[CH] Communiquée zum Nächtlichen Tanzvergnügen vom 8. Juni 2013 in Aarau

Nächtliches Tanzvergnügen am 8. Juni 2013 in Aarau

Rund 2000 Personen haben sich am 8. Juni 2013 in Aarau die Strasse genommen und somit ein Zeichen für autonome Freiräume und gegen den Status Quo gesetzt. Anschliessend wurde im Aarauer Schachen bis in die frühen Morgenstunden gefeiert.

 

Ablauf des dritten Nächtlichen Tanzvergnügens

Schon ab dem frühen Abend war die Polizei mit einem massiven Aufgebot sowie einem aus Bern geliehenen Wasserwerfer in der Stadt und rund um den Treffpunkt präsent. Wie erwartet gab es im Vorfeld der Nachttanzdemo Kontrollen. Dies vor allem rund um den Bahnhof. Eine Person wurde wegen des Mittragens einer pyrotechnischen Fackel vorübergehend festgenommen, aber noch im Verlauf des Abends mit einer Wegweisung entlassen. Ab 20 Uhr trafen dann die ersten Personen beim Treffpunkt im Kantipark ein. Ungefähr zur gleichen Zeit wurden zwei Wägen des Nächtlichen Tanzvergnügens von der Polizei kontrolliert. Von allen Anwesenden wurden die Personalien aufgenommen und Rucksäcke, Taschen etc. durchsucht. Durch diese Kontrolle verzögerte sich das Eintreffen der Wagen um einige Zeit.

Gegen 21.30 Uhr setzen sich die drei Musikwägen mit Dubstep, Goa und Techno langsam in Bewegung. Mit dabei war auch ein Barwagen und mehrere kleinere Getränke-Wägelchen. Ebenso wurde unser Aufruf zur Eigeninitiative von vier Gruppen aufgegriffen, welche am Abend mit kleinen Soundsystems am Start waren. Der Umzug zog so von der Bahnhofstrasse und Kasinostrasse zum Polizeiposten an der Laurenzenvorstadt. Mit dem Einsatz von Feuerwerk sowie Parolen gegen Knäste wurden dort die Gefangenen solidarisch gegrüsst.

Nachdem sich die ganze Demonstration in die Altstadt verlagert hatte, wurde die Musik und das Tanzen für einen Moment unterbrochen, um mit einer Rede weitere Inhalte des Nächtlichen Tanzvergnügens zu vermitteln. Darin wurden nochmals die Ziele der Veranstaltung und der KAZ [Kampagne für ein autonomes Zentrum] dargelegt. Eine unberechenbare Strassenparty ist zwar was schönen, nichts desto trotz ist Widerstand gegen die herrschenden Macht- und Unterdrückungsstrukturen jeden Tag nötig. Während des Abends wurden zudem über 1000 Flugblätter verteilt (im Anhang).

Immer wieder wurde auch Feuerwerk und Pyros gezündet sowie – zumindest im vorderen Teil – antikapitalistische und antifaschistische Parolen gerufen. Auch dem übermässigen Polizeiaufgebot wurde, unter anderem, mit Wasserballonen oder auch einmal durch einen kurzen Pfeffersprayeinsatz klar gemacht, wie wenig mensch von ihnen hält. Doch das Nächtliche Tanzvergnügen war so vielfältig wie es die Teilnehmer_innen waren. Während die Nachttanzdemo kämpferisch angeführt wurde, genossen auch viele die ausgelassene Stimmung und tanzten bei den verschiedenen Musikwägen. Am Ende des Umzugs wurde sogar fast der komplette Abfall von Freiwilligen aufgesammelt.

Gegen Mitternacht trafen die mehreren tausend Nachttänzer_innen im Schachen ein. Kurzerhand wurde dort die Wiese gegenüber dem Primarschulhaus Schachen in Beschlag genommen. Die Musikwägen brachten die Leute zum Tanzen und der vorhandene Barwagen stärkte die Anwesenden mit Getränken und Sandwiches – natürlich gegen eine freiwilligen Spende. Aufgrund der Androhung einer gewaltsamen Auflösung durch die inzwischen schon etwas übermüdete und gereizte Polizei, wurde entschieden, die Afterparty um 4 Uhr auflösen.

Selbstbestimmtes Handeln als Antwort auf Diffamierung und Panikmache

Im Vorfeld des Nächtlichen Tanzvergnügens wurde von vielen Seiten versucht, das Bedürfnis nach autonomen Freiräumen und der Anlass an sich auf die Möglichkeit von Ausschreitungen zu reduzieren. Für die Medien waren nicht der Inhalt und die Hintergründe interessant, sondern nur, ob es in Aarau auch zu solchen «Szenen wie in Bern» kommen könnte. Die KAZ liess sich von dieser medialen Panikmache nicht beirren und führte den Anlass wie geplant durch.

In der Nacht vom Donnerstag auf Freitag wurden in Aarau Flugblätter aufgeklebt und in Briefkästen verteilt, in denen es hiess, «dass der Anlass ganz klar auf Krawall und Sachbeschädigung hindeutet». Die Flugblätter wurden mit Aufkleber begleitet, welche zur Gewalt gegen die Teilnehmer_innen aufriefen und zudem nationalistisches Gedankengut verbreiteten.

Durch die intensive Vorbereitung sowie der vorhandenen Sicherheits-, Schutz- und Sanitätsstruktur und dem entschlossen Handeln aller Anwesenden war die sichere Durchführbarkeit des Anlass aber stets gewährleistet.

Vom Tanzen zum Handeln

Wir danken allen, die auf ihre ganz individuelle Art und Weise zum Gelingen des dritten Nächtlichen Tanzvergnügens beigetragen haben. Doch trotz der erfolgreichen Nachttanzdemo gilt es, sich nicht auf diesem «Erfolg» auszuruhen, denn gewonnen haben wir noch nichts. Kämpfen wir weiter gemeinsam für ein besseres Leben – hier wie überall.

Für ein Aarau ohne Jäggi, Ringier und Wassmer –
Kein Tag länger ohne autonomes Zentrum!

KAZ [Kampagne für ein autonomes Zentrum]

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Letzten Samstag haben rund 2000 Personen an einer «Reclaim the streets» für mehr autonome Freiräume und gegen die herrschenden Verhältnisse teilgenommen. Die KAZ [Kampagne für ein autonomes Zentrum] hat bereits ein Communiquée veröffentlicht, wo der Ablauf und die Umstände schon ausgeführt wurden.1 In diesem Bericht geht es uns daher vor allem über die gesellschaftliche Wahrnehmung des Anlasses sowie über die mediale Berichterstattung.



Da es bereits das dritte Nächtliche Tanzvergnügen war, schauen wir zuerst etwas zurück. Am 3. Dezember 2011 fand das erste Nächtliche Tanzvergnügen statt. 300 bis 400 Personen demonstrierten für autonome Freiräume in Aarau.2 Diese Nachttanzdemo schien dazumal für die Medien noch recht uninteressant. So schaffte es nur eine SDA-Meldung in die lokalen Medien, welche die Inhalte der Demo praktisch ignorierte.3 Nach dem Erfolg des «Tanz dich frei 2.0» in Bern, war auch plötzlich die RTS in Aarau für die Medien interessant. So war die Berichterstattung über das «Nächtliche Tanzvergnügen 2.0» vom 22. September 2012 schon etwas ausführlicher, wenn auch oft von sehr bescheidener Qualität.4 Erneut war nicht der Inhalt des Anlasses im Fokus der Berichterstattung, sondern die Kosten des Polizeiaufgebots und vor allem der viele Abfall, welcher verursacht wurde.5



Nachdem dieses Jahr die Sicherheitskosten von über Fr. 100'000.– der letztjährigen Tanzdemo bekannt wurden und es beim «Tanz dich frei drei» in Bern zu Ausschreitungen kam, drehte sich die Berichterstattung zum dritten Nächtlichen Tanzvergnügen in Aarau praktisch ausschliesslich um das Gewalt- und Krawallpotential der Aarauer RTS. Egal ob Aargauer Zeitung, Blick oder 20 Minuten, überall lauteten die Überschriften «Tanzdemo: Aarau hat Angst vor Krawallen»6 oder «Chlepfts zAarau ou so wie zBärn?».7 Die Anliegen und Hintergründe des Anlass waren so nur aus den Aufrufen der KAZ [Kampagne für ein autonomes Zentrum] zu entnehmen.8 



Am Sonntag war dann das dritte Nächtliche Tanzvergnügen auch schon wieder Geschichte. Und mensch konnte sich Fragen, was die Medien wohl dieses Jahr für «Argumente» fänden, um die Nachttanzdemo zu einem «Chaoten-Anlass» zu reduzieren. Wer am Tanzvergnügen war, der traf wohl zu 99,9 % nur zufriedene Gesichter. Im vorderen Bereich gab es einige Personen, welche sich vermummt haben und es wurde zwischenzeitlich ordentlich Feuerwerk gezündet. Wenn jedoch angedroht wird, die Kosten einer solchen friedlichen Demonstration auf die Veranstalter_innen abzuwälzen, sollte es auch nicht verwundern, wenn diese versuchen sich unkenntlich zu machen.9 Und während die Aargauer Zeitung Bilder vom  Aufstieg des FC Aarau feiernde Fans mit Pyros mit «Das Brügglifeld im Freudentaumel» kommentierte, waren pyrotechnische Fackeln am Nachtvergnügen natürlich wieder eine allgemeine Gefährdung.10



Schon nur die Schlagzeilen zeugen von einer sehr Einseitigen Betrachtungsweise des Anlasses: «Bei Tanz-dich-frei wurden zwei Polizisten gezielt mit Pfefferspray attackiert»11, «Guter Aargau, schlechter Aargau»12 oder «Vermummte an Tanz-Demo in Aarau»13.  Weiter ging es dann in der Printausgabe der Aargauer Zeitung. Mit einer gezielt bedrohlichen Aufmachung (Schwarzer Titelbalken und schwarze Fotolegenden) und der mehrfachen Wiederholung der Anzahl der im Einsatz gestandenen Polizisten, impliziert klar die «Gefährlichkeit» eines solchen Anlasses.14 Auch dieses Jahr schaffte es wieder kein bürgerliches Medium, unabhängigen Journalismus zu betreiben. Die überall verbreitete Teilnehmer_innenzahl von 800 Personen wurde blind aus der Meldung das Kantonspolizei übernommen.15 Dass in den jeweiligen Bildergallerien schon oft auf den ersten Blick zu sehen ist, dass es sicherlich mehr als nur «mehrere Hundert» Nachttänzer_innen waren, kann da ignoriert werden. Die AZ schrieb im letzten Jahr noch von rund 2000 Demonstrant_innen16 und jetzt sollen es dieses Jahr nicht mal mehr die Hälfte gewesen sein. Alle Anwesenden wissen jedoch genau, dass der Umzug  zeitweise sicherlich rund 2000 Personen zählte.

Wahrscheinlich ist es auch nur mit so einer geringen Teilnehmer_innenzahl möglich, den gesamten Anlass auf die vermummten Demonstrant_innen zu reduzieren. So war laut der AZ das Argovia-Fest der «gute Aargau» und die Nachttanzdemo der «schlechte».17 Dass es tausende verschiedene Personen mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen an das Nächtliche Tanzvergnügen gingen, wurde praktisch komplett ausgeblendet. Dass sich mehrere Personen ganz eigenständig mit Musik- oder Getränkewagen beteiligten, der grosse Teil die friedliche und fröhliche Stimmung genoss und sogar auf der Route der ganze Abfall wieder eingesammelt wurde, schien nicht zu interessieren. Denn dies hat ja wenig mit den «bösen, gewalttätigen Chaoten» zu tun, mit denen ja nur die türkische Polizei richtig umzugehen weiss.18

Natürlich waren die Anschuldigungen, dass die vermummten Demonstrant_innen nur auf Krawall aus sind, nicht aus der Luft gegriffen sondern begründet. Da es während dem ganzen Umzug zu keinen Sachbeschädigungen, Sprayereien oder Tags kamen mussten neben dem Feuerwerk noch etwas anderes her und das war mit dem Pfeffersprayeinsatz gegen zwei Polizisten und Medienvertretern dann auch gefunden, auch wenn diese alle unverletzt blieben.19  Wenn mensch als Journalist_in von den «bösen Vermummten» mehrfach darauf angesprochen wird, dass das Filmen und Fotografien langsam nervt und unerwünscht ist, sollte mensch sich dann auch nicht wundern, wenn Einzelpersonen dann irgendwann dieser Bitte etwas Nachdruck verleihen. Dass wiederum andere Teilnehmer_innen dann sogar beim Ausspühlen der Augen behilflich waren, passt dann wieder nicht in das Bild des «schlechten Aargau».



Es ist natürlich auch ein Skandal, dass es bei einem solchen Anlass zu diesen kleinen Übergriffen kam. Hingegen ist es natürlich jeweils eine Notwenigkeit, wenn die Polizei friedliche Demonstrant_innen (oder auch Journalist_innen) mit Pfefferspray eindeckt, stundenlang kesselt oder schlägt.20 Es ist auch erstaunlich, dass nicht auch alle Dorffeste, Chilbis oder Openairs als gewalttätige Anlasse abgetan werden. Wahrscheinlich sind es aber auch dort immer diese «Linksautonomen» die sich am Argovia-Fest prügeln21, am Brugger Stadtfest Polizeiautos entglasen22 oder am Maienzugvorabend allen Abfall verursachen.

Der bisherige Abschluss der Medienberichterstattung fand mit dem Kommentar-Beitrag «Freiheit kann so schön sein, man muss nur vermummt sein» von Aline Wüst in der Aargauer Zeitung statt. Nicht nur dass der ganze Aufwand der Organisator_innen auf ein «paar Klicks im Internet, drei Musikwägen organisieren und Sandwiches streichen» reduziert wurde, sondern auch wirre Vergleiche mit diktatorischen Regimes wurden gemacht.23 So wird der «Event-Journalismus» mit vielen möglichst krassen Bildern und C&P-SDA-Beiträgen versucht, mit der Pressefreiheit zu rechtfertigen, welchem auch die persönliche Freiheit (dass mensch evt. nicht fotografiert werden möchte) bedingungslos unterzuordnen sei.



AZ & Co. haben wieder einmal bewiesen, dass sie nicht nur keine Ahnung von den Bedürfnissen der unzufriedenen Jugendlichen haben, sondern auch nicht die journalistische Fähigkeit, über ein Thema abseits des Mainstreams zu berichten oder durch Eigenrecherchen eine objektive Berichterstattung des Anlasses zu gewährleisten. Oder wie auch auf einem Transparent zu lesen war: «Ich fragte mich, ob die Jugend  heute (1957) vollkommen anders ist als  zu unserer Zeit, und stellte nur fest, dass ich überhaupt nicht weiss,  wie die derzeitige Jugend ist.» (Homo faber, Max Frisch).

Infoportal (A)argrau

1 https://linksunten.indymedia.org/en/node/88420
2 http://ch.indymedia.org/demix//2011/12/84667.shtml
3 http://www.aargauerzeitung.ch/aargau/aarau/sechs-von-200-tanzparty-teiln...
4 http://aargrau.ch/pages/2012/pages/bericht_12.html#Erlebnisbericht
5 Aargauer Zeitung, 24. September 2012, «Grosses Polizeiaufgebot an der Aarauer Tanznacht» von Toni Widmer
6 http://www.srf.ch/news/regional/aargau-solothurn/tanzdemo-aarau-hat-angs...
7 http://epaper.blick.ch/webreader/baa/download/?doc=BAA280513ZH
8 https://linksunten.indymedia.org/de/node/87391
9 http://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/120-polizisten-an-tan...
10 http://www.aargauerzeitung.ch/sport/aargau/wir-sind-oben-fc-aarau-steigt...
11 http://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/bei-tanz-dich-frei-wu...
12 Aargauer Zeitung, 10. Juni 2013, «Guter Aargau , schlechter Aargau» von Andreas Ruf und Aline Wüst
13 http://www.blick.ch/news/schweiz/vermummte-an-tanz-demo-in-aarau-id23314...
14 Aargauer Zeitung, 10. Juni 2013, «Vermummte tanzen nicht» von Aline Wüst und Christoph Voellmy
15 https://www.ag.ch/de/weiteres/aktuelles/medienportal/medienmitteilung_ka...
16 http://www.aargauerzeitung.ch/aargau/aarau/aarau-by-night-2000-tanzten-f...
17 Aargauer Zeitung, 10. Juni 2013, «Guter Aargau , schlechter Aargau» von Andreas Ruf und Aline Wüst
18 http://www.aargauerzeitung.ch/aargau/aarau/anwohner-vor-tanzdemo-die-tue...
15 https://www.ag.ch/de/weiteres/aktuelles/medienportal/medienmitteilung_ka...
16 https://linksunten.indymedia.org/de/node/87829
17 https://www.ag.ch/de/weiteres/aktuelles/medienportal/medienmitteilung_ka...
18 http://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/besoffener-beschaedigt-am-bru...
19 http://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/freiheit-kann-so-scho...