Zur Diskussion: Zum Personal der kapitalistischen Ausbeutung

Ein interessanter Diskussionsbeitrag zum Vorwurf "verkürzter Kapitalismuskritik".

 

In den letzten Jahren haben gewisse Teile der radikalen Linken in Deutschland versucht die Personalisierung kapitalistischer Ausbeutung in eben dieser radikalen Linken zurückzudrängen. Stichworte ist hierbei die „verkürzte Kapitalismuskritik“.

 

Gerade im Zuge der aktuellen Krisenproteste - bei Events wie M31 oder die bevorstehenden Aktionstage "Blockupy Frankfurt" im Mai - steht oft der Vorwurf der Personalisierung bzw. Bankenfixierung im Raum.

 

Auf Syndikalismus.wordpress.com erschien hierzu ein äussert interessanter Artikel der eine gute Diskussionsgrundlage bietet. Gerade im Hinblick auf zukünftige Proteste sollte es im Interesse der radikalen Linken sein, gemeinsame Positionen zu finden.

 

In diesem Kontext möchte der Texte eine kurze Darstellung des Verhältnisses von personalen Spielräumen und kapitalistischer Ausbeutung bieten. Dabei kann nur ein kleiner Ausschnitt der real äußerst komplexen Verhältnisse erfasst werden. Es sollte als nur Grundstock an Begrifflichkeiten und Zusammenhängen gelegt werden.

 

 

Der komplette Artikel ist unter:

 

http://syndikalismus.wordpress.com/2012/04/14/zur-diskussion-zum-persona...

 

zu finden.

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bahnbrechend neu ist die erkenntnis der aufgezeigten wechselwirkungen ja nun wirklich nicht.

und so sehr ich eine kritik sog. 'verkürzter kapitalismuskritik' befürworte, die versucht, von den weit verbreiteten argumentationsmustern (rein personenbezogene kritik, ressentimentgeladen, anknüpfungspunkte für antisemitische stereotype, stichwort heuschrecken, [raff]gierige manger/banker) wegzukommen und stattdessen eine radikale, also an die wurzel gehende, grundsätzliche kritik formuliert, so finde ich dass es einige gruppen damit auch übertreiben, indem sie eine rein abstrakte kritik produzieren, die irgendwo im luftleeren raum wabert, aber keinerlei anhaltspunkte oder interventionsmöglichkeiten in reale soziale konflikte bietet, weil ihnen jegliche konkrete kritik an einzelnen sauereien als 'verkürzt', weil nicht den gesamtzusammenhang berücksichtigend erscheint.

widerstand und veränderung entstehen aber noch immer in und durch kämpfende bewegungen, durch konkrete interventionen, wobei fundierte theoretische analyse natürlich gute voraussetzungen liefern kann.

letztlich wird "der kapitalismus" in all seinen kaskadenhaften verzweigungen und seiner vielgestaltigkeit immer noch durch reale physische menschen  in den unterschiedlichen hierarchiestufen exekutiert, die entscheidungen fällen, gewinnsteigerungsmöglichkeiten ersinnen und soziale schweinereien durchsetzen und sich nebenbei bemerkt astronomische gehälter und gewinnprämien zuschanzen. sich bloß auf diese 'charaktermasken' zu konzentrieren wäre in der tat verkürzt, weil das personal, welches das hamsterrad am laufen hält, individell 'auswechselbar' ist und selbst zwängen und abhängigkeitspfaden unterworfen ist. sie aber gänzlich außen vor zu lassen, würde ebenfalls einen wichtigen ansatzpunkt von kritik unterminieren, sofern diese fundiert erfolgt, sich nicht auf vermeintliche moralische defizite ("gier") kapriziert und verknüpft ist mit einer radikalen, umfassenden infragestellung kapitalistischer verwertungslogik.

zB finanzkrise: eine bloße empörung über "zockerbanken", "kasinokapitalismus" und fehlverhalten einzelner besonders dreister funktionsträger, ohne auf die immanente systemische bedeutung des finanzsektors für den zeitgenössischen kapitalismus, der eben gerade keinen gegensatz zu staatlichem handeln darstellt, wie häufig suggeriert, sondern eine unverzichtbare symbiose mit diesem unterhält, wäre unzureichend. die genannten skandalisierbaren erscheinungen angesichts weitgehender bewusslosigkeit und unverständnis über die herrschenden zustände jedoch außen vor zu lassen und sich nur auf die systemische kritik zu beschränken, liefe dagegen gefahr, als akademischer diskurs weitgehend zahnlos zu verpuffen. nötig ist deshalb beides.

Gebe da meine/r Vorredner/In durchaus recht. Wichtig ist dabei eben, dass der Diskurs um "Kapitalismuskritik" auch immer ein dynamischer Diskurs ist und auch in der Praxis (sprich bei antikapitalistischen Protesten oder dem praktizierten Aufbau von Alternativmodellen etc.) in ständiger "Bewegung" sein muss.

Problematisch dabei ist eben, dass genau dieser Diskurs jedoch auch von gewissen Strömungen als eine Art "Machtinstrument" missbraucht wird, um die Diskurse über Kapitalismuskritik nur "unter sich" und im eigenen, dogmatischen Kontext zu führen bzw. der Umgebung klar zu machen, dass der "eigene Kritikanspruch" der einzig "richtige" ist.

In der "Bewegung" sollte jedoch gerade deswegen irgendwo immer drauf geachtet werden, eben nicht bloß an Oberflächen zu "kratzen", viel eher sollte, gerade bei Großereignissen wie M31 oder Blockupy die besagte Kritik an den Gesamtverhältnissen mit all den direkten, unmenschlichen Folgen auch direkt geäußert werden und eben nicht bloß auf Banken etc. reduziert werden. Gerade hier besteht in der "Bewegung" meiner Einschätzung nach schon noch soetwas wie ein "Loch", denn der Diskurs über den "Angriffspunkt" der formulierten Kritik kommt meiner Einschätzung nach, häufig zu kurz. Stattdessen jedoch ist häufig zu sehen, dass eine, meist bereits stark "vorgefertigte", häufig auf bereits ausformulierten Theorien beruhende "Systemalternative" gefordert wird und dafür quasi gewisse Dinge "angegriffen" werden müssen. (besonders häufig ist dies bei VertreterInnen von Konzepten zu sehen, welche häufig als "sozialistisch" oder "kommunistisch", seltener aber auch "anarchistisch-herrschaftsfrei" verstehen werden und eine gewisse Ideologie als "Weg zur Alternative" propagieren)

Gerade im Kontext derartiger, stark vorgegebener "Wege zur Veränderung" aus dem kapitalistischen, bestehenden Verhältnissen hin zur "Alternativgesellschaftsform" fehlt es häufig an direkten, praktizierbaren Möglichkeiten hin zu besagter Veränderung. (sprich: Als Mensch, der voll in die Abläufe der bestehenden Verhältnisse "integriert" ist, wird von besagter Person auf einer Aktion oder Demo die abstrakt ausformulierte "Systemalternative" gefordert und um diese zu erreichen muss etwas bestehendes quasi abgeschafft oder bestimmte Personen, die dann schnell für die bestehende Scheiße verantwortlich gemacht werden, "bekämpft" werden und damit wird der "Änderungsprozess" quasi eingeleitet) Und hier eröffnen sich ganz schnell verkürzte Kritikmuster, welche dann quasi eben direkt "Personen" für die bestehenden Verhältnisse verantwortlich machen und reaktionären Denkprozessen (wie eben Verantwortlichmachung und Diskriminierung von ganzen Personengruppen bis hin zu herrschaftsbefürwortenden Denkweisen wie "Bestrafung" von "Verantwortlichen" oder einer Forderung nach "neuen, besser handelnden Verantwortlichen) Raum bieten. Derartiges Denken ist für mich daher noch nichteinmal als "Kritik" zu betrachten sondern viel eher als vereinfachte Darstellung bestehender Verhältnisse und entsprechende Forderungen als "Reform" der besagten, bestehenden Verhältnisse. Von "grundlegender Kritik" kann da keine Rede sein.

 

Aber was machen? Nunja um aufkommende Ansätze von bereits beschriebenen Denkmustern zu vermeiden müssen auch Ansätze praktizierter Bewegung enstehen und praktiziert werden. Es gibt durchaus Möglichkeiten, sowohl als "kämpfende Bewegung" als auch im "Alltagsleben" seine/ihre, an die auf Verwertungslogik, Ausschluss/Konkurrenz und Vereinzelung anknüpfenden Handlungsweisen zu ändern. Dies ist natürlich in einer Gesellschaftsform, die Alternativen nicht "zulässt" bzw. die den Menschen eine "bürgerlich-kapitalistische Sozialisation" aufzwingt, nicht "komplett" möglich, andererseits sehe ich im praktizierten Handeln und "Leben" von Alternativansätzen eine bedeutend effektivere Möglichkeit, einerseits verkürzte Kritik bzw. Das, was als Selbige beschrieben wird (und ihre entsprechenden Folgen und Anknüpfungspunkte), zu vermeiden und andererseits Alternativen direkt zu schaffen und durchzusetzen. Allerdings ist die Frage, ob dies in der aktuellen, stark von Herrschaftsansprüchen und Szene-Isolierung und Subkultur geprägten, "deutschen" autonomen Linken überhaupt noch möglich ist. (in der ja durchaus auch der "Mainstream" der Leute eine rigerose "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen"-Einstellung offensiv vertritt und sich positiv auf die bestehenden Ausgrenzungsmechanismen und Zwänge/Zwangskollektive bezieht bzw. es vorallem auch an einer gewissen Selbstreflexion im Zusammenhang mit sozialisierten Ausgrenzungsmechanismen, "Stark-Schwach"-Denkweisen, Überlegenheitsansprüchen, Geschlechternormierung/Heteronormativität usw. eindeutig mangelt)

Viel eher muss die Frage gestellt werden, ob die "Bewegung" nicht nach neuen Ansätzen, fernab von Subkultur/Szene/Uniformierung, Identitäts"verteidigung" bzw. Identitätsbestätgung sowie Herrschaftsmechanismen (wie zb. ideologisch aufgeladenen, gewollt destruktiven Diskussionsstilen, die schnell zu relativierend-gefährlichen Vorwürfen und damit verbunden auch zur direkten Äusserung von Wahrheitsansprüchen und Dogmen werden) und elitären Denkansätzen, suchen muss und wegkommen muss von den Ansprüchen, eine bereits "fertig durchdachte Alternative", welche irgendwann in ihrer ganzen Auformulierung erreicht werden muss, zu fordern.

Kapitalismus lässt sich eben weder durch personalisierte Dämonisierung (die in meinen Augen auch keine "verkürzte" sondern schlicht weg GAR KEINE Kapitalismuskritik darstellt) noch durch elitäre Wahrheitsansprüche noch durch das bloße "Glauben" an eine mögliche Alternative, überwinden bzw. abschaffen. Viel eher müssen die Ansätze bereits in der Bewegung, in den Aktionen und Demos oder im alltäglichen Leben bereits gelebt werden.

Und in dieser Hinsicht gibt es ja auch bereits Ansätze. Sowohl in Form von Projekten, die den Alltag der Menschen entsprechend beeinflussen als auch in Form von Massenbewegungen. (scheinbar halt nur nicht in D-Land)