Anarchistische Gruppe Köln und libertäres A4-Druckereikollektiv nun Teil des Forums deutschsprachiger Anarchist*innen

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Auf dem letzten Treffen des Forums deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA), das Anfang November in der nördlichen Schweiz stattfand, bekundeten sowohl die Anarchistische Gruppe Köln als auch das A4-Druckereikollektiv aus Zürich ihren Wunsch, sich dem FdA anzuschließen.

 

Die Anarchistische Gruppe Köln ging vor einigen Monaten aus der Anarchosyndikalistischen Jugend (ASJ) Köln hervor. Neben der Beteiligung an verschiedenen Kampagnen und Demonstrationen, etwa einer Solidaritätsdemonstration für den bundesweiten Flüchtlingsstreik, veranstaltet die AG Köln in regelmäßigen Abständen Vorträge, Diskussionsrunden und Infoveranstaltungen, meist im Rahmen ihres monatlichen „Schwarzen Tresens“. Dieser ist besonders bemerkenswert, ist er doch unseres Wissens nach der einzige offene, anarchistische Tresen in unserem Sprachraum, der bewusst drogenfrei (d. h. auch alkoholfrei) gehalten wird.

 

Mit dem Beitritt der Kölner Gruppe sind wir nun auch erstmalig im geografischen Westen Deutschlands vertreten. Wir denken, dass dies ein weiterer, wichtiger Schritt auf unserem Weg zur Gründung einer Anarchistischen Föderation im deutschsprachigen Raum bedeutet, denn eine zukünftige befreite Gesellschaft kann sich nicht auf einige ausgesuchte Teile eines Landes oder Kontinents beschränken, und dies gilt auch schon heute, auf dem Weg dorthin. Eine Vernetzung und Zusammenarbeit von Gruppen, Strukturen und Einzelpersonen in möglichst vielen Teilen unseres Wirkungsgebietes bietet sowohl viele Vorteile für uns selbst, aber besonders auch für unsere alltägliche, politische Arbeit im Kampf für eine Welt ohne Ausbeutung, Ausgrenzung und Unterdrückung. Anarchistische Strukturen haben in jedem Dorf, in jeder Stadt, in jeder Region unterschiedliche Ansätze, Themenfelder oder Probleme, mit denen sie konfrontiert sind und machen ganz unterschiedliche – mal positive, mal negative – Erfahrungen. Eine möglichst breite Vernetzung bietet Raum, um sich über all dies auszutauschen, über den eigenen Tellerrand hinwegzusehen, neue Ansichten auf die eigenen Arbeit zu erfahren, von den Erfahrungen anderer zu profitieren und eigene Erfahrungen weiterzugeben.

 

Gerade die anarchistische Bewegung in Deutschland ist seit Jahrzehnten einem Prozess von permanentem Zerfall und Wiederaufbau unterworfen, der natürlich die inhaltlichen Debatten und praktischen Aktivitäten nicht unberührt lässt und nur zu oft dazu führt, dass viel Zeit, Energie und Kapazitäten in Debatten, den Aufbau von organisatorischen Strukturen und eine Vielzahl an Problemen gesteckt wird, die andere Menschen in anderen Zusammenhängen schon unzählige Male zuvor geführt und gemacht haben. Wir denken, dass einer anarchistische Bewegung, die nicht nur als marginaler Bestandteil einer bunten, radikalen Linken auftreten will, eine solche Art von Vernetzung perspektivisch dazu verhelfen kann, ein Fundament zu errichten, auf das zukünftige Mitstreiter*innen aufbauen können und es nicht Mal um Mal neu gießen müssen. Dies gilt besonders für die heutige Zeit, da wir deutlich eine gewisse Aufbruchstimmung und zunehmendes Interesse an anarchistischen Inhalten und Zusammenhängen spüren. Es entseht eine wachsende positive Wahrnehmung anarchistischer Ideen als gesellschaftliche Alternative zu den kapitalistischen Gesellschaftsformen. Zumindest steigt die Zahl derer, die sich anarchistischen Ideen gegenüber offen und interessiert zeigen.


All dies sehen wir im Kontext unseres pluralistischen Ansatzes, also unserer Auffassung, dass die Anarchie, wie wir sie uns vorstellen und tagtäglich leben, aus vielen Anarchismen bestehen kann und bestehen muss. Dies spiegelt sich in den verschiedenen Ansätzen, Schwerpunkten und Aktionsformen der Menschen und Gruppen innerhalb unseres Forums wieder, aber auch mit all denen, die unsere Ziele teilen, aber andere Formen der Organisierung gewählt haben, um diese zu erreichen und mit denen wir uns solidarisch zeigen und zusammen arbeiten, kämpfen, diskutieren, lieben, lachen und leben.

 

Genauso wie die befreite Gesellschaft, kann die politische Arbeit aber auch nicht nur aus politischen Gruppen und Zusammenschlüssen bestehen. Deshalb freuen wir uns besonders, dass mit dem Züricher A4-Kollektiv erstmals ein Betrieb sich entschieden hat, Teil des FdA zu werden. Denn ebenso wie in der jetzigen Welt die Produktion von Waren und Dienstleistungen eine, wenn nicht die wichtigste, Rolle spielt, ist die Frage nach einer anarchistischen Produktion, die Wohlstand für alle, im Einklang mit Mensch, Tier und Natur bedeutet, eine wesentliche. Viele von uns fanden es bisher schade, dass es zwar in der Vergangenheit zahlreiche Zusammenschlüsse und Vernetzungen von politischen Gruppen auf der einen und selbstverwalteten Betrieben auf der anderen Seite existierten, sich die Zusammenarbeit zwischen diesen oft nur auf bestimmte Projekte, oder personelle Überschneidungen beschränkt hat. Wir sind gespannt, wie sich die gemeinsame Arbeit zukünftig entwickeln wird und hoffen, dass wir damit einen kleinen, inhaltlichen und praktischen, Beitrag zum großen Experiment einer stetig wachsenden, anarchistischen Gegenstruktur leisten können. Ein erstes Projekt wurde schon auf dem Treffen in der Schweiz gestartet. So wird das A4-Kollektiv Druck, Vertrieb und Werbung unserer – und nun auch ihrer – monatlichen Zeitschrift, der Gaidao, in der Schweiz übernehmen, was nicht nur unsere Vertriebsstrukturen in Deutschland erheblich entlastet, sondern durch die wegfallenden, exorbitanten Portokosten in die Schweiz, auch den geneigten Leser*innen in der Schweiz finanziell zu Gute kommt.

 

Das A4-Kollektiv hat sich vor einigen Monaten gegründet und betreibt seit August diesen Jahres ein Ladengeschäft im Züricher Kreis 4. Neben den klassischen Aufgaben einer Druckerei, also etwa Kopieren, Drucken, Zuschneiden, Entwerfen oder Laminieren, ist ein wesentliches Anliegen des Kollektivs, einen Anlaufpunkt in einem der „sozialen Brennpunkte“ Zürichs zu bieten, in dem sowohl „normale“ Kund*innen und Nachbar*innen, als auch Drogenabhängige, Migrant*innen oder Sexarbeiter*innen zusammenkommen können. Durch eine Kaffeeecke, sonntäglichem, veganem Gratisbrunch vor dem Laden oder vielen netten Gesprächen wird eine Atmosphäre geschaffen, in der sich sowohl die „Kund*innen“ gewollt und gewünscht fühlen, als auch niedrigschwellig verschiedene Aspekte anarchistischer Utopien vermittelt werden können. Die nicht-hierarchische und egalitäre Struktur des Kollektivs, die niedrigen Preise aufgrund fehlenden Profitstrebens oder die fair gehandelten Produkte im Laden bieten dabei genügend Gesprächseinstiege. Einige Menschen des Anarchistischen Radios Berlin haben auf dem Treffen in der Schweiz ein interessantes und ausführliches Interview mit Mitgliedern des Kollektivs über Entstehung, Ziele, Probleme und die alltägliche Arbeit geführt, das in der nächsten Zeit veröffentlicht werden wird und einen tiefen Einblick in die Arbeit des A4 bietet.

 

Neben dem Beitritt der Anarchistischen Gruppe Köln, des A4-Kollektivs und des Anarchistischen Netzwerks Südwest* Anfang November, freuen wir uns auch über die Entwicklungen im Raum Rhein-Ruhr, namentlich in der Initiative für eine Anarchistische Föderation in diesem Gebiet. In den letzten Wochen und Monaten haben sich aus der Initiative erste konkrete Gruppen herausgebildet, die sich stetig inhaltlich, strukturell und praktisch festigen. Auf unserem letzten Treffen waren Vertreter*innen aller Gruppen zu Gast, um uns darüber zu berichten und mit uns gemeinsam zu diskutieren, wie wir uns zukünftig gegenseitig unterstützen können. Besonders überrascht und gefreut hat uns am Ende das Angebot, unser nächstes Treffen im kommenden Jahr in dieser Region abhalten zu können, wo wir die begonnenen Diskussionen weiter vertiefen werden.

Wir blicken frohen Mutes in die Zukunft.

 

Forum deutschsprachiger Anarchist*innen, November 2012

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Denn ebenso wie in der jetzigen Welt die Produktion von Waren und Dienstleistungen eine, wenn nicht die wichtigste, Rolle spielt, ist die Frage nach einer anarchistischen Produktion, die Wohlstand für alle, im Einklang mit Mensch, Tier und Natur bedeutet, eine wesentliche.

Auch wenn euch das in diesem konkreten Fall jetzt nicht bewusst zu sein scheint, nehmt ihr hier ne klare hierachisierung von Unterdrückung vor. Ihr schreibt die "Produktion von Waren und Dienstleistungen" würden in dieser Gesellschaft nich die wichtigste Rolle spielen, lasst aber danach offen was denn nun die wichtigste spielt. Was wollt ihr damit sagen? Etwa das es wichtigeres gibt? Das alles Wichtig ist? Was denn noch?