[B] Die Neuköllner Mischung

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Protest eines Mietshauses in Berlin-Neukölln gegen Aufwertung und Verdrängung

Leben auf der Straße; die Jogger_innen und sonntäglichen Spaziergänger_innen bleiben stehen um nachzufragen was denn los sei. Bis zu 150 Leute gleichzeitig stehen an einem provisorisch, aber liebevoll aufgebauten "Strassenfest", unterhalten sich, essen Kuchen, informieren sich über die Situation in dem mit Transparenten behangenem Haus und über Themen wie Mietsteigerungen durch Aufwertung sowie Vertreibung und Verdrängung und deren existenziellen Folgen für jeden einzelnen.

 

Rund um das Haus sind Flugblätter zu finden, die den Nachbar_innen die Aktion erklären und über den Sonntag hinaus, die Spaziergänger_innen und Bewohner_innen/Nachbarn_innen über die akute Situation der Fulda/Weichsel erreichen und sensibilisieren werden. „Solidarisches Miteinander statt soziale Kälte“ beispielsweise fordert ein Transparent von vielen am Haus Fuldastraße Ecke Weichselplatz in Berlin-Neukölln. Verstreut im Kiez hängen an einigen Fenstern und Balkonen schwarze Fahnen mit dem Aufdruck „wir bleiben alle“ und dem Strassenschild Fuldastrasse/Weichselplatz. Denn eins ist sicher, Nordneukölln oder wie es unter vorgehaltener Hand auch schon „Prenzlkölln“ oder auch „Kreuzkölln“ genannt wird, ist mittlerweile auch zum Ort der Aufwertung und der Profitgier einiger Vermieter_innen geworden.

 

Gerade die Lage unweit des Landwehrkanals und die Nähe zu Kreuzberg und Treptow war wohl für die neuen Eigentümer_innen eine Verlockung, um aus einem Lebensraum einen weiteren seelenlosen Gebäudekomplex für die Besserverdiener_innen zu bauen,wo bleibt da die Neuköllner Mischung, die ja eigentlich laut Vermieter beibehalten werden soll,wenn die Mieten über 60 Prozent steigen werden ?!

 

Folgend der Text eines Flyers der am 13. verteilt wurde und immer noch als Wandzeitung an Bäumen vor dem Haus hängt:

 

FuldaWeichsel

 

Wir wollen nicht, dass
unser Kiez unbezahlbar wird



Anfang 2010 wurde nun auch das Haus Fuldastraße Ecke Weichselplatz verkauft – an die Grundstücksgemeinschaft Weichselplatz. Diese will modernisieren und sanieren.


Nach dem Konzept der neuen Eigentümer_innen führt dies zu Mieterhöhungen von wahrscheinlich bis zu 60%. Das sind in unseren Augen Fantasiemieten. Da unsere Einkommen nicht im gleichen Zuge steigen, bedeutet das ebenso wahrscheinlich, dass viele ausziehen müssen – aber wohin?

 

Wir wollen nicht in die Randbezirke ziehen, weil wir uns unsere Wohnung hier, wo wir uns zuhause fühlen, nicht mehr leisten können.

 

Laut Aussagen der neuen Eigentümer_innen sei ihr finanzieller Spielraum gegenüber einkommensschwachen Mieter_innen begrenzt. Das bedeutet: einige werden bleiben können, andere werden gehen müssen. Und es lässt sich vermuten, dass von Seiten der Eigentümer_innen von Anfang an damit gerechnet wurde – das ist NICHT FAIR. Erste Klagen auf Duldung der Modernisierungsvereinbarung sind bei den Mieter_innen eingegangen.

 

Gentrifizierung ist ein geflügeltes Wort, aber wir sind keine Zahlen, mit denen man nach Belieben herumspielen kann, wir sind Menschen!

Wir fürchten um die Grundlage unserer Existenz: unser Dach über dem Kopf.

 

 

Wir fordern:


Wir möchten in unseren Wohnungen bleiben.
Wir möchten in diesem unseren Kiez bleiben.
Wir möchten unsere Nachbar_innen behalten.
Wir wollen nicht nur noch von Nachbar_innen umgeben
sein, die sich 8€/m2 oder mehr leisten können und unsere
Lebensrealitäten nicht teilen und verstehen.
Wir wollen nicht nur Miete zahlen, sondern auch noch am
sozialen Leben teilhaben können.
Wir können uns vorstellen mit den Eigentümer_innen ein
gemeinsames, sozial verträgliches Konzept für das Haus
zu entwickeln. Eine FAIRE Modernisierung also.

 

Wir wollen bleiben,
denn hier fühlen wir uns zu Hause,
hier wollen wir unser Kinder großziehen,
hier wollen wir alt werden,
hier, in diesem Kiez wollen wir leben!
Wir lassen uns unser Lebensumfeld
nicht einfach so zerstören.

 

Sehen wir uns die geplanten Mieterhöhungen an,
haben wir viel zu verlieren.
Wenn wir uns nicht wehren, verlieren wir unser Zuhause.
Daher halten wir zusammen – Zeigt Euch solidarisch, schaut nicht weg!
Wir sind Eure Nachbar_innen und wollen es auch bleiben!


Rette deinen Kiez – wir bleiben alle!


Mieter_innen der Fuldastr. 31/32 und des Weichselplatz 8/9

 

http://fuldaweichsel.wordpress.com

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Wodurch kommt ein Besitzanspruch an den Wohnungen zustande? Seit wann leben die fordernden Menschen dort. Gibt es eventuell Menschen, die zuvor aus den Wohnungen vertrieben wurden und auch einen Besitzanspruch haben? Wieviele Menschen haben den Bedarf in diesen Wohnungen zu leben. "Unser Kiez, Unser Land" - keine antifaschistische Haltung. Wer gehört zum Kiez dazu? Seit wann muss er, sie oder anders-selbstdefiniert dort leben? 2008? 2002? 1994? 1989? Wieviele Menschen sehen diesen Kiez als "ihren Kiez" an, wieviele wollen hier leben? (Nachfrage) Und wieviele Wohnungen gibt es? (Angebot) Wo beginnt und wo endet der Kiez? Eine Strasse weiter? Zwei Strassen weiter? Vier Bushaltestellen weiter? Was ist, wenn Menschen aus der Nachbarschaft umziehen wollen? Wer bekommt dann die Wohnungen? Oder dürfen sie nicht umziehen? Warum dürfen die Menschen in Eurer Gegenwart nicht viel Geld haben oder sich viel leisten können? Warum müssen die Menschen in Eurer Gegenwart genau das Gleiche machen wie Ihr? Was sind Eure Lebensrealitäten?

Gewöhnlich mag ich keine christliche Schriften. Jedoch ist eine in diesem Fall sehr passend: Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg.

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Gleichnis_von_den_Arbeitern_im_Weinberg

 

Laut TAZ haben Wir eine Person, die für ihre Wohnung 470 Euro bezahlt.

Sie will keine Menschen, die später für diese Wohnung 621 Euro bezhalen.

Ich bezahle für einen ähnlichen Wohnraum 290 Euro und könnte mir niemals 470 Euro leisten.

Ich kenne andere, die für ähnlichen Wohnraum etwa 150 Euro bezahlen. (Wedding)

 

Es müssen einige Dinge festgestellt werden:

 

- Alle Personen haben ihre Mietverträge frei verhandelt. (Wenn nicht, dann belegen!)

- Alle Personen brauchen Wohnraum. (Fraglich ist wieviel und wer das bestimmt.)

 

Die Auslegung des Gleichnisses:

 

"Sozialgeschichtliche Auslegung: Der Weinbergbesitzer gibt allen Arbeitern genau den Lohn, der in damaliger Zeit notwendig war, um eine Familie einen Tag lang ernähren zu können. Da das Gleichnis mit einer Anrede der Zuhörer in Du-Form endet, wäre es dahingehend auszulegen, dass Jesus seine Zuhörer ermutigen will, in entsprechender Weise zu handeln: nämlich jedem das Überleben zu ermöglichen." (Quelle: Wikipedia)

 

Letztendlich heisst das, dass nicht der Preis einer Wohnung wichtig ist, sondern allein, dass die Menschen gut leben können. Das sollten sich die Demonstranten und Demonstrantinnen eintrichtern! Jetzt geht es nämlich in die Richtung des Yuppie-Hass und führt dann schliesslich zur Spaltung von Bewegung. Jemand der 150 Euro für seine Wohnung bezahlt, hält eventuell nicht viel von Menschen, die für den gleichen Wohnraum 470 Euro bezahlen. Doch die 470er haben ihre Yuppies bei den 621er gefunden. Und Wir sehen, wohin das führt....