Narben aus Beton - Fragmente zur Entwicklung in HH

Narben aus Beton - Fragmente zur Entwicklung in HH

Von der Unmöglichkeit, “Nein” zu sagen, ohne sich umzubringen

Eine bleiernde Schwere lastet auf uns. Seit Jahren. Ritualisierte Abläufe und kreisförmige Diskurse, die unsere Ohnmacht überdecken sollen, wo ein ehrliches Schweigen uns uns selber kenntlich machen würde. Wir schwelgen in fernen Revolten und verstummen am Frühstückstisch. Unsere stillen, uneingestandenen Beweggründe sind oft die mächtigsten. Sie führten uns an einem grauen Tag im Dezember nach Hamburg. Wir waren so voller Erwartungen, dass wir vergessen hatten, uns vorzubereiten. Vielleicht weil wir Angst hatten. Das unsere Träume von einem Aufbruch wieder auf dem Beton des Empire zerschellen würden. Vielleicht, weil der Mensch dazu neigt, sich in den Verhältnissen einzurichten. Auch wenn sie ihn quälen. Weil er immer auf der Suche nach einer Behausung ist.

 

Meine Hoffnung ist der letzte Atem. Meine Hoffnung ist die erste Schlacht. Ich bin das Messer, mit der der Tote seinen Sarg aufsprengt.

 

Wer an jenem Tag die Augen wirklich öffnete, konnte so vieles lang vermisstes sehen. Es geht nicht darum, wer angefangen hat. Die Bullen oder wir. Das ist Kinderkram. Der öffentliche Diskurs darüber soll uns in die Irre führen. Wir wollten uns diesen Tag nicht nehmen lassen. Deshalb mussten sich die Sondereinheiten immer wieder zurückziehen, weil alles, was irgendwie greifbar war, in ihre Richtung flog. Deshalb kam in der eingeferchten Masse keine Panik auf, obwohl es teilweise schwer war, noch Luft zu bekommen. Deshalb zogen wir bis in die Nacht durch die Stadt, ein jeder, eine jede, tat, was ihm oder ihr möglich war. Und während die einen mit der Suppenküche durch die Stadt fuhren, fanden andere den Weg zur feinen Elbchausse. An jenem Tag, in jener Nacht waren wir alle Militante.

Wir haben uns wieder verloren. Unser Gegner hat Lügengeschichten erfunden. Was sollen wir uns darüber echauffieren. Ihm steht das Wasser bis zum Hals. Nur weiß er das besser als wir. Er versucht in Panik die Kontrolle wieder zu erlangen. Um nichts anderes geht es. Der präventive Ausnahmezustand ist die Normalität, die kybernetische Kontrolle die letzte Verteidigungslinie. Es ging nie um die Frage der #Gefahrengebiete. Sich auf diesen Diskurs einzulassen, heisst ihnen auf den Leim zu gehen. Es gibt kein Zurück zur Normalität:

 

Wenig später wird ein Körper eine Narbe aus Beton sein
wenig später wird jeder Nerv in Napalm gelegt und verbrannt sein
Stirb oder sei wie wir

 

Es geht nicht um die Frage der Gefahrengebiete, es geht nicht um die Frage der Gewalt. Die Bedingungen, die wir vorfinden, sind gewaltätig. Dazu ist alles gesagt. Tausend mal. Wenn jetzt einige aus der Flora sich auf diese Debatte einlassen (“…dass es keinen Konsens dafür gibt, gezielt Polizeibeamte anzugreifen und sie an Leib und Leben zu schädigen, das ist nicht der Aktionskonsens der autonomen Linken hier Hamburg…”), darf sich der Innensenator öffentlich freuen, es ist die Bühne bereitet für die Wiederherstellung der gewohnten Abläufe von Protest und Dissens. Das darf dann auch mal gleich mit einer Grosskundgebung gegen Gewalt öffentlich gefeiert werden. Den Rückkauf der Flora gibt es dann als Zulage oben drauf.

 

Wir müssen zwei Formen staatlicher Reaktion in Betracht ziehen. Eine der klaren Feindseligkeit, die andere heimtückischer, demokratisch. Die erste, zur wortlosen Zerstörung aufrufend, die zweite, von einer subtilen, aber erbarmungslosen Feindseligkeit: Sie wartet nur darauf, uns einzuziehen. Man kann von der Diktatur besiegt werden oder von der Tatsache, darauf reduziert zu sein, sich gegen nichts anderes als die Diktatur zu wehren. Die Niederlage besteht ebenso im Verlieren eines Kriegs wie im Verlust der Wahl des zu führenden Krieges.

 

Es stimmt, der öffentliche Dissens ist ein erster Schritt, den Frieden im Empire brüchig werden zulassen. Aber wir waren schon darüber hinaus in den letzten Monaten. Jetzt verfallen wir wieder in Ratlosigkeit und Apathie. Das Bewegungsmanagment übernimmt die Regie, während wir uns im falschen Glanz der kritischen Berichterstattung über die Linie des Senats und der Bullen sonnen. Dies war abzusehen. Vielleicht auch unvermeidlich. Wir werden uns die Strassen erneut nehmen müssen. Dazu bedarf es mehr als dem Mitführen von Klobürsten. Nicht weil wir Militanzfetischisten wären, sondern weil wir uns den Fetisch von Ware und Geld, der im Empire alles durchdringt, endgültig vom Halse schaffen müssen. Mit allem Mitteln.

 

Und ja, es gibt unterschiedliche Ansichten unter uns über diese Wahl der Mittel: Aber so, wie wir nicht für andere sprechen, so sollen auch jene, die sich dafür entscheiden haben, sich im medialen Raum der Massenmedien zu bewegen, es sich nicht anmaßen, in unserem Namen zu sprechen.

 

Freedom by any means necessary

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Jedenfalls möchte ich zunächst behaupten, dass sich nicht anmaßt, in anderer Leute Namen zu sprechen, wer angibt, es gebe keinen Konsens für etwas.

toller beitrag, respekt! Freedom by any means necessary und jeder mit seinen Mitteln!

Scheint aber auch dringend notwendig, solange auf dieser Plattform von Schusswaffen gegen Bullen geschrieben wird.

Den VS und die GDP freuts, alle anderen schütteln den Kopf über so was.

Mal ganz ernsthaft Freund*innen, wenn ich die Einstellung zum Leben und zur Gesellschaft habe, dann werde ich Investmentbanker bei der Deutschen Bank. Dieser  Mumpitz ist irgendwo zwischen Satire und gemein gefährlich an zu siedeln. Aber abseits davon habe ich schallend gelacht!
"Meine Hoffnung ist der letzte Atem. Meine Hoffnung ist die erste Schlacht. Ich bin das Messer, mit der der Tote seinen Sarg aufsprengt." Sehr pathetisch, sehr männlich, aber doof.
Für die Revolution! Für das Leben!

ganz ernsthaft freund.

 

mach mal klar was  diesen durchaus pathetischen satz so masku macht? ist es der atem. ist es die anmassung sich über endgültiges, wie den tod oder TINA, hinwegsetzen zu wollen. ist es die erwähnung einer schlacht, und "die" schlagen nur männer. ich bin auch kein freund von pathos (ausser beim dancen, kochen, mahnchmal beim ficken), aber was ist an diesem satz so doof. der, ja doch eher versucht empfindungen zu beschreiben. und nicht fakten, zusammenhänge, analysen und andere absolutpositionen(übrigens) im sexistischen normzustand männlich besetztes gebiet. sondern gefühle. also nicht faßbares, oft unergründliches (doft will mensch gar nicht und denkt halt zu wenig nach). gefühle eben. die sind nicht wichtiger als die kopfarbeit. das reflektieren. aber es gibt sie auch. und manche versuchen sie in worte zu fassen. da es aber ihre worte sind, werden sie auch nur manche teilen. sind halt keine fakten. also warum wird das von dir so "hochgejazzt" und warum dürfen autonome nicht von schusswaffen reden. weil sie scheiße sind?. autos doch auch. aber manchmal...

 

auch aus der ferne war hamburg spürbar. sonst wäre ich nicht hingefahren. so ging es denn meistens touris. ich versuch herauszufinden was es war. der text hier hilft. Mir

Okay, lassen wir die patzigen Anreden. Der ganze Text ist in seiner Machart gruselig, er ist pathetisch, er ist heroisch, er ist morbide und es steckt kein Moment der Reflektion in ihm. Das einzige was ihn wirklich auszeichnet ist die Tatsache, dass er sich ließt wie ein Gedicht und der_die Autor*in offenbar ziemlich gut schreiben kann. Der ganze Text besteht nur aus Allgemeinplätzen die - verhältnismäßig kreativ - an einander gereiht sind und dabei bis zum geht nicht mehr mit einer end-of-the-world Stimmung aufgeladen werden. Diese Zwischenzitate ergeben nicht mal Sinn, dafür haben sie eine ganze Ansammlung Kriegs/Todesmetaphern: Hoffnung, Schlacht, Messer, Tod, Sarg, Narbe, Napalm, Fendseligkeit, Diktatur, Erbarmungslos, Niederlage, Krieg, Verlust - Stirb oder sei wie wir... Militanzfetisch ich hör dir trapsen.

Männlich macht den Text, genauso wie dieser Schusswaffentext oder der Text der es für notwendig erachtet dass alle Kampfsport machen und die erste Reihe Speere trägt eine bestimmte, immanente Vorstellung von Kampf, Durchsetzungsfähigkeit, Sieg und Stärke. Und das ganze hier auch noch gepaart mit einer morbiden wir-stecken-im-letzten-Gefecht-Stimmung. Und ja, diese Vorstellungen und die fehlende Reflektion davon sind eng verbunden mit einem klassisch männlichen Selbstbild dieser Gesellschaft. Der einsame aufrechte Recke im Ansturm ewiger Feindschaft...

Zu den Gefühlen. Auch wenn der Text in erster Linie Prosa ist und sich viel um das Fühlen dreht, kann man von einem Text der sich dabei selbst als politisch versteht erwarten, dass in ihm die Rolle des*der Autor*in reflektiert wird. Selbstbild, Einstellungen, etc. rekurieren auf Sozialisation und die ist in dieser Gesellschaft geschlechterspezifisch aufgeladen. Und nur weil Empfindungen im Vordergrund stehen heißt dies nicht, dass sich eine inhaltliche Auseinandersetzung damit verbietet.

Ich bin nach Hamburg gefahren, weil es eine politische Entscheidung war und ich die Auseinandersetzungen dort derzeit spannend und wegweisend finde, weil ich den Weg unterstütze der dort eingeschlagen wurde. Weil dort gerade eine gelungene Mischung aus direkten Aktionen, Witz und konsequenter Haltung sichtbar wird. Das war eine bewusste Entscheidung kein untergründiger Ruf der mich gleich des Gesangs der Lorelei nach Hamburg zog. In Hamburg findet eine bestimmte Auseinandersetzung, ein Teilbereichskampf statt und nicht die Schlacht um Mittelerde. Eine Auseinandersetzung zu Hamburg müsste diesen Umstand mal sinniger weise in den Blick nehmen. Wenn ich nach Hamburg fahre um das "Empire" in einer großen letzten revolutionären Schlacht zu stürzen, dann bleibt mir danach logischer weise nur eins: Verstummt am Frühstückstisch zu sitzen und auf die Narben der zerschellenden Träume in der ewigen Tristess des Empires zu starren...

P.S. Von mir aus können wir über Schusswaffen reden, aber vielleicht führen wir vorher mal eine Debatte was wir unter Militanz verstehen, wo wir hin willen und was unsere Analyse der bestehenden Verhältnisse ist. Dann noch eine über Militanzfetisch und dann können wir ja mal überlegen ob Schusswaffen unser dringenstes Anliegen sind.

1. "Auch wenn der Text in erster Linie Prosa ist und sich viel um das Fühlen dreht, kann man von einem Text der sich dabei selbst als politisch versteht erwarten, dass in ihm die Rolle des*der Autor*in reflektiert wird." Der Text erwähnt nirgends das Wort Politik und...

2. ...warum pseudo-wissenschaftliche Textanalysen, wir sind doch hier nicht im Deutsch Leistungskurs. Wenn Menschen Worte verwenden die mit Gefühlen assoziiert werden warum dann lediglich als Sprachlichesmittel wahrnehmen - wir können uns doch auch ernst nehmen.

3. Wenn wir in unseren kämpfen nicht davon ausgehen das Empire überwinden zu wollen: warum dann kämpfen. Ich denke es ist wesentlich gefährlicher den Einsatz von Gewalt als strategisches Mittel in Teilbereichskämpfen zu verstehen. Willst du wirklich 500 Verletzte in Kauf nehmen um eine Bruchbude zu retten, weil das "dort derzeit spannend" ist? Oder wollen wir unseren Träumen erlauben wahr zu werden.

4. Trotzdem schätze ich deinen kritischen Ansatz. Super das alles auszudiskutieren!!

Der Text ist ein politischer Text, er hat ein politisches Thema zum Inhalt und bezieht und äußert sich zu einer autonomen-linksradikalen Demo. Was wäre deine Kriterien darüber hinaus an denen du einen politischen Text festmachen würdest. Es kann doch auch politische Lieder oder Gedichte geben.

Mit einem solchen Text kann und sollte man sich auch politisch auseinander setzen, alles andere würde bedeuten ihn nicht ernst zu nehmen. Das private ist politisch und aufgeladen mit Erfahrungen aus dieser Gesellschaft. Und in meinen Augen sind die gewählten Worte darum eben auch Ausdruck einer bestimmten Haltung. Diese habe ich kritisiert, weil ich diese Haltung falsch finde. Meine Kritik geht weit über den sprachlichen Stil hinaus.

Es geht darum die bestehenden Verhältnisse zu überwinden, gleich ob ich sie Empire nenne oder nicht. Wobei das schon auch eine gewisse Voranahme über die Art der Verhältnisse beinhaltet. Aber die spannende Frage ist doch, wie glaube ich das diese Verhältnisse verfasst sind und was glaube ich was die richtige Strategie ist diese zu ändern. Ich persönlich denke, dass die richtige Strategie eher ist Militanz als stretegisches Mittel unter vielen ein zu setzten, als es als ziellosen Ausdruck von Dissenz mit den Verhältnissen zu begreifen. Ich nehme nicht 500 Verletzte in Kauf, weil ich nicht der Kommander von diesen Menschen bin. Aber das Problem an Militanz ist, dass Menschen die sich in eine solche Situation begeben für sich zu entscheiden ihre körperliche Unversehrtheit aufs Spiel zu setzen. So oder so. Deswegen ist eine Reflexion und ein Abwegen dessen notwendig und nicht ein abgefeier von Militarismus.

Bei den kursive Textstellen handelt es sich offensichtlich um Zitate. "Meine Hoffnung ist der letzte Atem. Meine Hoffnung ist die erste Schlacht. Ich bin das Messer, mit der der Tote seinen Sarg aufsprengt." ist aus Heiner Müllers Auftrag, gesprochen vom "Engel der Verzweifelung". Müller zu lesen lohnt sich übrigens immer, auch und gerade für Autonome.

 

Freedom by any means necessary ist aus einer bekannten Rede von Malcom X, in der er sich kritisch mit dem Postulat von Martin Luther King für einen ausschliesslich friedlichen Widerstand auseinandersetzt.

 

Sich mit Subtexten auseinanderzusetzen kann manchmal garnicht so verkehrt sein, die taz hat dies (natürlich denunzinatorisch) mit dem Text "Irgendwann werden wir schießen müssen"  getan. http://www.taz.de/Debtte-Kmpfschrift-nch-Flor-Demo/!130624/

Einige andere sind aus dem Lied "Von der Unmöglichkeit Nein zu sagen ohne sich umzubringen" von der ersten Platte "Ich-Maschine" von Blumfeld

https://www.youtube.com/watch?v=1DVOllYP_tg

 

...einen klaren ! Trennungsstrich ziehen.

 

Guter Text.Vernetzen.Agieren.Aufstand....

Vernetzung deshalb nicht möglich. Agieren schwierig. Aufstand fällt deshalb aus.

Aber wir fühlen uns unheimlich wohl in der Kommentarspalte.

Vernetzung kann stattfinden, aber dann müssen die Priviligierten den Nichtpriviligierten zuhören und sie nicht versuchen belehren zu wollen!