Drei Nachbetrachtungen auf den NATO Gipfel und die Proteste in Strasbourg

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Von den Protesten gegen den NATO-Gipfel werden wohl vor allem die Bilder brennender Gebäude und die Rauchsäulen über Strasbourg in Erinnerung bleiben. Dass Protest zielgerichtet verhindert wurde, davon ist ebenso wenig nach Strasbourg die Rede, wie von den erfolgreichen Blockadeaktionen in der Innenstadt. Hier einige Einschätzung aus den Reihen der Interventionistischen Linken (IL) zu den Fallstricken, Unzulänglichkeiten, Erfolgen und Begleitumständen der Proteste am 4. April.

Peter Strutynski stellt die Frage "Wie weiter nach Strasbourg?" und fordert die Friedensbewegung auf Grenzen zu ziehen und ihr eigenes Profil stärken.

Claudia Haydt der Informationsstelle Militarisierung (IMI) liefert in einem längeren Telefoninterview ihre Einschätzung über die Mobilisierung, sowie über die Erweiterung der NATO nach dem Gipfel.

 

Von links autonomer Seite scheint bislang nicht so viel publiziert worden zu sein. Falls es gute Texte gibt, bitte in den Kommentaren posten.

 

Ungehorsam im CS-Nebel Ein Blick auf BLOCK NATO und die Proteste in Strasbourg

 

Strasbourg, 4. April 2009, 6 Uhr: Etwa 400 AktivistInnen von BLOCK NATO versammeln sich auf dem Place de l'Université unweit der beiden nur mit Sonderausweis zugänglichen "orangenen Zonen". Die meisten von ihnen haben die Nacht im Zentrum von Strasbourg verbracht, andere kommen aus zwei Reisebussen dazu, die wie durch ein Wunder bis hierhin durchgekommen sind. Nach einer Megafonansage setzt sich die Menge in Richtung des Kongresszentrums in Bewegung, in dem der NATO-Gipfel in wenigen Stunden tagen soll.

Sekunden später fliegen die ersten CS-Gasgranaten durch die Luft. Die AktivistInnen weichen zurück, bleiben jedoch zusammen und finden einen anderen Weg, der sie um die Polizei herum näher an ihr Ziel führt. Viele haben tränende Augen oder atmen schwer. Mindestens ein Aktivist muss in ärztliche Behandlung gebracht werden. Andere kommen besser mit dem Reizgas zurecht oder sind besser ausgestattet - etwa mit Schutzbrillen und Atemmasken.

Avenue de la Paix: Polizei alles andere als friedfertig

Als die Gruppe nur noch etwa 300 Meter von der Sperrzone entfernt ist, werden die Einheiten der französischen Bereitschaftspolizei CRS sichtlich nervös. Immer mehr PolizistInnen werden herangeführt und die Gruppe erneut massiv mit CS-Gas beschossen. Kurzzeitig ist sie festgesetzt, doch dann ist auch die Polizei froh, dass sich die AktivistInnen wieder vom Kongresszentrum entfernen. Dafür gibt sie die Avenue de la Paix - welch ein symbolischer Name - frei. An einer Kreuzung stoppt die Gruppe von BLOCK NATO - einige setzten sich, andere bilden Ketten.

 

Während der Blockadepunkt an der Avenue de la Paix hauptsächlich von der IL und solid getragen wird, gelangt die Aktionsgruppe von NATO-ZU (dem explizit gewaltfreien Teil von BLOCK NATO) auf der gegenüberliegenden Seite des Kongresszentrums auf eine Zufahrtsstraße und setzt sich dort mit ca. 150 Leuten fest. Nach anfänglichen Drohungen durch die Polizei kann auch diese Gruppe ihre Blockade mehrere Stunden aufrechterhalten.

Entscheidenden Anteil an BLOCK NATO und dem Gelingen der Aktionen haben aber auch jene ca. 2.000 AktivistInnen, die sich in Kleingruppen vom Camp aus auf den Weg in die ca. sieben Kilometer entfernte Innenstadt machen. An der Organisation und Koordination sind auch IL-AktivistInnen beteiligt. Während einige der sehr früh aufgebrochenen Kleingruppen relativ leicht zu den Blockaden durchkommen, werden die größeren Gruppen sofort von der Polizei mit CS-Gas, Gummigeschossen und Blendschockgranaten attackiert.

 

Dennoch hielten sich die AktivistInnen an das beschlossene Aktionskonzept: Sich nicht auf Auseinandersetzungen mit der Polizei einlassen, sie nicht angreifen und immer wieder Wege um sie herum suchen. Die erste größere Barriere ist eine Bahnlinie, die von der Polizei mit starken Kräften und den unvermeidlichen Gas- und Schockgranaten verteidigt wird. Nach zahlreichen Versuchen gelingt 200 Leuten gegen 7 Uhr der Durchbruch. Später wird die Polizeiabsperrung immer löcheriger. Auf ihrem langen Weg müssen die AktivistInnen mehrfach angreifender Polizei ausweichen. Zum entscheidenden Hindernis für die meisten werden die Kanalbrücken, die den direkten Weg zu den Blockadepunkten eröffnet hätten. Einigen gelingt es in kleinen Gruppen und auf Schleichwegen noch bis zur Blockade auf der Avenue de la Paix zu kommen - die meisten bleiben aber zunächst dort.

 

Das macht durchaus Sinn. Die Straße vor den Brücken ist der Weg, den die internationale Großdemonstration für ihren Weg ins Stadtzentrum hätte einschlagen müssen. Denn schon längst ging es bei der Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel nicht mehr "nur" um das aggressive Militärbündnis und seine Rolle im globalen Kriegs- und Ausnahmezustand, sondern um das Recht auf Protest selbst. Nach dem Willen der zuständigen Präfektur - hinter der mit Sicherheit Staatspräsident Nicloas Sarkozy und der Elysée-Palast standen - sollte die Demonstration durch menschenleere Industriebrachen am Rand von Strasbourg laufen. Sarkozy wurde vor dem Gipfel mit den Worten zitiert, er wolle in der Innenstadt von Strasbourg "keinen Demonstranten" sehen. Und der Einsatzleiter der französischen Polizei sagte an BLOCK NATO gerichtet: "Wenn Sie um 7 Uhr in Strasbourg City auf der Straße sind, werden sie das um zehn nach sieben nicht mehr sein. Es wird keine Verhandlungen, sondern kurze und konsequente Handlungen der Polizei geben."

 

Daran gemessen waren die Aktionen von BLOCK NATO ein Erfolg. Das Demonstrationsverbot in der Stadt wurde unterlaufen, Hunderte von AktivistInnen haben sich durch den CS-Gasnebel hindurch ihr Recht auf Protest erstritten. Eine Totalblockade des Gipfels wie in Heiligendamm gehörte schon im Vorfeld realistischerweise nicht zu den Zielsetzungen. Zu schwierig war das Gelände und zu schwach insgesamt die Mobilisierung. Insofern war man zufrieden, auf die Zufahrtsstraßen gekommen zu sein und den Gipfelablauf beeinflusst zu haben. Ob die Verzögerung im NATO-Zeitplan von einer knappen Stunde nun eher auf die Sicherheitslage oder mehr auf den dauertelefonierenden Silvio Berlusconi zurückgeht, wird so leicht nicht zu klären sein.

 

Gegen 13 Uhr entschieden die beiden BLOCK-NATO-Blockaden, geschlossen in Richtung der Großdemonstration zu gehen. In einem bunten, lauten und entschlossenen Demonstrationszug von rund 800 Leuten ging es durch die Straßen von Strasbourg, in denen immer wieder Menschen von den Balkonen freundlich winkten oder klatschten. Überhaupt gab es viele positive Erfahrungen mit den StrasbourgerInnen - schon beim kilometerlangen Weg vom Camp um die Polizeiabsperrungen herum leisteten viele Unterstützung: Sie zeigten Wege, gaben Wasser, Nahrung oder Medikamente.

Demonstration als Spielball der Polizeitaktik

Je näher die Demonstration dem Ort der geplanten Auftaktkundgebung kam, desto deutlicher wurde das ganze Ausmaß des Polizeistaatsmanövers, das in Strasbourg stattfand. Der Zugang zur Kundgebung war durch massive Kräfte versperrt. Mehrfach fuhren Polizeifahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit durch die Menschenmenge und verletzten DemonstrantInnen. In einiger Entfernung war die Rauchsäule über der brennenden Zollstation zu sehen. Über den Kundgebungsplatz wehten dichte Wolken von CS-Gas.

 

Die Aktion von BLOCK NATO wurde an dieser Stelle beendet. Einige versuchten noch weiter vergeblich zur Großdemonstration zu gelangen, während für andere der Tag hier zu Ende war.

 

Die Befürchtung, die Blockaden und Aktionen des Zivilen Ungehorsams würden die Demonstration gefährden, die insbesondere Vertreterinnen der französischen Friedensbewegung und der drei Linksparteien KPF, La Gauche und NPA vorbrachten, haben sich in ihr Gegenteil verkehrt: Es waren die Blockadeaktionen, die für die Präsenz des Protestes in Strasbourg gesorgt haben, während die Demonstration zum Spielball der Polizeitaktik wurde. Nicht nur, dass der Zugang der Demonstration von Strasbourg aus behindert und die Kundgebung immer wieder direkt angegriffen wurde, auch die deutsche Polizei tat ihren Teil dazu, eine völlig legale Demonstration schlicht zu unterbinden, indem sie tausende TeilnehmerInnen - teils in Kehl, teils schon weit im Vorfeld - gar nicht erst nach Frankreich ausreisen ließ.

 

Die Auseinandersetzungen begannen, als Leute die Polizeiprovokationen leid waren und sich den Zugang (!) zur angemeldeten Kundgebung erzwingen wollten. Damit nahm eine Dynamik ihren Anfang, die allein die Folge des Verhaltens der Polizei war. Wenn Reiner Braun für das International Coordinating Committee, das Gesamt-Vorbereitungsbündnis der Anti-NATO-Proteste, hinterher erklärte, es gebe kein Recht auf dieses Polizeiverhalten mit Gewalt zu reagieren, dann ist das keineswegs der Konsens im ICC.

 

Es ist doch vielmehr umgekehrt: Wenn Leute über Stunden ständigen Angriffen der Polizei ausgesetzt sind, die offensichtlich darauf zielen, Proteste gegen den NATO-Gipfel insgesamt zu unterbinden, dann kann ihnen niemand das Recht auf Widerstand und Gegenwehr absprechen. Das heißt nicht, dass nicht einzelne Aktionen wie z.B. das brennende Hotel, bei dem unbeteiligte Menschen gefährdet worden sind, kritisch hinterfragt werden müssen. Aber die Basis solcher Kritik muss zunächst die Solidarität mit allen NATO-GegnerInnen sein, die am 4. April auf der Straße waren.

Für eine Spaltung in gute, friedliche und böse, gewalttätige DemonstrantInnen lässt sich die Kampagne BLOCK NATO nicht funktionalisieren. Die Aktionsvereinbarung von BLOCK NATO galt nur für die Aktionen von BLOCK NATO und wurde von allen AktivistInnen aus den unterschiedlichen Spektren und Ländern eingehalten. Diese Vereinbarung stellt das solidarische Verhältnis zu anderen Aktionsformen nicht infrage, wie bereits auf den Vorbereitungstreffen auf den Camps mehrfach betont wurde.

Erwartungen, die sich einmal mehr als Illusion erwiesen

Für die IL hat sich die Beteiligung an BLOCK NATO, dem nach Heiligendamm und Köln dritten Versuch, ein Konzept des radikalisierten Zivilen Ungehorsams zu organisieren, insgesamt gelohnt. Es ging - wie schon in Heiligendamm - darum, in einer Situation der Verunsicherung durch massive Polizeipräsenz und Repression kollektive Handlungsfähigkeit herzustellen. Das ist, wenn auch in kleinerem Rahmen, gelungen. Das Bündnis mit gewaltfreien Gruppen und mit dem relativ neuen französischen Netzwerk Désobéissants Civiles ("Zivilen Ungehorsamen") hat sich bewährt, das gegenseitige Vertrauen ist gewachsen.

Konsequenterweise war aber auch dieses Mal der Aufruf zu einem antikapitalistischen Block auf der Demonstration ein Teil der IL-Mobilisierung - auch wenn sich dieser Block in der Situation, dass eine eigentliche Demonstration gar nicht zustande gekommen ist, nur teilweise sammeln konnte.

 

Diese grundsätzlich positive Einschätzung der IL-Aktivitäten kann aber nicht überdecken, dass die Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel insgesamt schwach war. Zwischen Teilen der radikalen Linken auf der einen Seite und der traditionellen Friedensbewegung auf der anderen Seite war das Spektrum in der Mitte ziemlich dünn besetzt. In Deutschland hat hier sicherlich die bundesweite Mobilisierung zu den "Wir zahlen nicht für Eure Krise"-Demos in Berlin und Frankfurt nur ein Wochenende zuvor eine Rolle gespielt. Zwei große Mobilisierungen so dicht hintereinander funktionieren einfach nicht.

 

Dass es mit vielleicht 30.000 DemonstrantInnen insgesamt, von denen nicht einmal die Hälfte die Demonstration erreicht, nicht gelingt, eine adäquate Antwort auf die konsequent repressive Polizeistrategie zu finden, kann nicht überraschen. Dazu beigetragen hat aber auch eine unzureichende Vorbereitung der Demonstration, die sich nicht auf dem Niveau der Konfrontation bewegt hat, wie es von der Kampfansage der Präfektur gegen jede akzeptable Demoroute vorgegeben war. Stattdessen wurde so getan, als ob es um eine ganz normale Demonstration ginge, bei der die Fragen von RednerInnen, Blockanordnung, Leittransparent usw. im Vordergrund stünde.

 

Hervorzuheben hier - wie schon beim G8 in Rostock - die Rolle migrantischer GenossInnen, die zeigten, was zielgerichtete, kollektive Militanz sein kann. In diesem Zusammenhang muss die Frage erlaubt sein, warum die 7.000 NATO-GegnerInnen in Kehl stundenlang keine Anstalten machten, die Brücke nach Strasbourg zu überqueren, sondern sich (vergeblich) auf Verhandlungen mit der Polizei verlassen haben. Die Erwartung, die eigene Friedfertigkeit würde vom Staat anerkannt, hat sich in Strasbourg und Kehl einmal mehr als Illusion herausgestellt. Bleibt zu hoffen, dass alle Beteiligten aus Strasbourg lernen, sich nicht von anderen zu distanzieren, die angeblich die eigenen Aktionen kaputtmachen, sondern frühzeitig und gemeinsam eine Strategie gegen das zunehmend repressive Vorgehen gegen Gipfel- und andere Proteste zu entwickeln.

 

Erschwerend kam zu dieser organisatorischen noch eine inhaltliche Schwäche hinzu. Anders als z.B. beim G8 in Heiligendamm ist es den GipfelgegnerInnen kaum gelungen, ihre Kritik und ihre Visionen einer besseren Welt in die Öffentlichkeit zu tragen. Das war nicht die Folge des Demonstrationsgeschehens am 4. April, sondern schon im Vorfeld zu beobachten. Um dem zu begegnen, wäre eine stärkere Verknüpfung der Themen Krieg, Innerer Sicherheit, ökonomischer und ökologischer Krise notwendig gewesen - mit anderen Worten: eine deutlichere antikapitalistische Ausrichtung der Mobilisierung.

 

Christoph Kleine,
aktiv bei Avanti - Projekt undogmatische Linke und in der IL

veröffentlicht in Analyse und Kritik 538 - April 2009

 

 


Wie weiter nach Strasbourg?
Die Friedensbewegung muss Grenzen ziehen und ihr eigenes Profil stärken
Peter Strutynski


Die Proteste gegen den NATO-Jubiläumsgipfel in Baden-Baden und  Strasbourg sind sowohl in der Bundesrepublik als auch in Europa von langer Hand vorbereitet worden. Es fanden zahlreiche Koordinierungstreffen und Konferenzen in Frankfurt, Stuttgart, Brüssel, Paris und Strasbourg  statt, der umfangreiche E-mail-Verkehr und die Telefonkonferenzen zur schnellen Verständigung über auftretende Streitpunkte können zahlenmäßig gar nicht mehr erfasst werden. All das überstieg die Möglichkeiten ehrenamtlicher
"Friedensarbeiter/innen", sodass sich noch mehr Last bei den wenigen "Hauptamtlichen" auftürmte, die zuletzt buchstäblich rund um die Uhr im Einsatz waren. Hinzu kommen die zahlreichen Veranstaltungen, welche die beteiligten Organisationen (über 600, die den internationalen Appell europaweit unterzeichnet haben) und viele lokale Initiativen zur Mobilisierung im Vorfeld des Gipfels durchgeführt haben. Gemessen an dem enormen Aufwand waren die Ergebnisse nicht zufrieden stellend.

Unsere  auf zwei Tage angesetzte und konzeptionell gut durchdachte Konferenz litt zumindest am zweiten Tag an einem dramatischen Teilnehmerschwund -  obwohl durchaus noch prominente Rednerinnen und Redner angekündigt gewesen  waren. Dennoch war die Abschlussdiskussion, die bereits die Vorgänge um die Großdemonstration mit reflektierte, außerordentlich wichtig.

Die Demonstrationen in Baden-Baden litten an geringen Teilnehmerzahlen, die große Abschlussdemonstration in Strasbourg litt vor allem unter ihren gewaltsamen Begleitumständen. Wenn tausende und abertausende  Demonstranten - vornehmlich aus Frankreich und Deutschland - zu einer großen gemeinsamen Friedensdemonstration anreisen, die dann von der Repression der  Polizei und
der eruptiven Gewalt des sog. "Schwarzen Blocks" buchstäblich  erstickt wird, dann ist das nicht nur in höchstem Grade frustrierend für die  Demonstranten, sondern bedarf auch einigen Nachdenkens über den unmittelbaren Anlass hinaus.

Die auffälligste Erscheinung bei größeren internationalen Protesten und Demonstrationen ist ihre zunehmende Gleichartigkeit. Ob es gegen einen G8-oder G20-Gipfel geht oder ob gegen die NATO demonstriert wird: Es  sind zu einem gewissen Teil dieselben Akteure und es sind vor allem auch  dieselben Parolen: Kaum eine Großdemo, bei der dem Kapitalismus nicht endgültig  das
Handwerk gelegt, zum Kampf gegen die weltbeherrschenden Transnationalen Konzerne und Banken aufgerufen und der globale Widerstand gegen die Regierungspolitik der führenden Staaten des Westens oder des "reichen Nordens" organisiert wird. Es soll hier nicht abgestritten werden,  dass all das - wenn es denn nur ein wenig differenzierter und präziser benannt würde - Grund genug wäre, täglich auf die Straße zu gehen, was doch  allemal besser ist, als die Faust nur in der Tasche zu ballen.

Die Frage ist  aber, ob das Themeneinerlei der an sich verschiedenen Protestbewegungen -  die ihre je eigenen politischen Ziele, Traditionen, Anhänger und "Sympathisanten" haben - dem jeweiligen Protestanliegen gerecht wird. Davon zu trennen  ist die Frage, warum die Akteure, oder sagen wir besser: die das Erscheinungsbild prägenden Teile der Akteure bei den genannten  Protestanlässen so uniform auftreten.

Die Konturen des heutigen Protestbildes haben sich nicht erst beim G20-Krisengipfel in London und auch nicht erst beim G8-Gipfel in Heiligendamm (2007) herausgebildet, sondern waren schon bei früheren  Gipfeln erkennbar, wobei vor allem Genua (2001) sowie die jährlichen Treffen in Davos erwähnenswert sind. Die Parolen werden immer radikaler, der  "schwarze
Block" - spiegelbildlich zur Polizei - immer martialischer, die  Protestdauer immer umfangreicher und die Organisation des Protestes immer  gigantischer.

Vor allem internationale Events sind selten an einem Tag zu absolvieren, sodass Camps eingerichtet werden müssen, um den TeilnehmerInnen günstige Übernachtungs- und Kommunikationsmöglichkeiten zu bieten. Die Camps sind einerseits vorzügliche Beispiele selbstorganisierter und  selbstverwalteter Massenquartiere überwiegend junger Leute, andererseits können sie  aber auch missbraucht und zweckentfremdet werden von Menschen, die ganz andere  Ziele verfolgen als die Masse der Camp-Bewohner. Das Einschleusen ganzer  Gruppen von "agents provocateurs" ist dann besonders leicht möglich, wenn die  Camps eine bestimmte Größe übersteigen und die teilnehmenden Gruppen/Organisationen aus verschiedenen Regionen und Ländern kommen  und sie
den Organisatoren nicht bekannt sind. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie sich dieses Risiko zumindest vermindern ließe.

Bezüglich des NATO-Gipfels deuten zahlreiche Hinweise von Augenzeugen  und meine eigene "teilnehmende" Beobachtung auf drei kritische Faktoren der eskalierenden Gewalt hin:

1.     Nachdem Frankreichs Staatspräsident die Losung ausgegeben  hatte, er wolle während des NATO-Gipfels keinen Demonstranten in Strasbourg  sehen, war die Linie der Polizeibehörden klar: Die Straßburger Innenstadt sollte weiträumig abgeriegelt und die Demonstration in einem menschenleeren  Park- und Hafengelände am Stadtrand herumgeführt werden. Alle Versuche, dieses
Diktat auf dem Verhandlungsweg mit den Behörden zu umgehen, waren vergeblich. Wer das verfassungsmäßige Recht auf freie  Meinungsäußerung und Demonstration in ein Recht umbiegt, menschenleere Natur und  Hafenanlagen zu "agitieren", schürt berechtigten Zorn bei den Demonstranten und  provoziert Widerstand. Eine Form solchen Widerstands hat eine Gruppe von  Demonstranten aus einem Camp in der Innenstadt mehrere Stunden erfolgreich  praktiziert, indem sie die Kreuzung mit dem symbolhaften Namen Avenue de la Paix/ Av. de Vosges besetzt hielt. Die sie umringende Polizei griff nicht ein. In  einem anderen Fall jedoch, als mehrere Hundert Camp-Teilnehmer sich in den  frühen Morgenstunden einen Weg in die Innenstadt bahnen wollten, wurde dieser Versuch von wiederholten massiven Polizei-Attacken unter Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen konterkariert. Da staut sich Wut auf.

2.     Während die Polizei im allgemeinen nicht lange fackelt, bevor sie gegen "gewaltbereite" Demonstranten vorgeht, hat sie zumindest auf der Europabrücke seeelenruhig zugesehen, wie das längere Zeit nicht mehr benutzte und entsprechend marode Zollhaus von schwarz vermummten  Gestalten angesteckt wurde, bis die Rauchwolken weithin sichtbar zum Himmel  stiegen.
Somit war der - willkommene - Anlass gegeben, die Brücke nicht - wie vereinbart - für die Friedensdemonstration freizugeben. Das Abfackeln  des Gebäudes lag also durchaus im Interesse der Polizei - so sehr, dass sie, wenn es nicht willfährige "Demonstranten" gegeben hätte, das auch selbst hätte besorgen können?

3.     Nicht alles indessen lässt sich auf das Konto der Polizei  schieben. Wenn jemand, ohne dazu von der Polizei oder irgendjemand anderem  gezwungen zu sein, Häuser abfackelt - immerhin brannte ein mehrstöckiges Hotel  fast vollständig aus und auch eine Apotheke wurde Opfer der Flammen -, Bushaltestellen zerstört und massenhaft Steine - und zwar keine  kleinen - im
Vorwärtsgehen gegen Polizeiketten wirft, dann ist das weder Selbstverteidigung noch sind das symbolhafte Aktionen, sondern es ist  reine Zerstörungswut, die zudem Leib und Leben der Friedensdemonstranten gefährdet. Von der Polizei eingekesselt zu werden, ist das eine. Aus dem Kessel heraus - in dem sich mehrere Tausend Demonstranten befanden - Angriffe auf die Polizei zu starten, ist sozial zutiefst  verantwortungslos und es grenzt fast an ein Wunder, dass nicht noch mehr passiert ist.
Blauäugig, wenn nicht verantwortungslos war auch der Appell von der Kundgebungsbühne herab, dass sich bei der Demonstration alle Teile der Protestierer, also auch der "Schwarze Block" vermischen sollten. Für Diana Johnstone ist es geradezu ein Grundprinzip friedlicher  Demonstrationen, sich nicht mit denjenigen, die "objektiv" das Geschäft der anderen Seite besorgen, gemein zu machen: "Es darf keine Vermischung mit  dem ,Schwarzen Block' oder anderen Gruppen mehr geben, die genau die Schwierigkeiten
machen, die von der Polizei gewünscht werden."*

In den sozialen Bewegungen spricht man nicht so gern über den "Schwarzen Block". Einmal weil es ihn als "Block" tatsächlich nicht gibt, zum  anderen weil die schwarze Kluft inklusive der Kapuzenpullis keineswegs zum exklusiven äußeren Erkennungszeichen "gewaltbereiter Chaoten" (Behördenslang) gehört. Die Sprachlosigkeit der Bewegungen geht aber  noch weiter: Es wird nicht gern gesehen, wenn Gewalttäter (egal aus welchem "Block") auf Seiten der Demonstranten für ihr Tun verantwortlich gemacht
oder gar grundsätzlich kritisiert werden. Man wolle sich ja nicht "auseinanderdividieren" oder gar "spalten" lassen. Stattdessen ist  man eher geneigt, Verständnis zu zeigen oder Entschuldigungen derart  vorzubringen, wonach die Gewalt von Seiten des "Schwarzen Blocks" ursächlich ausschließlich auf das brutale Vorgehen der Staatsgewalt  zurückzuführen sei und somit als eine Art Selbstverteidigung legitimiert werden könne.

Ich muss gestehen, dass ich so viel Toleranz und Gutwilligkeit nicht aufbringe. Mir schien es jahrelanger Konsens in der Friedensbewegung zu sein, dass deren Demonstrationen und Aktionen nicht nur gegen Krieg und Gewalt und für Frieden einstanden, sondern dass sie selbst auch auf ausschließlich friedliche, gewaltlose Protestformen setzten. Dies aus zwei Gründen: Einmal weil Gewaltlosigkeit als generelles Prinzip im Umgang  von Staaten untereinander zu gelten hat (entsprechend dem in Art. 2 Abs. 4
UN-Charta formulierten strikten Gewaltverbot) und demnach auch in den politischen Auseinandersetzungen anderer Ebenen praktiziert werden  soll. Zum anderen weil die Protestbewegungen, die in der Regel aus einer Position politischer und medialer Defensive heraus agieren, ihre Botschaften  anders als friedlich nicht kommunizieren können. Politische Radikalität ist keine
Frage der Form, sondern eine Frage des Inhalts. Wolfgang Kraushaar hat vor kurzem in einer Bewegungsanalyse von der "Militanzfalle" gesprochen: "Je gewaltfreier ihre Protestaktionen verlaufen, desto geringer fällt das  Echo
in der medial bestimmten Öffentlichkeit aus. Und umgekehrt: Je  gewaltsamer die Protestaktionen ausfallen, desto stärker ist ihre öffentliche  Resonanz." (Frankfurter Rundschau, 04.04.2009.)

War nicht das Medienecho auf die Gewalt in Strasbourg und die geringe Resonanz auf die gewaltlose  Friedensdemo in
Kehl der schlagende Beweis dafür?! Allerdings, so räumt Kraushaar ein, ist der "Preis für die Überwindung der Aufmerksamkeitsschwelle" sehr  hoch. Denn erstens werde durch die mediale Skandalisierung der Gewaltereignisse  von den
politischen Inhalten des Protests abgelenkt, und zweitens zwingt der Einsatz von Gewalt die Bewegung selbst immer wieder in interne Spaltungsdiskussionen.

Beides ist in der Folge der Straßburger Ereignisse geschehen. Daher  ist m.E. eine Rückbesinnung sowohl auf die sprichwörtliche Friedfertigkeit der Friedensbewegung als auch auf die Besonderheit ihrer politischen  Themen und Anliegen notwendig. Die Friedensbewegung muss sich auf ihr eigenes  Profil besinnen. Dies kann Auswirkungen auf die Konzeption von Bündnispolitik
haben. Ein "möglichst breites" Bündnis, das bei den Vorbereitungen zu den NATO-Protesten dem Koordinierungskreis vorschwebte, kann auch, so die bittere Realität, das Bewegungsspektrum verengen. Dann nämlich, wenn  keine klare Grenze zu jenen "autonomen" Zirkeln gezogen wird, die für das  Prinzip der Gewaltlosigkeit nur ein müdes Lächeln übrig haben bzw. ohnehin an verbindlichen Abmachungen kein wirkliches Interesse haben. Dann  diktieren nämlich sie das Geschehen bei den "gemeinsamen" Aktionen. Ein solcher Trennungsstrich ist notwendig unabhängig davon, welche subjektive  Auffassung die gewaltbereiten Demonstranten selbst von ihren Aktionen haben. Diana Johnstone stellt die Frage nach den Motiven der "casseurs" und kommt zu folgender Antwort: "Sind die Gewalttäter des Schwarzen Blocks von der Polizei eingesetzte Provokateure? Weil ich dieser Frage nicht selbst
nachgehen kann, lautet meine intuitive Antwort: subjektiv nein, objektiv ja.

Sicher können nicht alle, die schwarze Kapuzen tragen, von der Polizei (beauftragt) sein. Die meisten von ihnen glauben sicher, gegen den Kapitalismus zu ,kämpfen', wie sie öffentlich verkünden. Aber objektiv liefern sie durch ihr Verhalten der Polizei die Rechtfertigung für die repressiven Maßnahmen, die sie so enthusiastisch bekämpfen." - Diana Johnstone geht nicht im Einzelnen auf die spezifischen Bündnisbeziehungen und -strukturen der NATO-Gipfelgegner ein. Eine Schlussfolgerung aus  ihren
allgemeinen Überlegungen kann aber sein, dass es für die  Friedensbewegung unter Umständen nützlicher ist, ihre eigene Strategie und Planung zu entwickeln, ohne den Versuch zu unternehmen, alle politische Kräfte und "Spektren" einzubeziehen, auch jene, die nach Auffassung von Kate  Hudson vom britischen CND (Campaign for Nuclear Disarmement) "nicht Teil unserer Bewegung" sind (so in einem e-mail an das Internationale Vorbereitungsgremium am 6. April 2009).

Die Breite eines Bündnisses sollten wir stets in Zusammenhang mit der Politik sehen, für die wir gemeinsam einstehen. Und natürlich auch,in welcher Form das gelingen kann. Dabei setzen wir bekanntlich vor allem darauf, uns in der Öffentlichkeit verständlich zu machen. Nur so sind Veränderungen in den Köpfen der Menschen, in den gesellschaftlichen "Großgruppen" (z.B. Gewerkschaften, Kirchen) und schließlich auch im parlamentarischen Bereich zu erzielen. Diese Position, für die wir  gemeinsam
stehen, kann dazu führen, dass nicht alle mitmachen wollen. Damit  müssen und können wir leben.

Bei der bundesweiten Afghanistan-Demonstration im September 2007 haben einige Friedensgruppen sich darüber beklagt, dass zu viele rote  Fahnen der Partei der LINKEN das Bild der Demo geprägt hätten. Die Konsequenz  daraus konnte selbstverständlich nicht sein, rote Fahnen künftig zu verbieten (zumal man nach wie vor rote Fahnen einfach besser sieht), sondern den
Anteil von blauen und regenbogenfarbenen Friedensfahnen und grünen oder orangen Fahnen anderer Parteiprovenienz zu erhöhen. Und, das muss auch einmal gesagt werden: Es darf auch ohne Fahnen demonstriert werden. Dies setzt aber die Wiedergewinnung der Meinungsführerschaft der  Friedensbewegung voraus. Die gibt es nicht pauschal, sondern immer nur themenbezogen.
Hinsichtlich des Afghanistankriegs sind auch heute noch fast zwei Drittel (64 %) der Bevölkerung der Meinung, dass die Bundeswehr abgezogen werden soll (ARD-Deutschland-Trend April 2009). Da hat die Friedensbewegung  also eine Art Meinungsführerschaft - aber leider (noch) nicht die  entsprechende "Gefolgschaft" beim Straßenprotest. Bezüglich der NATO haben wir mit  einer anderen politischen Großwetterlage zu rechnen. Nach einer Umfrage von "Transatlantic Trends" 2008 ergab sich in Deutschland eine  Zustimmungsquote von 62 Prozent zur NATO (die Frage lautete, ob "die NATO noch immer eine wesentliche Bedeutung für die Sicherheit des eigenen Landes" habe).  Diese Zustimmung war schon einmal - 2007 - mit 55 Prozent sogar wesentlich geringer gewesen; das Ansteigen 2008 war offenbar eine Reaktion auf die zunehmenden Spannungen zwischen Russland und Georgien im Sommer 2008.  Der Augustkrieg, der vom Mainstream hier zu Lande als russische "Aggression" gegen Georgien kommuniziert wurde, könnte die Zustimmungsfront zur NATO sogar noch weiter erhöht haben. ["Transatlantic Trends" ist ein  Projekt des German Marshall Fund of the United States und der Compagnia di San  Paolo.]

Gemessen an dem Ziel, die NATO in den Augen der Öffentlichkeit zu delegitimieren, steht die Friedensbewegung mit ihrer NATO-Kampagne  noch in den Anfängen. Sich größeren Teilen der Bevölkerung zuzuwenden und sie  auf unsere Seite zu ziehen, setzt eine Art "Alphabetisierung" in Sachen NATO voraus. Zu welchem Zweck war seiner Zeit die NATO gegründet worden.  Was war
das Ergebnis der 40-jährigen Konfrontation zweier bis an die Zähne bewaffneter Militärblöcke? Warum verschwand die NATO nicht mit dem Ende ihres Gegners, des Warschauer Pakts? Wozu ist die NATO heute noch da? An welchen Kriegen beteiligt sich die NATO? Wie teuer kommt die NATO den Bevölkerungen der Mitgliedstaaten zu stehen? Welche Rolle spielen Militärpakte in der Geschichte? Auf diese und viele weitere Fragen  müssen profunde Antworten gegeben werden. Auch die Friedensforschung sollte  hierzu
von der "Bewegung" viel stärker gefordert werden.**

Die Alphabetisierung der Bevölkerung in Sachen NATO geht nicht von  heute auf morgen, sondern wird der Friedensbewegung eine Menge geduldige Arbeit abverlangen. Der NATO-Gipfel war diesbezüglich erst ein Anfang - kein  sehr glücklicher, aber eben doch ein Anfang. Um voranzukommen, wird sich die Friedensbewegung stärker auf ihre eigene Agenda und auf ihre Adressaten konzentrieren müssen. Und sie wird sich dabei vor allem auch um jüngere Menschen bemühen müssen. Denn das muss auch gesagt werden: Die  befanden sich mehrheitlich nicht unter den "normalen" Friedensdemonstranten.


* Den lesenswerten Text von Diana Johnstone gibt es in der Originalversion (englisch):
und in einer deutschen Übersetzung hier:


** Eine Handreichung zur intensiveren Beschäftigung mit der NATO  bietet die
Broschüre:  60 Jahre NATO: Es reicht! Herausgegeben vom Bundesausschuss
Friedensratschlag in Zusammenarbeit mit der AG Friedensforschung




Interview: 21:50 Minuten

- Kurzvorstellung IMI 
- Aktivitäten der IMI beim NATO-Gipfel: Gegengipfel / Infozelt im Camp 
- Resümee aus Sicht der Friedensbewegung 
- Wie hat sich die NATO weiterentwickelt 
- Spannungsverhältnis GASP (Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik der EU) - NATO 
- Verhältnis NATO-Russland

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das ging vor einigen tagen an den kasseler friedensratschlag:

Aus der vierseitigen Darstellung ist erkennbar, dass für ihn das größte Problem zu sein scheint, wie sich die traditionelle Friedensbewegung von den radikaleren Strömungen trennen kann, und wie die Vermittlung in die scheinbar relevante Öffentlichkeit (Kirchen, Gewerkschaften etc.) besser erreicht werden kann.

"Gemessen an dem Ziel, die NATO in den Augen der Öffentlichkeit zu
delegitimieren, steht die Friedensbewegung mit ihrer NATO-Kampagne noch in
den Anfängen.  (...)"

"Die Alphabetisierung der Bevölkerung in Sachen NATO geht nicht von heute auf
morgen, sondern wird der Friedensbewegung eine Menge geduldige Arbeit
abverlangen."

1) Was in Strasoburg- Kehl - Baden-Baden alles passiert ist, wird vermutlich auch P. S. noch nicht vollkommen erfasst haben; dazu liefen zuviele zeitgleiche Veranstaltungsszenarien und waren unterschiedliche Sichtweisen zunächst zusammen zu bringen (diese haben bislang in den wenigsten Gruppen stattgefunden). Wieso er aber bereits ein weitreichendes Urteil hat, ist nicht ganz nachvollziehbar - insbesondere auf welche Informationen er sich dabei bezieht?

2) Nimmt man das Vorfeld dieser Aktivitäten noch dazu, so ist am Beispiel der Demonstration vom 30.3. in Freiburg der gesamte Verschwörungsrahmen (von Provokateuren und anderen Vermutungen) ganz anders: hier war der erklärte Willen der 'inneren Nato' in Gestalt marschierender Polizeikohorten ganz einfach davon bestimmt, einen selbstinszenierten Aufmarsch des starken Staates zu demonstrieren, damit nichts anbrennt. Man musste sich hinterher fragen, wer eigentlich demonstriert hat...

3) Die selbstverständliche Wirkung der bisherigen (traditionellen) Friedensdemonstrationen wird einfach behauptet, ohne sich dabei einmal zu fragen, wo sich diese totgelaufen haben, weil sie keinen Wind mehr entfalten. Sie wurden schon in den Jahren durch bunte, vielseitige Protestaktionen aufgelockert und ein wenig modernisiert. Offenbar soll dies weggeredet werden.

4) Die Nato gibt es seit 60 Jahren - jetzt will P.S. "profunde Antworten" auf diesen Militärklotz haben. Gab es diese bislang nicht? Waren sie falsch? Wurden nicht gerade in den letzten Jahren mannifaltig dazu geforscht und untersucht? Sind nicht bereits in einzelnen Städten (Kassel, Bremen, Karlsruhe, Frankfurt, Freiburg) nützliche Informationen auch zum zivil-militäräischen Bereich zusammen getragen worden, aus den sich die erweiterte Rolle der NATO herausbildet?

5) Ist die NATO irgendwo legitimiert? (vgl. oben zitierte Frage, damit stehe man am Anfang), sind nicht ca. 70 % gegen den Einsatz in Afgh.? Dies widerspricht offenbar dem von ihm zitierten Transatlantic Trend - doch ist dies nicht besonders aufschlussreich, da mit Umfragen immer nur das bestätigt werden soll, was man ohnehin wissen wollte. Das wird also keine sinnvolle Grundlage sein - nicht umsonst gibt es Rekrutierungsprobleme, nicht umsonst ist das Bild einer gewalttätigen, teilweise rechtsradikalen Truppe kaum wegzukriegen, so sehr sich die Jugendoffiziere auch bemühen.

6) Die Richtung für P.S. heisst: 
"gesellschaftliche "Großgruppen" (z.B. Gewerkschaften, Kirchen) und schließlich auch im
parlamentarischen Bereich zu erzielen."

und die Trennung von anderen. Was machen die Kirchen, Gewerkschaften, die parlamentarischen Kräfte...? Was haben sie bislang gemacht? Hier wäre eine nüchterne Analyse sinnvoller als eine behauptete (neue?) Richtung.

7) Zu den einzelnen Ereignissen in Strasbourg zurück: es wird über den Sinn und Einsatz von Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele immer wieder zu diskutieren sein. Nicht jede der Aktivitäten ist dabei sinnvoll, insbesondere wenn zuvor verbindliche Diskussionen nicht stattgefunden haben. Möglich erscheint, dass hier ein Defizit zu sehen ist. Aber auch nach Rostock 07 hat es anschl. weitere Aktivitäten gegeben, die dann auf weitgehende Zustimmung gestossen sind. Allerdings ist die Relation der Wertigkeiten hier ein anderer - und auch in Strasbourg wie in Heiligendamm geht es um zentrale Eckpfeiler der gegenwärtigen Herrschaft. Die (unterstellte) Vermutung ("Themeneinerlei")

, beide und andere Gremien haben nichts miteinander zu tun, ist nun wirklich absurd.

Ein Statement der Anarchistischen Gruppe [:ag] Freiburg zum NATO-Gipfel ist hier zu finden:

http://www.ag-freiburg.org/News/Strasbourg-should-be-a-riot