Rechts unten in Coburg

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Anti-Nazi-Demo wegen AntifaschistInnen abgesagt! SPD-Bonzen schaffen neue Qualität in der antifaschistischen Arbeit!

Dass die nordbayersiche Stadt Coburg ein Problem mit Rechts hat, dürfte vielen bekannt sein. Im Landkreis trifft mensch auf jedem Dorffest die von grobschlächtigen Kurzhaarschnittträgern zur Schau gestellten üblichen Nazicodes à la „Division 88“ oder „too white for you“, in der Stadt selbst reicht es, sich nur mal die angebotenen Waren des regelmäßigen Flohmarktes sowie die dazugehörigen Käufer anzuschauen. Außerdem konnte ein im Herzen Coburgs platzierter Laden namens „Hägar“ lange ungestört die Nazimarke „Thor Steinar“ vertreiben, bis dieser durch offensiven antifaschistischen Protest vertrieben werden konnte und seine Rolle als Nazi-Konsum-Paradies an den „Szeneladen“ Rapside in der Bahnhofstraße abgeben musste.


Vollkommen anders geartet tritt ein anderer Teil der rechten Szene auf: während der Schlägernazi den Weg zur Macht mit roher Gewalt beschreitet, ist dessen intellektuelles Pendant darauf angewiesen, einen Rückzugsort zu haben, wo sich ein bürgerlicher Lebensstil mit rechtsradikaler Ideologie vereinen lässt. Er kann es sich nicht leisten, ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu geraten, seine gute Nachbarschaft und die Freunde vor Ort aufs Spiel zu setzen. Seine Stärke besteht darin, niemanden vor den Kopf zu stoßen und dennoch der nationalen Sache dienlich zu sein.
In Deutschland gäbe es hierfür viele Orte. Der Verlag „Nation Europa“ hat Coburg ausgesucht. Warum, dass wurde am vergangenen Samstag mal wieder überdeutlich.

 

Die Jusos hatten um 14 Uhr eine Demonstration gegen den genannten Verlag angemeldet. Im Aufruf hieß es, es sei wichtig, „dass sich möglichst viele Coburger Bürgerinnen und Bürger dem Protest anschließen“; darüber hinaus wurden „alle anderen Menschen außerhalb von Coburg“ dazu aufgerufen, sich an der Demonstration zu beteiligen. Dem Aufruf folgend und die weltoffene Einstellung begrüßend kamen über 50 AntifaschistInnen aus dem autonomen Spektrum, um gemeinsam mit der – zugegeben nicht als Traumpartner bekannten – Nachwuchsorganisation der SPD und natürlich anderen AntifaschistInnen zu demonstrieren. Bedauerlich für die Jusos war der mangelnde Erfolg der Mobilisierung in den eigenen Reihen, bedauerlich für den Antifaschismus in Coburg, dass auch sonst beinahe niemand kam.


Nachdem der Oberbürgermeister Norbert Kastern, der MdB Carl Christian Dressel sowie die Einsatzleitung der Polizei in Person von Herrn Rebhahn auf die Anmelderin der Jusos eingewirkt hatten, sagte diese unter Tränen die Demonstration kurzerhand ab; Begründung: Schwarzer-Block-Alarm.
Zwar ist in linken Kreisen bekannt, wie Parteipolitik funktioniert, dennoch ist der Umgang der Coburger SPD-Spitze mit den jugendlichen OrganisatorInnen vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet aufs Neue zu verurteilen. Kastner und Dressel haben bewiesen, dass sie nicht wegen der Thematik auf die Straße gekommen sind, sondern um ihren Wahlkampf zu führen.


Kastner, der selbst in der rechten Schülerverbindung Casimiriana war und zum Pfingstkongress des nationalistisch-elitären Coburger Convents stets den freundlichen Gastgeber in Anzug und Mütze gibt, verabschiedete sich dann auch sofort. Dressel, erst dieses Jahr wieder in vorderster Reihe des reaktionären Fackelmarsches, ließ es sich dagegen nicht nehmen, auf der nicht abgesagten Endkundgebung zu sprechen. Anstatt jedoch wenigstens noch die Thematik gegen Rechtsextremismus zu würdigen, nutzte er seine Redezeit dazu, vom bürgerlichen rechts hinten nach links auszuholen.
Lob dagegen geht an die vielen anderen Jusos und SPDler von der Basis, die sich solidarisch mit dem Thema zeigten und die grenzwertige Totalitarismustheorie von Dressel nicht unterstützten.

 

Nun wäre es übertrieben, die Geschehnisse als normal für Coburger Verhältnisse darzustellen, zumal Demonstrationen eher zu den seltensten Ereignissen dieser kleinbürgerlichen Kleinstadt gehören; dennoch zeigt sich in der Stadtgeschichte, dass die Ablehnung der antifaschistischen Aktion auf eine lange Tradition zurückblickt. Die Schmach, die erste Stadt unterm Hakenkreuz gewesen zu sein, Gründungsort des damals verbotenen und immernoch rechten Coburger Convents darzustellen, Nazigrößen, Naziverläge, -versände und -label zu beherbergen scheint bei der SPD-Spitze, als auch bei vielen Bürgern nicht besonders schwer zu wiegen.
Nur, wenn wir AntifaschistInnen uns vereinigen, können wir Nation&Europa und den Rest der Bagage aus der von ihnen so geliebten Deckung holen.

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Jener "Rapside" kündigt nun im Schaufenster groß den Ausverkauf u.a. der Marken Thor Steinar und Pit Bull (beide bis zu 70% reduziert) an.

 

Bei der ganzen Debatte um den Coburger Convent zeigt sich auch einmal mehr, wozu eine Stadtverwaltung bereit ist, wenn es darum geht den Konsum in der betroffenen Stadt anzukurbeln, bzw. zu fördern. Jene 3-4 Tage im Jahr, an denen Burschenschaften, Landsmannschaften und Turnerschaften das Stadtbild dominieren, zählen sicher zu den ertragreichsten für die Gastronomien (u.a.) in der Kleinstadt.