(Berlin) Solidaritätskundgebung für Gefangenen aus Bachajon, Chiapas

Nein zum Sicherheitsgesetz - Stop der Militarisierung

 Am Dienstag, 7.6.2011 um 13:00 Uhr wurde vor der mexikanischen Botschaft in Berlin, Klingelhöfer Str. 3 für die Freilassung von 5 gefangenen Mitgliedern der Gemeinde von San Sebastian Bachajon, Chiapas (Mexiko), eine Kundgebung durchgeführt. Etwa zwei Dutzend Genoss_innen des Ya-Basta-Netzwerkes sowie aus anderen Solidaritätsgruppen drückten ihre Solidarität mit den Bachajon 5 aus: die von der Polizei vor der Botschaft errichteten Absperrgitter wurden mit Solidaritätsbannern geschmückt. In Sprechchören wurde die Unterstützung ebenso ausgedrückt wie in einigen Reden. Aktivist_innen trugen mehrere Solidaritätsadressen vor. So kamen die Angehörigen der Gefangenen, Gemeindemitglieder sowie die Gefangenen selbst (darunter ein Minderjähriger) zu Wort. Die Grüße der Gefangenen aus dem Hochsicherheitstrakt in Playas de Catazaja Chiapas Cereso No. 17, wo sie als Geiseln des Staates unter miserablen Bedingungen zunehmenden Schikanen ausgesetzt und Zwangsarbeit unterworfen sind, bewegten die Teilnehmenden ersichtlich. (Nur einmal am Tag wird ihnen Wasser und Essen zugeteilt, wobei letzteres so schlecht ist, daß alle daran erkrankt sind. Medikamente und die Weitergabe des Essens der Angehörigen wird ihnen verweigert).

 

Hintergrund:

 

 Am 3. Februar diesen Jahres, hatten einen Tag nach dem Besuch von Calderón, zur Inspektion der Fortschritte bei den touristischen Megaprojekten in der Region, PRIistas (Anhänger der ehemaligen Regierungspartei PRI) eine Konfrontation mit Mitgliedern der Anderen Kampagne provoziert. Die mexikanische Regierung will das Land von Chiapas in Besitz nehmen und in eine touristische Zone verwandeln, um sowohl die Bodenschätze als auch die touristische Erschließung für die Interessen von transnationalen Konzernen verfügbar zu machen. So versucht sie es den einfachen Bewohner_innen von Bachajón zu stehlen und sie von ihrem Gemeindeland und -Territorium zu vertreiben. Der Konflikt entzündete sich um die Kontrolle über das Kassenhäuschen der Touristenattraktion Agua Azul, Chiapas, aus dessen Erlösen kollektive Landprojekte finanziert werden.

 

Mit massiver Gewalt vertrieben PRI-Anhänger der Gemeinde San Sebastián Bachajón Mitglieder der Anderen Kampagne, die das Kassenhäuschen seit zwei Jahren unter Kontrolle hatten. Dabei gab es einen Toten und zwei Verletzte sowie mehr als Hundert Festnahmen. Für die Eskalation der Konflikte ist die Regierung verantwortlich zu machen. Zur Verwirklichung des Tourismusprojekts in Agua Azul werden Strategien zu Spaltung der Bevölkerung angewendet sowie Auseinandersetzungen gezielt provoziert. Das Kassenhäuschen wurde vom Staat konfisziert, was als erster Schritt in Richtung der Enteignung des Landes und einer anschliessenden Privatisierung gesehen werden kann. Ohne eine Zustimmung der Gemeindeversammlung wurden sodann unter Polizeischutz weitere Gebäude errichtet.

 

Unterdessen wurden nach internationalem Druck und einer Solidaritätskarawane

111 von 117 festgenommenen Personen wieder freigelassen, während 5 Personen weiterhin in Haft sind.

 

(Solidaritätskarawane besucht Agua Azul in Chiapas:

http://amerika21.de/nachrichten/2011/02/24292/karawane-agua-azul

http://www.jornada.unam.mx/2011/03/06/index.php?section=politica&article=014n1pol)

 

Am 8. April wurde das Kassenhäuschen und das damit verbundene Land wieder von der Anderen Kampagne gewaltfrei zurück erobert. Am Tag darauf hat der mit Hilfe von Wahlbetrug an die Macht gelangte Präsident Calderon (PAN) zusammen mit dem lokalen Gouverneur der PRD, Juan Sabines Guerrero, ein massives Aufgebot von 800 Polizisten und Militärs aufgefahren, die das Kassierhäuschen umzingelten. Den Mitgliedern der Anderen Kampagne gelang es, dem Belagerungsring sowie der Bedrohung von PRI-Anhängern, die Waffen einsetzten, zu entkommen und so weitere Provokationen zu verhindern. Die Art der Widerstandsbekämpfung ist nicht neu, sie wird aber immer offensichtlicher durchgesetzt.

siehe: http://www.youtube.com/watch?v=R4frTkfDkuc

(Quelle:http://www.educaoaxaca.org/index.php?option=com_content&view=article&id=258:accion-urgente-familia-coache-amenazada&catid=45:la-minuta&Itemid=55

http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2011/02/04/red-contra-la-represion-y-...

Das Freyba denunziert die Polizeiaktion als menschenrechtswidrig:

http://www.frayba.org.mx/index.php)

 

***

 

Während der Kundgebung verlas ein Mitglied des Movement for Justice in el Barrio https://secure.wikimedia.org/wikipedia/en/wiki/Movement_for_Justice_in_el_Barrio

  der in den Tagen zuvor in Berlin über Mieter_innenkämpfe von mexikanischen Migrant_innen im Stadtteil East Harlem in New York berichtet hatte, Grußbotschaften der Gefangenen sowie ihrer Angehörigen. Das Movement begreift den Kampf gegen die Vertreibungen von Armen aus ihren Stadtteilen, die in "Spanish Harlem" genauso stattfindet wie in Berlin-Kreuzberg, als Teil eines internationalen Kampfes gegen die neoliberale Ausrichtung der Welt und die damit zusammenhängende weltweite Vertreibung von armen Menschen. Das Movement for Justice in el Barrio ist Teil der "Anderen Kampagne", die von der Zapatistischen Armee zur nationalen Befreiung EZLN im Sommer 2005 initiiert worden war: eine Initiative für eine antikapitalistische und außerparlamentarische Bewegung von unten gegen jede Art von Ausbeutung und Unterdrückung und die herrschende Weltordnung. Einen Zusammenhang mit dem Widerstand gegen Vertreibung von Gemeindeland in Mexiko zur zunehmenden Vertreibung von Armen in verschiedenen Berliner Bezirken, verbunden mit Mieterhöhung und Häuserleerstand, stellte eine Kreuzberger Stadtteilaktivistin in einer kurzen Begründung ihrer unterstützenden Teilnahme her. Mit Repression und Kriminalisierung versucht der Staat auch in Berlin einen Widerstand gegen Vertreibung im Keim zu ersticken.

Die Gefangenen schreiben in ihrer Grußbotschaft:

"...Das einzige Verbrechen, das wir begehen, ist unser Land und unser Territorium zu verteidigen, um damit eine wahrhafte, würdevolle und gerechte Autonomie aufzubauen und das Projekt der Regierung zu verhindern. Aber für die Schlechte Regierung bedeutet es ein Angriff auf die Nation, obwohl wir nur das Wenige verteidigen, was wir als Indigene besitzen. Für uns Indigene ist unser Land uraltes Erbe, das jahrelang von unseren Vorfahren gehütet wurde. Sie stecken uns ins Gefängnis und zwingen uns durch Einschüchterungen, Drohungen und Zwangsarbeit, eine Übereinkunft zu unterschreiben, die besagt, dass wir unsere Ländereien abtreten."

 

Die Angehörigen freuen sich über die weltweiten Solidaritätsbekundungen (u.a. fanden Solidaritätsaktionen in Paris, London, Athen, New York statt):

"Vielleicht seid ihr weit weg, aber ihr helft uns mit euren Aktionen für die Genossen, die noch eingesperrt sind. Wir sind glücklich über das, was ihr tut. Denn ihr unterstützt uns. Es ist wahr, daß 5 bereits freigelassen wurden und wir wollen nicht , dass es bei den 5 bleibt. Wir wollen, dass alle befreit werden.

(Worte von Amalia, der Tochter eines Gefangenen aus "Zweite Videobotschaft aus San Sebastián Bachajón")

 

Die Solidaritätsaktion galt außer den bis heute willkürlich festgehaltenen 5 Gemeindemitglieder aus San Sebastian Bachajon auch Patricio Domínguez Vázquez, einem Mitglied der zapatistischen Basis der Gemeinde Mesa Redondo, der auch zu Unrecht für die Verteidigung des Landes und der natürlichen Ressourcen, die ihm und seiner Gemeinde gehören, inhaftiert ist:

 

"Wir kennen die Wahrheit und aus diesem Grund fordern wir die sofortige Freilassung aller 5 aus Bachajón: Jerónimo Guzmán Méndez, Domingo Pérez Álvaro, Domingo García Gómez, Juan Aguilar Guzmán und Mariano Demeza Silvano. Ebenfalls fordern wir die Freilassung des Zapatisten Patricio Domínguez Vázquezaus Mesa Redondo."

 

(Ein Hintergrundartikel auf Spanisch: Amagan en Chiapas con detener a quienes apoyen a integrantes de la otra campaña: http://www.jornada.unam.mx/2011/04/12/index.php?section=politica&article...

Neues Kommunique von Sub Marcos vom 14.4.11: Über Kritische Reflexion, Individuen und Kollektive: http://www.chiapas.eu/news.php?id=5840)

 

Zur Situation in Mexiko:

 Derzeit gibt es in Mexiko in vielen Regionen einen Krieg niedriger Intensität gegen die Bevölkerung verschiedener Regionen und die "schlechte mexikanische Regierung" (wie die Zapatisten sagen) wandelt Mexiko unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung zu einem Militär- und Polizeistaat. Deutschland spielt dabei auch eine Rolle: Während seines jüngsten Besuchs in Mexiko hatte Bundespräsident Christian Wulff die Ausbildung und Unterstützung der Sicherheitskräfte in Mexiko bekanntgegeben. Zudem werden Informationen über «gebräuchliche Formen der grenzüberschreitenden Kriminalität« ausgetauscht. Deutschland und Mexiko streben laut Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs im Innenministerium, Ole Schröder (CDU) zufolge eine «operative Zusammenarbeit durch aufeinander abgestimmte polizeiliche Maßnahmen« an. Dies geschehe «gegebenenfalls mit Hilfe personeller oder materieller Unterstützung«(so eine Stellungnahme, die www.amerika21.de vorliegt).

 

Währendessen verkauft der mexikanische Staat alles, was nur verkäuflich ist, an transnationale Unternehmen. Während die öffentliche Verschuldung und Armut zunimmt, investiert die Regierung in Biodieselprojekte und treibt die Militarisierung der zapatistischen Gemeinden voran. Gleichzeitig werden in anderen Regionen Löhne gekürzt, Arbeitsbedingungen verschärft und Gewerkschaften zerschlagen. Der Drogenkrieg, der in den letzten 5 Jahren über 40.000 Tote gefordert hat, wird mehr und mehr zum Vorwand, Aktivist_innen, Journalist_innen, Menschenrechtler_innen und vor allem Arme zu beseitigen.

 

Die Gefangenen von Bachajon schreiben dazu:

"...Durch Präsenz des mexikanischen Militärs und der bundesstaatlichen Polizei sind unsere Gemeinden Einschüchterungen ausgesetzt. Gleichzeitig wissen wir, dass Chiapas aufgrund der vielen militärischen Operationen in Gebieten und Gemeinden des Widerstandes gegen das transnationale Projekt einer der am höchsten verschuldeten Staaten ist. ... sind unsere Genossen weiterhin dafür entführt, dass sie ihr Land und ihre natürlichen Ressourcen nicht ausliefern wollen, welche sich innerhalb des Gemeinelandes befinden....Die Raffgier der transnationalen Konzerne ist mehr und mehr gewaltsamer in ihrer Art und Weise diejenigen zu kriminalisieren, die ihre Würde verteidigen und für Gerechtigkeit, Demokratie und einen gerechten Frieden kämpfen. Die Regierung setzt dabei mehr und mehr auf Gewalt, sie militarisiert unsere Gemeinden, sie verletzt die Rechte von Frauen und Männern, sie schüchtert MenschenrechtsverteidigerInnen und die Medien ein, welche die wahre Situation der Indigenen öffentlich machen..".

 

Der mexikanische katholische Priester und Friedensaktivist Alejandro Solalinde (noticiasnet.mx), der sich für soziale Belange und gegen die zunehmende Gewalt in Mexiko einsetzt, wies jüngst darauf hin, dass die deutsche Polizeiausbildung zur Entstehung neuer Gruppierungen des organisierten Verbrechens beitragen könnte. So hätten sich die ersten Mitglieder der Drogenmafia »Los Zetas« ebenfalls aus Angehörigen von Spezialeinheiten rekrutiert, die von den USA und Israel für den Kampf gegen Drogenkartelle ausgebildet und ausgerüstet worden waren.

 

Die Angst vor Polizei- oder Militärwillkür zerstört viele soziale Beziehungen, vor allem im Norden und in der Mitte. In den vergangenen Jahren waren ungefähr 230'000 MexikanerInnen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Das geht aus einem Bericht des IDMC (Internal Displacement Monitoring Centre) hervor. Grund dafür sei die Ausweitung der Gewalt durch den Drogenhandel. Der IDMC-Bericht mit dem Titel «Mexiko: Erzwungene Vertreibung durch die von Drogenkartellen ausgeübte Gewalt» informiert zudem darüber, wie viele Menschen weltweit im vergangenen Jahr aufgrund von internen Konflikten in ihren Ländern fliehen mussten. Diese Zahl liegt bei 27,5 Millionen und ist damit höher als in den vergangenen zehn Jahren.

(http://www.npla.de/de/poonal/3253-gewalt-und-drogenhandel-in-mexiko-fueh... )

 

Die Mörder aus Drogenkartellen bleiben in der Regel straffrei. Falls die Regierung es ernst meinen würde mit der Zerschlagung der Kartelle würden sie nachforschen, wo die Drogengelder sind und sie einfrieren oder enteignen. Aber stattdessen wird v.a. die Land-Bevölkerung einer zunehmenden militärischen Kontrolle unterworfen.

 

LUCHA, LUCHA NO DEJES DE LUCHAR POR UNA CAUSA JUSTA DE TIERRA Y LIBERTAD !

 

Kämpft, kämpft , hört nicht auf zu kämpfen, für die gerechte Sache von Land und Freiheit!

 

ZAPATA VIVE! LA LUCHA SIGUE!

Zapata lebt! Der Kampf geht weiter!

 

NO ESTAMOS TODOS! FALTAN LOS PRESOS!

Wir sind nicht alle! Es fehlen die Gefangenen!

 

BACHAJON 5 TODXS LIBRES!!!

FREIHEIT FÜR ALLE BACHAJON 5 !!!

 

Hasta la victoria siempre.

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