Die Frage, wer Alice Schwarzer wirklich ist, lässt sich seit den Terroranschlägen von Paris auf die Satirezeitung Charlie Hebdo wirklich stellen. Eine Feministin sicherlich nicht, das wurde spätestens seit ihren letzten Veröffentlichungen deutlich. Denn Alice Schwarzer findet sexuelle Übergriffe und Sexismus nur dann bedrohlich, wenn sie von Muslimen begangen werden. In rassistischer Vereinfachung verurteilt sie den Islam. Wer von antimuslimischem Rassismus spricht und damit die Diskriminierung von Muslimen als Muslimen konzeptionell als Rassismus begreift, sieht sich mit dem Einwand konfrontiert, dass religiöse Identität frei wählbar und damit (anders als zum Beispiel die Hautfarbe oder die Nationalität) veränderlich sei.
Zur Erinnerung:
Rassismus besteht darin, dass einer Gruppe von Menschen (keiner
“Rasse”!) aufgrund ihrer Herkunft gemeinsame, negative Eigenschaften
zugesprochen werden.
“Die aktuelle gesellschaftswissenschaftliche Definition von „Rassismus“
ist: Vorurteil plus Macht. […] Kultureller Rassismus besteht in den
Überzeugungen, Symbolen und den zugrunde liegenden kulturellen
Verhaltensregeln, die eine ‚weiße Überlegenheit’ mit produzieren und
billigen und welche über den Sozialisationsprozess an die jungen
Individuen herangetragen werden. Obwohl der kulturelle Rassismus im
alltäglichen Leben als natürlich wahrgenommen wird und nahezu unsichtbar
ist, reflektiert er die Ideologie der dominanten Gruppe.” Der Braune
Mob e. V.
Für Albert Memmi, einen der renommiertesten Rassismusforscher, bezieht sich
“der Rassismus […] in der Gegenwart […] nicht mehr auf biologische und
soziobiologische, sondern auf ethnische, kulturelle und religiöse
Unterschiede.”
Alice Schwarzer verurteilt den Islam für seine Frauenfeindlichkeit und
spricht muslimischen Frauen ab, dass für sie das Kopftuch in ihren
westlichen Heimatländern eben auch ein Symbol der Selbstbestimmung und
Identität ist. Kopftuch = Unterdrückung, so lautet die Kampfparole, die
in diesen Tagen natürlich wieder Anklang findet. Über dieses Thema gab
es innerhalb der feministischen Community viele Diskussionen, da sich
jüngere (und ja, wir wissen, das mag Alice Schwarzer nicht)
Feministinnen sehr wohl in multikulturellen Zusammenhängen sehen und
Seite an Seite mit feministischen Muslimas oder muslimischen
Feministinnen für die Abschaffung von patriarchalen Ungerechtigkeiten
kämpfen. Denn: Der gemeinsame Feind heißt nicht Islam, sondern
Patriarchat.
Und weil garantiert ein solcher Kommentar kommt: Wir sind recht gut
informiert, sprich, ja, wir wissen, dass in arabischen Ländern
Frauenrechte beschnitten werden. So, wie wir wissen, dass Frauenrechte
in der ganzen Welt beschnitten werden. Den aus der Mehrheitsgesellschaft
gegen den Islam erhobenen Vorwurf er behandele “Frauen wie eine Ware”,
finden wir – die wir im “größten Bordell Europas” leben “dürfen” und uns
von Alltagssexismen gar nicht retten können – naja fast amüsant.
Wollen wir Alice Schwarzer daran erinnern, dass die CDU, die sie
unterstützt, das “christlich” im Namen trägt? Dass diese bei der
Gründung der BRD die Gleichstellung von Frauen im Grundgesetz verhindern
wollte, das Abtreibungsgesetz nachteilig beeinflusste und bis vor
wenigen Wochen der Meinung war, wir Frauen könnten mit der Pille danach
nicht umgehen, sondern würden sie “wie Smarties” einwerfen? Auch die
Neuregelung des Vergewaltigungsparagrafen wurde gegen den Willen der CDU
durchgesetzt. Es sind jene “christlichen” Werte, die Frauen in
Deutschland am Boden halten und ihnen die Selbstbestimmung über ihren
Körper verwehren. Es ist der katholische Papst und seine Kirche, die
Frauen eine gleichberechtigte Teilnahme an der religiösen Gestaltung
jenes Christentums verwehren und die klassische, patriarchale Familie
ungeachtet der Lebensrealität von Menschen weiter zum Nonplusultra
erklären und Abtreibungen verdammen. All das mag man Alice Schwarzer
nachsehen, denn wer in Deutschland für Feminismus ist, kann jeden
Verbündeten brauchen, vielleicht also auch die CDU. Immerhin befinden
wir uns im “christlichen Abendland” (völlig geschichtsvergessen
neuerdings auch im christlich-jüdischen Abendland, als hätte es den
Holocaust nie gegeben) und da geht Reformation doch nur mit den
tonangebenden gesellschaftlichen Kräften. Dieses Selbstverständnis mag
Alice Schwarzer islamischen Gesellschaften jedoch nicht zugestehen.
Stattdessen erklärt sie in bester kolonialistischer Herablassung den
Muslimen und Muslimas mal, wie Zivilisation funktioniert. Tatsächlich
zeigt sich, dass Alice Schwarzer jederzeit bereit ist, ihre
Frauensolidarität für ihren politischen Opportunismus über die Klinge
springen zu lassen. Die Soziologin Daniela Marx, die sich mit dem
Islambild Alice Schwarzers ausführlich beschäftigt hat, sieht ihre
“Islamkritik” als Eintrittskarte in die Wekt der Mainstream-Medien.
Alice Schwarzers Gegnerinschaft gegen Muslime sichert ihr Schlagzeilen
und sogar einen Artikel in der FAZ, dem konservativen Meinungsgeberin
des Bürgertums, die den Feminismus regelmäßig für redundant und
überflüssig erklärt:
“Auf allen Ebenen unseres sozialen Lebens kann man sehen, wie das
Patriarchat zur Benachteiligung des Mannes funktioniert: Zwar bekommen
Frauen acht Prozent weniger Lohn für dieselbe Arbeit, Männer leisten
aber mehr unbezahlte Überstunden. Sie bekommen nur Bruchteile der
finanziellen Aufwendungen im Gesundheitswesen, zum Beispiel in der
Krebsvorsorge – und das, obwohl sie mehr Krebs haben als Frauen und
häufiger daran sterben. Gesetzesinitiativen zur Verbesserung der Lage
scheiterten, die Angleichung der Beiträge in der privaten Kranken- und
Lebensversicherung waren dagegen erfolgreich. Männer werden vor Gericht
für dieselben Delikte härter bestraft als Frauen, vom Diebstahl bis zum
Kindsmord.” 1
Doch damit nicht genug. Alice Schwarzer erklärt in romantischer
Verklärung ihrer Erfahrungen mit einigen Mitarbeitern der Charlie Hebdo
(damals Hara-Kiri) Redaktion:
“Wir Freundinnen mussten allerdings immer wieder mal diese oder jene
Hand, die sich dreist auf unseren Hintern legte oder unserem Busen
näherte, energisch wegschieben. Doch wir hatten das im Griff. Denn diese
scheinbar so rauen Jungs waren in Wahrheit alle feinfühlig und
hochsensibel. Allen voran der so früh gestorbene Jean-Marc Reiser, aber
auch der verträumte Cabu und der rotzfreche Wolinski. …“ 2
In anderen Worten, Alice Schwarzer findet sexuelle Gewalt in Ordnung,
solange sie von weißen Männern ausgeübt wird. Man kann sich sicher sein,
übrigens, das Prostituenten auch nur so rau wirken, aber alle einfach
nur nach Liebe suchen. Das war jedenfalls oft genug zu lesen in
Berichten über die armen „Sexkäufer“. Alle Männer werden bei sexuellen
Übergriffen und Gewalt entschuldigt im Patriarchat. Wir hätten
allerdings nicht damit gerechnet, dass das eine Feministin tut.
Charlie Hebdo ist eine deutlich männliche Zeichnung, wie schon aus dem
Männernamen ersichtlich. Es gibt und gab kaum Frauen im Redaktionsteam.
Die Karikaturen bedienen sich oft sexueller Inhalte. Allerdings geht es
nicht um das Niveau der Karikaturen oder die gezielte politische
Provokation in angespannten politischen Zeiten durch Charlie Hebdo,
sondern um Alice Schwarzer, die als Feministin sexuelle Gewalt eines
dominanten männlichen Redaktionsteams fast niedlich findet.
Allerdings zeigt sich Alice Schwarzer auch als Rassistin, als
Versteherin von PEGIDA und sieht den Kampf des Abendlandes gegen den
politischen Islam voraus. Das letzte Gefecht sozusagen, aber nicht gegen
den Kapitalismus, sondern gegen eine Religion. Natürlich unterscheidet
sie zwischen dem Islam und dem Islamismus um dann ein aber anzufügen.
Sie folgt dem üblichen Schema: “Ich habe nichts gegen Ausländer, aber
…“. Sie spricht auch gerne in der „wir“ Form und konstruiert somit
sozusagen eine deutsches Volk. Diesem „wir“ stellt sie die Islamisten
gegenüber, die „Anderen“. In Jedem Fall aber spricht sie aus der
Perspektive der weißen Europäerin, die etwas mit den anderen, den
Fremden, tun sollte und weiß, wo es langgeht, nämlich zur Trennung von
Staat und Kirche. Es geht hier nicht um den Sinn des Laizismus, sondern
um die Darstellung der überlegenen Europäerin, die gegen die bösen,
rückständigen „Islamisten“ (ihre Definition hiervon bleibt unklar)
handeln muss. Früher waren es die Hottentotten und jetzt sind es die
Männer mit Bärten (mit muslimischen Bärten, nicht modischen, westlichen
Bärte), denen „wir“ zeigen müssen, wo der Hammer hängt.
“Die Franzosen haben dieselben Fehler gemacht wie wir. Sie haben zu
wenig getan für eine echte Integration und die Agitation der Islamisten
in den Vierteln nicht ernst genommen. Eines aber können wir von den
Franzosen lernen: die strikte Trennung zwischen Religion und Staat. In
Frankreich ist das Kopftuch in der Schule für Lehrerinnen und
Schülerinnen schon lange verboten, ebenso das Kreuz und die Kippa. Und
die Burka, dieses Leichentuch für Frauen, ist in der Öffentlichkeit ganz
verboten“. 3
Aber die Situation von Frankreich mit Deutschland zu vergleichen und die
Burka-Diskussion in Frankreich in denselben Kontext zu stellen, zeigt
ebenso Arroganz und Unwissenheit. Frankreich hat Algerien kolonisiert
und AlgerierInnen gefoltert, getötet und ausgebeutet. Bis heute sind
allen AlgerierInnen die Folterungen der Franzosen und ihre brutale
Kolonialgeschichte im Gedächtnis. Eine Burka- oder Kopftuch-Diskussion
in Frankreich ist eine andere wie in Deutschland und wird und wurde auch
immer anders bewertet.
Alice Schwarzer hat sich auch der Kampagne “Ich bin Charlie“
angeschlossen. Alleine diese Kampagne ist ausgrenzend. Kein Algerier
oder Algerierin (abgesehen von “Harkis”) würde sich im Zusammenhang der
Kolonialgeschichte mit einem westlichen Namen identifizieren und die
Mehrheit der Muslime kann und möchte sich auch nicht mit einer
Satire-Zeitschrift identifizieren, die den Islam beleidigt hat. Ein
Mitglied des Redaktionsteams war algerischer Abstammung und einer der
getöteten Polizisten war Muslim. Allerdings werden Menschen mit
algerischer Abstammung, die mit der französischen Regierung oder eben
einer islamfeindlichen Zeitschrift kooperieren, als Harkis,
VerräterInnen, beschimpft, denn diese gab es auch in der brutalen
Kolonialgeschichte. 4 Aber in Deutschland ist das ja sowieso ganz
anders, wie ja auch der Papstskandal der Titanic vor Jahren zeigte. Ganz
bestimmt wäre es in Deutschland lustig, wenn der Papst mit entblößtem
Hinterteil gezeigt würde oder durchlöchert mit Schüssen. Sofort würden
alle gläubigen ChristInnen sich mit der Titanic identifizieren, wäre es
zu einem ähnlichen Amoklauf gekommen.
Alice Schwarzer, die Feministin, sieht im Zusammenhang von Islam sogar
die Überlegenheit von Männern. FRAUEN sind halt einfach kleine Naivchen,
die drohende Gefahren nicht erkennen können. Sie sind einfach so
gutgläubig, aber Männer konnten eben schon immer ihren Verstand nutzen.
“… Die Männer scheinen die Gefahr einer islamistischen Unterwanderung
klarer zu sehen als die Frauen, obwohl die doch noch viel bedrohter
sind. Ich warne ja schon seit 1979 vor einem islamistischen Kreuzzug. …”
5
Der Begriff der “Unterwanderung” ist eigentlich aus eindeutig
rassistischen, rechten und diktatorischen Zusammenhängen bekannt. In den
südamerikanischen Diktaturen wurde er als Sammelbegriff für politische
GegnerInnen behandelt, die dann nicht selten gefoltert und umgebracht
wurden. Auf diese Weise wurde die gewalttätige, staatliche Ausschaltung
von Andersdenkenden gerechtfertigt. Zufall? Bei einer Frau vom Intellekt
und der Rhethorik einer Alice Schwarzer schwer zu glauben. Der Begriff
“islamistischer Kreuzzug” ist auch eine amüsante Neubesetzung des Wortes
Kreuzzug, hunderte Millionen von Menschen mussten als Folge der
christlichen Kreuzzüge sterben. Wahrscheinlich kann sie aber vor lauter
Hass nicht das Wort „Djihad“ benutzen, denn es ist ein arabisches Wort.
Kolonialistisch geht es weiter: “
“Und was die in der Tat wohl nötige Reform des Islams angeht: die scheint mir eine innere Angelegenheit der Muslime …“. 6
Es ist sehr anmaßend, als weiße Europäerin darüber zu urteilen, was
andere Religionen zu tun oder zu lassen haben und wer (solange keine
Straftaten begangen werden). Sie ist keine Muslima.
Es ist auch anmaßend die Definitionsmacht darüber beanspruchen zu wollen
wer von den Musliminnen (zum Beispiel in der EMMA) sprechen darf und
wer nicht. Sie verweigert Frauen, die beispielsweise ein Kopftuch tragen
nicht nur das Recht auf Selbstrepräsentation, sondern beschuldigt sie
auch noch der Komplizinnenschaft mit fundamentalistischen, muslimischen
Männern. Muslimischen Frauen gesteht sie nur ein begrenztes Repertoire
an Rollen zu: Entweder sehen sie ein, dass sie von ihren Männern und
ihrer Religion unterdrückt werden und begehren Rettung durch die
Mehrheitsgesellschaft, oder sie sind zu “naiv” um sich ihrer
Unterdrückung bewusst zu werden und bleiben passiv. Schlagen sie beides
aus und treten selbstbewusst für das Recht auf das Tragen eines
Kopftuchs ein, dann sind die Kollaborateurinnen der “Islamisten”. Die
Taktik nur bestimmte Frauen, nämlich jene, die Schwarzers Ansichten
teilen, für sich sprechen zu lassen und sie als Kronzeuginnen zu
benutzten ist perfide, schützt sie sich, genau wie Thilo Sarrazin es mit
Necla Kelek an seiner Seite bei seiner Buchvorstellung getan hat, damit
allzu oft erfolgreich vor dem berechtigten Rassismusvorwurf.
Alice Schwarzer blendet die zahlreichen Bemühungen muslimischer
Feministinnen, die eine Re-Lektüre des Korans aus weiblicher Perspektive
fordern und praktizieren komplett aus.
Das Redaktionsteam von EMMA spricht übrigens auch eine deutliche
Sprache. Es gibt keinerlei kulturelle Diversifikation und anscheinend
somit auch keinen Wunsch nach einem buntem, multikulturellen Feminismus.
Wieso auch: Alice weiß, wo es langzugehen hat beim Thema Feminismus.
Dann ist es besser, wenn auch das Redaktionsteam einen identischen
kulturellen Hintergrund hat, nämlich den der deutschen weißen
Mittelschicht.
“… Ich würde eher sagen, wir waren zu nachlässig und zu wenig
selbstbewusst zu gleich. Wir haben der seit Mitte der 1980er Jahre
systematischen Agitation der Islamisten – die zum Beispiel Eltern sogar
Öldollars für die Verschleierung ihrer Töchter zahlen – wenig
entgegengesetzt. Wir haben die Söhne nicht ernst genug genommen und die
FRAUEN und Mädchen nicht vor den Fundamentalisten geschützt.
Gleichzeitig haben wir die von uns so mühsam errungenen Werte, wie
Rechtsstaat oder Gleichberechtigung, nicht wirklich verteidigt, sondern
stattdessen eine unrealistische Fremdenliebe propagiert. Diese Art von
Fremdenliebe aber, die den anderen nicht ernst nimmt, sondern in einem
exotischen “Anderssein” belässt, ist in Wahrheit nur die andere Seite
der Medaille Fremdenhass. …“ 7
Alice Schwarzer nutzt Begriffe wie Fremdenliebe und Fremdenhass und
„exotisches“ Anderssein. Diese Begriffe stilisieren wieder „das Andere“
und fasst alle, die nicht „wir“ sind, zu Fremden zusammen. Die
Akzeptanz, dass andere Menschen andere Vorlieben haben, andere Werte,
und vielleicht auch andere Kleidung tragen, ist einfach eine Bestätigung
dafür, das jeder Mensch das Recht hat auf seine Individualität. Wir
haben alle Unterscheidungen und Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen.
Man muss sich diese Ausdrucksweise mal im Zusammenhang mit anderen
“Minderheiten” vorstellen. Käme jemand von uns auf die Idee,
IndianerInnen für ihr “exotisches Anderssein” zu kritisieren? Und bevor
die dummen Kommentare kommen: Auch IndianerInnen galten lange als
potenzielle TerroristInnen und wurden dafür umgebracht, und: sie töteten
auch selbst. Gleichzeitig lebte die Mehrzahl von ihnen über hunderte
von Jahren in friedlicher und freundschaftlicher Koexistenz mit weißen
KolonialistInnen. Diese aber bezweifelten, dass die Indigenen
Nordamerikas überhaupt Menschen seien und erregten sich über deren
Heiratsbräuche und religiöse Vorstellungen – zu einer Zeit, als in
Europa noch Hexen auf dem Scheiterhaufen brannten. Die Arroganz und
tödliche Ignoranz des Kolonialismus wurde so gerechtfertigt – denn im
Zusammenhang mit Gesellschaften unterschiedlicher militärischer und
wirtschaftlicher Macht ist Ignoranz immer potenziell tödlich, auch
heute. Ein irakisches Kind hat, so zynisch es klingt, nicht den gleichen
Wert wie ein französischer Redakteur. Die Geschichte erzählt es uns:
Büßen mussten trotzdem alle Indianer, ganz gleich, welche Anstrengungen
sie unternahmen, um sich “anzupassen”. Erst jetzt, wo sie keine
nennenswerten Gegner mehr darstellen, werden ihre Kulturen romantisiert
und zu Folklore erklärt.
Alice Schwarzer ist leider auch, so oft sie über den Islamismus hetzt,
nicht nur einseitig, sondern auch erstaunlich uninformiert:
“Übrigens ist es auffallend, dass zwar jeder zweite Mann muslimischer
Herkunft “oft” oder “manchmal” in die Moschee geht, aber nur jede vierte
Frau. Die FRAUEN werden wissen, warum. Unsere Demokratie müsste auf
jeden Fall endlich auf einer strikten Trennung von Staat und Religion
bestehen.“ 8
Frau Schwarzer sollte wissen, dass FRAUEN eher zu Hause beten sollen.
Die Diskussion um die Hintergründe sind ein anderes Thema, aber zu
behaupten, dass Frauen aus anderen Gründen nicht zum Beten in die
Moschee gehen, ist schlichtweg uninformiert. Ihre Forderung nach
Trennung von Staat und Religion ist auch eine andere und sie macht es
auschließlich am Islam fest, anstatt an der Macht der christlichen
Kirche in Deutschland, die durch die fehlende Trennung von Staat und
Kirche Millionen (von ChristInnen, JüdInnen, MuslimInnen, HeidInnen,
nämlich nicht nur an Kirchensteuern) kassiert und das Wohlfahrtssystem
dominiert. Die ein eigenes Kirchenrecht besitzt, dass
ArbeitnehmerInnen-Rechte mit Füßen tritt, sich aber die Arbeit komplett
staatlich finanzieren lässt.
Als Feministin, angebliche, ist es sehr bemerkenswert, dass sie
behauptet, es gäbe in Deutschland Gleichberechtigung. Sie sollte
eigentlich wissen, dass FRAUEN in einer Welt der völligen Ungleichheit
leben, männerdominiert von der Wiege bis zur Bahre. In einer Welt der
Prostitution, Pornografie, Pädokriminalität, Mädchenüberraschungseiern
und Frauenarmut. Alice aber lebt in einer Welt der Gleichberechtigung –
anscheinend ist in den letzten Tagen ein Wunder geschehen.
In diesen Tagen liest man viel über “die Freiheit”, in der wir leben. Es
stellt sich die Frage, was diese Freiheit beinhaltet, in deren Namen
wir jetzt gegen unsere MitbürgerInnen hetzen. Wenn unsere Freiheit darin
besteht, dass die bekannteste deutsche Feministin öffentlich erklärt,
Männer, die Frauen während der Ausübung ihres Berufes sexuell
belästigen, seien “hochsensible und feinfühlige Jungs” und deren
Übergriffe damit verharmlost, dann ist diese Freiheit ein hohler
Begriff. Dann sind wir und vor allem bleiben wir nämlich auch nur Sache,
Objekt, Verhandlungsmasse in einer patriarchalen Gesellschaft, in der
uns unsere sogenannte Schwester für ihren politischen Opportunismus an’s
Messer liefert. Kurz gesagt: Sexuelle Gewalt ist nur schlimm, wenn sie
von “Fremden” begangen wird. Solange uns “unsere Jungs” an den Hintern
greifen, ist alles gut, da können wir uns als selbstbewusste FRAUEN
schon selbst wehren. Diese Aussage kommt einer Kapitulation des
Feminismus gleich, der in fatalem Maße an das Verhalten vieler
Frauenrechtlerinnen im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg erinnert,
in dessen Zuge die Kämpfe zugunsten der nationalen Interessen weltweit
ruhten. Um ihre Aussagen über den Islam an den Mann zu bringen, verrät
Alice Schwarzer alles, wofür sie in den letzten vierzig Jahren gestanden
hat. Sie ist sich nicht zu schade, dabei sogar Bündnisse mit den
wichtigsten Stichwortgebern der rechtspopulistischen Szene in
Deutschland, Udo Ulfkotte und PEGIDA, einzugehen.
Besonders traurig aber ist, was Alice Schwarzer von sich gibt, traurig
für den Kampf gegen Prostitution und Pornografie, bei aller Polemik. Wir
haben lange und vieles ignoriert bei Alice Schwarzer und der EMMA, da
wir keine Kämpfe gegeneinander führen wollen. Das Patriarchat ist
stärker und das gemeinsame Projekt des Kampfes gegen sexuelle Gewalt in
allen Formen hat uns erlaubt, nur das Große und Ganze zu sehen. Wir
haben sie verteidigt gegenüber anderen, unsere Solidarität war ihr
sicher.
Nun ist eine Grenze erreicht: Rassismus ist die Schwester von Sexismus.
Und geistige Brandstiftung nehmen wir nicht hin, auch nicht von Alice
Schwarzer. Denn sie hat sich auch als Anti-Feministin gezeigt. Wir
können dazu nicht schweigen. Und als Feministinnen sind wir auch nicht
Charlie übrigens. Die Attentate sind beängstigend und traurig, wie
Gewalt traurig ist, aber wir sind trotzdem keine männliche
Satirezeitung. Nicht wie Alice. Die jetzt Charlie ist.
Fußnoten
(1) http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ende-des-patriarchats-der...
(2) http://www.aliceschwarzer.de/artikel/alice-schwarzer-aus-paris-ueber-das...
(3)http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/charlie-hebdo-alice-schwarzer-demokratische-muslime-muessen-farben-bekennen-aid-1.4785093
(4) http://www.faz.net/aktuell/politik/frankreich-general-gibt-folter-und-ex...
(5)http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/charlie-hebdo-alice-schwarzer-demokratische-muslime-muessen-farben-bekennen-aid-1.4785093
(6) ebenda
(7) ebenda
(8) ebenda
Leseempfehlung
Yasemin Shooman: “… weil ihre Kultur so ist” – Narrative des antimuslimischen Rassismus, transcript, Bielefeld 2014
Quelle: http://diestoerenfriedas.de/alice-fuck-ist-alice
naja
Es wäre schön, wenn ihr mit offenen Karten spielen könntet und z. B. schreiben würdet "Wir begreifen Rassismus als..." stattdessen schreibt ihr "Zur Erinnerung: Rassismus besteht darin,..." und verschleiert so, dass es unterschiedliche Definitionen zu Rassismus gibt und dazu eine breite Debatte stattfindet. Das ist Schade und verdirbt gleich zu Beginn die Lust auf den Artikel.
Danke
wollte ich auch gerade schreiben.
ich finde nicht notwendig und sinnvoll
in einem solchen text unterschiedliche definitionen zu rassismus zu erklären, mir reicht wenn die eigene haltung deutlich wird
wird sie aber nciht
genau das passiert ja aber nciht und das sollte glaube ihc mit dem ersten KOmmentar auch gesagt werden.
Es wird eben nciht gesagt: Unsere Haltung zu Rassismusist... oder Wir verstehen unter Rassismus... sondern es wird eine Definition von Rassismus gegeben und als unhinterfragbar dargestellt (unter andrem mit dem Hinweis auf "rennommierte Rassismusfoscher_Innen"). Damit versteckt man sich hinter einer vermeintlichen Objektivität der wissenschaft statt seinen eigenen Standpunkt und sein eigenes Interesse deutlich zu machen. Und das kritisiert auch der erste Kommentar. Nicht etwa, dass nicht verschiedene Rassismuskonzepte diskutiert wurden.
Für mich ist das aber eher ein Formfehler, der dem Inhalt nicht abträglich ist.
*
der text ist genauso undiffernziert und unreflektiert wie alice schwarzer.
tschao