"Alter Herr" Ramsauer wehrt sich gegen Burschis

Erstveröffentlicht: 
27.04.2012

Rechte Burschenschaften

Immer wieder kommt es in deutschen Burschenschaften zu rechtsradikalen Aussetzern. Nun wehren sich moderate Verbindungsmitglieder – darunter auch Peter Ramsauer, "Alter Herr" der Franco-Bavaria. Von Till-Reimer Stoldt

 

Muss man das Rechtsverständnis der Nazis teilen, um ein guter Burschenschafter zu sein? Diese polemische Frage wird Verbindungsmitgliedern derzeit häufiger gestellt. Schuld daran sind die jüngsten Wortmeldungen eines Burschenfunktionärs, die bundesweit für Unmut sorgten.

Er hatte, wie vergangene Woche bekannt wurde, den im KZ ermordeten Widerstandkämpfer Dietrich Bonhoeffer als "Landesverräter" geschmäht und seine Ermordung für "juristisch gerechtfertigt" und "nachvollziehbar" erklärt.

Denn: Bonhoeffers Tun habe darauf abgezielt, "dass Deutsche an der Front zu Tausenden abgemetzelt werden". Schon in den Vorjahren waren ähnliche Provokationen von Verbindungen bekannt geworden, die im Dachverband der "Deutschen Burschenschaft" (DB) organisiert sind.

"Alte Herren" Ramsauer und Diepgen fordern Entlassung

Nun aber setzen sich moderate Burschenschafter zur Wehr. Bald 400 Korporierte verurteilten jetzt "aufs Schärfste", dass der Theologe und Widerstandskämpfer Bonhoeffer als Verräter bezeichnet wurde.

Tatsächlich sei er ein Patriot gewesen, der sein Leben einsetzte, um Millionen Menschen zu retten. In einem Protestbrief forderten die empörten Burschen zudem die Entlassung des besagten DB-Funktionärs wegen seiner "unanständigen Äußerungen".

An der Spitze der Protest-Schreiber: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), seines Zeichens "Alter Herr" der Münchener Burschenschaft Franco-Bavaria. Zu den Unterzeichnern gehört aber auch Berlins vormals Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), "Alter Herr" der Burschenschaft Saravia Berlin (Burschenschafter werden nach Beendigung des Studiums zu "Alten Herren").

Bonner Verbindung wollte Deutschsein ans Blut binden

Diesen Protest halten viele Korporierte außerhalb der DB für längst überfällig. Schließlich handelt es sich bei dem umstrittenen Funktionär Norbert W. um den Schriftleiter der DB-Mitgliederzeitschrift, also um einen der einflussreichsten Mitarbeiter im Dachverband.

Auch ist der Mann alles andere als ein unbeschriebenes Blatt: In den 90er-Jahren engagierte er sich in der rechtsextremen Wiking-Jugend und der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), die inzwischen beide verboten sind. Und schon im Vorjahr hatte seine Bonner Verbindung beim Burschentag für Aufsehen gesorgt.

Damals beantragte sie, alle deutschen Staatsbürger ohne deutsche Vorfahren aus der DB auszuschließen. Der Antrag wurde im letzten Moment zwar zurückgezogen, Sanktionen mussten die Rechtsausleger aber nicht fürchten für ihren Versuch, Deutschsein ans Blut zu binden. Sie blieben auf ihren Schlüsselpositionen im Dachverband.

"Ehrabschneidende Medienkampagne" beklagt

Wo die Mehrheit in der DB mit ihren 110 bis 120 Einzelverbindungen steht, ist allerdings schwer einzuschätzen. Beobachter unterscheiden vor allem drei Lager. Da ist zum einen die "Burschenschaftliche Gemeinschaft" in der DB. Sie vereint über 40 Verbindungen aus Deutschland und Österreich.

Darunter befinden sich bekennende Rechtsradikale, die laut vielen Berichten aus der Korporierten-Szene mit der Symbolik des Dritten Reichs regelmäßig spielen. Einige von ihnen hat auch der Verfassungsschutz im Auge. Vor allem österreichische und ostdeutsche Burschen in der BG gelten häufig als reaktionär bis radikal.

In einer Stellungnahme zur Bonhoeffer-Affäre zeigt die Burschenschaftliche Gemeinschaft denn auch wenig Willen, sich von der Schmähung des Widerstandskämpfers zu distanzieren.

Stattdessen beklagt sie "ehrabschneidenden" Umgang mit dem besagten Verbindungsbruder (der nicht nur einer Bonner, sondern auch einer österreichischen Verbindung angehört) und eine "Medienkampagne", die die Meinungsfreiheit einzuschränken drohe. Conclusio: "Wir Burschenschafter wenden uns gegen Gesinnungsschnüffelei und Maulkörbe! Frei ist das Wort und frei ist der Bursch!"

Radikale könnten bald unter sich sein

Daneben hat sich im März 2012 eine liberale "Initiative Burschenschaftliche Zukunft" gegründet. Ihr gehören über 20 Verbindungen an, die dem reaktionären Treiben in der DB ein Ende setzen und für einen weltoffenen Patriotismus streiten möchten. Die rund 40 sonstigen DB-Verbindungen gelten als eher passiv und am Verbandsgeschehen bislang wenig interessiert.

Längst haben viele der insgesamt rund 100.000 deutschen Burschenschafter aber die DB verlassen, weil sie den Verband nicht mehr für reformierbar halten. Einige gründeten schon 1996 einen neuen Dachverband, die "NeueDB".

Andere Burschenschaften verzichten auf jede Verbandszugehörigkeit. Die Zahl dieser sogenannten freien Verbindungen schoss nach dem jüngsten Vorfall wieder in die Höhe. Gut denkbar also, dass die Radikalen bald unter sich sind – um ganz ungestört NS-Rechtsprechung "nachvollziehbar" zu finden.

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es muss "rund 10.000 deutschen Burschenschafter" heißen, nicht "rund 100.000".