"Freiheit statt Angst"-Demo, Berlin

Der gläserne Bürger

Weit davon entfernt, vollständig zu sein, soll dieser Artikel verstreute Eindrücke von der gestrigen Freiheit statt Angst-Demo in Berlin wiedergeben. Eines vorweg: besonders angetan war ich nicht von der Demo. Bleibt, wie jedesmal, die Frage, ob unsere Erfahrungen etwas bewirken, ob sie Diskussionen auslösen, vielleicht irgendwann auch einen Einfluss auf unsere Praxis haben.

 

Von der Auftaktkundgebung am Potsdamer Platz ist mir vor allem der Redebeitrag des Verdi-Chefs Bsierske in Erinnerung geblieben, und hier vor allem die Stelle, an der er Nazi-Diktatur und DDR-Regime in Bezug auf Überwachung und Repression mal eben umstandslos in eins setzte. Auch diese Äusserung, wie überhaupt sein Redebeitrag, stiess auf starken Beifall der Zuhörer_innen.

 

Die eigentliche Demo dann war vor allem durch diverse Parteien dominiert. Der antikapitalistische Block kam erst kurz vor Schluss, gefolgt von nur einem einzigen weiteren Wagen der Piraten-Partei (von insgesamt vielleicht 12 Wägen). Vorneweg kamen die Parteien: Linke, Jusos/SPD, ein weiterer Teil der Piraten-Partei, Julis/FDP, die ÖDP, natürlich stark vertreten die Grünen, MLPD, dazwischen recht prominent Verdi.

 

Seit wann machen wir Demonstrationen zusammen mit der FDP? Diese hatte auch einen grossen, offensichtlich fast komplett ungestörten Infostand am Ort der Auftaktkundgebung am Potsdamer Platz aufgebaut. Was ist mir der uneingeschränkten Unterstützung der FDP für die Putschisten in Honduras? Was mit der Rolle der FDP als Regierungspartei, was mit der aktuellen Entscheidung der FPD zur längeren Laufzeit der Atommeiler? Und die "jungen Liberalen" (Julis) sind auch nicht besser als die FPD selbst, wie etwa ihre aktuelle Pressemitteilung im Zusammenhang mit den "MediaSpree-Protesten" zeigt ("Nein zu neuerlicher linker Gewalt, http://www.freedrichshain.de/aktuell/20100411.htm).

 

Der Antikapitalistische Block hatte etwa 500-800 Teilnehmer_innen meiner Schätzung nach. Interessant war der Kontrast: zuerst die offenen, bunten Gruppen der Parteien, dann der von Transpis eng eingeschlossene Block junger Schwarzgekleideter, fast alle mit warmen Kapuzis oder Jacken bei sommerlichem T-Shirt-Wetter. Ob wir so schaffen, unsere Anliegen in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen? Und was ist eigentlich unser Anliegen, und was ist nur noch Form? A, Anti, Antikapitalista ist zwar sicher nicht falsch - aber wie weit trägt das?

 

Über die Demo verstreut überall Grüppchen von 9.11.-Verschwörungs-Theoretikern. Und sie haben nicht nur Fragen, sondern liefern die Antworten "9/11 was an inside job" zum Beispiel. Und dann gab es noch ein grosses Stangentranspi mit der 4 Zahlen (ich glaube 00/20, bin mir aber nicht sicher) und der grossen Parola "Reichstagsbrand". Dieses auf jeden Fall konfuse, sicher aber auch reaktionäre Transpi konnte die Ganze Demo über unbehelligt getragen werden, erst am Schluss wurden die Träger (männliche Form hier kein Versehen) wohl zum Einpacken aufgefordert. Ein paar Eindrücke von der Verschwörungskacke finden sich im oben erwähnten Indy-Artikel.

 

Und hier zum Schluss noch der Verweis auf eine Zivi-Karre, die auf Unter den Linden stand: ein hellblauer Golf mit dem Nummernschild B-DC-9378, besetzt von zwei Typen mit 3-Tage-Bart, stämmig, Alter Mitte Vierzig bis Anfang 50.

 

Manchmal mögen grosse Bündnisse Sinn machen, etwa gegen Nazis. Aber die Veranstaltung gestern war wirklich absolut überflüssig. Wir sollen wirklich mehr schauen, mit wem wir für was demonstrieren, und wo überhaupt emanzipatorisches Potential ist. Gestern wäre es vermutlich sinnvoller gewesen, eine eigene Demo gegen die Regierung und insbesondere gegen den FDP-Block zu machen, anstatt sich auf dieses komische Schauspiel einzulassen.

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outaspace   21.09.2010 - 20:56
die person mit den "9/11 was an inside job" schildern ist der extrovertierte student "matthias huendgen" (zitat ksta)

siehe neues deutschland fotostrecke von der demo vom 11.09.2010

foto http://www.neues-deutschland.de/serveImage.php?id=31806&type=o&ext=.jpg
aus http://www.neues-deutschland.de/weiteres/fotogalerie/index.php?sid=107

und siehe den kölner stadtanzeiger vom 23.08.2010
foto http://www.stadtanzeiger.de/html/artikel/1281431624073.shtml#
aus http://www.stadtanzeiger.de/html/artikel/1281431624073.shtml

grüße aus köln