Stuttgart: heitere Polit-Runde bei deutschnationaler Burschenschaft Alemannia

Stuttgarter Burschenschaft Allemania

Bei der Burschenschaft Alemannia Stuttgart findet sich im Semesterprogramm für das Sommersemester die Ankündigung für eine Podiumsdiskussion mit den Stuttgarter Bundestagskandidaten der CDU, SPD, FDP und von den Grünen am 7. Mai 2013.

 

Erst im letzten Jahr hatte sich die Alemannia nach diversen offenbar gewordenen Skandalen dazu entschlossen den extrem rechts dominierten Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) zu verlassen. Davor war sie jahrzehntelang Mitglied in der DB gewesen, obwohl es hier immer einen extrem rechten Flügel gegeben hat, der mit der Zeit immer dominanter wurde.


Die Gründe für den Exodus von Einzelbünden aus der DB sind sehr unterschiedlicher Natur. Es geht nicht nur um Inhalte, sondern auch um Geld und Ansehen. Die Mitgliedschaft in einer DB-Burschenschaft kann nach den offengelegten Skandalen derzeit eher der Karriere hinderlich als förderlich sein. Einige mitgliederstarke Burschenschaften fanden es auch ungerecht hohe Mitgliedsbeiträge an den Dachverband zu entrichten und trotzdem, ebenso wie sehr viel kleinere Bünde, nur über eine Stimme im Verband zu verfügen. Die Akzeptanz und der zunehmende Einfluss von Kellernazis und kaum verdeckten Neonazis wurde vielen mehrheitlich rechtskonservativen Bünden zuviel. Trotzdem sind die ausgetretenen Burschenschaften keinesfalls unproblematisch in ihrer politischen Ausrichtung. Sie sind nationalkonservative und elitäre Männerbünde, die durchaus auch Mitglieder akzeptieren, die sich in der extremen Rechten betätigen. So auch die Burschenschaft Alemannia.


Dass am 7. Mai ein „Burschenschaftlicher Abend“ mit den Bundestags-Kandidaten Cem Özdemir (Grüne), Dr. Stefan Kaufmann (CDU), Dr. Matthias Werwigk (FDP) und Nicolas Schäfstoß (SPD) unter der Moderation eines Dr. Florian Bitzer angedacht ist, ist da nur ein scheinbarer Widerspruch.


Auch die nationalkonservativen Ex-DB-Burschenschaften versuchen Einfluss in der Mitte der Gesellschaft zu gewinnen. Dafür muss nach einer anhaltend kritischen Berichterstattung über Burschenschaften Akzeptanz zurückgewonnen werden. Das geht am Besten mit Veranstaltungen wie dieser Podiumsdiskussion. Alle Teilnehmer machen sich damit freiwillig zum Alibi der Burschenschaft. Außerdem verschaffen sie einer elitären Männerbastion, die per se Frauen und häufig auch „Nicht-Deutsche“ - was auch immer das sein soll - von der Mitgliedschaft ausschließt, Renomee.

Die Burschenschaft Alemannia zu Stuttgart hat nicht nur erst 2012 die DB verlassen. Unter ihren Angehörigen befinden sich auch mindestens zwei Mitglieder der „Konservativen Aktion Stuttgart“ (KAS), einer jungkonservativen Kampftruppe, die auch schon FDP-Veranstaltungen aus nationalistischen Motiven störte. Seit einiger Zeit hat sich die KAS optisch und inhaltlich der neofaschistischen Bewegung der Identitären angeschlossen. Zwischen den Identitären Stuttgart und der KAS werden starke Überschneidungen vermutet.


Bei den Identitären in Stuttgart dürfte auch Markus Willinger, Jahrgang 1992, aktiv sein. Dieser stammt aus Österreich, war offenbar Angehöriger des österreichischen Bundesheeres und studiert in Stuttgart Politikwissenschaft und Geschichte. Er ist Autor des Buches mit dem programmatischen Titel „Die identitäre Generation. Eine Kriegserklärung an die 68er“ (Buchkritik: http://www.publikative.org/2013/02/24/eine-bibel-fur-die-sekte-der-ident...), was erst im Selbstverlag (Book on Demands) erschien und neuerdings vom britischen Arktos-Verlag publiziert wird. Zum Autor wird auf der Arktos-Homepage angegeben, er sei: „seit seinem 15. Lebensjahr [...] für die neue Rechte politisch aktiv […].“

Auf dem Haus der Alemannia fanden noch in jüngster Vergangenheit mehrere rechtslastige Veranstaltungen statt:

 

  • Am 19. November 2008 fand bei der Stuttgarter Burschenschaft Alemannia ein Vortrag mit dem Titel „Deutsche Identität und islamische Herausforderung“ statt. Referent war das DB-Mitglied Dr. Rainer Glagow (1941-2010). Glagow war Mitglied der Bonner Burschenschaft Frankonia, seit 1994 Berliner Repräsentant der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung, ehemaliger Leiter des Orient-Instituts in Hamburg und war Mitglied der rechtspopulistischen „Bürgerbewegung Pax Europa“.
  • Am 18. November 2009 referierte Michael Paulwitz (REPs-Funktionär und neuer Chefredakteur der „Burschenschaftlichen Blätter“) bei der Stuttgarter Burschenschaft Alemannia zum Thema „Presse- und Meinungsfreiheit / Ideal und Realität”. 
  • Am 29. April 2010 lud die Stuttgarter Burschenschaft Alemannia zum „Burschenschaftlichen Abend“ zum Thema „Bedrohung unserer Freiheit durch den Islam? Aussagen im Koran zur Rechtsstellung der Frau und zur Gewalt“. Referent war Reinhard Wenner aus St. Augustin. Der Jurist und Theologe ist Vorstandsmitglied in der MenschenRECHTSorganisation „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte“ (IGFM).
  • Am 11. November 2010 referierte ein Dr. iur. Wolfgang Philipp bei der Burschenschaft Alemannia Stuttgart zum Thema „Die Beneš-Dekrete“. Der Rechtsanwalt Dr. jur. Wolfgang Philipp aus Mannheim war 1981 Unterzeichner des berüchtigten „Heidelberger Manifests“, einem rassistischen Professoren-Pamphlet. Philipp war außerdem 1984 Mitgründer der Antiabtreibungs-Organisation „Juristen Vereinigung Lebensrecht“ und Autor für die ultrarechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“. 
  • Am 26. April 2012 referierte der jungrechte Autor Felix Menzel bei der Burschenschaft Alemannia Stuttgart zum Thema „Skandalokratie“.
  • Am 14. November 2012 fand bei der Burschenschaft Alemannia Stuttgart ein Burschenschaftlichen Abend zum Thema „Die konservative Revolution 1918-33“ statt, der vom „Bundesbruder Lutz“ gehalten wurde. Mutmaßlich wurden hier nicht die Inhalte der antidemokratischen „Konservativen Revolution“ kritisiert. 


Und jetzt werden etablierte Politiker durch ihren Auftritt das Ansehen dieser Burschenschaft aufpolieren. Doch die braunen Flecken sind beim näherem Hinschauen unübersehbar. 

Die Alemannia ist übrigens nicht die einzige Ex-DB-Burschenschaft in Stuttgart, die versucht wieder außerhalb ihres Hauses politisch aktiv zu werden. Im Semesterprogramm der Burschenschaft Ghibellinia findet sich für den 10. April folgende Ankündigung:

„19:00 s.t. SVC - Gründungsveranstaltung Hochschulgruppe“
Mit SVC ist mutmaßlich der „Stuttgarter Vertreter Convent“ (SVC), ein Zusammenschluss Stuttgarter Studentenverbindungen, gemeint. Der SVC definiert seine Ziele wie folgt: „Ziel des SVC ist es, durch gemeinsame Veranstaltungen die Einheit unter den Verbindungen zu fördern und auf das Hochschulwesen und das studentische Leben Einfluss zu nehmen. Darüber hinaus wollen wir gegenüber der Universität und der Universitätsstadt Stuttgart mit einer Stimme sprechen und die Belange der Studenten aktiv und konstruktiv vertreten.“


Sollte sich jenseits vom CDU-Hochschulableger RCDS eine unabhängige korporierte Hochschulgruppe gründen, dann sollte das von unabhängiger Seite beobachtet und kritisch begleitet werden.  

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Der Menzel-Vortrag war in Feuerbach bei den Piusbrüdern.....

Menzel hat zum gleichen Thema sowohl bei den Piusbrüdern als auch bei der Alemannia referiert – jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

Wolfgang Philipp referierte nie bei Alemannia.