Alice – who the Fuck ist Alice

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Die Frage, wer Alice Schwarzer wirklich ist, lässt sich seit den Terroranschlägen von Paris auf die Satirezeitung Charlie Hebdo wirklich stellen. Eine Feministin sicherlich nicht, das wurde spätestens seit ihren letzten Veröffentlichungen deutlich. Denn Alice Schwarzer findet sexuelle Übergriffe und Sexismus nur dann bedrohlich, wenn sie von Muslimen begangen werden. In rassistischer Vereinfachung verurteilt sie den Islam. Wer von antimuslimischem Rassismus spricht und damit die Diskriminierung von Muslimen als Muslimen konzeptionell als Rassismus begreift, sieht sich mit dem Einwand konfrontiert, dass religiöse Identität frei wählbar und damit (anders als zum Beispiel die Hautfarbe oder die Nationalität) veränderlich sei.

 

Zur Erinnerung:

Rassismus besteht darin, dass einer Gruppe von Menschen (keiner “Rasse”!) aufgrund ihrer Herkunft gemeinsame, negative Eigenschaften zugesprochen werden.

“Die aktuelle gesellschaftswissenschaftliche Definition von „Rassismus“ ist: Vorurteil plus Macht. […] Kultureller Rassismus besteht in den Überzeugungen, Symbolen und den zugrunde liegenden kulturellen Verhaltensregeln, die eine ‚weiße Überlegenheit’ mit produzieren und billigen und welche über den Sozialisationsprozess an die jungen Individuen herangetragen werden. Obwohl der kulturelle Rassismus im alltäglichen Leben als natürlich wahrgenommen wird und nahezu unsichtbar ist, reflektiert er die Ideologie der dominanten Gruppe.” Der Braune Mob e. V.

Für Albert Memmi, einen der renommiertesten Rassismusforscher, bezieht sich

“der Rassismus […] in der Gegenwart […] nicht mehr auf biologische und soziobiologische, sondern auf ethnische, kulturelle und religiöse Unterschiede.”

Alice Schwarzer verurteilt den Islam für seine Frauenfeindlichkeit und spricht muslimischen Frauen ab, dass für sie das Kopftuch in ihren westlichen Heimatländern eben auch ein Symbol der Selbstbestimmung und Identität ist. Kopftuch = Unterdrückung, so lautet die Kampfparole, die in diesen Tagen natürlich wieder Anklang findet. Über dieses Thema gab es innerhalb der feministischen Community viele Diskussionen, da sich jüngere (und ja, wir wissen, das mag Alice Schwarzer nicht) Feministinnen sehr wohl in multikulturellen Zusammenhängen sehen und Seite an Seite mit feministischen Muslimas oder muslimischen Feministinnen für die Abschaffung von patriarchalen Ungerechtigkeiten kämpfen. Denn: Der gemeinsame Feind heißt nicht Islam, sondern Patriarchat.

Und weil garantiert ein solcher Kommentar kommt: Wir sind recht gut informiert, sprich, ja, wir wissen, dass in arabischen Ländern Frauenrechte beschnitten werden. So, wie wir wissen, dass Frauenrechte in der ganzen Welt beschnitten werden. Den aus der Mehrheitsgesellschaft gegen den Islam erhobenen Vorwurf er behandele “Frauen wie eine Ware”, finden wir – die wir im “größten Bordell Europas” leben “dürfen” und uns von Alltagssexismen gar nicht retten können – naja fast amüsant.

Wollen wir Alice Schwarzer daran erinnern, dass die CDU, die sie unterstützt, das “christlich” im Namen trägt? Dass diese bei der Gründung der BRD die Gleichstellung von Frauen im Grundgesetz verhindern wollte, das Abtreibungsgesetz nachteilig beeinflusste und bis vor wenigen Wochen der Meinung war, wir Frauen könnten mit der Pille danach nicht umgehen, sondern würden sie “wie Smarties” einwerfen? Auch die Neuregelung des Vergewaltigungsparagrafen wurde gegen den Willen der CDU durchgesetzt. Es sind jene “christlichen” Werte, die Frauen in Deutschland am Boden halten und ihnen die Selbstbestimmung über ihren Körper verwehren. Es ist der katholische Papst und seine Kirche, die Frauen eine gleichberechtigte Teilnahme an der religiösen Gestaltung jenes Christentums verwehren und die klassische, patriarchale Familie ungeachtet der Lebensrealität von Menschen weiter zum Nonplusultra erklären und Abtreibungen verdammen. All das mag man Alice Schwarzer nachsehen, denn wer in Deutschland für Feminismus ist, kann jeden Verbündeten brauchen, vielleicht also auch die CDU.  Immerhin befinden wir uns im “christlichen Abendland” (völlig geschichtsvergessen neuerdings auch im christlich-jüdischen Abendland, als hätte es den Holocaust nie gegeben) und da geht Reformation doch nur mit den tonangebenden gesellschaftlichen Kräften. Dieses Selbstverständnis mag Alice Schwarzer islamischen Gesellschaften jedoch nicht zugestehen. Stattdessen erklärt sie in bester kolonialistischer Herablassung den Muslimen und Muslimas mal, wie Zivilisation funktioniert. Tatsächlich zeigt sich, dass Alice Schwarzer jederzeit bereit ist, ihre Frauensolidarität für ihren politischen Opportunismus über die Klinge springen zu lassen. Die Soziologin Daniela Marx, die sich mit dem Islambild Alice Schwarzers ausführlich beschäftigt hat, sieht ihre “Islamkritik” als Eintrittskarte in die Wekt der Mainstream-Medien. Alice Schwarzers Gegnerinschaft gegen Muslime sichert ihr Schlagzeilen und sogar einen Artikel in der FAZ, dem konservativen Meinungsgeberin des Bürgertums, die den Feminismus regelmäßig für redundant und überflüssig erklärt:

“Auf allen Ebenen unseres sozialen Lebens kann man sehen, wie das Patriarchat zur Benachteiligung des Mannes funktioniert: Zwar bekommen Frauen acht Prozent weniger Lohn für dieselbe Arbeit, Männer leisten aber mehr unbezahlte Überstunden. Sie bekommen nur Bruchteile der finanziellen Aufwendungen im Gesundheitswesen, zum Beispiel in der Krebsvorsorge – und das, obwohl sie mehr Krebs haben als Frauen und häufiger daran sterben. Gesetzesinitiativen zur Verbesserung der Lage scheiterten, die Angleichung der Beiträge in der privaten Kranken- und Lebensversicherung waren dagegen erfolgreich. Männer werden vor Gericht für dieselben Delikte härter bestraft als Frauen, vom Diebstahl bis zum Kindsmord.” 1

Doch damit nicht genug. Alice Schwarzer erklärt in romantischer Verklärung ihrer Erfahrungen mit einigen Mitarbeitern der Charlie Hebdo (damals Hara-Kiri) Redaktion:

“Wir Freundinnen mussten allerdings immer wieder mal diese oder jene Hand, die sich dreist auf unseren Hintern legte oder unserem Busen näherte, energisch wegschieben. Doch wir hatten das im Griff. Denn diese scheinbar so rauen Jungs waren in Wahrheit alle feinfühlig und hochsensibel. Allen voran der so früh gestorbene Jean-Marc Reiser, aber auch der verträumte Cabu und der rotzfreche Wolinski. …“ 2

In anderen Worten, Alice Schwarzer findet sexuelle Gewalt in Ordnung, solange sie von weißen Männern ausgeübt wird. Man kann sich sicher sein, übrigens, das Prostituenten auch nur so rau wirken, aber alle einfach nur nach Liebe suchen. Das war jedenfalls oft genug zu lesen in Berichten über die armen „Sexkäufer“. Alle Männer werden bei sexuellen Übergriffen und Gewalt entschuldigt im Patriarchat. Wir hätten allerdings nicht damit gerechnet, dass das eine Feministin tut.

Charlie Hebdo ist eine deutlich männliche Zeichnung, wie schon aus dem Männernamen ersichtlich. Es gibt und gab kaum Frauen im Redaktionsteam. Die Karikaturen bedienen sich oft sexueller Inhalte. Allerdings geht es nicht um das Niveau der Karikaturen oder die gezielte politische Provokation in angespannten politischen Zeiten durch Charlie Hebdo, sondern um Alice Schwarzer, die als Feministin sexuelle Gewalt eines dominanten männlichen Redaktionsteams fast niedlich findet.

Allerdings zeigt sich Alice Schwarzer auch als Rassistin, als Versteherin von PEGIDA und sieht den Kampf des Abendlandes gegen den politischen Islam voraus. Das letzte Gefecht sozusagen, aber nicht gegen den Kapitalismus, sondern gegen eine Religion. Natürlich unterscheidet sie zwischen dem Islam und dem Islamismus um dann ein aber anzufügen. Sie folgt dem üblichen Schema: “Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …“. Sie spricht auch gerne in der „wir“ Form und konstruiert somit sozusagen eine deutsches Volk. Diesem „wir“ stellt sie die Islamisten gegenüber, die „Anderen“. In Jedem Fall aber spricht sie aus der Perspektive der weißen Europäerin, die etwas mit den anderen, den Fremden, tun sollte und weiß, wo es langgeht, nämlich zur Trennung von Staat und Kirche. Es geht hier nicht um den Sinn des Laizismus, sondern um die Darstellung der überlegenen Europäerin, die gegen die bösen, rückständigen „Islamisten“ (ihre Definition hiervon bleibt unklar) handeln muss. Früher waren es die Hottentotten und jetzt sind es die Männer mit Bärten (mit muslimischen Bärten, nicht modischen, westlichen Bärte), denen „wir“ zeigen müssen, wo der Hammer hängt.

“Die Franzosen haben dieselben Fehler gemacht wie wir. Sie haben zu wenig getan für eine echte Integration und die Agitation der Islamisten in den Vierteln nicht ernst genommen. Eines aber können wir von den Franzosen lernen: die strikte Trennung zwischen Religion und Staat. In Frankreich ist das Kopftuch in der Schule für Lehrerinnen und Schülerinnen schon lange verboten, ebenso das Kreuz und die Kippa. Und die Burka, dieses Leichentuch für Frauen, ist in der Öffentlichkeit ganz verboten“. 3

Aber die Situation von Frankreich mit Deutschland zu vergleichen und die Burka-Diskussion in Frankreich in denselben Kontext zu stellen, zeigt ebenso Arroganz und Unwissenheit. Frankreich hat Algerien kolonisiert und AlgerierInnen gefoltert, getötet und ausgebeutet. Bis heute sind allen AlgerierInnen die Folterungen der Franzosen und ihre brutale Kolonialgeschichte im Gedächtnis. Eine Burka- oder Kopftuch-Diskussion in Frankreich ist eine andere wie in Deutschland und wird und wurde auch immer anders bewertet.

Alice Schwarzer hat sich auch der Kampagne “Ich bin Charlie“ angeschlossen. Alleine diese Kampagne ist ausgrenzend. Kein Algerier oder Algerierin (abgesehen von “Harkis”) würde sich im Zusammenhang der Kolonialgeschichte mit einem westlichen Namen identifizieren und die Mehrheit der Muslime kann und möchte sich auch nicht mit einer Satire-Zeitschrift identifizieren, die den Islam beleidigt hat. Ein Mitglied des Redaktionsteams war algerischer Abstammung und einer der getöteten Polizisten war Muslim. Allerdings werden Menschen mit algerischer Abstammung, die mit der französischen Regierung oder eben einer islamfeindlichen Zeitschrift kooperieren, als Harkis, VerräterInnen, beschimpft, denn diese gab es auch in der brutalen Kolonialgeschichte. 4 Aber in Deutschland ist das ja sowieso ganz anders, wie ja auch der Papstskandal der Titanic vor Jahren zeigte. Ganz bestimmt wäre es in Deutschland lustig, wenn der Papst mit entblößtem Hinterteil gezeigt würde oder durchlöchert mit Schüssen. Sofort würden alle gläubigen ChristInnen sich mit der Titanic identifizieren, wäre es zu einem ähnlichen Amoklauf gekommen.

Alice Schwarzer, die Feministin, sieht im Zusammenhang von Islam sogar die Überlegenheit von Männern. FRAUEN sind halt einfach kleine Naivchen, die drohende Gefahren nicht erkennen können. Sie sind einfach so gutgläubig, aber Männer konnten eben schon immer ihren Verstand nutzen.

“… Die Männer scheinen die Gefahr einer islamistischen Unterwanderung klarer zu sehen als die Frauen, obwohl die doch noch viel bedrohter sind. Ich warne ja schon seit 1979 vor einem islamistischen Kreuzzug. …” 5

Der Begriff der “Unterwanderung” ist eigentlich aus eindeutig rassistischen, rechten und diktatorischen Zusammenhängen bekannt. In den südamerikanischen Diktaturen wurde er als Sammelbegriff für politische GegnerInnen behandelt, die dann nicht selten gefoltert und umgebracht wurden. Auf diese Weise wurde die gewalttätige, staatliche Ausschaltung von Andersdenkenden gerechtfertigt. Zufall? Bei einer Frau vom Intellekt und der Rhethorik einer Alice Schwarzer schwer zu glauben. Der Begriff “islamistischer Kreuzzug” ist auch eine amüsante Neubesetzung des Wortes Kreuzzug, hunderte Millionen von Menschen mussten als Folge der christlichen Kreuzzüge sterben. Wahrscheinlich kann sie aber vor lauter Hass nicht das Wort „Djihad“ benutzen, denn es ist ein arabisches Wort.

Kolonialistisch geht es weiter: “

“Und was die in der Tat wohl nötige Reform des Islams angeht: die scheint mir eine innere Angelegenheit der Muslime …“. 6

Es ist sehr anmaßend, als weiße Europäerin darüber zu urteilen, was andere Religionen zu tun oder zu lassen haben und wer (solange keine Straftaten begangen werden). Sie ist keine Muslima.

Es ist auch anmaßend die Definitionsmacht darüber beanspruchen zu wollen wer von den Musliminnen (zum Beispiel in der EMMA) sprechen darf und wer nicht. Sie verweigert Frauen, die beispielsweise ein Kopftuch tragen nicht nur das Recht auf Selbstrepräsentation, sondern beschuldigt sie auch noch der Komplizinnenschaft mit fundamentalistischen, muslimischen Männern. Muslimischen Frauen gesteht sie nur ein begrenztes Repertoire an Rollen zu: Entweder sehen sie ein, dass sie von ihren Männern und ihrer Religion unterdrückt werden und begehren Rettung durch die Mehrheitsgesellschaft, oder sie sind zu “naiv” um sich ihrer Unterdrückung bewusst zu werden und bleiben passiv. Schlagen sie beides aus und treten selbstbewusst für das Recht auf das Tragen eines Kopftuchs ein, dann sind die Kollaborateurinnen der “Islamisten”. Die Taktik nur bestimmte Frauen, nämlich jene, die Schwarzers Ansichten teilen, für sich sprechen zu lassen und sie als Kronzeuginnen zu benutzten ist perfide, schützt sie sich, genau wie Thilo Sarrazin es mit Necla Kelek an seiner Seite bei seiner Buchvorstellung getan hat, damit allzu oft erfolgreich vor dem berechtigten Rassismusvorwurf.

Alice Schwarzer blendet die zahlreichen Bemühungen muslimischer Feministinnen, die eine Re-Lektüre des Korans aus weiblicher Perspektive fordern und praktizieren komplett aus.

Das Redaktionsteam von EMMA spricht übrigens auch eine deutliche Sprache. Es gibt keinerlei kulturelle Diversifikation und anscheinend somit auch keinen Wunsch nach einem buntem, multikulturellen Feminismus. Wieso auch: Alice weiß, wo es langzugehen hat beim Thema Feminismus. Dann ist es besser, wenn auch das Redaktionsteam einen identischen kulturellen Hintergrund hat, nämlich den der deutschen weißen Mittelschicht.

“… Ich würde eher sagen, wir waren zu nachlässig und zu wenig selbstbewusst zu gleich. Wir haben der seit Mitte der 1980er Jahre systematischen Agitation der Islamisten – die zum Beispiel Eltern sogar Öldollars für die Verschleierung ihrer Töchter zahlen – wenig entgegengesetzt. Wir haben die Söhne nicht ernst genug genommen und die FRAUEN und Mädchen nicht vor den Fundamentalisten geschützt. Gleichzeitig haben wir die von uns so mühsam errungenen Werte, wie Rechtsstaat oder Gleichberechtigung, nicht wirklich verteidigt, sondern stattdessen eine unrealistische Fremdenliebe propagiert. Diese Art von Fremdenliebe aber, die den anderen nicht ernst nimmt, sondern in einem exotischen “Anderssein” belässt, ist in Wahrheit nur die andere Seite der Medaille Fremdenhass. …“ 7

Alice Schwarzer nutzt Begriffe wie Fremdenliebe und Fremdenhass und „exotisches“ Anderssein. Diese Begriffe stilisieren wieder „das Andere“ und fasst alle, die nicht „wir“ sind, zu Fremden zusammen. Die Akzeptanz, dass andere Menschen andere Vorlieben haben, andere Werte, und vielleicht auch andere Kleidung tragen, ist einfach eine Bestätigung dafür, das jeder Mensch das Recht hat auf seine Individualität. Wir haben alle Unterscheidungen und Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen. Man muss sich diese Ausdrucksweise mal im Zusammenhang mit anderen “Minderheiten” vorstellen. Käme jemand von uns auf die Idee, IndianerInnen für ihr “exotisches Anderssein” zu kritisieren? Und bevor die dummen Kommentare kommen: Auch IndianerInnen galten lange als potenzielle TerroristInnen und wurden dafür umgebracht, und: sie töteten auch selbst. Gleichzeitig lebte die Mehrzahl von ihnen über hunderte von Jahren in friedlicher und freundschaftlicher Koexistenz mit weißen KolonialistInnen. Diese aber bezweifelten, dass die Indigenen Nordamerikas überhaupt Menschen seien und erregten sich über deren Heiratsbräuche und religiöse Vorstellungen – zu einer Zeit, als in Europa noch Hexen auf dem Scheiterhaufen brannten. Die Arroganz und tödliche Ignoranz des Kolonialismus wurde so gerechtfertigt – denn im Zusammenhang mit Gesellschaften unterschiedlicher militärischer und wirtschaftlicher Macht ist Ignoranz immer potenziell tödlich, auch heute. Ein irakisches Kind hat, so zynisch es klingt, nicht den gleichen Wert wie ein französischer Redakteur. Die Geschichte erzählt es uns: Büßen mussten trotzdem alle Indianer, ganz gleich, welche Anstrengungen sie unternahmen, um sich “anzupassen”. Erst jetzt, wo sie keine nennenswerten Gegner mehr darstellen, werden ihre Kulturen romantisiert und zu Folklore erklärt.

Alice Schwarzer ist leider auch, so oft sie über den Islamismus hetzt, nicht nur einseitig, sondern auch erstaunlich uninformiert:

“Übrigens ist es auffallend, dass zwar jeder zweite Mann muslimischer Herkunft “oft” oder “manchmal” in die Moschee geht, aber nur jede vierte Frau. Die FRAUEN werden wissen, warum. Unsere Demokratie müsste auf jeden Fall endlich auf einer strikten Trennung von Staat und Religion bestehen.“ 8

Frau Schwarzer sollte wissen, dass FRAUEN eher zu Hause beten sollen. Die Diskussion um die Hintergründe sind ein anderes Thema, aber zu behaupten, dass Frauen aus anderen Gründen nicht zum Beten in die Moschee gehen, ist schlichtweg uninformiert. Ihre Forderung nach Trennung von Staat und Religion ist auch eine andere und sie macht es auschließlich am Islam fest, anstatt an der Macht der christlichen Kirche in Deutschland, die durch die fehlende Trennung von Staat und Kirche Millionen (von ChristInnen, JüdInnen, MuslimInnen, HeidInnen, nämlich nicht nur an Kirchensteuern) kassiert und das Wohlfahrtssystem dominiert. Die ein eigenes Kirchenrecht besitzt, dass ArbeitnehmerInnen-Rechte mit Füßen tritt, sich aber die Arbeit komplett staatlich finanzieren lässt.

Als Feministin, angebliche, ist es sehr bemerkenswert, dass sie behauptet, es gäbe in Deutschland Gleichberechtigung. Sie sollte eigentlich wissen, dass FRAUEN in einer Welt der völligen Ungleichheit leben, männerdominiert von der Wiege bis zur Bahre. In einer Welt der Prostitution, Pornografie, Pädokriminalität, Mädchenüberraschungseiern und Frauenarmut. Alice aber lebt in einer Welt der Gleichberechtigung – anscheinend ist in den letzten Tagen ein Wunder geschehen.

In diesen Tagen liest man viel über “die Freiheit”, in der wir leben. Es stellt sich die Frage, was diese Freiheit beinhaltet, in deren Namen wir jetzt gegen unsere MitbürgerInnen hetzen. Wenn unsere Freiheit darin besteht, dass die bekannteste deutsche Feministin öffentlich erklärt, Männer, die Frauen während der Ausübung ihres Berufes sexuell belästigen, seien “hochsensible und feinfühlige Jungs” und deren Übergriffe damit verharmlost, dann ist diese Freiheit ein hohler Begriff. Dann sind wir und vor allem bleiben wir nämlich auch nur Sache, Objekt, Verhandlungsmasse in einer patriarchalen Gesellschaft, in der uns unsere sogenannte Schwester für ihren politischen Opportunismus an’s Messer liefert. Kurz gesagt: Sexuelle Gewalt ist nur schlimm, wenn sie von “Fremden” begangen wird. Solange uns “unsere Jungs” an den Hintern greifen, ist alles gut, da können wir uns als selbstbewusste FRAUEN schon selbst wehren. Diese Aussage kommt einer Kapitulation des Feminismus gleich, der in fatalem Maße an das Verhalten vieler Frauenrechtlerinnen im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg erinnert, in dessen Zuge die Kämpfe zugunsten der nationalen Interessen weltweit ruhten. Um ihre Aussagen über den Islam an den Mann zu bringen, verrät Alice Schwarzer alles, wofür sie in den letzten vierzig Jahren gestanden hat. Sie ist sich nicht zu schade, dabei sogar Bündnisse mit den wichtigsten Stichwortgebern der rechtspopulistischen Szene in Deutschland, Udo Ulfkotte und PEGIDA, einzugehen.

Besonders traurig aber ist, was Alice Schwarzer von sich gibt, traurig für den Kampf gegen Prostitution und Pornografie, bei aller Polemik. Wir haben lange und vieles ignoriert bei Alice Schwarzer und der EMMA, da wir keine Kämpfe gegeneinander führen wollen. Das Patriarchat ist stärker und das gemeinsame Projekt des Kampfes gegen sexuelle Gewalt in allen Formen hat uns erlaubt, nur das Große und Ganze zu sehen. Wir haben sie verteidigt gegenüber anderen, unsere Solidarität war ihr sicher.

Nun ist eine Grenze erreicht: Rassismus ist die Schwester von Sexismus. Und geistige Brandstiftung nehmen wir nicht hin, auch nicht von Alice Schwarzer. Denn sie hat sich auch als Anti-Feministin gezeigt. Wir können dazu nicht schweigen. Und als Feministinnen sind wir auch nicht Charlie übrigens. Die Attentate sind beängstigend und traurig, wie Gewalt traurig ist, aber wir sind trotzdem keine männliche Satirezeitung. Nicht wie Alice. Die jetzt Charlie ist.

Fußnoten
(1) http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ende-des-patriarchats-der...
(2) http://www.aliceschwarzer.de/artikel/alice-schwarzer-aus-paris-ueber-das...
(3)http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/charlie-hebdo-alice-schwarzer-demokratische-muslime-muessen-farben-bekennen-aid-1.4785093

(4) http://www.faz.net/aktuell/politik/frankreich-general-gibt-folter-und-ex...
(5)http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/charlie-hebdo-alice-schwarzer-demokratische-muslime-muessen-farben-bekennen-aid-1.4785093
(6) ebenda
(7) ebenda
(8) ebenda

Leseempfehlung
Yasemin Shooman: “… weil ihre Kultur so ist” – Narrative des antimuslimischen Rassismus, transcript, Bielefeld 2014

Quelle: http://diestoerenfriedas.de/alice-fuck-ist-alice

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Es wäre schön, wenn ihr mit offenen Karten spielen könntet und z. B. schreiben würdet "Wir begreifen Rassismus als..." stattdessen schreibt ihr "Zur Erinnerung: Rassismus besteht darin,..." und verschleiert so, dass es unterschiedliche Definitionen zu Rassismus gibt und dazu eine breite Debatte stattfindet. Das ist Schade und verdirbt gleich zu Beginn die Lust auf den Artikel.

wollte ich auch gerade schreiben.

in einem solchen text unterschiedliche definitionen zu rassismus zu erklären, mir reicht wenn die eigene haltung deutlich wird

genau das passiert ja aber nciht und das sollte glaube ihc mit dem ersten KOmmentar auch gesagt werden.

Es wird eben nciht gesagt: Unsere Haltung zu Rassismusist... oder Wir verstehen unter Rassismus... sondern es wird eine Definition von Rassismus gegeben und als unhinterfragbar dargestellt (unter andrem mit dem Hinweis auf "rennommierte Rassismusfoscher_Innen"). Damit versteckt man sich hinter einer vermeintlichen Objektivität der wissenschaft statt seinen eigenen Standpunkt und sein eigenes Interesse deutlich zu machen. Und das kritisiert auch der erste Kommentar. Nicht etwa, dass nicht verschiedene Rassismuskonzepte diskutiert wurden.

 

Für mich ist das aber eher ein Formfehler, der dem Inhalt nicht abträglich ist.