Widerstand gegen Nazigedenken in Teningen-Köndringen

Nie wieder!

Am 17 Oktober jährte sich der Todestag des Teninger Unternehmers und Ehrenbürgers Emil Tscheulin zum sechzigsten mal. Manifestiert ist dieses Gedenken in einer Bronzetafel, die an der evangelischen Kirche in Köndringen angebracht ist. Aufgrund der aktiven Nazi-Vergangenheit von Emil Tscheulin ergriffen BürgerInnen der Gemeinde die Initiative und schrieben einen Brief an den Bürgermeister Hagenacker und an den örtlichen Pfarrer Bordne in dem sie eine gründliche Aufklärung über die Person Emil Tscheulin fordern. Über die Reaktionen sowohl aus der krichlichen als auch aus der politischen Gemeinde haben wir uns mit Ingird Bockstahler und Günter Stein unterhalten.

 

Anbei die Berichterstattung durch die Wochenzeitung "Der Sonntag".

 

Auch die Badische Zeitung berichtete:

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„Abgesehen von unwichtigen sachlichen Erwägungen war der Hauptgrund meines Zögerns der, dass ich die Ausschaltung der jüdischen Wissenschaftler als ein Unrecht empfinde, dessen Notwendigkeit ich nicht einsehen kann, da sie, wie mir scheint, mit außerhalb der Sphäre der Wissenschaft liegenden Gründen gestützt wird. Diese Empfindung des Unrechts ist ein ethisches Phänomen. Es ist in der Struktur meiner Persönlichkeit begründet und keine äußerliche Konstruktion. Unter diesen Umständen würde die Übernahme einer solchen Vertretung wie der in Düsseldorf für mich eine seelische Belastung bedeuten, welche es mir erschweren würde meine Tätigkeit als Lehrer mit jener Freude und Hingabe aufzunehmen, ohne die ich nicht recht lehren kann.(…) Ich will lieber darauf verzichten, eine Stellung zu erlangen, die meinen Neigungen und Fähigkeiten entspricht, als dass ich gegen meine Überzeugung entscheide; oder dass ich durch Stillschweigen an unrichtiger Stelle dem Zustandekommen einer Meinung über mich Vorschub leiste, die mit den Tatsachen nicht übereinstimmt.“

 

Begründung von Otto Krayer (1899-1982) Pharmakologe, Ehrenbürger von Köndringen (1957) und einzigem deutschen Wissenschaftler, der sich aus moralischen Gründen weigerte, den Lehrstuhl eines Kollegen anzunehmen, der von den Nazis aus rassischen Gründen aus dem Dienst "entfernt" worden war. (nach Wikipedia)

In der öffentlichen Veranstaltung vom März 2013 zur Aufarbeitung der Causa Tscheulin hat ein Teninger Bürger auf den in Köndringen geborenen Otto Krayer hingewiesen und für ihn eine Gedenktafel an der Köndringer Kirche, neben der von Tscheulin, gefordert. Unabhängig davon, ob man diesem Vorschlag folgen mag, läßt sich zumindest in einer Hinsicht eine Parallele zwischen den beiden ziehen.

 

Abgesehen davon, dass Tscheulin den Aufbau der NSDAP in der Region und darüber hinaus gefördert und während des Krieges über alle Maße Zwangsarbeiterinnen aus Osteuropa geschunden hat, war er als Präsident der Industrie- und Handelskammer Freiburg dafür zuständig, die sogenannten "Arisierungen" abzusegnen. Aus dem gleichen Grund, wie der jüdischen Lehrstuhlinhaberinhaber Philipp Ellinger von der Universität entfert wurde, haben die Schergen der NSDAP Betriebshinhaber, die sie "rassisch" zu den Juden zählten, dazu gezwungen, ihr Eigentum zu verkaufen, um die Wirtschaft zu "entjuden". Dabei wurde praktisch in allen Fällen ein "Kaufpreis" genehmigt , der weit unterhalb des Unternehmenswertes lag.

 

Otto Krayer bekam 1933 sein Berufungsschreiben. Er sollte bei der "Entjudung der Wissenschaft" mitmachen und hat sich dem Unrecht verweigert. Auch bei Emil Tscheulin lag irgendwann die erste "Akte" zur "Genehmigung" auf dem Schreibtisch. Wir wissen nicht, wie viele "Arisierungen" Tscheulin "genehmigt" hat - jedenfalls sind ihm nie Skrupel gekommen, er hat nie dagegen protestiert wie Krayer. Nicht einmal eine Hintertür, etwa Rücktritt als Präsident der IHK "aus gesundheitlichen Gründen" hat er benutzt - er blieb bis zum bitteren Ende 1945 im Amt und hat ab 1941 diese Funktion auch im Elsass ausgeführt und dort "Arisierungs-Verträge" genehmigt.

 

Beispiellos düfte sein Verhalten gegenüber einem Unternehmen in Lahr sein. Tscheulin wollte diesen Betrieb selbst übernehmen. Nach Protesten aus Kreisen der Kammermitglieder hat ers gelassen und die Stahlwollfabrik durch seinen Schwiegersohn und Gauwirtschaftsberater Clemens Kentrup erwerben lassen. Bezahlt hat wohl er, es blieb ja in der Familie! (siehe Roland Peter: Die Kammern unter dem Hakenkreuz. Lit. Wikipedia-Artikel über Emil Tscheulin).

 

Emil Tscheulin hatte als "Herrscher" in Teningen und den umgebenden Gemeinden sicherlich Kenntnis von der "Causa Krayer". Ob er die Begründung von Otto Krayer gelesen hat, wissen wir nicht. Er hätte diese wahrscheinlich mit Abscheu zurückgewiesen - oder eher noch hat er die schlichte Formulierung Krayers, "diese Empfindung des Unrechts ist ein ethisches Phänomen" gar nicht verstanden.

 

Otto Krayer wurde sechs Jahre nach Tscheulin zum Ehrenbürger von Köndringen ernannt. Er jedenfalls war ehrenwert und wird es bleiben - auch ohne Tafel an der Köndringer Kirche und ohne eine ihm gewidmete Straße in Teningen

Die Bildqualität der Ausschnitte aus dem Sonntag ist so schlecht, dass man diese nicht lesen kann. Die Forderung über eine "gründliche Aufklärung über die Person Emil Tscheulin" wird damit nicht unterstützt.

Klick mal mit der mittleren Maustaste auf die Ausschnitte, dann werden sie in voller Größe angezeigt. In der Lightbox gibt es dafür den Link "Download". Ansonsten hier nochmal als Direktlinks: eins | zwei. Zusätzlich ist noch zu beachten, dass zum Beispiel der Firefox die Bilder automatisch skaliert. Einfach einmal reinklicken, dann wird die Skalierung beendet.

danke es hat geklappt