicht klar ist, ob es weitere aktive Terrorzellen von diesem Netzwerk ausgehend gibt oder gab und ob das Trio alle Taten tatsächlich alleine durchgeführt hat oder ob es über die konkrete Tatunterstützung hinaus auch in Koordination agierende Zellen gibt/gab.
Durch die in diesem Zusammenhang an die Öffentlichkeit geratenen Informationen ist deutlich geworden wie die Ermittlungsbehörden mindestens mit viel Wohlwollen und Versagen auf ganzer Linie den Terror unterstützt, vielleicht sogar erst möglich gemacht haben.
Dabei tat sich im Besonderen der Verfassungsschutz (VS) hervor. Der Inlandsgeheimdienst der in der neugegründeten BRD fast nur eine Namensänderung als Neuerung erlebte, ist in der Zeit seiner Existenz immer wieder mit Verstrickungen in Rechte Netzwerke/Strukturen und Zellen aufgefallen. So z.B. auch Anfang der 80iger im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat.
Der VS muss als Akteur mit nicht zu unterschätzendem Einfluss auf rechte Strukturen und Netzwerke mitgedacht werden. Er ermöglichte in weiten Teilen das Handeln des Trios, welches sich auf den NSU bezog, durch Beschaffung von Geld, Sprengstoff und Know-How.
Zudem sei an einen standardmäßig tolerierten rassistischen Untergrund erinnert. Mindestens 372 RassistInnen befinden sich trotzt teilweise mehrerer Haftbefehle auf freiem Fuß.
Auch die AFD ist eine weitere wichtige Akteurin, die versucht, parlamentarischer Arm der Bewegung zu werden. Ihre Rolle wurde z.B. bereits in diesen Analysen thematisiert:
Wir wollen Solidarität geben, sie aber auch einfordern
Nachdem die rassistische Bewegung den gesellschaftlichen Diskurs immer weiter in autoritäre und rassistische Richtung verschoben und damit fast alle verbalen Tabus in großen Teilen der Gesellschaft aufgehoben hat, nimmt rassistische Gewalt stetig zu und weitet sich auf immer mehr gesellschaftliche Gruppen aus. Es macht Angst zu sehen wie wenig Menschen bereit sind den gewalttätigen RassistInnen auch direkt und handfest zu begegnen. Selbstverständlich soll hier für niemanden bestimmt werden, wie seine/ihre* Handlungsmöglichkeiten aussehen sollen. Aber es soll Solidarität von allen Antirassist*Innen/Antifaschist*Innen eingefordert werden, für diejenigen, die bereit sind auch militant gegen RassistInnen vorzugehen. Natürlich ist Gewalt gegen Menschen das letzte und ohnmächtigste Mittel, mit dem Mensch vorgeht, wenn einer keine andere Möglichkeit mehr sieht. Es glaubt auch niemand daran mit Gewalt die Änderung einer Ansicht zu erreichen. Bei organisierten RassistInnen, die ein solch abgeschlossenes Weltbild besitzen, ist nicht davon auszugehen, dass Mensch irgendwie etwas daran ändern kann. Es geht also darum, den RassistInnen den öffentlichen Raum zu nehmen, ihre Wirkungsmacht einzuschränken. Zunehmend geht es allerdings schlicht um die ständig steigende Notwendigkeit an organisiertem antifaschistisch/antirassistischem Selbstschutz. Wenn RassistInnen oder Bullen angreifen, sind die militanten Antifaschist*Innen/Antirassist*Innen die einzigen, die durch ihre Präsenz und ihr eingreifen versuchen allen Teilnehmer*Innen der antirassistischen Versammlung Schutz zu bieten. Oder wie stellen sich „konsequent gewaltfreie“ Gegendemonstrant*Innen denn einen Angriff von RassistInnen auf eine Versammlung vor, wenn sich ihnen nicht mutige Menschen in den Weg stellen ?
Aus unserer Perspektive sollte in dem gewalttätigen Kontext in dem wir uns befinden und unser Handel stattfindet, nicht die Frage diskutiert werden, ob Gewalt, sondern wann es sinnvoll und legitim ist sie anzuwenden und ob nicht sogar eine (dringende) Notwendigkeit besteht und/oder es unausweichlich ist. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich selbst bei ganz konkreten Verteidigungssituationen Mitdemonstrant*Innen die eigenen (militant agierenden) Leute angehen, obwohl sie im selben Atemzug genau durch diese geschützt werden. Nur weil sich glücklicherweise Menschen auf gewaltsame Auseinandersetzungen vorbereiten, heißt das nicht, dass sie sich gerne in solche Situationen begeben. Sie erkennen mindestens eine Notwendigkeit der Selbstverteidigung an und erklären sich solidarischer Weise mit allen, die sich nicht bereit oder in der Lage sehen, in direkte Auseinandersetzungen zu gehen, dazu bereit diese Rolle zu übernehmen.
Die rechte Bewegung bedeutet ein Rollback für alle antiautoritären Kämpfe
Ohne Frage sind alle Themenschwerpunkte einer emanzipatorischen Perspektive wichtig. Jedoch gilt es zu beachten, dass diese rassistische Bewegung einen Schlag für alle emanzipatorischen Bestrebungen darstellt. Das sollte mit in Betracht gezogen werden und sich auch im Handeln wiederspiegeln. Es wird immer bedeutender, dass wir unsere Differenzen soweit überwinden, dass wir uns in einen gemeinsamen Kontext stellen. Denn nur, wenn von allen „Teilbereichskämpfen“ ein Bezug auf einen gemeinsam geführten Kampf für eine tatsächliche Alternative ausgeht, haben sie gemeinsam das Potential zu einer Bewegung zu werden. (Ein gemeinsamer Nenner könnte der Kampf für einen emanzipatorischen Prozess sein, mit allen, die eine ernsthafte Diskussion über antiautoritäre Gesellschaftsentwürfe führen wollen.)
Der Diskurs um die Übergriffe in Köln und die Vereinnahmung des Themas durch die RassistInnen, zeigt beispielhaft, wie emanzipatorische Kämpfe, hier für feministische Perspektiven gegen sexualisierte Gewalt, durch die Reaktionären zurückgedrängt wurden und werden.
Wie schon in ihrer Propaganda gegen muslimisch gläubige Menschen haben sie sich „Frauenrechte“ auf die Fahnen geschrieben. Vorläufig gipfelte diese Absurdität darin, dass sich in Köln am Tag (So 10.01.16) nach einer aggressiven PEGIDA-Demo (Sa 09.01.16) mit Bezug auf die Übergriffe in der Silvesternacht, Türsteher, Hooligans und Rocker zusammenschlossen, um in mehreren organisierten Gruppen Menschen anzugreifen, die ihnen nicht „deutsch“ genug erschienen. Bei dieser Klientel scheint es doch recht verwunderlich, dass sie sich angeblich für Frauenrechte stark machen will, wenn Mensch bedenkt, dass sie sich in einem Umfeld bewegen, indem einer der Hauptwirtschaftszweige Zwangsprostitution und Menschenhandel ist.
Es ist wichtig den Fokus des eigenen Teilbereichskampfes nicht zu verschieben, nur weil ein paar Nazis meinen, irgendwo lang laufen zu müssen. Es geht darum, die Konsequenzen einer radikalen Analyse in die Praxis umzusetzen. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass auch Symptome tödlich enden können. Auch wenn Fieber ein Symptom ist, und nur ein Nebenerscheinungsbild einer anderen Krankheit, kann es tödlich enden.
Lasst uns gemeinsam Handeln – Organisieren wir uns
Nun gilt es aus der Ohnmacht auszubrechen, Perspektiven zu entwickeln und handlungsfähig zu werden. Wir müssen uns vernetzen und organisieren, dürfen dabei aber nicht handlungsunfähiger werden. Die tatsächlichen Aktivitäten sollten sich, durch stärkere Vernetzung steigern und intensivieren.
Wir sollten uns auf vertraute Menschen besinnen. Menschen mit denen wir gemeinsam(e) Erfahrungen gesammelt haben. Wir sollten uns zusammenschließen und zusammen Handeln !
Buchempfehlung: Antifa heißt Angriff
In dem Buch werden die Entwicklungen und Aktionen der 80iger und 90iger Jahre aus antifaschistischer Perspektive dokumentiert. Durch die Häufung der Parallelen heutiger Entwicklungen zu den 80igern und 90igern ist es vielleicht ratsam, Analysen aus dieser Zeit heran zu ziehen und damalige Erfahrungen mit ein zu beziehen.
Zusammen mehr erreichen (kleiner Ratgeber für Bezugsgruppen)
Denkt daran, dass jede Handlung im Internet Spuren hinterlässt ! Nutzt Tails
info
Der Text im Antifaschistischen Infoblatt, der auf wichtige Aspekte eingeht, wie wir als Antifa darauf reagieren sollten:
https://www.antifainfoblatt.de/artikel/antifaschistische-aktion-%E2%80%9...
mehr
einen vortrag mit jahresrückblick auf die rassistischen mobilisierungen und den mob findet ihr hier:
https://www.mixcloud.com/demob/ein-%C3%BCberblick-auf-kaltland-die-v%C3%...
eine ausführliche analyse des "ängste und sorgen"-diskurses hier:
https://deutschlanddemobilisieren.wordpress.com/2015/04/25/sorgen-und-an...
generell sollte nicht nur eine fokussierung auf nazis stattfinden. wichtig wäre es den gesammtgesellschaftlichen rassismus zu thematisieren und anzugreifen. zB sogenannte bürgerinformationsveranstaltungen, oder die kundgebungen/sternmärsche wie in zwickau oder plauen.
zunahme an angriffen
Wichtig zu nennen: Auch Angriffe gegenüber linken Wohnprojekten und Parteibüros (von SPD bis Linke) haben ebenfalls extrem zugenommen. Gerade letztere zeigen, dass sich rechte Bewegungen immer aktiver gegen den Staat und die Demokratie wenden und nicht mehr "nur" rassistische Übergriffe gegen Minderheiten, welche für gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht werden.
Der Text sieht zu sehr nach Rechts
Ansich ein richtiger Ansatz, aber der gegenwärtige rassistische Rollback hat seinen Ursprung in der Mitte und im staatlichen, institutionellen Rassismus.
Wenn dies in der Analyse felht wird es schnell falsch. Eine Verengung des Blicks auf Nazistrukturen liegt bei antifaschistischen Gruppen dabei häufig im eignen Ausgangspunkt. Gerade dies gilt es aber zu überwinden, wenn faschistische Strukturen vor dem Hintergrund des gegenwärtigen gesellschaftlichen Rassismus bekämpft werden sollen.