Eigentlich wollten wir von der Möglichkeit eines Europäischen Frühlings sprechen. Wir wollten von Syriza, von den Wahlen in Griechenland und von dem sprechen, was wir hier dazu tun können. Es sollte dabei nicht einfach um unsere Solidarität mit den Kämpfen in Griechenland gehen, sondern um uns, um unsere eigenen Möglichkeiten. Dann kamen die religiös-fundamentalistischen Anschläge von Paris, dann kam die Antwort von Millionen Demonstrant_innen nicht nur in Paris. Jetzt müssen, jetzt wollen wir von all’ dem zusammen sprechen: weil das eine vom anderen nicht zu trennen ist. Und natürlich bleibt auch das jetzt provisorisch und fragmentarisch. Es wird uns so oder so länger in Atem halten. Einfacher ist der Europäische Frühling nicht zu haben.
I.
Die
Anschläge von Paris waren ein Angriff auf alles, was in Europa und in
der Welt seit 1789 und seit 1968 möglich geworden ist. Das ist die
Frontstellung der Attentäter. Die Schüsse in den Räumen von „Charlie
Hebdo“ und in einem jüdischen Supermarkt zielten auf die Möglichkeit
selbst unserer Freiheiten. Darüber dürfen wir uns nicht täuschen. Da
gibt es auch nichts zu relativieren. Da zählt kein Verweis auf die
Verheerungen des westlichen Krieges gegen den Terror, kein Verweis auf
den institutionellen wie den alltäglich gelebten Rassismus innerhalb der
europäischen Gesellschaften, ob nun in Frankreich oder auch bei uns.
Das haben letztlich Millionen Menschen spontan begriffen. Nicht wenige
haben auch an die ungezählten Toten in Nigeria und in Syrien gedacht,
sie haben sich des Schicksals der Yezid_innen erinnert und an den
kurdischen Kampf um Rojava gedacht. Vielleicht war mehr Leuten als wir
zunächst denken mögen auch klar, dass es Fundamentalismen nicht nur im
Islam gibt, und dass es nicht nur religiöse Fundamentalismen gibt. Viele
der Demonstrant_innen haben unmissverständlich gesagt, dass sie weder
mit dem Front National noch – in Deutschland – mit Pegida verwechselt
werden wollen. Das ist gut so, davon dürfen wir ausgehen.
Das ist
aber nicht alles. Denn die Millionen von Paris und die Abertausenden
anderswo haben sich im selben Augenblick auch hinter der Partei der
Ordnung versammelt: hinter der Kaste der französischen, deutschen und
aller anderen beteiligten Regierungen. Hinter allen, die sich schamlos
an die Spitze der unübersehbaren Menge stellten. Damit sind die
Demonstrant_innen einer Konfrontation beigetreten, in der sich der
westliche Liberalismus, seine politische Ökonomie und seine Verbündeten
einerseits und der Fundamentalismus andererseits gegenüberstehen (das
schließt alle weißen Fundamentalismen ein). Große Teile der Menge haben
das genau so gesehen. Vielen von ihnen war das ausdrücklich bewusst, sie
wollen gar nichts anderes. Andere aber denken an dieser Stelle gar
nichts Besonderes, fragen sich deshalb auch gar nicht, ob sie vielleicht
etwas Anderes wollen könnten. Das genau ist unser Problem.
II.
Nicht
erst seit den Pariser Anschlägen, sondern seit längerem schon herrscht
der Anschein, als ob der „Hauptwiderspruch“ in der Welt die Ordnung (den
Liberalismus) und das Chaos (voran die verschiedenen Fundamentalismen)
voneinander trennt. Das liegt daran, dass es seit längerem schon für
viele Menschen gar keine dritte Möglichkeit zu geben scheint. Die
reaktionäre Gewalt des islamischen „Gotteskriegers“ trifft auf das
nahezu gottgegebene Monopol einer hegemonialen zynischen Vernunft. Das
Zerstörungspotential dieser Vernunft und die totalitäre
Machtkonzentration ihrer technologischen Apparate sind historisch
unvergleichlich, suggerieren aber noch immer mit Erfolg, das
realisierbare Höchstmaß individuellen Glücks bereitzustellen. Die
Parteien der westlichen, liberalkapitalistischen Ordnung wiederholen
deshalb unablässig und bei jeder passenden Gelegenheit, dass es zu ihnen
keine Alternative gäbe. Die Rationalität eines
Verfassungsschutzberichts wird so zum politischen Leitbild einer
Gesellschaft der Angst und der Verängstigten. Weil in unseren
Gesellschaften religiöse und ethnische Konflikte tatsächlich zu
explodieren drohen, scheint der Wunsch nach Ordnung nicht von vornherein
und in jedem Fall abwegig.
Weil das so ist, gehören für viele,
für sehr viele Menschen auch alle anderen Krisen und alle sozialen
Kämpfe der Gegenwart auf die Seite des Chaos, auf die Gegenseite zur
real existierenden kapitalistischen Ordnung. Hier in Europa schließt das
seit sieben Jahren die „Schuldenkrise“ ein. Deshalb zählen in
Deutschland wie in Frankreich für viele auch „die Griechen“ zum Chaos
der europäischen Banlieue. Nicht, dass man sie mit den religiösen
Dschihadist_innen von Paris verwechselt. Doch Syriza, eine von Syriza
gebildete Regierung: auch das wäre Chaos, eine Unterbrechung der
Ordnung. Zu der aber gibt es keine Alternative. Also ist das schlecht.
Also halten viele weiter zur Partei der Ordnung. Sie tun das, obwohl sie
wissen, dass ihnen diese Ordnung früher erkämpfte Möglichkeiten eines
würdevollen Überlebens und früher erkämpfte Rechte genommen hat. Dass
sie ihnen schon gar keine neuen Möglichkeiten sozialen Lebens und keine
neuen Rechte mehr einräumen will.
III.
In Griechenland selbst, aber auch in Spanien ist das etwas anders. Dort sehen viele, vielleicht sogar eine Wahlmehrheit in Syriza bzw. in Podemos eine Chance, ihre eigene Chance. Sie sehen eine dritte Möglichkeit, eine linke Möglichkeit, die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Alternative jenseits der schändlichen, von der EU aufgeherrschten Austeritätspolitik. Dabei führt der Pfad der Hoffnung nicht allein und nicht zuerst über Parteien und Parlamente. Wer ihn geht, folgt dem subjektiven und sozialen Verlangen nach einem tatsächlichen Umbruch, einer Flucht aus dem Labyrinth des Schuldenregimes. Insoweit sind Syriza und Podemos Platzhalter der gesellschaftlichen Wünsche, die in der „Bewegung der Empörten“ in Spanien und auf dem Syntagma-Platz im Herzen von Athen Geschichte schrieben: „Die Parteienpolitiken sind am Ende, es lebe die Politik des Gemeinsamen!“ Diese neue Gesellschaftlichkeit trägt Syriza noch als Wahlpartei. In ihr hat die Solidarität mit den Migrant_innen und Geflüchteten einen Ort. Zu ihr gehört auch die revolutionäre Leidenschaft der antiautoritären Revolte, die im Herbst letzten Jahres den Hungerstreik des anarchistischen Gefangenen Nikos Romanos massenhaft unterstützte. Sie macht die Wahl am 25. Januar zu einem realen Referendum.
Wer auf Syriza setzt, wer an ihrer Seite seine eigenen Möglichkeiten sieht, hat die griechischen Parteien der Ordnung ebenso abgewählt wie den Faschismus der Goldenen Morgenröte. Dabei muss uns niemand über die institutionellen Grenzen einer Wahl aufklären. Daher: Alles, was nach dem Tag der Wahl kommt, bleibt ein Wagnis, das scheitern kann, wie andere linke Projekte im vergangenen Jahrtausend. Den Willen zum Bruch mit der Ordnung entmutigt das nicht. Darin liegt die politische Bedeutung des 25. Januar. Das macht die nationale Wahl in Athen zum sozialen Referendum über die Grenzen des Berliner Kommandos.
Jetzt sind wir bei dem Punkt, mit dem wir eigentlich anfangen wollten. Wir wollten von Syriza (und Podemos) als dem Beginn eines europäischen Frühlings sprechen. Wir wollten uns selbst und andere unter die Forderung stellen, diesen Frühling auch hier beginnen zu lassen. Wir wollen das auch jetzt noch, auch und gerade nach Paris. Gegen die deutschen Parteien der Ordnung, gegen Pegida-Kameradschaften. Gegen die Attraktivität des islamischen Fundamentalismus auch in den Kampfzonen der Bundesrepublik, gegen den War on Terror und sein Sicherheitsregime.
Jetzt gibt es auch hier täglich Demonstrationen gegen die Anschläge von Paris und gegen Pegida. Auch hier werden sie von den Parteien der Ordnung einberufen, auch hier kommt stets die Kaste der Repäsentant_innen zu Wort. Noch einmal: Das ist unser Problem. Wie eröffnen wir auch hier eine dritte Option jenseits der kapitalistischen Ordnung und des fundamentalistischen Chaos? Jenseits des Krisenregimes der Verarmung und Entwürdigung, jenseits der Austeritätsidiotie. Jenseits auch unserer selbstreferenziellen Milieus. Was heißt heute radikale gesellschaftliche Linke? Diese Frage wollen wir mitbeantworten, weil sie sich allen stellt. Das ist es, was wir zu tun haben. Sonst braucht es auch keine IL. So einfach ist das.
IV.
Wir sind nicht
in Athen, fangen aber auch nicht bei Null an. Wir haben dazu
aufgerufen, die Eröffnung der EZB in Frankfurt zu blockieren. Wir haben
damit eine erste Antwort gegeben. Tausende sind mit uns nach Frankfurt
gekommen, 2012, 2013, 2014. Die Menge, die sich über lange Stunden
hinweg gegen die Gewalt der Polizei behauptet hat, erfuhr eine Woche
später Zuspruch von vielen, die nicht dabei waren. Am 18. März ist es
soweit: Die EZB wird an diesem Tag ihren Umzug an den Main feiern, sie
wird sich feiern. Die Parteien der Ordnung werden dabei sein. Sie werden
die Wahl zwischen Ordnung und Chaos als das Entweder-Oder beschwören,
zu dem es keine Alternative gibt. Sie werden Pegida als Teil des Chaos
bezeichnen und Blockupy als linkes Pendant dieses Chaos. Sie werden den
Abscheu, den viele Menschen vor Pegida empfinden, auf ihr Konto, auf das
Konto der Ordnung verbuchen. Wir sind aufgerufen, wir rufen dazu auf,
das zu verhindern und hier einen Unterschied zu setzen. Mit dem Aufbruch
der griechischen Bewegungen und der Möglichkeit eines Wahlsieges von
Syriza solidarisch zu sein heißt, einen solchen Aufbruch auch hier
möglich werden zu lassen: in Bewegung, radikal, massenhaft und
eingreifend. Aber bleiben wir bescheiden. Blockieren wir die EZB,
blockieren wir Frankfurt: symbolisch verdichtet und materiell wirksam.
Wählen wir die dritte Möglichkeit. Leben wir die schöpferische Vernunft
im Antagonismus zur kapitalistischen Unvernunft. #18M.
18.01.2015
http://interventionistische-linke.org
http://www.thecommuneofeurope.org/
Nein
....
Ihr glaubt also an westliche Werte, die seit 1789 und 1968 präsent sind.
Wenn es hier nichts zu relativerien gibt bedeutet das im Umkehrschluss, dass an eurer Warheit nicht zu rütteln ist.
Ihr seit glücklich darüber, dass Millionen es begriffen haben, für diese westliches Ideal auf die Straße zu gehen und keine relativierenden Vergleiche zu am gleichen Tag durch Islamisten dahingemetzelten 2000 NigerIanerInnen gestellt werden. Diese waren für die Millionen auf der Straße wohl nur eine Randnotiz. Ihr verwechselt verbreitete Ignoranz mit spontaner Erkenntnis.
Ihr schreibt, dass sich Millionen von Paris und die Abertausenden sich "hinter der Partei der Ordnung versammelt: hinter der Kaste der französischen, deutschen und aller anderen beteiligten Regierungen. Hinter allen, die sich schamlos an die Spitze der unübersehbaren Menge stellten."
Seit ihr so medial geblendet, dass ihr bewusst oder unbewusst ausbledet, dass diese Herrschenden tatsächlich einen abgeschirmten Block abseits der Großdemonstration bildeten?
Ihr schreibt immer über große Teile der Menge, die das so oder so gesehen hättet ohne auch nur ansatzweise Belege zu liefern. Ziemlich unsachlicher propagandistischer Text hier auf Linksunten.
Ihr instrumentalisiert diese Behauptungen, um eure beiden favorisierten linken Parteien unterstüzen, in der ihr eure Hoffnungen setzt. Ihr schreibt die Syrizia hat einen Anarchisten unterstützt. Wo säße Nikos Romanos unter einer Syrizia Regierung? Wären die Banken abgeschafft, das Geld verteilt?
Welche Ordnung wird abgewählt, wenn Syrizia gewählt wird? Wie sieht eure dritte Option, jenseits der "kaptalistischen Ordnung und des fundamentalistischen Chaos" aus? Brechen paradisische Zustände über uns rein, ist die Verarmung und Entwürdigung beseitigt, weil Syriza oder Podemos eine Wahl gewinnen?
Dann der Schwenk zur Eröffnung der EZB in Frankfurt. Hier ruft ihr zur Blockade auf. Alles soll in einem gewissen Rahmen bleiben. Welche Protestform lassen linke Parteien zu?
Natürlich verortet ihr Gewalt nur bei der Polizei. "Wir sind friedlich, was seit ihr?" und klammert damit eigene Militanz aus. Wie sieht die Polizei eigentlich unter einer Linken Regierung aus. Wehrt sie sich mit reaktionären Mitteln gegen die neue Vereinnahmung? Erhält sie Zuspruch, weil sich im Apparat etwas geändert hat? Verzichten DemonstrantInnen, sich mit den Institutionen der neuen Linksregierung auseinanderrzusetzen, weil alles so paradiesisch, so gereicht, so basisdemokratisch ist, dass Widerstand keinen Sinn mehr macht. Wass passiert den Leuten, die das anders sehen.
Grüße an die Facebook Revolutionäre, die uns die bessere Welt versprechen....
Spalter!
Auf all die Fragen, die du dem Text vorwirfst, lieferst du selbst keine Antworten. Niemand kennt die genauen Antworten, es gibt keine ideale Lösung, schon gar nicht von heute auf morgen, aber einige Ideen stehen im Syriza-Wahlprogramm. Fakt ist: Wenn es irgendwo auf der Welt einen sozialen Umbruch gibt, der vielleicht Größeres anstoßen könnte, dann ist das derzeit in Griechenland der Fall. Unter einer Syriza-Regierung wird sich zeigen, wie realistisch linke Utopien sind. Sollten sich deine Befürchtungen bewahrheiten, also weiterhin Oppositionelle in den Knast wandern, die Polizei brutal gegen Systemgegner vorgehen, das Kapital & Korruption freie Hand haben etc., dann ist nicht nur Syriza gescheitert, sondern die Linke insgesamt, denn niemand wird zukünftig noch an die (linke) soziale Revolution glauben. Es geht also am kommenden Sonntag um sehr viel und irgendwelche Spaltertexte bringen niemanden weiter, außer vielleicht die Abonnenten der FAZ.
Welche Spaltung?
Zwischen einer kommunistischen Pespektive mit Abschaffung des Staates, des Geldes, des Wertes usw. und einer neoleninistischen der Eroberung der Staatsmacht gibt es nichts zu spalten, denn wir haben nichts gemeinsam. Glaubst du, dass die griechischen Staatsschulden einfach plötzlich wie durch Zauberhand verschwinden? Dass Brüssel sich sagt, ein bisschen Sozialismus in der EU kann ja wohl nichts schaden? Dass sich die Tore von Koridallos öffnen und die Polizei nur noch gegen "Kapital & Korruption" vorgeht? Wo beziehst du deine Drogen? Ich will auch solches Zeug.
Spätestens mit dem Hangover wird deine Enttäuschung kommen. Sogar falls der unwahrscheinliche Fall eintritt, dass Syriza 180 Sitze macht, um alleine regieren zu können, wird sich nicht viel ändern, denn sozialistische Umverteilungspolitik ist im restrukturierten Kapitalismus von heute schlicht nicht mehr möglich. Gescheitert ist deswegen einzig die staatsgläubige Linke und das wissen wir nun auch schon bald 100 Jahre. Der alte Maulwurf wird trotz allem brav weiter wühlen.
gähn
Du lebst irgendwo außerhalb der Realität. Abschaffung von Staat, Geld und Wert steht erstmal nicht auf der Tagesordnung, nichtmal bei der KKE. Und die wollen sich nicht an einer Syriza-Regierung beteiligen, obwohl sie dann erstmals seit dem WW2 das Geschehen im Land wieder ein bißchen mitbestimmen könnten. Bei denen musst du die Drogenfrage stellen. Realpolitik wird derzeit immer ein schleimiger Kompromiss mit dem Kapital sein, aber das ist noch noch tausendmal besser als Samaras und Chrysi Avgi am Ruder zu lassen. Was glaubst du wie es in Greece aussieht, wenn die weitere Jahre das Kommando haben. Glaubst du dann ist das Land der Weltrevolution ein Schritt näher? Ne, da ist es dann für jede Revolution zu spät, weil alles kaputt ist.
kaputt wird's wohl eh..
wer denkt dass syriza es nach einem wahlsieg schaffen wird, griechenland vor allen jetzt angedrohten strafmassnahmen zu bewahren und irgendwie aus dem globalen finanz/währungsnetz herauszulösen, der hat da was nicht verstanden fürchte ich. eher wird es elendsverwaltung auf "links", und spätestens nach 2 legislaturperioden in denen es dem wahlvolk nicht besser geht wird dieses an der urne wieder bei nd, oder vllt. sogar bei chrysi avgi das kreuzchen machen (wenn überhaupt). ob und wie die paar jahre syriza dann dem projekt einer linken hegemonie in europa genützt haben, bleibt abzusehen - ich bin skeptisch. parteien bleiben parteien, und nichts entzaubert so schnell wie eine regierung(sbeteiligung).
Insurrektionistische Linke?
Ich finde den Text mit den Anspielungen auf Houellebecq sehr gut und wünsche mir mehr davon - aber auch Selbstkritik, wenn Syriza Fehler macht.
euer ernst?
mich gruselt davor, das dieser text, ja so etwas wie einen konsens, von euren gruppen haben muss...
ihr schreibt zwar immer recht hübsch und knackig. aber an eurer falschen analyse ändert sich daran auch nix!
syriza wird keinen umbruch bringen. jede wette. warum nich? ihr schreibt von anatgonismus, von chaos vom dritten weg, vom revolutionären weg. aber dieser wird niemals im parlement der herrschenden ordnung beginnen. das ihr die unterstützung von nikos romanos anführt zeigt außerdem nur eure unkenntnis der lage in athen/greece. das war ein reines wahltaktik, weder war das den antiautoritären bewegungen, wie z.B. alphakappa noch den anarchist*innen recht, noch nikos romanos selbst. eher liegt schon der grund beim unermütlichen einsatz des vaters von nikos, bei den parteien anzuklopfen und für sein kind zustreiten...
und wo wird nikos nach einem wahlsieg syriza sitzen? richtig im knast.
ihr schreibt zum parlamentarismus wirklich:
"Wer ihn geht, folgt dem subjektiven und sozialen Verlangen nach einem tatsächlichen Umbruch"
ist das euer ernst? denkt ihr antagonismus, revolte, revolution wirklich nur noch so? tatsächliche Umbrüche werden wohl kaum dort stattfinden, egal ob nun "massen"dahinter stehen oder nicht.
es bleibt euch nur zuwünschen das ihr aus euerem verein auch mal endlich eine partei macht und das bei m18 viele leute dem DESTROIKA aufruf folgen und euch der laden um die ohren fliegt...
Und?
Wo werden denn "tatsächliche Umbrüche" überhaupt stattfinden wenn nicht aktuell in Griechenland? In der Syriza sitzen alle möglichen Leute, von angepassten Schleimern bis zu revolutionären Anarchisten. Und? ich kann Syriza wählen und trotzdem weiter APO machen. Wo liegt da das Problem??
Gemeinsam sind wir stark, ihr Schwächlinge!
Die IL versucht sich an einer (lückenhaften) Antwort auf aktuelle gesellschaftliche Fragen. Das kriegt offensichtlich keine andere autonome Gruppe gerade hin. Obwohl das so mutig wäre. Wer den IL-Text genau liest, merkt, dass die IL schreibt, dass ihr die institutionellen Grenzen einer Wahl klar sind und dass "alles [...] scheitern kann, wie andere linke Projekte im vergangenen Jahrtausend". Der IL-Text stimmt der Bewertung bei: der revolutionäre Weg "wird niemals im parlement der herrschenden ordnung beginnen."
Die Kommentare hier stammen von Menschen, die ganz offensichtlich weder auf einem Blockupy-Treffen noch auf einem DESTROIKA-Treffen waren. Die beiden denken sich nähmlich gar nicht gegeneinander. DESTROIKA-Genoss_innen finden Blockupy gut und wollen es aufgreifen. Sie sehen 18M als nächsten Versuch nach M31 und den Blockupy-Protesten von 2012 bis 2014. UG und IL freuen sich über alle, die zu Blockupy kommen. Das haben sie immer wieder auf den Treffen gesagt, auch explizit über DESTROIKA und ähnliche Aufrufe. Aber man kann IL und UG nicht dafür verantwortlich machen, wenn DESTROIKA nur bloße Worte bleiben und nichts passieren wird, wie zu befürchten steht.
Ich jedenfalls wünsche allen viel Erfolg bei ihren Vorhaben am 18. März in Frankfurt. Nur so können wir ein Zeichen der Solidarität bzw. des Widerstands setzen, wie es IL, UG, Blockupy, attac, DESTROIKA, NoTroika, Katastroika und wie sie alle heißen, vorhaben.
doch
..das kriegen einige "autonome" gruppen ja durchaus hin, fast jede Woche kann (aber muss nicht) ich mir hier auf indymedia irgeneinen völlig größenwahnsinnigen hirnverbrannten realitätsfremden insurrektionistischen Quark reinpfeifen.
Ich bin jedenfalls froh, dass es mitlerweile bundesweite organisationen wie IL, Ums Ganze und die Nao gibt; das ist zwar nicht der Durchbruch (woher soll der in deutschland auch kommen), aber immerhin gibt es wieder verlässliche diskussionen und Organisierungsansätze, nachdem die AA/BO -völlig zu Recht und historisch notwendig- gescheitert ist. Und es ist doch besser wenn sich ca. 1500 Leute organisiert um Positionen streiten (und sich eventuell auf Kampgane einigen), als wenn das weiterhin im kleinstgruppenprozess läuft. Oder in der Indymedia-Kommentarspalte...
Zum IL-Papier: es wäre interessant, wenn ihr dazu zeitnah Diskussionsveranstaltungen in euren Städten macht. Das ist sinnvoller als sich hier im netz das unkonstruktive angepaule zu geben. Ich finde eh, dass IL auf lokaler Ebene viel zu wenig auftritt.
IL auf lokaler Ebene
Kann dir nur zustimmen. Ich hab mich schon beim Zwischenstandspapier gefragt wieso es dazu keine Veranstaltungsreihe gibt. Also in den Städten in denen es IL Gruppen gibt, Inhalt und Struktur einfach mal öffentlich vorzustellen. In einem nächsten Schritt dann auch ganz gezielt in Städte in denen es noch keine Basiseinheiten gibt. Ich denke hier steckt ne Menge Potential auf das die IL proaktiv zugehen sollte.
Auch UG hat da noch Luft. Die einzige Orga die solche Versuche unternommen hat war die NAO. Wobe ich die nicht mit IL und UG in eine Reihe stellen würde...
Die IL vereinnahmt uns
Die IL, so hört man in Berlin, soll auf ihren Veranstaltungen immer das Destroika-Mobi-Video zeigen. Das geht zu weit. Das ist unser Video bzw. das Video unseres Spektrums. Wir sind in der Lage, es selber zu verbreiten. Muss die IL in ihrer Mobilisierung für Blockupy alles aufgreifen und nutzen, was andere tun?
Tôi tên là Charlie - Teil 1
Nein, dies ist keine französischsprachige Überschrift (zur tatsächlichen Bedeutung weiter unten). Trotzdem haben die aus der Schulzeit hängengebliebenen Kenntnisse der französischen Sprache jetzt doch noch ihren Wert: „Je suis Charlie“, versteht man nun überall in der „westlichen“ Welt und man schreibt es, fotografiert sich damit und postet es fleißig. Das mag in aller Regel eine ehrliche Reaktion auf ein furchtbares Verbrechen sein, doch die oberflächliche Betroffenheit hat nicht nur einen seltsamen Beigeschmack, sondern liefert auch keine nützlichen Antworten auf die hinter dem Terrorakt von Paris stehenden Fragen und Probleme, wohingegen ein eigenartiger Schulterschluss befördert wird. Der Reihe nach.
So weit es mich betrifft: Je ne suis pas Charlie. Mit den ermordeten Opfern von Paris kann man sich nicht mittels „Je suis Charlie“ solidarisieren, denn das ergibt schlichtweg keinen Sinn – sie sind tot. Mit der Zeitschrift an sich – „Charlie Hebdo“ – will ich mich nicht solidarisieren, weil nicht identifizieren. Ihre Karikaturen sind, gelinde gesagt, eher fragwürdig, um es aber deutlicher auf den Punkt zu bringen: oft können sie kaum anders wahrgenommen werden als rassistisch, frauenfeindlich, herabwürdigend und bemerkenswert dumm (ich hege gewisse Zweifel, ob manche dieser „Karikaturen“, nicht zuletzt im Themenbereich NS und Shoah, in Österreich oder Deutschland überhaupt möglich wären). Das ist durchaus erstaunlich, da die Zeitung aus einer linken Tradition stammt und manche Mitarbeiter dezidiert kommunistische Projekte oder Anliegen unterstützten. Aber offenbar brachte man den eigentlichen Aufgabenbereich der Satire bei manchen Themen nicht mehr so recht auf die Reihe. Nun wird wieder andauernd der arme Tucholsky bemüht – wohl auch, weil er gerade 125. Geburtstag hatte (Alles Gute im Nachhinein!) –, aber konsequent nicht verstanden: Wenn Satire alles darf, heißt das nicht, dass jede zur Schau gestellte Unbedarftheit notwendig und von Wert ist. Satire kann recht gut Missstände, für die die „Mächtigen“ und „Herrschenden“ verantwortlich sind, oder aber solche, die man an sich selbst entdeckt oder beobachtet, auf unterhaltsame Weise bloßstellen. Ihre Aufgabe besteht nicht darin, verächtlich „nach unten“ zu treten oder andere Kulturkreise, deren Vorstellungen und Gefühlswelten man nicht zu ergründen bereit ist, deswegen propagandistisch zu desavouieren, ja gar in einer ungerechten Verallgemeinerung zu diffamieren.
Nun gut, trotzdem: Soll doch wohl jeder das Recht haben, seinen Mist zu veröffentlichen – und das auch ohne Gefahr zu laufen, deswegen gleich erschossen zu werden. Natürlich, wegen der Meinungs- und Pressefreiheit und so (auch wegen dem Strafgesetzbuch, der Moral und meinetwegen den gebotenen Steintafeln von Moses/Mosche/Musa). Ich nehme mir meinerseits die Meinungsfreiheit (und jetzt war auch noch jemand wirr genug, um das zu veröffentlichen), einige „Charlo Hebdo“-Produkte hier als – sei’s nun bewusst oder unbewusst – rassistischen und gesellschaftspolitisch kontraproduktiven Müll zu sehen (ohne dies mittels Kalaschnikow zu unterstreichen). Wie dem auch sei – die Frage, was Satire darf, kann und/oder soll, dürfte, nein, darf ohnedies nicht die wichtigste und zentrale Angelegenheit in der Causa sein, denn dann diskutiert man irgendwann auch wieder über die Rocklänge von Vergewaltigungsopfern. Darum kann’s freilich nicht gehen, deshalb zu den weiterreichenden gesellschaftlichen Zusammenhängen, die sich ergeben.
Bei „Charlie Hebdo“ arbeiten weiße, gut situierte, gebildete, männliche Europäer. Zwar sind auch das Christen- und Judentum Ziel des Spotts, das Hauptziel ist aber mit dem Islam markiert – und das sind in diesem Kontext auch gänzlich unterschiedliche Dinge. In Frankreich – wie überhaupt in Europa – ist das Christentum die vorherrschende und in gewisser Weise herrschende Religion. Insgesamt – so wurde oft genug deklariert – sei die christlich-jüdische Tradition die Grundlage der Wertegemeinschaft des Abendlandes. Der Islam gehört nicht dazu – im Gegenteil: Er ist in Europa die Religion von Minderheiten, von zumeist sozial Schwachen und Wehrlosen, von Unterdrückten, Diskriminierten und Ausgegrenzten. Wer hier seinen Hauptangriffspunkt sieht, hat von gesellschaftlichen Zusammenhängen entweder nichts verstanden – oder betreibt ganz bewusst die weitere Ausgrenzung und Abwertung. In diesem Sinne dient „Charlie Hebdo“, wo Muslime als generell rückständig und blöd dargestellt werden, weder der Religionskritik noch der Aufklärung, sondern nur der Verletzung von besonders verletztlichen Teilen der Gesellschaft.
Hier schließt sich ein gewisser Teufelskreis, in dem sich viele europäische Gesellschaften befinden. Der französische Staat hat seinen muslimischen Bürgern nichts zu bieten: keine oder miese Jobs, keine Bildungs- und Aufstiegschancen, keine Anerkennung. Stattdessen wird in den Vorstädten ghettoisiert und dieser Zustand verewigt. Wer sich als Bürger zweiter Klasse, als unerwünscht und wertlos fühlt, sucht sich eine andere Identität: Für die Nachkommen nord- und westafrikanischer oder nah- und mittelöstlicher Immigranten ist das mit einer gewissen Folgerichtigkeit die islamische Religionsgemeinschaft, denn von den Rechten und Christlich-Konservativen werden diese Menschen ohnedies verachtet, während die selbstzerstörerischen Linken ihnen auch nichts mehr anbieten können. Je verzweifelter eine solche Lage wird, desto empfänglicher ist sie für die Radikalisierung. Zumeist brennen nur ein paar Mülltonnen und Autos, manchmal kommt es schlimmer. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, wenn auch falsches Bewusstsein generiert wird, welches letztlich auf Illusionen hinausläuft, die tatsächlicher Emanzipation geradezu im Wege stehen. Das ist die innere Entwicklung, die aber auch eine internationale Entsprechung hat.
Denn als einer der wichtigsten und mächtigsten imperialistischen Staaten der Erde ist Frankreich Teil jenes „Westens“, der in der muslimischen Welt munter militärisch interveniert, um diese Regionen zum eigenen Vorteil politisch zu bevormunden und ökonomisch auszubeuten – das ist die Fortsetzung des Kolonialismus mit (nur teilweise) anderen Mitteln. Auch hier beschleicht einen leicht das Gefühl, dass die Menschen in diesen Ländern offenbar weniger wert sein müssen als die Europäer und Nordamerikaner. Wie sonst könnte man sich das erklären?
Tôi tên là Charlie - Teil 2
Die nun grassierende Solidaritätswelle trägt ironischer Weise das Ihre dazu bei: In Syrien, im Irak, in Nigeria, in Libyen, in Somalia, im Jemen, in Afghanistan, Pakistan, Palästina etc. stirbt an jedem einzelnen, verdammten Tag – gegenüber dem Anschlag von Paris – ein Vielfaches, ein Zigfaches, manchmal sogar ein Hundertfaches an Menschen durch den Terrorismus, nämlich durch den imperialistischen und den islamistischen (auch der tötet vornehmlich Muslime). An jedem Tag! Doch niemals erzeugt dies bei uns eine ähnliche Betroffenheit: Es gibt kein spontanes Kerzenaufstellen und Blumenniederlegen, keine Trauerkundgebungen oder -bekundungen, keine massenhaften „Je suis Mahmoud“-Plakate, -Buttons und -Statements. Warum? Sind diese Menschen weniger wert gewesen? Haben sie in ihren barbarischen Ländern ohnedies nichts anderes zu erwarten? Ist der Terrorismus nur dann schockierend, wenn er unsere heile und heilige „Zivilisation“ erreicht? Oder nur dann, wenn eine TV-Kamera direkt und im Idealfall live dabei ist? Das ist – im besten Fall – ziemlich unbedacht, im schlechteren heuchlerisch, im ganz schlechten Fall aber einfach Ausdruck dessen, dass sich der „Westen“ in Afrika, Asien und Lateinamerika selbst gerne des Terrors bedient, entweder durch eigenes unmittelbares Tun oder durch die Finanzierung, Bewaffnung und Ausbildung von Terrormilizen vor Ort, die eine gerade missliebige Regierung oder Bewegung bekämpfen sollen. Diese verselbständigen sich dann aber mitunter und wenden sich gegen ihre westlichen Förderer, so auch im Falle von Al Kaida und Islamischer Staat. Dumm gelaufen!
Aber wir sind nun zum Schulterschluss aufgerufen, wie es ihn seit 9-11 nicht mehr gab, denn bedroht sind wieder unsere Werte – und unsere Freiheit. Stimmt sogar, denn unter dem Eindruck von Terroranschlägen nehmen wir ja gerne die weitere Einschränkung unserer Bürger- und Menschenrechte zur Kenntnis. Das letztliche Resultat der „Antiterror“-Hysterie seit dem 11. September 2001 ist der NSA-Überwachungsskandal – oder eben nur die Spitze des Eisberges. Vorratsdatenspeicherung, Rasterfahndung und Lauschangriff sind eh schon von gestern, ebenso die CIA-Geheimgefängnisse oder Guantánamo, die Foltermethoden unserer „zivilisierten“ westlichen Armeen, ihre Drohnenangriffe auf Zivilisten und Kinder. Es wird nun, zunächst in Frankreich, dann überall in der EU, weitere und neue Maßnahmen der Überwachung und Entmündigung, der Aufhebung der Privatsphäre, des Abbaus rechtsstaatlicher Standards, der Missachtung der Versammlungs- und Organisierungsfreiheit etc. bei gleichzeitiger Ausweitung der Befugnisse der Polizei, der Armee, des „Verfassungsschutzes“, der Geheimdienste und der Regierungen geben. Als gute Bürger, die momentan so betroffen und in Angst und Schrecken versetzt sind, gilt unser Schulterschluss somit den Herrschenden, die ihre Herrschaftsmethoden abermals straffen, in Richtung autoritäre und antidemokratische Strukturen, im schlimmsten Fall in Richtung einer schleichenden Faschisierung des Staatsapparates. Aber das geschieht natürlich alles nur zu unserem Schutz…
Selbstverständlich wird nichts davon verhindern können, dass ein radikalisierter Attentäter Mittel und Wege findet, um in Paris, London, Berlin oder Wien einen Unschuldigen zu ermorden und dies zu einem Statement zu machen. Man müsste schon anders ansetzen. Das betrifft einerseits den Umgang mit dem Islam im Kontext solcher Anschläge, nämlich die unsägliche, unausweichliche Einforderung der kollektiven oder besser: pauschalen Verantwortung und den impliziten Generalverdacht. Im Gefolge der Anschläge von Paris, so heißt es, müssten die islamischen Gemeinschaften sich der Verantwortung stellen und die Muslime sich explizit distanzieren. Eine solche Notwendigkeit angesichts eines terroristischen Mehrfachmordes anzunehmen, ist ja eine Frechheit für sich, hat aber eine absurde „gute Tradition“ in Europa: Wer z.B. die israelische Besatzungs- und Siedlungspolitik kritisieren will, hat sich zunächst mal vom Antisemitismus zu distanzieren. Wer mit dem Kapitalismus ein Problem hat, hat zunächst mal klarzustellen, dass er kein Freund von Pol Pot, Stalin oder Kim Jong-un ist. In anderen Fällen ist Ähnliches freilich kein Thema: Wird von den Christen – weil sie ja auch Christen sind – verlangt, sich von Anders Breivik zu distanzieren? Oder distanzieren sich die „überzeugten EUropäer“ aller Länder als solche von dem Massaker ihrer ukrainischen Gesinnungsfreunde im Gewerkschaftshaus von Odessa?
Damit verbunden: Es gibt hier kein ideelles Islam-Problem. In Paris haben drei Franzosen 17 andere Franzosen ermordet. Die Opfer waren Christen, Atheisten, Juden und Muslime – die Täter waren durchwegs Muslime. Der unzulässige Schluss lautet: Sie waren Täter, weil sie Muslime waren. Natürlich ist das nicht nur eine bequeme Erklärung, da alles auf die nicht weiter zu hinterfragende Ebene der Religion geschoben wird, sondern auch noch die sicherste Methode, um das eigentliche Problem zu ignorieren und auf die nächsten Massaker hinzusteuern. Das Problem ist in Wahrheit ein gesellschaftliches und soziales.
Die bürgerliche Gesellschaft, ihre kapitalistische Ökonomie und imperialistische Außenwirkung schaffen und reproduzieren immense Reichtümer für die Reichen, aber am Gegenpol ständig menschliches Elend, schlussendlich sogar – insbesondere in Krisenzeiten – eine Vielzahl von Menschen, die innerhalb der kapitalistischen Profitlogik nichteinmal mehr ordentlich zu „verwerten“ (sprich: auszubeuten) sind. Sie sind ein Überschuss, auf den das Kapital verzichten kann: junge Menschen, die mittels minimaler (Aus-)Bildung noch vor Beginn ihres Erwerbslebens auf Dauerarbeitslosigkeit programmiert werden; Migranten und deren Kinder, deren Anwesenheit nur noch als Bedrohungslüge gegenüber der Existenzunsicherheit der Mehrheit genützt wird; und auf internationaler Ebene ganze Länder und Regionen, die bloß Rohstofflieferanten für den Westen zu sein haben, deren Bevölkerungen eine unangenehme Begleiterscheinung darstellen und auch für den nicht kriegführenden Imperialismus nur noch ein Kollateralschaden sind. Mit zuverlässiger Zufälligkeit sind die betroffenen Menschen in großer Zahl Muslime, in den relevanten abhängigen Ländern sowie in der französischen Unterschicht.
In ihrer gegenwärtigen Verfasstheit können unsere Gesellschaften darauf keine Antworten liefern, denn sie wollen es gar nicht. Sie können lediglich den Kampf der Kulturen ausrufen, um sich selbst zu legitimieren und zu erhalten sowie den nächsten Kreuzzug vorzubereiten. Sie fordern von uns, mit unserem Freiheitsbedürfnis ihre „Freiheit“ der Ausbeutung, ihre „Meinungsfreiheit“ des Rassismus und ihre „Pressefreiheit“ der Manipulation, Verhetzung und Lüge zu verteidigen. Unsere Gesellschaften können sich abschotten und tausende auf der Flucht befindliche Menschen im Mittelmeer ertrinken, verdursten und sich gegenseitig zerquetschen lassen. Sie können ihre Sündenböcke finden, auf die jeder berechtigte Frust unberechtigt zu entladen ist – und ab in die Wüste damit! Und jetzt können endlich auch alle zusammenfinden und gemeinsam marschieren: die westeuropäischen Regierungen, die im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika als terroristische Mörderbanden agieren; die Rechten, die vor der „Islamisierung“ Europas warnen; verschiedene Religionsgemeinschaften, die ihre Schäfchen grundsätzlich für dumm verkaufen (denn das ist ihr Job); und die zivilgesellschaftliche Linke mit Humanistenanhang, weil es ja um Meinungsfreiheit und die entschiedenste Verurteilung von Mord geht – das passt jetzt alles in eine einzige Kundgebung unter dem Motto: „Je suis Charlie“.
Was die Menschen benötigen würden, wäre ihr Anteil am Wohlstand, anständige Jobs mit anständiger Bezahlung, menschenwürdige Wohnungen, soziale Absicherung, richtige Bildung. Das ist es, was vor Elend und Perspektivlosigkeit schützt – und damit auch vor Radikalisierung: humoriger Weise nicht nur vor der islamistisch-djihadistischen, sondern auch vor der rechtsextremen, fremdenfeindlichen, rassistischen und neofaschistischen. Aber daran haben die Herrschenden gar kein Interesse. Sie verstehen sehr gut, dass der politische Islam (mit dem man Geschäfte machen kann) und islamistischer Terrorismus (den man als Werkzeug oder als Bedrohungsszenario nützen kann) auf der einen Seite sowie Front National, PEGIDA, FPÖ & Co. auf der anderen Seite kommunizierende Gefäße sind, die als Mittel der Herrschaftsabsicherung dienen. Und wir helfen ihnen auch noch dabei, wenn wir nun betroffen und schockiert sind, in Massenversammlungen dem Terror unsere vermeintliche, von oben nun verordnete „Freiheit“ in Schulterschlussaufmärschen und mit Burgfriedenmentalität entgegensetzen, und gleichzeitig glauben, auch noch den Fremdenhass und Rassismus der Rechten nicht nur kritisieren, sondern überwinden zu können.
Was man beizeiten überwinden müsste, um die Spirale des Elends und der Gewalt, der Menschenverachtung und der nützlichen Idiotie auf allen Seiten zu beenden, das wären die bürgerliche Gesellschaft, die kapitalistische Verwertungslogik und das System des Imperialismus. Damit würden sich übrigens die Religionen auch früher oder später en passant erledigen. Bis wir so weit sind, stehen uns wohl noch einige Terroranschläge ins Haus. Das garantieren die etablierte Politik, die ökonomisch Herrschenden und die zu ihnen gehörenden Medien, die uns Meinungs- und Pressefreiheit vorgaukeln und sicher schon die nächste Mohammed-„Karikatur“ in der Schublade bereit halten. Man muss das Öl hineingießen, solange das Feuer brennt.
„Tôi tên là Charlie“, bekannt aus der Überschrift dieses Textes, bedeutet auf vietnamesisch „Ich bin Charlie“ – in Vietnam hatten sie nämlich 1960-1977 den richtigen „Charlie“ im Kampf gegen Unterdrückung und für die Freiheit. Das braucht’s nämlich: Ðôc lâp – Tu do – Hanh phúc.
Peinlich berührt.
Also in die mögliche Wahl Syrizas einen "Willen zum Bruch mit der Ordnung" und einen "europäischen Frühling" hinein zu interpretieren, ist schon erstaunlich weit aus dem Fenster gelehnt. Aber so vollzieht sich der wohl abzusehende Schwenk der IL und mündet in mehr als impliziten Wahlempfehlungen (vielleicht in Zukunft sogar für sich selbst?). Das Garnieren Eurer Texte mit softcore-anticap Vokabular könnt Ihr dann bitte auch sein lassen, es ist bestenfalls frecher Etikettenschwindel.
naja
Keine Ahnung wie weit du dich mit Syriza beschäftigt hast. Dir ist aber sicher nicht entgangen, dass es eine derartige "linksradikale" Partei seit den letzten 70 Jahren in keinem europäischen Land gegeben hat (wenn überhaupt irgendwo auf der Welt), und schon gar nicht irgendwo in Regierungsposition. Für Europa wäre das in jedem Fall eine historische Zäsur.
lesen bildet
https://linksunten.indymedia.org/de/node/132670
http://www.heise.de/tp/artikel/43/43826/3.html
tolle Links
was sagen die? Nichts! Es wurde sogar noch einige krassere Defizite der Syriza vergessen, aber egal. Die Syriza ist ein heterogener Haufen. gut so, denn homogenen Gleichschritt gibt es höchstens bei den Nazis. Die Linke wird sich nach der Wahl an ihren Taten messen lassen. Sollte Syriza sich zu sehr dem Kapital anbiedern, wird sie sich nicht lange halten, mit fatalen Folgen: ND kommen mit größerer Macht zurück und (noch wichtiger), die Linke Utopie ist zerstört, vermutlich in ganz Europa. Dessen sind sich Tsipras & Kolleg_Innen durchaus bewusst. warten wir ab was passiert. Du kannst auch gerne nach Griechenland kommen und mitmachen, es werden noch Leute gebraucht!
ja, deshalb hier ein link für dich
http://www.tagesschau.de/ausland/syriza-paraskevopoulos-101.html