[B] 4 NPD-Funktionäre in 4 Tagen angegriffen

links Sturm, rechts Thom

Antifa schlägt zu. Neonazis schäumen. Polizei tappt offenbar im Dunkeln. Mit dem Landesvorsitzenden Uwe Meenen, dem Kreisverbands-Chef von Neukölln Sebastian Thom und dem Neuköllner BVV-Abgeordneten Jan Sturm bezogen hochrangige Funktionäre der Berliner NPD in den letzten Tagen eine Tracht Prügel. Sie sind zudem auf den vordersten Listenplätzen der NPD bei den kommenden Wahlen im September. Die TäterInnen entkamen in allen Fällen unerkannt.

 

Die Fakten

Jan Sturm (Mittwoch/ Donnerstag)
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wurde Jan Sturm Ziel eines Angriffs. Laut Polizei hatten fünf vermummte und komplett schwarz gekleidete Personen den 46-Jährigen gegen 23 Uhr 15 in der Richardstraße nahe seiner Wohnung zunächst vom Fahrrad gestoßen und anschließend mit Stöcken auf ihn eingeprügelt. Welt-Online wusste zu berichten, dass Sturm hierbei als "Nazi" beleidigt(!) wurde. Sturm erlitt laut der extrem rechten Jungen Freiheit "multiple Platzwunden und zahlreiche schwere Prellungen". Er hatte der Polizei zunächst mitgeteilt, selbst einen Arzt aufsuchen zu wollen. Zeugen beobachteten den Vorfall. Die Polizei nahm Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung auf.

NPD-Wahlhelfer in Friedenau (Freitag)
Ein Wahlhelfer der NPD wurde Freitag Mittag in Friedenau von einem einzelnen Unbekannten angegriffen und seiner Wahlunterlagen beraubt. Der Mann beleidigte den 56-Jährigen laut Polizei gegen 12 Uhr in der Lauterstraße, riss ihm anschließend sein Unterschriftenbrett mit den Unterlagen aus den Händen und flüchtete über die Schmargendorfer Straße in unbekannte Richtung. Der NPDler wurde nicht verletzt.

Sebastian Thom (Samstag)
Am Samstag Vormittag wurde gegen 10 Uhr 30 dann Sebastian Thom im Horst-Caspar-Steig (Gropiusstadt) beim Verteilen von NPD-Wahlflyern niedergeschlagen. Als er am Boden lag, sollen die fünf bis sechs mit Sonnenbrillen und schwarzen Tüchern vermummten Täter - laut Polizei - so lange auf Thom eingeprügelt und getreten haben, bis sich Anwohner beschwerten. Der 24-Jährige erlitt Prellungen und Schürfwunden. Die Täter sollen schließlich einen Beutel mit Wahlpropaganda der NPD mitgenommen haben.

Uwe Meenen (Samstag)
Ebenfalls am Samstag traf es dann den Landeschef der NPD. Uwe Meenen war laut Polizei auf dem Weg zu einer NPD-Veranstaltung im Rathaus Treptow, als ihn fünf vermummte Angreifer darunter eine Frau gegen 12:30 auf der Bösebrücke am S-Bahnhof Bornholmer Straße in Prenzlauer Berg von hinten attackierten und ihm Schläge in den Nacken versetzten. Als er zu Boden ging, sei er getreten worden. Die Täter entwendeten zudem ein Buch [?] und sprühten ihrem Opfer Reizgas in die Augen. Meenen erlitt Prellungen und wurde in einer Klinik ambulant versorgt. Er verpasste daher als Landeschef die Vorstellung des Landeswahlprogramms seiner Partei.

...to be continued?

Reaktionen der Neonazis

Bereits nach der ersten Attacke übertrafen sich verschiedene NPDler mit haarsträubenden Übertreibungen und (versteckten) Drohungen. Jan Sturm selbst sah sich als Opfer eines "Mordanschlags", den er nur knapp überlebt habe. Sein Beleg: die ihm zufolge 8 TäterInnen führten Waffen, wie "Rund- bzw. Kanthölzer" mit sich, als sie ihm den Hinterhalt legten und ihn von seinem "Bergfahrrad" (= Mountainbike) rissen. Sein Parteikollege Stefan Lux stimmte ähnlich schrille Töne an und keifte im Internet von "anarchobolschewistischen Linksextremisten", die für ihren "Mordanschlag" eine "kriminelle oder gar eine terroristische Vereinigung" gebildet hätten. Der NPD-Bundeschef Udo Voigt rief öffentlich zur "Bildung von Schutzmannschaften" auf. Selbst in Neonazi-Internetforen mehrten sich dann aber schnell die Stimmen, die in dem Angriff nur eine "Lektion" für Jan Sturm erkannt haben wollen, bei der selbstverständlich keine Tötungsabsicht vorgelegen habe. Von Jan Sturm ist bekannt, dass er sich in der Vergangenheit oft vor seinen "Kameraden" und teilweise auch vor der Öffentlichkeit damit brüstete, schon mehrfach - angeblich in Notwehr - politische Gegner geschlagen zu haben.

Auch Sebastian Thom sah sich laut einer Darstellung auf einem Neonazi-Infoportal mit "8 linksterroristischen Auftragsmördern des Systems" konfrontiert, wobei er sich "nur leicht verletzt [...] absetzen" konnte. Thom war in den vergangenen Jahren mit einer Vielzahl von Übergriffen aufgefallen. Unter anderem beschoss er 2006 einen Stand der Partei "Die Linke" in Rudow mit Signalmunition. Zudem attakierte er in Rudow erfolglos einen Polizisten, der ihn zu Neujahr in flagranti beim Hakenkreuze-Sprühen erwischt hatte. Für die Taten erhielt er ein mildes Urteil.

Eine sehr bemerkenswerte Reaktion auf den Angriff auf Uwe Meenen findet sich in einem bekannten Neonazi-Internetforum. Ein User veröfentlichte eine Nachricht aus dem internen Verteiler des "NW Berlin". Da sich die "Kette der feigen bolschewistischen Überfälle" weiter fortgesetzt habe und nun auch Meenen betroffen sei, gelte es, den "Terror der Roten" zu brechen. Es folgt der Hinweis: "Linke Lokalitäten sind auf der Berliner Widerstandsseite zu finden", angeschlossen mit der Auforderung: "Bewegt euren Arsch!". Meenen gilt als radikal und als selbst für einen heutigen NPD-Neonazi besonders antisemitisch. Er war vor einiger Zeit aus Bayern nach Berlin gekommen, um die Führung der Berliner NPD zu übernehmen. Unlängst hatte Meenen einen provokanten Wahlkampf für die Wahlen im September angekündigt, der bei Verzicht auf Bürgernähe in erster Linie vorhandene Sympathisant/innen ansprechen solle.

Spekulationen der Presse und über Kreuzberg

Während Spiegel-Online einigermassen an den Fakten orientiert von einer "Serie von Angriffen" schreibt und Neukölln als "gefährliches Pflaster für rechtsextreme Politiker" bezeichnet (und dabei Prenzlauer Berg (Meenen) vergisst), ergehen sich andere Medien bereits in weitergehenden Andeutungen und Spekulationen. So findet es "Endstation Rechts" "auffällig", dass es sich "jeweils um eine Gruppe von fünf bis sechs Personen gehandelt hat, die zudem immer dunkel gekleidet und vermummt auftraten". Es habe sich um "geplante Aktionen" gehandelt, womit offenbar von "Endstation Rechts" eine Serientäter-These in den Raum gestellt werden soll. Charmant klingt das, dürfte aber wahrscheinlich an der Realität vorbeigehen.

Eine Verbindung zum verhinderten Neonazi-Aufmarsch in Kreuzberg am 14.05.11, bei dem ein Dutzend Neonazis auf 4 sitzende Gegendemonstrant/innen eintraten, wird bislang nur vereinzelt von den Neonazis in ihren Internetforen gezogen. In Medienbeiträgen war damals immerhin spekuliert worden, dass die Kreuzberger/innen zur in den Medien "Selbstjustiz" genannten antifaschistischen Selbsthilfe greifen könnten, da das Vertrauen in die Polizei auf einem neuerlichen Tiefpunkt angelangt sei. Die Demo war von Neonazis und Polizei gemeinsam und heimlich vorbereitet worden. Eine Strafverfolgung gegenüber den Neonazis war bzw. ist nicht erkennbar.
Der NPD-Landesvize Sebastian Schmidtke hatte die Demonstration angemeldet. Sebastian Thom übernahm organisatorische Funktionen und auch Jan Sturm war im Lautsprecherwagen vor Ort. Im Nachhinein verhöhnte Sturm die Opfer der Neonazi-Attacken, indem er in einer "Richtigstellung" auf den NPD Webseiten behauptete, die Neonazischläger hätten sich gegenüber den Sitzenden "in einer Notwehrlage" befunden. Und: "die Demonstranten [=Nazis] begannen selbst die Wegstrecke zu räumen", weil die Polizei angeblich "keine Anstalten machte, gegen die ersten Blockierer vorzugehen". Auch Meenen stellte sich im nachhinein öffentlich hinter die Demoanmeldung seines Vize, dem seiner Ansicht nach "nichts vorzuwerfen" sei.

Ob die Verbindung zwischen Kreuzberg und den Aktionen aber tatsächlich zu ziehen ist, ist vorläufig so unklar wie die Frage, ob weitere Aktionen dieser Art in den nächsten Tagen zu erwarten sind.


Eine Botschaft dieser Denkzettel an die Neonazis dürfte hingegen glasklar sein: Wer auch immer denkt, er habe als Nazi eine Perspektive im Parlament oder auf der Strasse, muss mit ernsten Konsequenzen rechnen. Das dürfte auch bei den jüngeren, noch unbedeutenden Neonazis ankommen. So manch einer wird sich fragen: Wer wird der nächste sein? Und das unangeneme aber richtige Gefühl im Bauch, dass es immer und überall passieren kann, schränkt den politischen und persönlichen Spielraum ein und zehrt an den Nerven, demoralisiert und macht das Nazisein unattrakiver. Das ist wohl in jedem Fall ein positiver Effekt.



NPD-Demoversuch in Kreuzberg
 http://antifa-berlin.de/fight-back/kreuzberg.html
 http://antifa-berlin.de/fight-back/know.htm

Presselinks (unvollständig):
 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,770580,00.html
 http://endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=6306:uwe-meenen&Itemid=387
 http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/npd-landeschef-von-vermummten-niedergeschlagen/4324324.html
 http://www.morgenpost.de/berlin/polizeibericht/article1682512/Erneut-NPD-Abgeordnetenhaus-Kandidat-verpruegelt.html

Polizei-Pressemitteilungen:
Uwe Meenen:  http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/349273/index.html
Sebastian Thom:  http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/349249/index.html
Jan Sturm:  http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/348998/index.html
NPD-Wahlhelfer:  http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/349164/index.html

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Da hast du Recht mit dem Fazit. Nazisein hat Konsequenzen.
Bereits am 17.06. wurden bei eine Kundgebung der rechtspopulistischen Partei "Pro Deutschland" die zwei Köpenicker Kandidaten Andre und Ronny Tügend zusammengeschlagen und am Kopf verletzt. sie mussten ebenfalls in einem Krankenhaus behandelt werden. Siehe Foto: http://www.flickr.com/photos/mikaelzellmann/5851956263/in/set-7215762687...

Interessante Entwicklung und guter Überblick. Wer den Betroffenen "Beileidsbekundungen" senden möchte, kann sie unter folgenden Adressen finden:

 

Uwe Meenen: Bornholmer Straße 17, (Prenzlauer Berg) Berlin-Pankow
Sebastian Thom: Käthe Dorsch Ring 10, (Gropiusstadt) Berlin-Neukölln
Jan Sturm: Braunschweiger Straße 57, (Neukölln) Berlin-Neukölln

Gute Aktion, die aber auch die Bullen für sich zu nutzen wissen werden.... Jetzt heisst es aber auch für Unbeteiligte, erstmal die Bude aufzuräumen, bevor das Nazipack mit ihren Fotoalben bei den Bullen aufkreuzt. Die Nazis verkünden bereits vollmundig, dass bereits 2 Täter identifiziert sind, es ist also nur eine Frage der Zeit, bis den Cops irgendwelche Namen bekannter Artifaschisten als angebliche Täter serviert werden. Wohin die Nazi-Bullen-Symbiose führt, hat bereits der Fall Matti gezeigt....

Für die Cops natürlich auch ein gefundenes Fressen: Gefahr im Verzug, erstmal Bude gerazzt, anschließend mal sehen, was für ne Anklage bei raus kommt...

Im Zweifelsfall ne Anzeige wegen Saviettendiebstahl bei Burger King!

Pressemeldung
Eingabe: 27.06.2011 - 19:10 Uhr
Infostand attackiert
Tempelhof-Schöneberg

# 2391

Zwei vermummte Täter haben heute gegen 15 Uhr 45 in der Hoeppnerstraße in Tempelhof einen Informationsstand einer Partei angegriffen. Sie schleuderten zwei Eimer mit Lackfarbe in Richtung des Standes und beschimpften die dort Stehenden als Nazis. Anschließend flüchteten die Unbekannten in Richtung Boelckestraße. Die beiden 42 und 68 Jahre alten Standbetreiber sowie eine 74-jährige Frau, die sich mit ihnen unterhalten hatte, wurden mit Farbe beschmiert. Zudem hatte die Rentnerin Farbe in die Augen bekommen, so dass Erste-Hilfe-Maßnahmen durch die Feuerwehr erforderlich wurden. Das Landeskriminalamt hat die Ermittlungen übernommen.

 

berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/349484/index.html

Jennifer Anschütz gibt an sie sei in anwesenheit ihrer Kinder mit einem Messer attakiert worden:

[B] Neonazistin lügt über Messer-Antifas