"Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen."*

"Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." (George Santayana)
Alles zum G20-Gipfel 2017 auf Indymedia linksunten

Gerade dieser Tage, im Gefolge der Geschehnisse rund um die G 20 Gipfel in Hamburg, erleben wir wieder einmal eindrucksvoll die Rückkehr der Geschichtsvergessenheit der radikalen Linken.

Nachdem in der Schanze einige Barrikaden gebrannt, einige Läden geplündert und die Bullen für ein paar Stunden einige überschaubare Strassenzüge aufgegeben hatten, irrlichtert ein Chor von Distanzierungen durch die Welt der selbsternannten antagonistischen Gegenspieler des Schweinesystems. Verkündet im diffusen Netz oder klar offen denunziatorisch gesprochen in die vor das Gesicht gehaltene Microphone der ortansässigen Medien. Sodass mensch sich fragt, wer denn nun eigentlich zu den "Tagen der Hölle" eingeladen war, bzw. wer sich denn angesprochen fühlen durfte, die verbalradikalen Bekentnisse im Vorfeld  ernst zu nehmen und zu versuchen, diese auch mit einem bisschen Realitätsgehalt zu füllen.

Wie auch immer, die "Auswärtigen", die "unpolitischen Krawallmacher", die "Alkoholierten", wer auch immer, Schuldige müssen her, wo die Volksssele kocht, sind nun also Schuld, dass die "Militanz aus dem Ruder gelaufen", der "eigene Kiez" zerlegt wurde.

 

Nun gleichen sich die Argumente, die Diskussionen, die Diskurse nach solchen Geschehnissen, wenn die Dinge nicht mehr unter Kontrolle waren, bis aufs Haar. Ein jeglicher Kontrollverlust gebiert die selbe "Rückkehr der Oberflächenverliebtheit", von der Christian Klar einmal in einem anderem Zusammenhang sprach. Jene, die schon einige Zeit ins Land haben ziehen lassen, erinnern sich z.B. an die aufgeregten Reaktionen auf die Unruhen am 1. Mai 1987 in Kreuzberg.

 

Die damaligen Geschehnisse, die die Stunden im Schanzenviertel als, salopp gesagt, "Kindergeburtstag" aussehen lassen, führten zu einer Welle von Stellungsnahmen und Positionierungen eines  Teils der "autonomen Szene", in denen vor allem die Plünderungen von "kleinen Läden" und das Anzünden von Privatautos im Mittelpunkt standen. Ein einzelner Akt von sexueller Gewalt diente als Steilvorlage für Denunzination und Diffamierung der handelnen Subjekte jener Nacht, wobei nie klar geworden ist, inwiefern dieser gewalttätige Übergriff überhaupt in irgendeinem konkreten Kontext zu den Geschehnissen auf den Strassen stand.

 

In der Folge wurde Geld für "die Geschädigten" gesammelt (und nein, damit waren nicht die zahlreichen von den Bullen Verprügelten oder Eingeknasteten gemeint) und Anwohnerpalaver einberufen, auf denen sich der alternative Kreuzberger Mittelstand über die Geschehnisse echauffieren durfte. Der Tod eines Menschen, der an dem Aufstand teilgenommen und inhaftiert worden war, löste nicht annähernd soviel Bedürfnis nach Handlung auf. Nachdem sich Norbert Kubat in der Untersuchungshaft das Leben genommen hatte, gab es eine weitgehend handzahme Demo von gerade mal tausend Leuten und Bilka am Kottbusser Damm brannte aus. Das war es auch schon.

 

So wie heute der 1. Mai in Berlin nur noch eine verklärte Erinnerung ist, die als Kulisse für einen immer unerträglicheren Umzug dient, der sich immer mehr in der Tradition der Love Parade einreiht, wird auch der Riot in der Schanze während der G 20 Tagung irgendwann einmal nur noch vage als jener Tag erinnert werden, an dem Budnikowsky geplündert und das SEK mit Knarre im Anschlag in der Schanze Einzug hielt.

 

Jenseits der Schnelllebigkeit "der Szene", dem ständigen Wechsel der Politgenerationen, der Sprunghaftigkeit, ist dieses Irren im Kreis der Begrifflichkeiten sicherlich auch zu einem Teil dem Mangel an Bewusstsein über die Ursprünge und Verläufe eben jener "Szene" zuzuschreiben. Selbst wohlwollende oder bemühte Protagonist*nnen sehen sich kaum in der Lage, entsprechend zu reflektieren oder einzuordnen, weil es schlicht an weitergegeben Wissen, bzw. dokumentierten Diskussionen und Diskursen fehlt.

 

Es gibt einige wenige "Lückenprojekte". An erster Stelle sei hier "Autonome in Bewegung" zu nennen. Das Buch und die dazugehörende website haben nun aber auch schon einige Jahre auf dem Buckel. Die Zeitschrift RADIKAL hingegegeben, das wichtigste "Organ" der "Autonomen Bewegung", steht, von einigen wenigen Ausgaben abgesehen, immer noch nicht im Netz zur Verfügung. Gesammelte "Gesamtausgaben" verschimmeln in den Archiven in Berlin, Hamburg, ...

 

In den letzten Jahren haben sich aber  einige Leute um die Herausgabe von Büchern zu Teilbewegungen verdient gemacht. So gibt es mittlerweile ganz passable Bücher zur Anti AKW Bewegung, bzw. Teilaspekten der Häuserkämpfe.

 

Im Rahmen der Arbeit an dem Buch "Begrabt mein Herz am Heinrichplatz", das in Romanfragmenten den Weg "der Bewegung" von Anfang der 80iger bis Mitte der 90iger begleitet, entstand auch eine website, die zahlreiche links zu den diversen online einsehbaren Quellen aus jener Epoche enthält:

 

heinrichplatz.bahoebooks.net

 

Vielleicht erschliessen sich aus dem einen oder anderen Text oder Video/Audio Erkenntnisse, die zweckdienlich für Diskussionen wären, die sich jenseits der kreisförmigen Reproduktion abspielen.

 

*George Santayana



 

An dieser Stelle sei auch noch auf weitere umfangreiche online Archive verwiesen:

Materialien zur Analyse von Opposition (MAO). Viel maoistisches und - ML  - Zeugs, aber auch vieles aus dem undogmatischen Lager.

InfoPartisan. Aus dem trotzkistischen Lager, ebenfalls auch viel Anderes. Z.B. die komplette Reproduktion der legendären Agit 883

 

Zur Geschichte der RAF 1

Zur Geschichte der RAF 2

 

Der Blues, unvollstängige online Version der leider vergriffenen Buches über die Bewegung 2. Juni

 

Texte von und zu den Revolutionären Zellen/Rote Zora

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Neues und Altes auf dem twitter account des Autors von "Begrabt..."

https://twitter.com/sebastianlotzer

"Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, muss sich neue Taktiken überlegen"

Doku dazu (164 Seiten) ist mal als pdf verfügbar gemacht worden

 

https://erstermai.nostate.net/wordpress/wp-content/uploads/doku-revoluti...

Viel Microblogging Content gibt es auch seit Jahren bei dem "Autonome Geschichte" Account bei twitter: https://twitter.com/radicalpast

Sehe ich genauso, die G20 Krawalle waren echt ein Kindergeburtstag im Vergleich zu den guten alten Zeiten. Allerdings waren IMHO die Anti Haig Demos anfang 80 in Berlin das Härteste und nicht die 1. Mai Demos 87, wobei die Demos nach der Ermordung Klaus Jürgen Rattays von den Bullen auch nicht so ganz ohne waren.

 

BTW die Jungs und Mädels von den Revolutionären Zellen waren die Einzigsten, deren Bekennerschreiben man lesen und gleichzeitig verstehen konnte. Die waren immer nah an der Bewegung, ließen i.d.R. ihre Wut an Sachen aus, na ja, und der Karry war halt so ein Kollateralschaden, kann halt mal passieren ;) 

Zu schade, zu Berlin gibt es keine Bilder. So ohne Pics ist's doch etwas dröge. Grad mal n gemopstes Poserfoto? Nun, den geneigten Indyuser kann geholfen werden. Genau hier gibts Pics wie es in Berlin so abging. Oder besser gesagt, wie sich ein Modellbauer das so vorstellt und nach vorhandenen Bildmaterial rekonstruiert hat.

Siehe: Kunst und Widerstand.

Au ja, geanu diese Zeitung möchte ich dem geneigten Indyuser ans Herz, bzw. an die Maus oder den Cursor legen. Da bekommst Zeichnungen zu sehen, die könntest hier nicht bringen. Würde neimals geduldet, dieses Sexistenzeug. Aus Ami Undergroundcomics geklaut, galt seinerzeit als Provo. Heute schüttelt es den Durchschnittslinken. Das druckte mal eine linke Zeitung? Tia, so ändern sich die Zeiten. Könnte unserer feninistisch gehirngewaschenen Community mal zu denken geben.