Kritisch-solidarische Gedanken zur linken Intervention in Rackwitz

Kein Mensch ist illegal

Was bisher geschah: In Rackwitz, einer Kleinstadt in Nordsachsen, wurde die Errichtung eines neuen Lagers für 120 AsylbewerberInnen beschlossen. Gegen die Aufnahme von Flüchtlingen gründete sich eine Bürgerinitiative, die einen bedeutenden Teil der Rackwitzer Bevölkerung repräsentiert und im Ort gegen die geplante Unterkunft hetzt. Zudem hat die NPD angekündigt, diesen Samstag mit einer Kundgebung an die rassistische Stimmungsmache andocken zu wollen. Um in diese unappetitliche Gemengelage einzugreifen, hat sich ein Bündnis aus antifaschistischen und antirassistischen Gruppen aus Leipzig konstituiert, welches zu einer Demo in Rackwitz unter dem Motto "Pogrome verhindern, bevor sie passieren!" mobilisiert.


Obwohl wir das Anliegen dieser Demonstration selbstverständlich teilen, sehen wir das gewählte Vorgehen kritisch und bezweifeln, ob sich die angestrebten Ziele auf diese Art und Weise erreichen lassen. Auch wenn die Errichtung des Lagers in Rackwitz als Folge der Proteste der Bürgerinitiative vorerst aufgeschoben wurde, finden wir eine einen Erfahrungsaustausch und eine Debatte darüber, wie wir auf rechte Mobilisierungen gegen neue AsylbewerberInnenlager reagieren können, wichtig. Dies, weil wir damit rechnen, dass wegen der derzeit erstmals seit Jahren wieder steigenden Zahl an AsylbewerberInnen und der daraus folgenden Errichtung neuer Lager in den nächsten Monaten und Jahren mit ähnlichen Mobilisierungen an vielen Orten zu rechnen ist. Daher haben wir uns entschieden, einen Brief, den wir an das Bündnis in Leipzig gesandt haben, auch hier zu veröffentlichen.

 

Liebes Rackwitz-Bündnis,

vorneweg: wir teilen eure Wut über die aktuelle asylfeindliche Kampagne in Rackwitz! Wir finden es zum Kotzen, dass Menschen, die hier her kommen, um ihr Leben zu retten, diffamiert werden und haben manchmal das ohnmächtige Gefühl, die gleiche Scheiße wie vor zwanzig Jahren zu erleben.

Bitte versteht uns daher nicht falsch: Wir finden es genauso wie ihr wichtig, der NPD und anderen rassistischen BrandstifterInnen in Rackwitz entgegenzutreten und teilen euer Ziel, dort für eine offene und solidarische Gesellschaft zu streiten, in der alle Menschen willkommen sind.

Eine andere Meinung als ihr haben wir aber in der Frage, wie dieses Ziel erreicht werden kann, also auf einer Ebene der Taktik. In eurem Aufruf lehnt ihr eine Auseinandersetzung mit den RackwitzerInnen ab, egal ob sich diese unverhohlen feindlich  geben oder vermeintlich besorgt. Auf euren Plakaten werbt ihr klein mit dem Spruch „Strafexpedition nach Rackwitz“. Unabhängig von dem kolonialistischen Touch dieses Wortes finden wir das damit assoziierte Auftreten falsch. Einen Tag nach Rackwitz zu fahren, um dort die eigene Empörung und Ablehnung deutlich zu machen, ist verständlich. Es wird unserer Meinung nach aber die Situation der AsylbewerberInnen, die dort bald wohnen müssen, verschlechtern und jede Form einer möglichen linken Solidarität diskreditieren. Um es klar zu sagen: Während die meisten nach der Demo nach Connewitz zurückkehren können, müssen die AsylbewerberInnen wahrscheinlich bald dort leben. Daher kann es unserer Meinung nach nicht um einen möglichst konsequenten Antirassismus gehen, sondern um eine Verbesserung der Situation vor Ort unter den gegebenen, schlechten Bedingungen.

Als Beispiel sehen wir dafür die linke Reaktion kürzlich in Berlin-Hellersdorf. Damit wollen wir nicht sagen, dass dort alles in Ordnung wäre. Aber es ist dort unserer Meinung nach ganz gut gelungen, die rassistische Mobilisierung zu brechen. Und das trotz einer starken örtlichen Naziszene und einer ebenfalls feindlichen Grundstimmung in einem Teil der Bevölkerung, wie sie in der BürgerInnenversammlung wenige Wochen vor Bezug des Heimes zum Ausdruck kam. Maßgeblich für die Verbesserung der Lage dort war unserer Meinung nach die kontinuierliche Mahnwache vor dem Heim, die sich um die Vermittlung unserer Inhalte an die Bevölkerung bemühte. Damit gemeint ist keine Anbiederung, aber das Gespräch auch mit GegnerInnen des Heims, das Anpassen der Flyertexte an ein weitgehend depolitisiertes Publikum, die Aufklärung über tatsächliche Fluchtgründe, Kosten der Asylunterbringung und Ursachen des Sozialabbaus. Dazu kam die Isolierung der Nazis durch entschlossene Gegenwehr gegen ihre Kundgebungen und eine große mediale Öffentlichkeit, die relativ stark zu unseren Gunsten berichtete.

Wir wissen nicht, ob ein ähnliches Vorgehen in Rackwitz möglich wäre. Grundlage waren in Hellersdorf schließlich lokale Zusammenhänge um das Jugendhaus La Casa und die Alice-Salomon-Hochschule. Diese wurden von „Innenstadtlinken“ unterstützt, stemmten aber viel Arbeit und hatten durch ihren „Lokalkolorit“ eine andere Sprechposition, so blöd dies klingt. Nötig wäre daher unserer Meinung nach die mühselige Suche nach Verbündeten vor Ort, so unterschiedlich sie von uns auch in Auftreten und Inhalten sein mögen. Ohne Ortskenntnis würden wir diese noch am ehesten in der lokalen Linkspartei vermuten. Vielleicht wäre es mit diesen möglich, eine Initiative a la „Rackwitz hilft Asylsuchenden“ o.ä. zu starten. Für die Isolierung der NPD ist die Demo am Samstag unter Umständen ein probates Mittel. Dies kann aber nur gelingen, wenn die lokale Bevölkerung nicht pauschal verurteilt wird, sondern versucht wird, den vorurteilsbehafteten, aber nicht geschlossen neonazistisch denkenden Teil mit Gesprächen oder einfachen Flyern umzustimmen.

Wir würden uns wünschen, dass dies beim Auftreten bedacht wird und hoffen auf eine erfolgreiche Demo.

Mit niedergeschlagenen Grüßen,

antirassistisch Aktive aus Leipzig."

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Das Ziel kann nur ein "dezentrales" Wohnen der Flüchtlinge sein. Das wird die Flüchtlinge freuen, weil sie nicht in einem Dorf wie Rackwitz leben müssen, es wird viele Rackwitzer freuen, weil sie "die Ausländer" los sind, und es wird uns freuen, weil wir die Rackwitzer Wütbürger morgen mit gutem Gewissen heimsuchen können.

Potentielle Bündnispartner aus Rackwitz können sich der morgigen Demo gern anschließen. Eines bleibt aber klar: Antifa ist keine akzeptierende Sozialarbeit! Das Klima der Rackwitzer Dorfgemeinschaft ist mir relativ egal, und dafür mache ich keinen Finger krumm. Es geht mir nicht darum, die Rackwitzer, sächsische oder deutsche Provinz zu "verbessern".

Last but not least: die Handvoll NPD-Hanseln ist morgen in Rackwitz eines der kleineren Probleme.

Ich denke eher, das Klima, in dem die Flüchtlinge leben werden, ist dir relativ egal. Ganz selbstverständlich geht es Antifa/Antira darum, die Rackwitzer, sächsische und deutsche Provinz zu "verbessern".

 

Was ist dein Ziel: in der anonymen Masse ein paar rassistische Blödbürgerinnen heimsuchen, verbrannte Erde hinterlassen und wieder verschwinden? #WTF

Selbstverständlich ist es notwendig, gegen rassistische Hetze vorzugehen. Das soll laut und unübersehbar geschehen. - Leider stellt sich das Rackwitz-Bündnis mit Worten wie "Mit Rassist_innen diskutieren wir nicht, egal wie sehr sie sich auch verstellen!" quer gegen jegliche Kritik an der Art der Unterbringung und wirkt damit negativ auf die Debatte in Rackwitz bzw. Nordsachsen.

Danke für diesen Kommentar!

dieser text ist ein musterbeispiel für solidarische kritik. wenn in unseren kreisen debatten um kontroverse positionen öfter auf diese weise geführt werden würden, wären wir vielleicht alle schon ein bisschen weiter. mensch mag sich jetzt der einen oder anderen position näher fühlen, aufgrund von einem text wie diesem kann jedenfalls ernsthaft diskutiert werden und es muss nicht einfach auf ein bashing das nächste folgen. danke dafür! persönlich sehe ich mich diesem text ziemlich nah. nichts gegen kompromisslosigkeit.

 

aber all zu oft ist diese vor allem auf rhetorischer ebene präsent, und entlädt sich dann in irgendeiner demo auf der dann ganz viele pyros gezündet werden, später fahren die antifas dann wieder nach hause und trinken in ihrer linken stamm-kneipe oder im ex-besetzten haus ein paar bier und klopfen sich noch auf die schulter und versichern sich noch, dass sie gut daran tun, eben nicht die sozialarbeiter_innen zu spielen.

 

dieser satz war jetzt kein musterbeispiel solidarischer kritik, sondern polemisch-zynisch... schon klar. ist halt viel einfacher.

 

noch zum text oben, mittelfristig ist es natürlich auch eine frage, ob es sinn macht, sich auf die aufklärung der lokal-"bevölkerung" zu fokussieren, so den widerstand gegen ein lager zu brechen,  und sich dann wieder um andere fragen zu kümmern. denn die unterbringung von geflüchteten in lagern ist selbst mit einer weniger feindlichen umgebung aus emanzipatorischer sicht immer noch scheiße. also ein sehr kompliziertes thema. vielleicht gibt es ja in zukunft eine konstruktive debatte dazu...

Det ostdeutsche Wutbürger hat die Fremden in Form der Flüchtlinge endgültig als sein Betätigungsfeld ausgewählt. Nun auch in Greiz in Thüringen. Rassistischer (ost)deutscher Volsmob gegen Flüchtlinge. Auch in Eisenberg kündigen sich bald Proteste an.

Die Linke sollte endlich den Feind erkennen wo er ist, in dem ostdeutschen Nomalbürger. Es ist diese völlig von Empathie begreite Jammerossischeiße, die da nun gegen Fremde tobt.

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hallo, geht's noch?

Liebe antirassistisch Aktive aus Leipzig.

 

nicht im Namen des Demovorbereitungskreises, will ich euch als Einzelperson auf eure Einlassung antworten.

Ich tue dies öffentlich, weil auch ihr diesen Weg gewählt habe. Konstruktiver hätte ich es gefunden, wenn wir ins Gespräch gekommen wären. Das war nicht euer Weg.

 

Zuerst möchte ich gern fragen: habt ihr in irgend einer Weise Erfahrungen mit dem Agieren in der sächsischen Provinz? Kennt ihr die Erfahrungen alternativer Jugendlicher, die systematisch diffamiert und aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden, stigmatisiert als ExtremistInnen? Kennt ihr die Erfahrungen des antirassistischen Fußballvereins Roter Stern Leipzig bei fast ausnahmslos allen Spielen in der sächsischen Provinz? Kennt ihr die Angriffe, Anschläge... auf Läden und Wohnhäuser von MigrantInnen?

Ich hoffe, ihr hattet diese Realität vor Augen, als ihr eure Zeilen niedergeschrieben habt.

 

Ich kann freimütig sagen bzw. schreiben, dass ich seit mehreren Tagen auch immer wieder zu reflektieren versuche was in Bezug auf Rackwitz das richtige wäre. Die Zweifel, ob die Antifa-Intervention die Richtige ist, kamen mir auch. Ich will mehr erfahren über '“die“ RackwitzerInnen, die hoffentlich nicht so homogen sind, wie es die Kommentare auf meinem Blog, die Äußerungen der BI, der Videomitschnitt von der Gemeinderatssitzung oder aber die LVZ-Berichterstattung vermuten lassen.

Und ja, es gibt Nuancen. Was aber mit diesen tun?

 

Ich will euch kurz aufführen, welche Erfahrungen ich bei Kontaktaufnahmen nach Rackwitz gemacht habe.

 

1. Engagierte Bürgerin. Diese rief mich Ende vergangener Woche mehrfach an, ich würde meinen, dass sie eine Art Telefonterror betrieb, in dem sie es in wenigen Stunden ca. 25 Mal hintereinander versuchte (ich konnte nicht ans Telefon, da beschäftigt). Vorher hatte sie mit Menschen

an dem Ort, an dem ich arbeite, gesprochen, und schon dort ihren Hang zu autoritärem Denken transportiert, indem sie ihre Gesprächspartner systematisch als „MitarbeiterInnen“ (von mir) und (von mir) zur BürgerInnenversammlung am 29.8. „Entsandte“ bezeichnete. Das zustande gekommene Telefonat mit ihr musste ich schließlich beenden, das sie recht aggressiv Suggestivfragen stellte Schlussendlich transportierte sie genau das, was wir aus Wahren kennen: Flüchtlinge „passen“ nicht nach Rackwitz, dezentrale Unterbringung sei besser (was im Kontext ihres Gesamtmeinungsbildes ein vorgeschobenes Argument ist).

 

2. BürgerInneninitiative Rackwitz 2.0. Auf eine Aufforderung via Internet hin („Gerne lade ich sie, zu einem Aufklärungsgespräch nach Rackwitz ein!!!) schrieb ich am 9.9. eine Mail an die

Kontaktadresse. Diese blieb bis heute unbeantwortet.

 

3. Ein Gemeinderat aus Rackwitz. Auf Anraten eines zivilgesellschaftlichen Trägers hin gab es zwischen ihm und mir eine telefonische Kontaktaufnahme. Er hatte nach der BürgerInnenversammlung am 29.8. mit einem Gemeinderatskollegen den Vorschlag gemacht eine kleinere Zahl Asylsuchender in Rackwitz aufzunehmen und diese in Wohnungen unterzubringen, ein durchaus sinnvoller und pragmatischer Vorschlag. Pragmatisch verlief auch das Gespräch mit ihm. Er kritisierte die Stimmungsmache im Ort, legte allerdings recht ausführlich seine eigenen negativen Erfahrungen mit „den Ausländern“ dar. Außerdem hielt er nicht hinterm Berg damit, dass er zur „Deutschen Leitkultur“ stehe und „Angst vor Islamisierung“ hätte. Seinen eigenen Vorschlag Geflüchtete in Wohnungen unterzubringen relativierte er im Gespräch selbst: die RackwitzerInnen würden es nicht aushalten, wenn „5 Nordafrikaner in der Nachbarwohnung leben würden“. „Lärm, andere kulturelle Gepflogenheiten“ - das gesamte Arsenal an xenophoben Phantasien kam mir entgegen. Außerdem sei Rackwitz eben „konservativ“, die Leute wollen „ihre Ruhe“.

 

4. Ein linker oder mindestens antirassistisch sensibilisierter Rackwitzer. Mit diesem habe ich seit einigen Tagen schriftlichen Kontakt. Seine Erfahrungen sind durchaus interessant, auch für eure empfehlenden Gedanken: er hat sich der Unterzeichnung der Unterschriftenliste gegen das Heim verweigert und wurde deswegen angefeindet. Er wird aus Kommunikationen ausgeschlossen und will sich auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, er müsse ja noch dort leben.

 

Nun würde ich gern wissen ob ihr Erfahrungen gemacht habt oder wo ihr alternative Interventionsmöglichkeiten seht.

 

Ich finde es durchaus nachdenkenswert in Rackwitz zu versuchen eine Art Aufklärungsveranstaltung zu machen, Flyer zu verteilen, einen Infostand zu machen etcpp. Unwohlsein verschafft mir die Tatsache, dass möglicherweise 1.200 Menschen gegen das „Asylanten“-Heim unterschrieben haben (in der Kerngemeinde Rackwitz wohnen around 2.500 Menschen).

Ich finde es beschämend, dass sich niemand – auch nicht die LINKEN Gemeinderätinnen – zu Wort gemeldet und die xenophobe Stimmung angesprochen und kritisiert haben. Ich finde es wieder erschreckend, dass sich einen lokale BürgerInnenschaft einmal mehr nur dann aufrafft und nach Demokratie schreit, wenn es darum bzw. dagegen geht, dass Asylsuchende in ihrer Nachbarschaft leben sollen, eine BürgerInnenschaft, die zum überwiegenden Teil noch nie etwas mit MigrantInnen zu tun hatte.

Ich empfehle euch dringend, die LVZ der letzten Tage zu lesen. Hier eine Zusammenstellung der Highlights:

„Rackwitz hat kein rechtes oder linkes Problem. Rackwitz hat vielmehr ein Problem mit Rechten und Linken, die das Thema Asylbewerber für sich missbrauchen. Rackwitz braucht keine linken oder rechten Extremisten, die nun wissen wollen, was gut für den Ort ist und was nicht und die am

Sonnabend vermutlich aufeinander losgehen.“ (LVZ 11.9.13)

 

„1200 Unterschriften sind ein deutliches Zeichen. Die Unterzeichner sind Rackwitzer und keine Nazis! Und deren Wille sollte Gewicht haben, sonst dominieren der braune und rote Abschaum und der Mob auch zukünftig die Nachrichten im Ort bei diesem brisanten Thema.“ (LVZ 11.9.13)

 

„“Dazu (zur Lösungsfindung & Debatte) benötigen wir keine Demonstrationen von rechten oder linksradikalen Parteien und Gruppierungen, die dem Ansehen unserer Gemeinde nur schaden und die ihr eigenes Süppchen auf unsere Kosten kochen.” (LVZ 13.9.13)

„sich auch die Bürgerinitiative “Rackwitz 2.0″ eindeutig von rechten sowie linken Aktivitäten rund um das Thema Asylbewerberheim Rackwitz distanziert.“ (LVZ 13.9.13).

 

Noch schlimmer wurde es am 13.9. im Tagesverlauf, in dem sich die BI de facto offen mit der NPD solidarisierte. „Zum Wohle von Rackwitz“ natürlich.

 

Zu guter Letzt nochmal ein Zitat aus einem Kommentar des Vorbereitungsbündnisses:

„Auch wir begrüßen, dass Asylsuchende nicht zu 120-st in ein marodes Gebäude inmitten einer feindlichen Umgebung untergebracht werden. […]

Die Demonstration am kommenden Samstag, 14.09., bleibt. Sie soll zeigen, mit was zu rechnen ist, wenn sich eine lokale Gesellschaft gegen asylsuchende Menschen formiert. Die Demonstration gilt als Hinweis, dass [...] wir klar widersprechen werden, wenn xenophobe Stereotype den Diskurs bestimmen. Dass wir verhindern werden, dass sich rassistisches Denken tätlich gegen Menschen entlädt.“

 

Ich freue mich auf weiteren Austausch, Anregungen für und Diskussion über der Demo folgende Interventionen.

Die Erfahrung aus Hellersdrof ist m.E., dass lange die "nein zum Heim" Fraktion dominieren konnte, weil sie die einzigen waren, die aus einer Anwohner_Innen-Perspektive gesprochen haben und rassistische Ängste ausgedrückt haben, die im Stadtteil sehr weit verbreitet waren. Dazu kam, dass weite Teile es nicht als nötig ansahen sich von NPD & Co zu distanzieren, weil die als ganz normale Nachbarn wahrgenommen wurden. Durch eine kontinuierliche Mahnwache konnte m.E. zum ersten mal ein Anlaufpunkt entstehen, in dem sich auch diejenigen Austauschen und Stärken konnten, die nicht die Position der Heim-Gegner_Innen geteilt haben. Das war deshalb möglich, weil die Mahnwache eine offene Einladung war an alle in eine Auseinandersetzung zu treten. Also es wurde dort explizit auch mit rassitischen Anwohner_Innen diskutiert, aber von einem klaren und unmissverständlichen Standpunkt aus. Auch die Antifa-Gruppen wahren sich dabei nicht zu fein sich gedanken darüber zu machen, wie durch Auftreten (Grüßen der vorbeigehenden, kein Müll rumliegen lassen, offene Pressearbeit) kulturelle Gräben möglichst verkleinert werden konnten.

Die Artikel, die du Zitierst hätten so ähnlich auch aus Hellersdorf kommen können, nur das die BI sich von anfang an nicht von der NPD distanziert hat. Selbst die Linkspartei hat manchmal den Eindruck gemacht eher ein Problem mit der linken Mahnwache, als mit den Rechten & rassistischen Anwohner_Innen zu haben.

 

Ich glaube der Punkt, in dem viele Anwohner_Innen gekippt sind war, als:

1. Die Stimmen im Viertel stärker wurden, die auch als Anwohner_Innen ein eher solidarisches verhältnis zu den Flüchtlingen wollten.

2. Die Frage des selbstbildes aufkam. Wie will ich mich selbst wahrnehmen. Als es plötzlich Leute gab, die Kinderspielzeug zu den Flüchtlingen gebracht haben, da sind einige Anwohner_Innen ins grübeln gekommen. Sie haben angefangen sich selbst Netter zu finden, wenn sie nicht hasserfüllt gegen verängstigte Flüchtlingsfamilien anschreien.

 

Dadurch ist natürlich der rassismus nicht beseitigt (aber das wird er durch eine Strafexpedition auch nicht) und er kann jederzeit wieder hervorbrechen. Aber die Situation für die Geflüchteten hat sich schon sehr verbessert. Grade in gegenden in dem die Nazis ganz normale Nachbar_Innen sind, gelingt es m.E. nur einen Keil zwischen die Organisierten Nazis und die rassistischen Anwohner_Innen zu treiben, wenn nicht beide in den gleichen Topf gesteckt werden. Und der Keil ist notwendig. Nicht weil die rassistischen Anwohner_Innen kein Problem seien. In Hellersdorf waren sie m.E. das größere Problem (wenn auch die Nazis prinzipiell gefährlicher sein können, weil sie auch vor Mord nicht zurückschrecken). Aber es ist eine taktische Notwendigkeit, wenn wir in einer Situation Intervenieren müssen, in der Emanzipative Positionen krass in der Defensive sind. Wenn die Nazis aus dem Akzeptanzraum gedrängt wurden, eröffnet das neue Handlungsspielräume um den rassistischen Normalzustand zu kritisieren.

 

Was tun?:

- Am besten schon zu Beginn der Auseinandersetzungen präsent sein. Z.B. lange vor der Gegenmobilisierung & Gegen-BI-Gründung ne Solidarische "Wir Helfen den Flüchtlingen"-BI gründen. Das verschiebt die Debatte von (Die Anwohner_Innen sind gegen das Heim) zu es gibt eine Kontroverse um das Heim, aber es sind auch Leute dafür.

- Kontinuierlich vor Ort präsenz zeigen (Das kann natürlich schwierig zu organisieren & zu schützen sein, aber die Flüchtlinge werden später kontinuierlich da sein müssen).

- Andockstellen & Mut-Schöpf-Punkte für Solidarische Anwohner_Innen (die oft überhaupt nichts mit linker Szene zu tun haben wollen) schaffen.

- Mit Recherche & Aufklärungs-Arbeit die Verstrickung von Nazis in die Gegenproteste belegen und mit guter Öffentlichkeitsarbeit konsequenzen Einfordern und Medienberichtserstattung beeinflussen. Es kann Helfen legitimierte Strukturen (z.B. ein Mobiles Beratungsteam gegen Rechts, o.ä.) mit der Öffentlichkeitsarbeit zu betrauen, weil die eher gehört werden.

- Kein Rumgemackere & keine Eskalation des Konfliktes, wenn der Gegenschlag nicht euch, sondern im Zweifel diejenigen die vor Ort leben (z.B. die Geflüchteten) trifft.

1) "dieser text ist ein musterbeispiel für solidarische kritik." - Klar ist der text so geschrieben, dass er nicht völlig die Fronten verhärtet, sondern zum Debattieren darüber einlädt, dennoch geht die Kritik m.E. an den "nordächsischen Zuständen" (Vgl. z.B. http://www.netzwerk-naunhof.org/2013/09/redebeitrag-fur-die-demonstratio...) & dem daraus resultierenden notwendigen Agieren/Reagieren vorbei. Warum wurde ja in einem vorherigen Post einer "Antirassistin" relativ ausführlich dargelegt.

2) Es ist wichtig so zeitig wie möglich bei rassistischer Mobilisierung zu intervenieren & es eben nicht erst so weit wie in Berlin-Hellersdorf kommen zu lassen. Dort könnten nur mit Mühe und Not "schlimme Dinge" verhindert werden (obwohl das was passiert ist - Nazi-Kundgebungen, massive Anfeindungen von Bürger_innen vor Ort, Schmierereien, ständige Bullenpräsenz, Einschüchterung bis zur "Flucht" einiger Asylsuchender, etc. etc. - selbstverständlich schon schlimm genug ist). Deshalb war ist und ist es richtig schon nach "nur einer" Bürger_innenversammlung & "nur einer" Unterschriftensammlung zu intervienieren. Wollt ihr ernsthaft mit Menschen reden, welche irgendwas von Kriminalität, Grundstücksentwertung, etc. etc. labern? Denkt ihr ernsthaft das hier irgendein Funken Hoffnung besteht?

3) Das einige Gruppen & Menschen für sich die Aktionsform Demonstration gewählt haben muss andere Menschen wie z.B. euch natürlich nicht davon abhalten andersweitig (ergänzend) zu intervenieren. Selbstverständlich könnt ihr versuchen mit den Bürger_innen ins Gespräch zu kommen, sie "aufzuklären", etc., nur denke ich nicht das dies besonders erfolgreich sein wird (u.a. die Erfahrung aus Leipzig-Wahren zeigen dies)

4) Es bleibt unklar warum ihr diese Art der Artikulation gewählt habt. Warum habt ihr nicht mit dem Vorbereitungskreis Kontakt aufgenommen und im Vorfeld der Demosntration versucht die Intervention in eine andere Richtugn zu lenken?

Ich finde diesen Artikel und die Kommentare sehr interessant und finde die Diskussion zur Meinungsbildung sehr nützlich, gerade deshalb wundert es mich das du genauso wie andere die öffentliche Kritik bedauerst, schließlich ist gerade hier ein sehr gelungener Versuch unternommen worden positiv zu Kritisieren und eine Debatte in Gang zu bringen, wie sollte das in einer direkten Konversation zwischen Einzelpersonen und/oder Gruppen gelingen?

Ich möchte dir besonders im 2. Punkt zustimmen. Natürlich muss interveniert werden so früh es eben geht und selbstverständlich geben eine rassistische BI und eine Unterschriftensammlung gegen das Heim genug Anlass dazu.

 

Tatsächlich glaube ich aber, dass es leider notwendig ist, mit Menschen vor Ort ins direkte Gespräch zu kommen, auch wenn sie mit so absurden Sache wie Grundstückswertminderung ankommen. Tatsächlich funktionieren doch auch rassistische Dynamiken über einen sozialen Zusammenhang und stützen sich auch auf Unwissenheit.

Ohne daran zu glauben, dass durch Gespräche mit uns irgendwer "bekehrt" wird, glaube ich schon, dass eine Intervention, die sich auf niederschwellige Kommunikation stützt, zum Beispiel durch Flyer, die über die Hintergründe von Flucht aufklären und den üblichen rechten Parolen Erklärungen gegenüber setzen und direkte Gespräche mit Anwohner*Innen und evtl. Stadträt*Innen, erfolgreich sein kann. Am Ende geht es ja leider auch darum, die Situation der Menschen, die in dieses Heim einziehen sollen zu verbessern. Gut wird sie wohl nicht werden in einem Heim in der sächsischen Provinz.

Und ein Dorf, in dem es ein paar Nazis und einen Haufen Leute, die Angst um ihre Reihenhausidille haben, aber zumindest verstanden haben, dass Asylsuchende irgendwo hin müssen plus ein paar Leute, die vielleicht in den Gesprächen angeregt wurden, ihre humanistische Ader zu entdecken und deshalb das Heim zwar nicht gut finden, aber wenigstens erkannt haben wohin die NPD-Propaganda geht und sich vielleicht auch gefunden haben und so vor Ort in ihren sozialen Zusammenhängen in Richtung Akzeptanz agieren, stelle ich mir schon als eine Verbesserung vor. Und die halte ich auch für realistisch.

 

Insgesamt finde ich die Ausführungen weiter oben aus dem Post der "Antirassitin" total hilfreich um mal mitzubekommen, was vorher auch schon an Kommunikation lief. Danke dafür also.

 

zu 3)Und klar, dass wir trotzdem andere Formen hätten wählen können. Das Problem aber bleibt natürlich, wenn ein Black Block durchs Dorf fegt und alle Anwohnerinnen beschimpft und mit wieder kommen droht, dass sich die Stimmung gegen das Heim ("wegen dem jetzt auch noch die scheiß Zecken kommen") noch verstärkt. und dann kommunikative Interventionen auch wieder schwieriger sind

 

zu 4) Mir als Einzelperson ist das Thema erst mit auftauchen der Plakate und Aufrufe aufgefallen und so war es zumindest mir nicht möglich irgendwen noch rechtzeitig die Richtung der Intervention zu verändern oder zu besprechen.

Außerdem wird es ja vermutlich in Zukunft auch in Sachsen mehr Menschen geben, die Untergebracht werden, ob in Heimen oder dezentral, und leider auch mehr Fälle in denen sich der Rassismus der "Normalbürger*Innen* zeigen wird. Ich hoffe deshalb, dass diese Debatte um Strategien gegen Rassismus von Massen nochmal zu diskutieren und beim nächsten Mal anders zu handeln