Zürich: Sans-Papiers protestieren für Ausweise

Fronttranspi

Am Dienstag, 7. April 2009, zogen mehr als 100 Sans-Papiers und UnterstützerInnen lautstark vom Flüchtlingscafé "Refugees Welcome" zum Zürcher Sozial- und Migrationsamt. Sie forderten gültige Identitätspapiere und protestierten gegen den Ausweisentzug.

 

Auf beiden Ämtern hinterliessen die Sans-Papiers einen Protestbrief, worin sie offizielle Ausweisdokumente fordern. Manche Betroffene verfügen bloss über ein Papierchen ihrer jeweiligen Notunterkunft. Der Besitz eines solchen Zettels schützt aber nicht vor polizeilicher Repression. Auch können damit auf der Post keine eingeschriebenen Briefe abgeholt oder in der Bibliothek Bücher ausgeliehen werden.


Die DemonstrantInnen wiesen darauf hin, dass seit der Kirchenbesetzung im Winter 2008/09 systematische Polizeikontrollen im Umfeld von Notunterkünften zugenommen haben. Im Anschluss an die Besetzung untersagte das Zürcher Migrationsamt den BetreiberInnen der Notunterkünfte auch das Ausstellen der Ausweispapierchen. Insbesondere Flüchtlinge, die wöchentlich ihre Notunterkunft wechseln müssen, verfügen seither über gar keine Identitätspapiere mehr.

Die Sans-Papiers argumentierten, dass sie auf diese Weise gezielt der Repression preisgegeben werden. Sie wehrten sich gegen ihre Zermürbung und Kriminalisierung durch die Behörden. Weder im Sozial- noch im Migrationsamt wollten die Verantwortlichen den Brief persönlich entgegennehmen.

Ein 10-minütiger Kurzfilm dokumentiert die Demonstration und Betroffene erklären die Hintergründe des Protestes.

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Tausende Menschen in ganz Frankreich haben am Mittwoch gegen die Ausländerpolitik von Staatspräsident Nicolas Sarkozy demonstriert. Die Proteste richten sich gegen ein Gesetz, das die Hilfe für Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung unter Strafe stellt. Die Behörden sind in letzter Zeit verschärft gegen Personen und Organisationen vorgegangen, die illegal ins Land gekommene Ausländer unterstützen. Einwanderungsminister Eric Besson hat ein Ziel von jährlich 5000 Festnahmen für Helfer von Immigranten gesetzt.


"Die Einschüchterungen sind ein eklatanter Verstoß gegen die Grundsätze der Brüderlichkeit und Solidarität", klagte Didier Cusserne von der Organisation Emmaus. In Paris waren rund 400 Menschen dem Aufruf von Emmaus und anderen Hilfsorganisationen gefolgt, ebenso viele versammelten sich in Straßburg oder Marseille. Wer den Beistand für Menschen in Not verbiete, mache sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig, sagte Cusserne.

 

Das Gesetz gibt es bereits seit 65 Jahren, allerdings hat die Regierung Sarkozys den Druck zu dessen Umsetzung erhöht. Es sieht Strafen von bis zu fünf Jahren Haft und eine Geldbuße bis zu 30.000 Euro für diejenigen vor, die die Einwanderung oder den illegalen Aufenthalt eines Ausländers in Frankreich erleichtern. Im Visier sind eigentlich Schleuserbanden.

Dennoch wurden vor wenigen Wochen Mitarbeiter von Emmaus mehrere Stunden auf einer Polizeiwache in Marseille verhört, weil sie Einwanderer ohne Papiere beherbergt hatten. In Calais wurde eine Frau auf die Wache gebracht, weil sie Handys von Immigranten aufgeladen hatte. Selbst gegen das Ausschenken von Suppe ist die Polizei laut Organisationen vorgegangen. Einwanderungsminister Besson wies die Kritik zurück. Seit Bestehen des Gesetzes sei niemand in Frankreich wegen der Hilfe für Ausländer in Not verurteilt worden.

Mit dem heutigen Umzug durch die Stadt und einer Kundgebung vor dem Migrationsamt des Kantons Zürich protestieren wir gegen den skandalösen Umstand, dass uns Sans-Papiers, die in sogenannten Notunterkünften leben, seit anfangs Jahr jegliche Form von Identitätspapieren und Ausweisen entzogen wurde.

 

Selbst die Abgabe von provisorischen Ausweisen durch die einzelne Notunterkünfte wurden unterdessen seitens der Zürcher Behörden unterbunden. Damit werden wir ganz gezielt und bewusst der Repression preisgegeben. Die systematischen Polizeikontrollen von Sans-Papiers in und um die Notunterkünfte sind in letzter Zeit immer häufiger geworden und die Angst ist deshalb unser ständiger Begleiter.

 

Kommt jemand in eine Polizeikontrolle, so wird er in der Regel umgehend wegen des Verdachtes auf illehalen Aufenthalt inhaftiert. Und dies obwohl die betreffende Person seit Jahren in der Schweiz lebt. Wer Pech hat, bleibt gleich für mehrere Tage in Untersuchungshaft, um dann wieder irgendwann auf die Strasse gestellt zu werden. Diese Praxis hat aber auch noch andere negative Auswirkungen auf uns. So können wir beispielsweise auf der Post keine eingeschriebenen Briefe abholen, da es uns an den entsprechenden Identitätspapieren fehlt.

 

Wir haben begriffen, dass die Schweizer Behörden uns um jeden Preis loswerden wollen. Trotzdem sind wir der Meinung, dass diese Form der Repression unmenschlich und vollkommen überzogen ist und der Schweiz, die sich als humanitär und demokratisch versteht, nicht würdig ist.

 

Diese perfide Form der Zermürbung und Kriminalisierung muss aufhören! Wir benötigen Papiere, mit denen wir bei einer allfälligen Polizeikontrolle beweisen können, dass wir seit Jahren in der Schweiz als "Gestrandete" leben.

 

Flüchtlingscafé "Refugees Welcome"

Postfach 1132, 8026 Zürich