Staatliche Reaktion nach dem verhinderten Naziaufmarsch am 19.2. in Dresden

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Erklärung der Roten Hilfe/Ortsgruppe Dresden zu den Durchsuchungen am 19.02.2011

Die Durchsuchung

Am Abend des 19. Februar wurden Vereinsräume des „Roten Baum e.V“. sowie das „Haus der Begegnung“ mit unverhältnismässiger Gewalt durch Bremer SEK-Beamte gestürmt und durchsucht. Miteinbezogen in die Razzia, wurden eine Privatwohnung und ein Anwaltsbüro, sowie eine Krankenstation der Demo-Sanis, die zu diesem Zeitpunkt im „Roten Baum“ eingerichtet war.

 

Es wurde trotz expliziter Nachfrage in keinem Fall ein Durchsuchungsbefehl vorgelegt.

Im „Haus der Begegnung“ befand sich das Pressezentrum für das Bündnis „Dresden-Nazifrei“.

Die Polizei hat insgesamt 25 Handys und 21 Computer und Laptops beschlagnahmt.

Gegen die Leute, die sich dort befunden haben, wurden Ermittlungverfahren wegen Verdachts des schweren Landfriedensbruchs, Aufruf zu Straftaten und Bildung einer kriminellen Vereinigung (§129 StGB) eingeleitet.

 

§129

Der Paragraph 129, auch „Schnüffelparagraph“ genannt, dient dazu „verdächtige“ Strukturen auszuleuchten, wobei der Polizei weitreichende Befugnisse in die Hand gelegt werden.

Dazu gehören insbesondere die Postkontrolle und Telefonüberwachung (§ 100a StPO), langfristige Observationen (§§ 100c StPO Abs. 1 a b und 163f StPO), der systematische Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern (§ 110a StPO bzw. § 110c StPO), die Rasterfahndung, des Weiteren die 1994 eingeführte und 1999 ausgelaufene Kronzeugenregelung (§ 129 Abs. 2 StGB alte Fassung) und seit 1998 auch der Große Lauschangriff in und aus Wohnungen (§ 100c Abs. 1, Nr. 3 StPO). Darüber hinaus unterliegt das Vermögen des Beschuldigten bei Erhebung der Klage der Beschlagnahme (§ 443 StPO).

 

Mögliche Folgen

In den seltensten Fällen führen Ermittlungen unter den 129er Paragraphen zu dementsprechenden Verurteilungen. Interessant sind die damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten für polizeiliche Repressionsorgane, weil dadurch tiefe Einblicke ohne Rücksicht auf Privatsphäre nicht nur bei den Verdächtigten an sich, sondern dem gesamten Umfeld möglich sind. Damit sind Tür und Tor geöffnet, in entsprechenden Städten ganze Szenezusammenhänge (insbesondere bzw. vor allem bei Teilen der radikalen Linken) zu durchleuchten, immer mit der Möglichkeit von so genannten „Zufallsfunden“.

 

Es bleibt die Frage offen, warum dieser Einsatz unter diesen Umständen, vor allem zu dieser Zeit stattfand, welche Motivation wirklich dahinter steckt und wann die Ermittlungen gegen die betreffenden Personen unter dem Paragraphen 129 eingestellt werden.

 

Unsere Solidarität ist euch gewiss!

 

Rote Hilfe Dresden, 23.02.2011

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Pressemitteilung:

Skandalöse Repression gegen AntifaschistInnen am 19. Februar 2011 in Dresden Die Rote Hilfe ruft zu Solidarität auf und unterstützt die betroffenen AktivistInnen

Bei den vielfältigen linken Aktivitäten gegen den als Europas größten Naziaufmarsch angesehenen Umzug neofaschistischer Gruppen in Dresden am letzten Samstag kam es zu mehreren brutalen Angriffen auf antifaschistische AktivistInnen.

Ein breites Bündnis verschiedener linker, antifaschistischer und gewerkschaftlicher Organisationen und Gruppen hatte erfolgreich bundesweit zum Blockieren dieses Aufmarsches am vorigen Wochenende mobilisiert. Im Laufe der Blockadeaktivitäten kam es zu etlichen massiven Prügel- und Knüppelattacken, Pfefferspray-, Pfeffergas- und Wasserwerfereinsätzen gegen linke AktivistInnen sowie zu mehreren vorläufigen Festnahmen.

Noch am selben Abend wurden zudem das Büro des antifaschistischen Bündnisses sowie angrenzende Räumlichkeiten einschließlich des Büros der Partei "Die Linke" und eines Anwaltsbüros in Dresden von Polizeikräften durchsucht und teilweise zerstört. Bei dieser äußerst brutalen Razzia wurde eine völlig enthemmte, komplett vermummte und unter anderem mit neuartigen (und in Sachsen erstmals eingesetzten) "Pepperball-Kanonen" bewaffnete Anti-Terror-Einheit eingesetzt, die sich mit einer Motorsäge Zugang zu den Räumen verschaffte und unter anderem alle Computer und Speichermedien konfiszierte.

Überhaupt wurde ein ganzes Arsenal an technischer Aufstandsbekämpfungsausrüstung aufgeboten, um sie systematisch gegen AntifaschistInnen in Stellung zu bringen: Neben Wasserwerfern, die bei den winterlichen Temperaturen noch eine zusätzliche Gesundheitsgefährdung mit sich bringen, wurden auch Drohnen zur Beobachtung der Gegenaktivitäten eingesetzt.

Mathias Krause vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. sagte zur Repression am Wochenende: "Es ist schlichtweg skandalös und eine dreiste Frechheit, wie in Dresden gegen AntifaschistInnen vorgegangen wurde! Nicht zuletzt die eingesetzten Waffen und Mittel der Polizei haben einmal mehr gezeigt, dass die staatlichen Repressionsorgane bei ihren überzogenen Einsätzen gegen nicht opportune, emanzipatorische Bewegungen kaum noch Hemmungen zeigen." Er fügte hinzu: "Es gilt, auch hier zusammenzustehen, sich nicht spalten zu lassen und auch bei nachfolgenden Vorladungen und Verhaftungen keine Aussagen bei Polizei und Staatsanwaltschaft zu machen sowie generell keine Kooperation mit den staatlichen Repressionsorganen einzugehen!"

Die Rote Hilfe protestiert hiermit ausdrücklich gegen alle Angriffe staatlicher Repressionsorgane auf AntifaschistInnen am vorigen Wochenende, fordert die sofortige Einstellung aller weiteren Ermittlungen sowie die Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände.

Als strömungsübergreifende, linke Schutz- und Antirepressionsorganisation ruft sie zu Solidarität auf und wird nach Ihren Möglichkeiten alle von Repression betroffenen AktivistInnen politisch und finanziell unterstützen.  

 

Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.