Das Eigentum und die Notwendigkeit von der Aneignung von Plätze und Häusern - Warum Eigentum Diebstahl, Diebstahl aber nicht Eigentum ist

Geht es um Diebstahl – ziemlich egal in welcher Form – herrscht innerhalb unserer Gesellschaft ein ziemlich starker Konsens: Er ist zu verurteilen und zu bestrafen! Jedoch wird häufig dabei vergessen, dass die Aneignung von Privat-Eigentum selbst als Diebstahl betrachtet werden kann. So beinhaltet die Aneignung von Privat-Eigentum immer den Ausschluss anderer Menschen von dessen Gebrauch, solange die Eigentümer_in nicht seine_ihre ausdrückliche Erlaubnis hierzu erteilt. Somit bedeutet die Aneignung von Privat-Eigentum immer, dass die Gemeinschaft dem Recht auf die Nutzung von bestimmten Dingen beraubt wird – zumindest nach dem heutigem Eigentumsverständnis.

 

So zweifelhaft Proudhon mit seinen antisemitischen, sexistischen und kriegstreiberischen Ansichten ist, mit seinem Spruch „Eigentum ist Diebstahl“ hat er einen ziemlich wichtigen Punkt ausgedrückt.

Innerhalb einer radikalen Linken existiert häufig schon ein anderes Verhältnis zu Eigentum, welches sich z. B. in dem Versuch ausdrückt nicht genutztes Privat-Eigentum durch gesellschaftliche Aneignung in selbstverwalteten öffentlichen Raum umzuwandeln. Dies ist bekannter unter dem Wort Hausbesetzungen. Dabei stößt die Besetzer_innen Szene immer wieder in Kritik von unterschiedlichster Seite. Die einen Werfen einem vor Eigentum zu klauen, wodurch nicht nur gegen das Grundgesetz (Art. 14), sondern auch gegen die Erklärung der Menschenrechte (Artikel 17) verstoßen werden würde. Die anderen werfen einem vor letztendlich auch nichts anderes zu tun, als sich auf eine andere Art und Weise Privat-Eigentum anzueignen.

Um dem entgegenzuwirken ist es notwendig ein linkes Eigentumsverständnis zu formulieren welches in klarer Abgrenzung zu dem der bürgerlichen Gesellschaft steht.

Hierfür soll dieser Text versuchen einen Ansatz zu liefern.

 

Das bürgerliche Eigentumsverständnis hat seinen Ursprung in den Theorien von John Locke und findet sich in unterschiedlichster Stärke in verschiedenen Verfassungen der Welt wieder. Die Grundlage hierfür lieferte Locke in seinem Werk „Zwei Abhandlungen über die Regierung“ im Jahr 1689. Dabei stand zum ersten mal im Fokus, dass alle Menschen das Eigentum an der eigenen Person besitzen und somit Sklaverei und Leibeigenschaft keinen Raum in unserer Gesellschaft haben könne. Wird sein Werk etwas kritischer gelesen, wird deutlich, dass es ihm im Grunde nur um die Legitimation der damaligen Besitzverhältnisse und damit um die Herrschaftsverhältnisse, welche sich im Zuge der Industrialisierung ergeben hatten, ging. Nichtsdestotrotz schaffte er es in seinem Werk, die damals noch gültige Gesellschaftsordnung der Monarchie zu deligitimieren und legte einen Grundstein für die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft.

 

Ausgehend vom Eigentum an der eigenen Person (vgl. Locke 1977, §27) leitet Locke nun das weitere Eigentumsrecht her, und begründet die Notwendigkeit eines solchen, durch die Notwendigkeit sich zu ernähren, um zu überleben (vgl. ebd., §25). Gäbe es kein Privat-Eigentum, würden wir schon bei dem Verspeisen eines Apfels Diebstahl an der Gemeinschaft begehen. Stillschweigend hätten die Menschen somit einem Gesellschaftsvertrag zugestimmt, der Menschen befugt, Eigentum zu erwerben und andere somit von dessen Gebrauch auszuschließen. Schon an dieser Stelle ergeben sich viele Fragen:

Wieso sollte ein Gesellschaftsvertrag (sofern überhaupt von einem 'Vertrag' gesprochen werden kann), welcher unter damaligen Verhältnissen entstanden ist – also wenn überhaupt lediglich die Zustimmung von männlich sozialisierten, heterosexuellen, weißen Mittlereuropäern besaß - heute irgendeine Gültigkeit besitzen?

Wieso bedingt die Möglichkeit zur Ernährung eine Eigentumsdefinition, die andere grundsätzlich von dem Gebrauch von materiellen Gütern ausschließt?

Später wird noch auf diese Fragen eingegangen werden.

Locke fängt nun an zu beschreiben wie sich das heutige Gesellschaftssystem in Bezug auf Eigentum seiner Meinung nach entwickelt hat: Wie es sich mit dem Eigentum innerhalb von Staatsgrenzen verhält (vgl. ebd., §35), wodurch seiner Meinung nach die Aneignung von Eigentum begrenzt ist (vgl. ebd., §32 & §46) und welche Rolle das Geld als unverderbliches Austauschmittel spielt (vgl. ebd §45 & §47). Für diese Kritik entscheidend ist jedoch vor allem die Frage, wie Eigentum nach Locke – und damit auch nach heutigem bürgerlichen Verständnis – überhaupt entsteht.

Locke geht davon aus, dass der Mensch erst einmal nur das Eigentum an der eigenen Person selbst besitze. Auf dieser Annahme aufbauend beschreibt er, dass auch die eigene Arbeit Eigentum des Menschen ist (vgl. ebd., §27), da diese von seinem Körper ausgeht. Wenn nun der Mensch einen Gegenstand bearbeitet, würde seine Arbeit, also ein Teil von ihm, in den Gegenstand übergehen, wodurch der Gegenstand ein Teil des Menschen werden würde (vgl. ebd., §27). Vereinfacht ausgedrückt, sieht somit die Formel für Eigentumsaneignung für Locke wie folgt aus: Naturgegenstand + eigene Arbeit = Eigentum. Es macht also für Locke keinen Unterschied, ob einem Menschen ein Arm abgehackt oder der Stuhl geklaut wird.

Wichtig ist zu bedenken, dass es Locke in erster Linie nicht um das Eigentum an Endprodukten geht, sondern um die Aneignung von Land und anderen Produktionsmitteln (vgl. ebd., §32). Aus der Notwendigkeit heraus Güter aufzuteilen, da die Ressourcen begrenzt wären, und durch die Zustimmung 'aller' Menschen wird Geld als allgemeines Austauschmittel eingeführt (vgl. ebd., §45). Dies bedeutet, dass alle Menschen sich durch Geld ein Eigentumsrecht – den Ausschluss anderer beinhaltend – an so ziemlich allem unbegrenzt aneignen können (vlg. Ebd., §47).

Wird Lockes Theorie etwas kritischer betrachtet, wird schnell klar, dass er zwar einen wichtigen Schritt weg von der Monarchie geschafft hat, jedoch durch seine Eigentumsbegründung nur das Eigentum - und durch das Eigentum an Produktionsmitteln auch die Grundlagen der Bedürfnisbefriedigung - einer bestimmten Gesellschaftsschicht legitimiert hat.

 

Für die Entwicklung eines anarchistischen Eigentumsverständnisses sind drei Grundlegende Ausgangspunkte und die von Locke gezogenen Schlüsse zu kritisieren:

1. Die Ressourcen der Erde seien Begrenzt

2. Das Eigentumsverhältnis soll legitimiert werden durch ein Verhältnis zwischen Mensch und Gegenstand

3. Das Eigentum wird erworben durch (Lohn-)Arbeit

 

Die erste dieser Aussagen beinhaltet den wohl weit verbreitetsten Irrtum unserer Gesellschaft: Die Knappheit der Ressourcen1. Diese Prämisse nutzt Locke dazu, um die Notwendigkeit der Eigentumsaneignung zu begründen. Auch der Konkurrenz-Gedanke, welcher eine der Grundlagen für das 'Funktionieren' der Marktwirtschaft ist, wird dadurch begründet. Selbst wenn wir mal außen vorlassen, dass die jetzige Art und Weise wie unsere Gesellschaft organisiert ist, wohl mit die Verschwenderischste ist, da „[d]er Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, […] als eine 'ungeheure Warensammlung' [erscheint]“ (Marx 2008, S. 49) und auch ausgeblendet wird, dass wir bei heutiger Technik genug produzieren können (und auch zum großen Teil tun) um allen Menschen die Bedürfnisbefriedigung (Ziegler 2012) - auch nach Luxus - zu sichern (was wir wiederum nicht tun), bleibt die Frage, wie die Ressourcen durch einen sich verhärtenden Konkurrenzkampf geschont werden sollen. Anstatt die Bedürfnisbefriedigung aller Menschen als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen, die gemeinschaftlich organisiert werden muss, wird die Knappheit propagiert und somit die Angst der Menschen noch gestärkt, sie könnten ihre Bedürfnisse nicht befriedigen, wenn sie sich nicht möglichst schnell möglichst viel Eigentum anhäufen.

 

Auf die zweite der Aussagen geht schon Roussau ein. Er beschreibt, dass ein Besitzverhältnis immer als Grundlage die Akzeptanz der Gesellschaft benötigt (vgl. Rousseau 2008, S. 173 ). Damit muss die Eigentumsbegründung immer auf zwischenmenschlicher Absprache basieren. Locke versucht zwar dies durch einen Gesellschaftsvertrag zu berücksichtigen, begründet jedoch das Eigentumsrecht in einem Verhältnis zwischen dem Menschen und dem Gegenstand, welcher sich durch die geleistete Arbeit legitimieren soll. Zum 'Gesellschaftsvertrag' sei noch einmal auf die Art und Weise hingewiesen wie so ein 'Vertrag' zu damaligen Verhältnissen gedacht werden kann. Sicher ist es kann schon einmal kein schriftlich aufgesetzter Vertrag gemeint sein. Jedoch auch, wenn nur von einem gedachten Vertrag dem alle Menschen stillschweigend und intuitiv zugestimmt haben, ausgegangen wird, bleibt die Frage im Raum stehen, warum dieser für uns heute irgendeine Gültigkeit haben sollte. Die Verhältnisse damals waren noch stärker von direkten Diskriminierungsmechanismen geprägt, als es unsere Welt heutzutage ist. Jenen die überhaupt die Möglichkeit hatten Macht in irgendeiner Form auszuführen, waren männlich, weiß, christlich und im Besitz der Möglichkeit zur Produktion. Wenn wir wirklich davon ausgehen würden, ein 'Vertrag' der zu damaligen Zeiten abgeschlossen wurde, hätte heutzutage noch irgendeinen Anspruch auf Gültigkeit, stehen wir nicht nur in einer krass autoritären Tradition, sondern negieren auch sämtlichen gesellschaftlichen und kulturellen Fortschritt der Menschen.

 

Die dritte der Aussagen bezieht sich darauf, dass Locke die Frage offen lässt, warum für die Nutzung eines Gegenstandes, dieser Gegenstand nur einer Person gehören darf und dadurch andere ausgeschlossen werden müssen. Dadurch ignoriert er die Fähigkeit des Menschen sich abzusprechen und Rücksicht auf die Bedürfnisse des einzelnen Individuums zu nehmen. Proudhon beschreibt das Eigentum als „das reine und einfache Eigentum, das Herrschaftts-, das Herrenrecht über die Sache“ (Proudhon 1840, S. 28) während der Besitz für ihn einen Zustand und kein eigentliches Recht bezeichnet. So würde für die Nutzung von Gegenständen es vollkommen ausreichen, ein gesellschaftlich abgesprochenes Recht auf den Besitz von etwas zu haben, während der Gegenstand immer Eigentum der Gemeinschaft bliebe.

Die Notwendigkeit hierfür wird besonders im Bezug auf Produktionsmittel deutlich, die in unserer Gesellschaft die Grundlage für Bedürfnisbefriedigung darstellen. Aber auch die Nutzung und Schaffung von Wohnraum lässt sich unter diesem Aspekt betrachten. Aber dazu später.

Lockes Idee, Eigentum durch die hineingesteckte Arbeit zu definieren, hat noch weitere Fehler. Zum einen stellt sich die Frage, warum ein Stück Land durch Bearbeitung zu Privat-Eigentum werden sollte und nicht nur die Erträge des Feldes. Zum anderen stellt sich die Arbeit in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft als deutlich komplexer dar.

Die wenigste Arbeit in unserer bürgerlichen bzw. in 'zivilisierten' Gesellschaften allgemein wird alleine von einem Menschen bewältigt, sondern besteht meist aus einer Verknüpfung von den Fähigkeiten vieler Menschen. Hierzu zählen sowohl die einzelnen unterschiedlichen Arbeitsschritte (beginnend bei der Produktion von Werkzeugen bis hin zum Endprodukt) als auch die Organisation dieser Arbeit und die Vorstellung und Erfindung des Produktes (welche sich auch wieder aus unterschiedlichen Ideen zusammen setzen). Somit muss die Arbeit immer als gesammtgesellschaftlicher Prozess betrachtet werden, welcher als Zielsetzung die Bedürfnisbefriedigung jedes einzelnen Menschen hat. Innerhalb eines Lohnarbeitsprozesses, wird versucht, jeden dieser Schritte in Verantwortungsbereiche aufzuteilen (Arbeitsplätze) und die Menschen werden individuell bezahlt. Der Gesamtprozess (welcher aber letztendlich zur Bedürfnisbefriedigung führt) wird hierbei unterteilt und eine unterschiedliche Wertigkeit zugeschrieben. Dies erzeugt wieder Ungleichheit und führt die Frage nach den wirklichen Besitzansprüchen ins absurde – zumindest wenn die Absprache, der Markt hätte die Bedürfnissbefriedigung als Ziel und das Geld, welches der Ausdruck auf Besitzanspruch und für die Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe ist, wäre das legitime Austauschmittel, abgelehnt wird. Das der Markt und die Lohnarbeit nicht als Ziel hat die Bedürfnisse zu befriedigen, sondern die Bedürfnisbefriedigung bestenfalls als Abfallprodukt bei der Erwirtschaftung von Kapital betrachtet werden kann, braucht hier wohl nicht weiter dargelegt werden (siehe für eine Analyse des Marktes: Marx Das Kapital).

Ein weiterer Punkt bei der Kritik an der Legitimation von Eigentum durch Arbeit ist – zumindenst wenn die Gleichheit der Menschen (welche sich im gleichen Recht und den gleichen Möglichkeiten auf Bedürfnisbefriedigung äußern muss) als Ausgangspunkt gesehen wird – dass die Möglichkeit wirtschaftliche Arbeit zu leisten, immer sowohl von der eigenen körperlichen und/oder geistigen Arbeit abhängig ist, als auch von den Möglichkeiten diese Umzusetzen (Zugang zu Produktionsmitteln, Beziehungen etc.). Da die Fähigkeiten eines Menschen zum größten Teil von der lebenslangen Sozialisation und dem zur Verfügung stehendem wirtschaftlichem Kapital abhängt, kann sich in unserer Gesellschaft mit dem heutigem Eigentumsbegriff nur Ungleichheit und Ungerechtigkeit reproduzieren.

 

Die Feststellung, das Kapital und Eigentum scheiße sind, ist jedoch nicht weiter neu und die wichtige Frage wäre ja, wie müsste ein Eigentumsbegriff aussehen, auf den eine befreite Gesellschaft aufbauen könnte. Der Ausgangspunkt für eine solche emanzipatorische Betrachtung muss dabei immer die Gleichheit aller Menschen sein. Wenn Menschen als Gleich angesehen werden sollen, müssen auch ihre Bedürfnisse als gleichwertig angesehen werden. Damit die Bedürfnisse befriedigt werden können, muss allen Menschen die Möglichkeit auf individuelle Bedürfnisbefriedigung ermöglicht werden.

Ein erster Schritt hin zu einer tatsächlichen Gleichheit der Menschen wäre somit sicherlich die Abschaffung des Privat-Eigentums an Produktionsmitteln2.

Jedoch ist auch ein Verständnis notwendig, welches den Tausch-Gedanken grundlegend angeht. Es muss allen Menschen, auch ohne das sie konkret Dinge nachweisbar geleistet haben (Lohnarbeit), die Möglichkeit der Bedürfnisbefriedigung offen stehen. Somit wäre die Frage nach Eigentum immer eine Frage nach der gesellschaftlichen Absprache. Wobei es hierbei nicht darum gehen kann, ob irgendein bestimmtes Bedürfnis gerechtfertigt ist oder nicht, sondern die Absprache müsste sich auf die Organisation dieses Bedürfnisses beziehen. Wie eine solche Absprache im Einzelfall konkret aussehen kann, müsste noch erarbeitet werden.

Die Frage inwieweit in unserer momentanen Welt überhaupt ein echter Konsens möglich ist, zeigt die Grenzen auf, die uns die Realität und kapitalistische Welt beschert.

Jedoch ist es wichtig den eigenen Anspruch zu überprüfen und die Strukturen immer weiterzuentwickeln.

 

Am Beispiel eines besetzten Hauses müssten z. B. die Möglichkeiten in Organisationsstrukturen reinzugelangen allen offen stehen und es müsste möglich sein einen echten Konsens zu erarbeiten3.

Somit müsste ein anarchistischer Eigentumsbegriff geschaffen werden, der den Selbstanspruch inne hat, allen Menschen die Nutzung zu ermöglichen. Ein öffentlicher Platz wäre somit im Besitz aller, die sich beteiligen und es müsste immer wieder das eigene Handeln und die eigenen Strukturen auf die Zugänglichkeit überprüft werden4.

Natürlich entsteht nun ein Widerspruch, auf den kurz noch eingegangen werden muss: Wie kann ein öffentlicher Raum öffentlich gestaltet werden, ohne sich dabei für die kapitalistische Normalität zu öffnen. Ein anarchistischer Eigentumsbegriff muss dem Anspruch einer emanzipatorischen Welt gerecht werden. Alle Gesellschaften basieren auf bestimmten gesellschaftlichen Absprachen und so kann natürlich auch eine befreite Gesellschaft nicht aus einem Werte freiem Raum heraus entstehen. Diese Werte müssten immer den Anspruch haben eine herrschaftsfreie Alternative zum Bestehenden darzustellen. Durch den Anspruch einen Anteil zu einer emanzipatorischen Gesellschaft zu leisten, muss ein öffentlicher Raum auch immer als Schutzraum gesehen werden, woraus sich ergibt das grundsätzlich kein Platz für Diskriminierungsmechanismen sein darf. Dieser Anspruch wird nicht alleine durch die Bekämpfung von Diskriminierungsmechanismen deutlich, sondern müsste sich auch in einem kritischen Umgang mit kommerziellen Veranstaltungen und Werbung für diese ausdrücken. Kommerzielle Veranstaltungen (und dem zufolge auch die Werbung für diese) haben genug Platz in der bestehenden Welt und stehen somit immer in Verbindung zu einem bürgerlichem Eigentumsbegriff.

Die Grundlage eines neuem Eigentumsverständnisses müsste somit sein, dass es auf gesellschaftlicher Absprache basiert, unter der Berücksichtigung das auch z. B. das Bedürfnis alleine irgendwo zu wohnen, ein Bedürfnis sein kann, welches gesellschaftlich erfüllt werden muss.

Daraus lässt sich ableiten, dass Diebstahl nicht zu neuem Privat-Eigentum wird, zumindest solange es danach in gesellschaftlichen Besitz überführt wird und somit einem anderem Verständnis unterliegt. Dies lässt sich sowohl auf Diebstahl im bürgerlichen Sinne beziehen (wie bei Hausbesetzungen), als auch auf Diebstahl, der durch bürgerliche Produktion entsteht (Geld verdienen durch Lohnarbeit und danach etwas käuflich erwerben). Deutlich wird auch: Es gibt eine klare Abgrenzung zwischen einem bürgerlichen Eigentumsverständnis und dem Verständnis mit einem besetzten Haus, solange Strukturen offen zugänglich sind.

 

Der Vorwurf dies Wäre Gegen das Grundgesetz kann letztendlich ignoriert werden, wenn betrachtet wird, welche Verbrechen dieses zulässt (z.B. Schutz der Menschenwürde durch Zwangspsychiatriesierung und Gefängnisse). Ein Grundgesetz kann – egal wie gut es formuliert ist – erst einmal keinen Menschen retten, durch die alleinige Existenz dessen. Gesetzesgrundlagen so wie diese sind Produkte bestimmter hierarchischer Gesellschaften, welche nichts über ein Verständnis und den Umgang mit den Gesetzen aussagt. Hinzukommt, dass Menschen auch immer die Möglichkeit haben müssen, ihren Gesetzesanspruch geltend zu machen, was durch bürokratischen, finanziellen und zeitlichen Aufwand nicht allen Menschen in gleicher Weise möglich ist. Der Vorwurf die Überführung von Privat-Eigentum in gemeinschaftliches Eigentum würde gegen die allgemeine Erklärung der Menschenrechte verstoßen, zeigt nur, dass die AEM, in sich nicht Schlüssig ist, da die Gleichheit der Menschen niemals erreicht werden kann, solange der bürgerliche Eigentumsbegriff die Grundlage dafür darstellt.

Letztendlich wird es immer an uns allen liegen, nicht aufzugeben Plätze und Häuser zu besetzen und emanzipatorische Strukturen aufzubauen und weiterzuentwickeln. Langfristig gesehen, scheint dabei die Aneignung durch Kauf und die Umwandlung in allgemeinen Besitz einfacher. Viele noch bestehende Projekte sind dafür ein gutes Beispiel. Häufig stellen sie in Städten die letzten selbstverwalteten Plätze dar. Aufgrund dessen, dass die Besitzverhältnisse meistens über Vereine oder Genossenschaften geregelt sind, sind Räumungen und Enteignungen durch den Staat kaum Möglich. Allerdings ergibt sich der Sinn auch weiterhin Besetzungen durchzuführen nicht nur aus der Not heraus, dass das notwendige Kapital zum Kauf der Welt fehlt: Wenn nicht wir immer wieder auf die Widersprüchlichkeit zwischen der Gleichheit der Menschen und bürgerlichem Privat-Eigentum aufmerksam machen und versuchen einer menschenverachtenden Welt eine Alternative aufzuzeigen, wird sich niemals etwas auf fortschrittliche Weise verändern.

 

Literaturverzeichnis:

1Hiermit soll nicht geleugnet werden, dass die Ressourcen dieser Erde begrenzt sind. Jedoch erscheint es auch nicht so, als würde in der kapitalistischen Marktwirtschaft versucht werden, durch die Proklamation der Knappheit einen Schutz von Ressourcen zu erreichen.

2 Hiermit ist keine verstaatllichung der Produktionsweise gemeint! Diese würde lediglich zu einem Staatskapitalismus führen.

3 Welche Probleme eine Konsensfindung aufbringt sollte allen Menschen bewusst sein. Spätestens jenen, die schon einmal zum ersten Mal auf einem Plenum in einer fremden Stadt/Struktur saßen und die Hemmschwelle gespürt haben sich zu Wort zu äußern. Bei einem gesamtgesellschaftlichen Anspruch kommen natürlich noch weitere Hindernisse wie wirtschaftliche Abhängigkeit, Patriachiat etc. mit rein. Das Problem von einer faktisch umsetzbaren Konsensabsprache in unserem Raum zeigt meiner Meinung aber nur die Begrenzung unserer Möglichkeiten durch heutige äußere Strukturen auf (Wir leben in ner Scheiß Welt und die muss sich im ganzen verändern).

4 Der sich ergebende Widerspruch von einem anarchistischen Eigentumsbegriff und dem Schützen der eigenen Strukturen soll hier nicht weiter behandelt werden, lediglich die Reflektion danach, welche Strukturen es vor wem zu schützen gilt und welche Strukturen für alle Menschen nach dem eigenem Verständnis offen sein müssen, kann dies Beantworten.

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Benjamin R. Tucker        + 22.06.1939

 

Saatssozialismus und Anarchismus

Es gibt zwei Arten von Sozialismus.

Der eine ist kommunistisch, der andere beruht auf Solidarität.

Der eine ist diktatorisch, der andere freiheitlich.
Der eine ist metaphysisch, der ander positiv.

Der eine ist dogmatisch, der andere wissenschaftlich.

Der eine bruht auf Emotion, der andere auf Reflektion.

Der eine ist zerstörerrisch, der andere konstruktiv.

Beide streben nach der größtmöglichen Wohlfahrt aller.

Der eine trachtet danach, das Glück aller zu verwirklichen, der andere danach, jeden in Stand zu setzen, auf seine eigene Weise glücklich zu sein.

Der erste betrachtet den Staat als eine Gesellschaft sui generis, von besonderem Charackter, [...] die außerhalb und über aller Gesellschaft steht, ausgestattet mit besonderen Rechten und der Befugnis, unbedingten Gehorsam zu erzwingen; der zweite betrachtet den Staat als eine Assoziation wie jede andere, nur gewöhnlich schlechter verwaltet als andere.

Der erste proklamiert die Oberherrschaft des Staates, der zweite verwirft jegliche Herrschaft.

Der eine will alle Monopole in den Händen des Staates wissen; der ander wüscht die Abschaffung aller Monopole.

Der eine will die regierte Klasse zur regierenden machen; der andere wünscht die Beseitigung aller Klassen.

Beide erklären, dass die herrschende Ordnung der Dinge nicht von Dauer sein kann.

Der erste betrachtet die Revolution als unvermeidliches Mittel der Evolution; der zweite lehrt, dass allein Unterdrückung die Evolution in Revolution verwandelt.

Der erste glaubt an einen Umsturz.

Der zweite weiß, dass sozialer Fortschritt aus der freien Entfaltung der individuellen Initiative hervorgehen wird.

Beide erkennen, dass wir am Beginn einer neuen Geschichtsperiode stehen.

Der eine wünscht, es gebe nur noch Proletarier.

Der andere wünscht, es gebe keine Proletarier mehr.

Der erste will jedem alles nehmen.
Der zweite will jeden Besitz des Seinigen belassen.

Der eine will jeden enteignen.

Der andere will jeden zum Eigentümer machen.

Der erste sagt: <<Tue, was die Regierung will.>>

Der zweite sagt: <<Handle nach eigenem Ermessen.>>

Der erste droht mit Despotismus.

Der letztere verheißt Freiheit.

Der erste macht den Bürger zum Untertanen des Staates.

Der letztere macht den Staat zum Angestellten des Bürgers.

Der eine erklärt, dass die Geburt der neuen Welt notwendigerweise schmerzhaft sein wird.

Der andere erklärt, dass wahrer Fortschritt niemandem Leid zufügt.

Der erste vertraut auf soziale Kriege.

Der andere vertraut nur auf die Werke des Friedens.

Der eine wünscht zu befehlen, zu herrschen, Gesete zu erlassen.

Der andere wünscht ein Minimum an Befehlen, an Herrschaft und Gesetzgebung zu erreichen.
Der eine würde die gräßlichste Reaktion zur Folge haben.

Der andere eröffnet dem Fortschritt einen unbegrenzten Horizont.
Der erste wird fehlschlagen; der andere wird sein Ziel erreichen.
Beide streben nach Gleichheit.

Der eine dadurch, dass er die, die oben stehen, herunterzieht.

Der andere daruch, dass er die, die unten stehen, emporzieht.

Der eine erblickt die Gleichheit im gemeinsamen Joch.

Der andere will die Gleichheit der vollkommenen Freiheit.

Der eine ist intolerant, der andere ist tolerant.

Der eine schüchtert ein, der andere ermutigt.

Der erste will jeden unterrichten.

Der zweite will jeden dazu befähigen, sich selbst zu unterrichten.

Der erste will jeden unterstützen.

Der zweite will jeden dazu befähigen, sich selber zu helfen.

Der eine sagt:

Der Grund und Boden gehört dem Staat.

Das Bergwerk gehört dem Staat.

Das Werkzeug gehört dem Staat.

Das Produkt gehört dem Staat.

Der andere sagt:

Der Grund und Boden gehört dem Bebauer.

Das Bergwerk gehört dem Bergmann.

Das Werkzeug gehört dem Arbeiter.

Das Produkt gehört dem Produzenten.

Es gibt nur diese zwei Arten von Sozialismus.

Der eine verkörpert die Kindheit des Sozialismus; der andere sein Mannesalter.

Der eine ist schon die Vergangenheit; der andere die Zukunft.

Der eine wird dem anderen Platz machen.

Heute muss sich jeder von uns für die eine oder die andere dieser beiden Formen des Sozialismus entscheiden oder aber bekennt, dass er kein Sozialist ist.

Quelle: "Der Anarchismus" vom Walter-Verlag, Olten und Freiburg im Breisgau

ISBN: kein Plan

 

Als Kommentar eher unpassend – es war Intuition. Dennoch verbildlicht dieser Text etwas, dass ich in diesem Artikel gesehen habe. Und auch wenn ich mich nicht 100%ig damit identifizieren kann, mit Tuckers Schrift, so sind doch viele Punkte, nicht zuletzt bei tieferem Nachdenken, übereinstimmend.

Solidarische Grüße auch an meine kommunistischen Genossen, denn wir haben einen gemeinsamen Kampf. Schafft eure Lager, die Spalterei und das Schubladendenken ab...  wenn ihr wollt. ^^

Und! Anarchie heißt für mich nicht, dass Kommunismus abgeschafft wird, sondern, dass es diverse kommunistische Gruppierungen geben KANN. Denn er (der Anarchismus) beinhaltet die Möglichkeit sich überall Strukturen zu schaffen, wie mensch will.

 

(A)

Auch wenn es sich nicht aktiv bewußt gemacht wird, eine solche Schlußfolgerung ist doppelbödig! Anarchie ist die Gesellschaftsform und Kommunismus die Wirtschaftsweise - es handelt sich um unterschiedliche Fokuslegungen nicht um unterschiedliche Systeme. Dementsprechend unbrauchbar ist diese Gegenüberstellung, ebenso unbrauchbar wie es wäre Demokratie und Kapitalismus einander gegenüberzustellen, anstatt beides beidem. Dazu muss gesagt werden dass das Argumentationsmuster auch noch andere Formen annehmen kann, etwa wenn Generationengerechtigkeit und Naturschutz einander gegenübergestellt werden obwohl sie sich geradeso gegenseitig bedingen und ermöglichen wie auf der anderen Seite Raubbau und Verwüstung.

Hast Du Deinen Text vom 18.8. selbst hier eingestellt? Deine Emailadresse ist kaputt.

Ja habe den Text selbst hier hochgeladen

ui mist... die haben lavabit kaputt gemacht. Neue E-Mail adresse folgt dann in kürze

Neue E-Mail: pfatup@riseup.net

...ist nicht der Satz „Eigentum ist Diebstahl“, aber das, was von ihm damit gemeint wurde. Denn, die Frage bleibt folgende: Diebstahl an wem? Diebstahl an der Gesellschaft, Gemeinschaft, sagt uns Proudhon und der obige Text. Und ab hier wird es kompliziert, denn, wer ist die Gesellschaft, die beraubt wird? Es ist ein bisschen einfach hier Locke dafür zu kritisieren, dass das Privateigentum eben nur einer Minderheit weitergeholfen hat (der „bürgerlichen Klasse“), der Gesellschaftsvertrag also nur von privilegierten männlichen Hetero-Christen geschlossen wurde, aber andererseits nicht zu sehen, dass Proudhon das genau gleiche machte, und ihr auch etwas ähnliches macht. Proudhon sagt: Eigentum ist Diebstahl, aber auch: Eigentum ist Freiheit... und zwar weil das grosse Eigentum Diebstahl an den kleinen Bürgern sei. Genaugenommen an der Gemeinschaft der kleinbürgerlichen Familie. Das Problem ist also immer, dass, wenn das Eigentum aus der Gesellschaft abgeleitet wird, diese Gemeinschaft gewissermassen Gesetz ist. Und sei sie partizipativ. Und sei sie eine Anhäufung von Genossenschaften. Auch die Genossenschaften sind bürgerliche Formen der Aneignung, denn alles legale Eigentum (und sei es die Legalität einer parzipitativen, „libertären Gesellschaft“) ist etwas, das jedes Individuum seiner Handlungsmöglichkeiten enteignet, es proletarisiert. Nämlich, indem jeder einzelne um Erlaubnis bitten muss („Somit wäre die Frage nach Eigentum immer eine Frage nach der gesellschaftlichen Absprache“ - also ein neuer Gesellschaftsvertrag), sich absprechen muss, mit „der Gesellschaft“ (der VV), bevor er etwas benutzen kann. Das lässt nicht nur ausser acht, das viele Menschen sich das Leben erleichtern, indem sie die die Regeln die dem Raum durch das legale Eigentum aufgedrückt werden, nicht respektieren, - auch nicht die Szene-Konsens regeln! - und dieses Eigentum auch nicht für sich allein (im Gegensatz zu andern) beanspruchen, und schon gar nicht glauben, ihre Aneignung von etwas könne zu einer allgemeinen Regel formuliert werden . Der Diebstahl wird solange weitergehen, wie die Aneignung Anspruch auf Legalität impliziert, solange werden die Leute in Widerspruch geraten, weil jede Aneignung ausgeschlossene produziert. Eine harmonische, freie Gesellschaft, wo jeder kriegt was er will, ist (leider) nicht wirklich in Sicht, und sie kommt auch nicht näher, durch eine Parteiergreifung für „die Gesellschaft“ (d.h. die bestehende Gesellschaft) gegen den Staat, weil die heutige Gesellschaft, die „Zivilgesellschaft“, sich nicht vom Staat, der sie zusammenhält - egal wie repressiv er auf sie einwirkt – trennen lässt. Heute müssen wir, Ausgebeutete und Ausgeschlossene, wohl zuerst Disharmonie bringen, um zu kriegen was wir brauchen, "Eigentum ist Diebstahl" ist also für uns durchaus  und fast durchwegs positiv zu interpretieren, denn, die Anarchie erreichen wir nur durch, wenn wir unser leben zurückrauben, wenn wir lernen, wie wir diese Eigentumsordnung ausserkraftsetzen können, denn die starken Genossenschaften, "emanzipatorische Strukturen", tiefe Mieten, totale Reform, schafft nicht das Problem, die staatlich-kapitalistische Gesellschaft ab... Soviel dazu, und durchaus als solidarische Kritik gemeint.

Danke für die Kritik. genau solche Diskussionen sollte dieser Text anregen und ich hoffe sie werden noch weitergeführt werden können. Leider habe ich manche Punkte nicht so ganz verstanden, bzw. vlt. basieren sie auf Missverstädnissen.

...ist nicht der Satz „Eigentum ist Diebstahl“, aber das, was von ihm damit gemeint wurde. Denn, die Frage bleibt folgende: Diebstahl an wem? Diebstahl an der Gesellschaft, Gemeinschaft, sagt uns Proudhon und der obige Text. Und ab hier wird es kompliziert, denn, wer ist die Gesellschaft, die beraubt wird?

→ Die Gemeinschaft würde ich als die Gesamtheit der Gesellschaft verstehen, welche zusammen auf der Basis eines Konsens abgesprochenen Normen, zusammen Interagiert und somit gemeinschaftliche Organisation Möglich macht.

Es ist ein bisschen einfach hier Locke dafür zu kritisieren, dass das Privateigentum eben nur einer Minderheit weitergeholfen hat (der „bürgerlichen Klasse“),

→ Da habe ich mich dann falsch ausgedrückt. Erstmal haben alle Menschen durch die Deligitimation der Monarchie und die Abschaffung der Sklaverei profitiert (bzw. halt alle männlichen,weißen, hetero Christen). Diese Freiheit wird nur durch die Abhängigkeit des Menschen vom Markt ziemlich relativiert.

der Gesellschaftsvertrag also nur von privilegierten männlichen Hetero-Christen geschlossen wurde, aber andererseits nicht zu sehen, dass Proudhon das genau gleiche machte, und ihr auch etwas ähnliches macht. Proudhon sagt: Eigentum ist Diebstahl, aber auch: Eigentum ist Freiheit... und zwar weil das grosse Eigentum Diebstahl an den kleinen Bürgern sei.

→ Den Schluss verstehe ich noch nicht so ganz. Die Eigentumsdefinition von Locke und die, die oben angeführt wurde, sind ja erstmal unterschiedlich. Bei der einen wird von einem Gemeinschaftlichen Eigentum ausgegangen, auf welches ersteinmal alle einen Anspruch haben. Das Eigentumsverständnis wird aus der Gemeinschaft heraus abgeleitet. Bei Lockes Eigentumsdefinition geht es um ein ausschließendes Verständnis von Eigentum (eben Privat-Eigentum), welches sich durch seine Erklärung der Entstehung des Eigentums ergibt.

→ Für mich macht die Kritik des Textes die Differenzlinie „kleine Bürger“ und „reiche Bürger“ gar nicht auf, da auch Menschen mit weniger Kapital sich Eigentum aneignen können, was dann auf die gleiche Weise geschieht und strukturell das gleiche ist. Das einzige wo natürlich diese Differenzlinie entscheidend ist, ist die Menge an Eigentum. Dies wird im Text aber sehr bewusst nicht kritisiert, da es ja um die Entstehung des Eigentums geht. Eine Kritik zu üben aufgrund der Menge an Eigentum die eine Gruppe von Personen besitzt, ist meiner Meinung nach zu verkürzt (und findet in dem Text auch nicht statt). Auch den Schluss „(Privat-)Eigentum ist Freiheit“ kann ich aus dem Text nicht wirklich ableiten. Jedoch gibt es natürlich für jedes Individuum mehr Handlungsmöglichkeiten und es wird eine individuellere Bedürfnisbefriedigung erreicht, wenn das Gemeinschaftliche Eigentum (auf welches alle den gleichen Anspruch haben) sich vermehrt.

Genaugenommen an der Gemeinschaft der kleinbürgerlichen Familie. Das Problem ist also immer, dass, wenn das Eigentum aus der Gesellschaft abgeleitet wird, diese Gemeinschaft gewissermassen Gesetz ist. Und sei sie partizipativ.

→ Bei diesem Punkt bin ich mir unsicher ob ich ihn richtig verstehe. Ich verstehe die Kritik so, dass eine Gemeinschaft die für sich geltende Normen und Werte aufstellt, wieder etwas Gesetzes ähnliches schafft und dadurch eine Herrschaft der Gemeinschaft über das Individuum entstehen würde. Ich sehe jedoch zwischen Gesetzen, auf die Art und Weise wie sie in der gültigen und in bis jetzt gültigen Gesellschaftsformen entstanden sind und durchgesetzt wurde, einen großen Unterschied zu gemeinschaftlich abgesprochenen Werten und Normen, an die sich eine Gruppe halten sollte. Bzw. durch die Partizipationsmöglichkeiten ließe sich ja auf einfachem Wege Kritik üben und somit Werte und Normen anpassen. Auch eine anarchistische Gesellschaft, also eine herrschaftslose Gesellschaft kann ja nicht in einem Werte und Moral leerem Raum bestehen. Schon alleine die Einigung auf eine Herrschaftslosigkeit widerspräche einer solchen Vorstellung.

Nämlich, indem jeder einzelne um Erlaubnis bitten muss („Somit wäre die Frage nach Eigentum immer eine Frage nach der gesellschaftlichen Absprache“ - also ein neuer Gesellschaftsvertrag), sich absprechen muss, mit „der Gesellschaft“ (der VV), bevor er etwas benutzen kann. Das lässt nicht nur ausser acht, das viele Menschen sich das Leben erleichtern, indem sie die die Regeln die dem Raum durch das legale Eigentum aufgedrückt werden, nicht respektieren, - auch nicht die Szene-Konsens regeln! - und dieses Eigentum auch nicht für sich allein (im Gegensatz zu andern) beanspruchen, und schon gar nicht glauben, ihre Aneignung von etwas könne zu einer allgemeinen Regel formuliert werden.

→ Das mit dem „neuen Gesellschaftsvertrag“ sehe ich auch noch als großes Problem an. Besonders, weil ein Gesellschaftsvertrag in dem Sinne ja nie lange Gültigkeit haben kann. Daher müssten Strukturen erschaffen werden, die jederzeit allen Menschen (langfristig) die Partizipation ermöglicht. Dadurch bräuchten in dem Sinne auch keine „allgemeinen Regeln“ formuliert werden, sondern gesellschaftliche Teilhabe und Mitbestimmung würde allen offen stehen. Es geht also eher darum eine Art Metasystem zu schaffen, so dass allgemeine Regeln und Gesetze (im traditionellen Sinn) nicht notwendig sind.

Der Diebstahl wird solange weitergehen, wie die Aneignung Anspruch auf Legalität impliziert, solange werden die Leute in Widerspruch geraten, weil jede Aneignung ausgeschlossene produziert.

→ Da bin ich mir wieder unsicher ob ich den Punkt richtig verstehe. Wenn alle Menschen grundsätzlich einen Anspruch auf alles haben, weil die Produktion als gesamtgesellschaftlich betrachtet wird, dann ist die (private und ausschließende) Aneignung doch gar nicht mehr Notwendig. Somit impliziert eben nicht die Aneignung den Anspruch auf Legalität, sondern das Faktum Mensch zu sein und somit zur Gesellschaft dazu zu gehören.

Eine harmonische, freie Gesellschaft, wo jeder kriegt was er will, ist (leider) nicht wirklich in Sicht, und sie kommt auch nicht näher, durch eine Parteiergreifung für „die Gesellschaft“ (d.h. die bestehende Gesellschaft) gegen den Staat, weil die heutige Gesellschaft, die „Zivilgesellschaft“, sich nicht vom Staat, der sie zusammenhält - egal wie repressiv er auf sie einwirkt – trennen lässt.

→ Noch ein Kritikpunkt den ich nicht ganz verstehe. An welcher Stelle siehst du eine „Parteiergreifung für 'die Gesellschaf'“ bzw. für dir „bestehende Gesellschaft“. Dass der Großteil der Gesellschaft nicht anarchistisch ist, ist schon klar, trotzdem müssen wir ja überlegen, wie wir die Gesellschaft voranbringen können. Das dafür nicht nur eine Veränderung der Gesellschaftsstruktur, sondern auch des Gesellschaftscharakters notwendig ist (vgl. Fromm 1976, S. 129) würde ich ebenfalls unterstützen. Das diese Gesellschaft nicht in Sicht ist momentan steht außer Frage. Aber genau das ist doch der Grund warum wir daran arbeiten müssen, dass sie irgendwann vlt. Mal erreicht wird.

Heute müssen wir, Ausgebeutete und Ausgeschlossene, wohl zuerst Disharmonie bringen, um zu kriegen was wir brauchen, "Eigentum ist Diebstahl" ist also für uns durchaus  und fast durchwegs positiv zu interpretieren, denn, die Anarchie erreichen wir nur durch, wenn wir unser leben zurückrauben, wenn wir lernen, wie wir diese Eigentumsordnung ausserkraftsetzen können, denn die starken Genossenschaften, "emanzipatorische Strukturen", tiefe Mieten, totale Reform, schafft nicht das Problem, die staatlich-kapitalistische Gesellschaft ab...

→ Das die Form der Genossenschaft (oder Vereine) nicht den Weg ebnet um die gesellschaftlichen Verhältnisse umzuwerfen, steht außer Frage für mich. Jedoch scheint mir die Organisationsform momentan eine zu sein, die mehr Möglichkeiten erhält und zumindenst die Härte des kapitalistischen Alltages ein wenig abdämpfen kann, als alleine sich behaupten zu müssen. Und ich glaube die schöne Welt lässt sich besser planen und organisieren, wenn der Mensch nicht nebenbei die ganze Zeit um seine Existenz in der bestehenden Welt fürchten muss....

- Fromm, Erich (1980). Haben oder Sein. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG / München