Pure Gewaltästhetik ohne politischen Inhalt?

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Per Zufall stieß ich auf JAY Zs und Kanye Wests „No Church In The Wild“ - http://www.mtv.de/musikvideos/50047-jay-z-and-kanye-west-no-church-in-the-wild.

Ich bin fasziniert von der Ästhetik und in Szene Setzung von Gewalt im politischen Kontext. Die riots in den französischen Banieulles, der spanischen und britischen Jugendlichen wird hier filmisch und musikalisch gebündelt.

 

Ich frage mich inwieweit diese Form der ästhetische Darstellung faschistoid ist. Weil sie sinnentleert scheint, rein destruktiv orientiert wirkt und mit Beat, Farbgebung und Choeographie dazu führt diese als begeisternden Sog zu empfinden?

Kann jemand mal dazu mehr sagen?

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Schon ein Geiles Lied gewesen, und dann noch diese Pfhätte Video dazu. Das will ich unbedingt auf der nächsten Soliparty mit Beamer sehen :-)

Hier werden reale Bilder gesampelt und von einer linksradikalen Aktivistin einer globalisierungskritischen Bewegung berappt.

Die lyrics beziehen sich auf politische Macht und Ausbeutungsstrukturen.

 

Jay Zs Film ist künstlich. Er ist ästhetisierend, die lyrics sind bestenfalls krypto-philosophisch.

Gewalt scheint bildgebend die einzige Essenz, der Sinn an sich und nicht Mittel zum (besseren) Zweck.

meine Überschrift "passen dazu" war falsch gewählt, ich wollte es als Beispiel angeben wies besser gemacht sein könnte.

 

Ich bin mit bei Zs Video auch nicht ganz schlüssig, was ich davon halten soll. Ja die Gewalt wird sehr "ästhetisch" dargestellt, man könnte aber auch sagen pervertiert. gerade durch die slowmotion, die nahaufnahmen, den brennenden Cop in ultra-slow-motion wird meines Erachtens das sichtbar was bei den ganzen Riotvideos sonst im verborgenen bleibt: Das unglaubliche Maß an Gewalt und Brutalität BEIDER Seiten im Kampf um die Straße und die Verhältnisse. Ich lehne Gewalt als politische Ausdrucksform nicht grundlegend ab, aber wenn ich das Video sehe bekomme ich Gänsehaut, weil durch die Machart und das "ganz dicht dran sein" viel von der Sinnlosigkeit und dem Schmerz sichtbar wird, der in schnellen Schnitten oft verborgen bleibt. Auf jeden Fall ist das Video in meinen Augen nicht einseitig parteiisch, sondern inszeniert die brutale Gewalt beider Seiten in emotionalen und nahe gehenden Bildern.

 

Ob dies jetzt nur ein "Werbegag" ist um den Song zu vermarkten oder Z wirklich damit aufrütteln und zum Nachdenken anregen will, darüber kann und will ich mir kein Urteil erlauben. Eines hat er aber zumindest schon geschafft. Es wird drüber gesprochen.

Hier ein interessanter Hintergrundartikel zu dem Kommerzmusiker Jay Z mit seinem aktionsbezogenen, systemunkritischen Gewaltvideo: https://linksunten.indymedia.org/de/node/62545.

Dieses Konkrete Video ist erstmal Kunst. (Unabhängig davon, ob ich es gut finde oder nicht.) Und es ästhetisiert Gewalt gegen Polizist*innen, im Kontext von 'Riots'.

Für mich wäre die tiefergehende Frage, ob die Ästhetisierung von Gewalt per se faschistoid ist. Und - falls nicht - was zur Beurteilung herangezogen wird: die politische Motivation der Künstler*in, der Text, die verwendeten Symbole? Die Art in welchem Kontext das 'Kunstwerk' produziert wurde?

 

Ich würde zunächst mal antworten: Kanye West ist kein 'Fascho', der an die Höherwertigkeit einer Rasse oder Klasse glaubt. Homophobie kritisiert er und Rassismus auch. Laut Wikipedia wurde er wegen der Textzeilen (“This is something like the Holocaust / Millions of our people lost.” (deutsch: „Das ist sowas wie der Holocaust / Millionen unseres Volkes verloren“) mal in der zeitung 'Welt' als 'Ernst Nolte' bezeichnet. Besonders für sensibel für Antisemitismus ist er also möglicherweise nicht.

 

Vielleicht ist eher die Frage was 'wir' als Betrachtende draus machen. Hast du durch den Clip mehr Lust auf Gewalt? Bin ich eher abgeschrecht? Oder umgekehrt?

Zynismus der spätkapitalistischen Gesellschaft: Realer Widerstand von prekarisierten Überflüssigen wird vom kapitalistischen Kulturbetrieb absorbiert, ästhetisiert und so nicht lediglich seines subversiven Gehalts beraubt, sondern vollends ins Gegenteil verkehrt.

Meiner Meinung nach müssen "wir" (als "Linksradikale", Freund_innen der sog. befreiten Gesellschaft, etc.) eine dialektische Position zur Gewalt einnehmen, denn einerseits ist diese notwendig um politische Ziele durch zu setzen (sei es "nur" die Verhinderung eines Nazi-Aufmarsch oder eben ein_e Aufstand/Revolution) und andererseits ist unreflektierte Gewalt automatisch Re-produktion von Mackertum (sprich sehr "männlichem" Gestus), dem Ideal des "Fighters", Sexismus, schlicht und einfach HERRschaft.

 

Dieses Video würde ich jetzt nicht als faschistoid bezeichnen, obwohl die Verherrlichung von Gewalt oft ein faschistoides Moment inne hat (siehe "Fight Club"), an diesem Video kritisiere ich eher die kulturindustrielle Verbrämung.

Toll Vermarktet: Bilder die an Frankreich 05, GB 2011 oder eben Genua erinnern, aber eben im Hochglanz-Styl, mit ein paar nicht ganz in die Szenarie passenden Effekten.

Gut finde ich aber die teilweise sehr realistische Darstellung von Polizeigewalt - bloß wieder im (unwirklich wirkenden) Hochglanz-Styl.

 

Unterm Strich finde ich es falsch dieses und überhaupt solche Videos ab zu feiern.

Hab´s mir angeschaut, allerdings nichtmal bis zum Ende.

Riots nachzustellen entleert sie (potentiell) des politischen Inhalts, es gibt nur ganz wenige Szenen von tatsächlichen Geschehnissen darin und diese sind (inhaltlich) nicht mehr nachvollziehbar. Wer sich was vernünftiges anschauen mag schaue nach NOTORISCHE REFLEXE - Die Schlacht vom Nolli 1982. Es sind Bilder vom Reagan Besuch in Berlin verarbeitet. Das zumindest ist kein Hype. Und was faschistische Ästhektik angeht, zuwenigst die Szene als der Fahrer aus dem Bullenauto gezogen wird lässt eher an einen Lynchmob denken als an Klassenkampf.

http://www.youtube.com/watch?v=p9IwRDusAuk

cuba cabbal italien

literal x griechenland

 

nur wer zur bewegung gehoert, darf die bilder benutzen, nachstellen gibt's nicht!

Prinzipiell sagt das Video nicht viel aus. Das Interessanteste daran ist vllt. noch die Frage, wieso es produziert wurde. Anscheinend gibt es ein großes Klientel, das so etwas gut findet. Sonst würde es nicht produziert werden. Anscheinend ist es auch so, dass sich die Musiker_innen nicht unbedingt von so etwas distanzieren. Was das für das Level an Unzufriedenheit, Hass, gesellschaftlichen Problemen, gesellschaftlicher Rolle der Polizei etc. bedeutet ist eigentlich interessant...

Ich verstehe die Diskussion nicht ganz bzw die verwendeten Argumente. Bzw. mir gefällt der moralisierende, normative Unterton nicht. Deshalb erst einmal ein paar Rückfragen/Gedanken zu den Kommentaren.

Es ist von der im Video sichtbaren Sinnlosigkeit, von Sinnentleertheit die Rede. Wo ist sie, wie sieht sie aus? Wie sehen (Riot)videos aus, die Sinn machen? In dem Video ist z. B. zu sehen, wie Polizeibarrieren angegriffen werden. Dies kann genauso viel oder wenig Sinn machen wie Videos von einem G8-Gipfel oder einer Antifademo.

Das Video sei inhaltlich nicht nachzuvollziehen. Was lässt sich nicht nachvollziehen? Was ist der Inhalt von Riots? Der Riot. Ich finde, das lässt sich recht gut nachvollziehen.

Es ist von brutaler Gewalt beider Seiten die Rede. Von dem unnötigen rhetorischen Mittel der "brutalen Gewalt" und der moralisierenden Sprache abgesehen werden hier zwei sehr verschiedene Arten von Gewalt gleichgesetzt. Einmal die Gewalt, die staatliche Macht, Professionalität, tödliche und nichttödliche Waffen und juristische Verlängerung besitzt und die andere, die dem improvisiert und meist relativ ungeschützt entgegentritt.

Auch wünscht sich jemand Klassenkampf statt Lynchmob. Was bitte schön ist denn Klassenkampf? Erstens nicht unbedingt Straßenkampf und zweitens wenn ja, wie soll der denn bitte aussehen? Was ist das PRINZIPIELL Schlechte daran, eineN Polizist_in aus dem Auto zu ziehen und zu verprügeln? Gibt es eine Regel, dass Polizei in Autos da auch drin bleiben muss oder ein verbindliches Regelwerk des humanen Klassenkampfs?

Das Video bzw. der Inhalt wird unpolitisch genannt. Wie wird hier durch wen der Begriff politisch definiert? Durch ein bewusstes Subjekt? Was ist mit den Riots z. B. in London - wenn die politisch waren, sind es die im Video auch.

Überhaupt wird erwartet, dass zu einem Riot politische, radikale, progressive Inhalte gehören, damit er legitim ist. Bzw. dass die Darstellung legitim ist. Was ist das für eine Kategorie? Entweder ist der Riot Sinn - Frust, Spaß, Hass, Angst etc. - oder Zweck - Durchbrechen von Absperrungen, Durchsetzung von Demonstrationsfreiheit, Schwächung des Staates etc. Alles andere ist reininterpretiert. Ein Riot ist erst einmal ein Riot, die Weltanschauung dahinter ist prinzipiell nicht ersichtlich (natürlich gibt es Unterschiede, z. B. bei linken und faschistischen Riots, bspw. was Hemmschwellen angeht). Hinter dieser moralischen Interpretation steht der Gedanke des "guten Riots", der durch die Weltanschauung geheiligt wird. Aber jede gesellschaftliche Gruppe kann auf die Straße gehen, Dinge kaputt machen und die Polizei bekriegen. Nazis, Fußballfans, Rassist_innen, Nationalist_innen, Taxifahrer_innen, aber eben auch Anarchist_innen, Autonome, Kommunist_innen etc. Der Akt des Aufstandes ist genauso wenig emanzipatorisch wie das Werfen eines Mollies. Anfang der 90er Jahre gab es Menschen, die waren entsetzt, dass Nazis auch Mollies werfen können.

Um noch einmal auf die Ästhetik des Videos zurückzukommen: Wo ist der Unterschied zwischen diesem Video und anderem "Riot Porn", der zuhauf auf Youtube zu finden ist? Wo ist das elementar andere, wenn reale Aufstandsbilder mit aufputschender Musik unterlegt sind? Generell sind die fiktiven Bilder wohl unproblematischer als die realen, da sie fiktiv sind und auch so aussehen. Wenn in diesem Video der Polizist brennt, finde ich das nicht sehr beunruhigend. Wenn dasselbe in einem echten Video passiert, dann hat das schon einen gewissen Betroffenheitseffekt. Wenn mensch das jedoch schon in echt gesehen hat oder zumindest weiß, wie oft das passiert, dann relativiert sich auch das wieder.

Was einem solchen durch Musik, Schnitt etc. emotional verstärkten Video vorgeworfen werden kann ist, dass es die absurde Realität, die erschreckende Alltäglichkeit und die Ernsthaftigkeit unter den Tisch fallen lässt. Das Video transportiert nur einzelne, isolierte Handlungen, der Realitätsbezug ist nicht da. Ob für diese Form der Verunglimpfung und Verherrlichung das Wort faschistoid gebraucht werden muss, weiß ich nicht.