G20: Knastunruhe

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Wir beschäftigen uns mit der Eventualität, dass wir in den kommenden Tagen in den Knast gehen. Dazu ein Interview mit einer Person, die im Massengewahrsam in Kopenhagen bei einem Aufstand dabei war. Dann die Gründungserklärung einer temporären Organisation für den Gipfel in der Hansestadt Hamburg. Abschließend Aktionsformen der Inhaftierten.

 

 

Rückblick im Interview: Kopenhagen 2009

 

p:

Da uns der G20 Gipfel kurz bevor steht, habe ich nach Erfahrungen mit Masseneinsperrungen bei ähnlichen Lagen gesucht. Mir wurde gesagt, dass du eine interessante Story zu erzählen hast. Um was geht’s?

 

K.:

Ich war zum Klimagipfel 2009 in Kopenhagen und wurde dort, wie viele Hundert andere, festgenommen und in einen der Käfige gesperrt.

 

p:

Klingt spannend. Warst du eine von denen auf den bekannten Bildern, die sich Rücken an Bauch in Reihe auf den kalten Asphalt setzen mussten?

 

K.:

Ja. Ich bin erst am Sonntag bei der Demo, die den Hafen stürmen wollte, festgenommen worden und wir wussten schon durch die Bilder der Großdemo am Samstag, was uns bevorsteht. Die Position, hintereinander im Schneidersitz mit auf dem Rücken gefesselten Händen zu sitzen, wurde uns vor dem Transport in die Käfige auf der Straße aufgezwungen und in der „GeSa“ saßen weiterhin Hunderte Menschen in solchen Reihen nebeneinander in einer großen Halle ohne Presse, um auf die „Abfertigung“ zu warten.

 

p:

Klingt so, als ob die Bullen das gut unter Kontrolle hatten. Anscheinend hat sich da niemand gewehrt.

 

K.:

Die Bullen waren zu Tausenden da und ganz einfach in der Überzahl. Sie haben die Leute zunächst ordentlich zusammengeschlagen und sie dann gefesselt hintereinander drapiert. Zum Zeitpunkt der Festnahme endete jede Gegenwehr mit blauen Augen.

 

p:

Als ihr dann in die Gesa gekommen seid, hat sich die Stimmung geändert?

 

K.:

Absolut. In der großen Empfangshalle haben die Festgenommenen sich alle gegenseitig von den Fesseln befreit und gemeinsam angefangen zu singen, sodass die Menschen, die schon in den Käfigen saßen in Bella Ciao eingestimmt haben und im Rhythmus gegen die Gitterstäbe schlugen.

 

p:

Wow, muss ein schönes Gefühl gewesen sein. Hat sich dann richtig was entwickelt?

 

K.:

Sobald wir in den Zellen waren, wurde es witzig. Ich saß mit sieben Menschen in einem Käfig, die alle aus unterschiedlichen Ländern kamen. Wir hatten in den Käfigen auf zwei Quadratmetern eine Bank, zwei Decken und ein bisschen Wasser. In der Mitte des Raumes waren mehrere Käfige nebeneinander aufgestellt. An den Aussenwänden waren die Käfige in Wand und Decke verankert. Wir in der Mitte haben zunächst Krach gemacht und die Wasserflaschen gegen die Gitterstäbe gehaun und weiterhin laut gesungen.

 

p:

Und haben die Bullen nicht reagiert?

 

K.:

Sie sind in die Käfige gegangen und haben die Flaschen weggenommen. Danach haben wir die Bänke aus der Verankerung gerissen und die Decken an die Zellenwand gehangen, sodass sie von aussen nicht reinsehen konnten. Mit den Bänken haben wir die Türen und die Seitenwände zu den anderen Käfigen aufgerammt, sodass wir irgendwann nur noch einen großen Käfig hatten. Die Bullen haben von aussen große Mengen Pfefferspray in die Käfige gesprüht,die Bänke rausgeholt und die Türen von aussen verbarrikadiert.

 

p:

Großartig! Habt ihr den Ausbruch geschafft und den Knast unter eure Kontrolle gebracht?

 

K.:

Leider nein. Wir haben nur die inneren Käfige zum Einsturz gebracht. Der Erfolg war, dass sie die Leute schneller wieder rausgelassen und uns alle nur noch für kurze Zeit in den fest verankerten Käfigen festgehalten haben.

 

p:

Gab es Forderungen der Revoltierenden? Und überhaupt, vielleicht ist das jetzt eine dumme Frage, aber gab es sowas wie Rädelsführer oder Einheizer oder war das einfach ein massenpsychologisches Phänomen?

 

K.:

Jenseits der Freiheit für alle hat niemand Forderungen gestellt.

Es gab keine Rädelsführer*innen, aber natürlich ein paar „Mutige“ oder Kreative, die angefangen haben, aber nie allein blieben.

 

p:

Hattest du Angst, dass die Bullen vielleicht Einzelne rausgreifen könnten?

 

K.:

Klar hatte man Angst in so einer Situation isoliert zu werden, aber wir konnten uns sicher sein, dass sie niemanden einzeln hätten rausgreifen können, ohne erheblichen Widerstand zu erleben und das hat uns viel Kraft gegeben.

 

p:

Hast du eine Einschätzung, ob die Revolte dort drinnen die Leute draußen unterstützt hat. Zum Beispiel dadurch, dass mehr Einheiten von der Straße weggeholt werden mussten, um das Gefängnispersonal zu unterstützen. Oder auch einfach der psychologische Effekt, dass die Leute draußen weniger Angst vor Festnahmen hatten?

 

K.:

Ich kann nicht beurteilen, wie viele Bullen sie letztendlich zu den Käfigen geholt haben. Ich weiss nur, dass sie nach der Revolte keine Leute mehr in die Käfige gebracht haben und diejenigen, die draussen waren haben die ganze Zeit auf die Rauskommenden gewartet und viel von den Geschichten von Drinnen gezehrt. Es hatte mit Sicherheit einen psychologischen Effekt, dass alle, die rauskamen, ein dickes Grinsen im Gesicht hatten.

 

p:

Das klingt für mich, als ob wir für den kommenden Gipfel in Hamburg diese Option nicht außer Acht lassen sollten. Es wurden ja mehrere Riesenknäste extra bereitgestellt, um hunderte, wenn nicht tausende Leute, einzuknasten. Was kannst du, quasi als Schlusswort, den Gipfelstürmer*innen für die heiße Phase mitgeben?

 

K.:

Ich hoffe sehr, dass sich auch dort eine ähnliche Dynamik entwickelt. Diese, wenn auch kleine, Knastrevolte hat mir viel Kraft und Vertrauen gegeben und es wäre wunderbar, wenn es wieder Menschen gäbe, die sie anzetteln und Hunderte oder Tausende, die mitmachen.

 

p:

Oder besser: garnicht einfahren?

 

K.:

Das lässt sich wohl kaum vermeiden. Umso wichtiger ist es, sich auf den Widerstand, auch in einer Gefangenensituation, vorzubereiten.

 

p:

Machen wir, versprochen. Danke für deine Zeit und pass auf dich auf. Wir sehn uns auf der Straße!

 

 

 

Der kommende Gipfel

 

In Erwartung und zur Unterstützung zerstörerischer und revolutionärer Gewalt beim G20-Treffen in Hamburgs Straßen gründet sich die temporäre Organiation Kampf hinter Gittern. Sie ist Teil des vielförmigen Angriffs gegen die Unterdrückung und Herrschaft, daher in verschiedenen politischen und unpolitischen Tendenzen verankert. Die Organisation hat sich im geheimen gegründet und hat sich bereits unter den Militanten ausgebreitet und festgesetzt. Sie wird in Hamburg sein. Als informelle Organisation ist ihre Existenz gesichert.

 

Jedes Individuum, das mit der Idee übereinstimmt, wird Teil der temporären Organisation. Ziel ist es, die repressive Strategie der geplanten Massenverhaftungen und Gewahrsamnahmen beim Gipfel in Hamburg auszuhöhlen oder - noch viel besser - für uns zu nutzen. Es wird davon ausgegangen, dass massenhafte Einsperrungen von Militanten ein wesentliches Element der Planungen der Polizeiführung sind um die Überlastung der Kräfte auf der Straße zu verhindern. Die temporäre Organisation bereitet daher die Revolte in den Sammelknästen und Einzelzellen vor. Beteiligt euch. Die einzige Voraussetzung zur Teilnahme an der Revolte ist die Bereitschaft der militanten Individuen, die feindlichen Handlungen auch nach der eigenen Inhaftierung nicht einzustellen. Wenn die Revolte drinnen um sich greift, wird sie von ganz alleine mit der Revolte draußen Eins. Bereitet euch mental auf eure Einsperrung vor.

 

 

 

Aktionsformen

 

Kooperation mit den Knastwärtern verweigern, Befehlen nicht folge leisten oder durch verzögerung die eigene Bearbeitung erschweren. Die Wächter überbeanspruchen, z.B. durch Forderungen nach Essen, Bearbeitung, Auskünften, Klogängen, Freigang, anwaltlichen Beistand. Ständig protestieren und Widerstand leisten. Mit den anderen Inhaftierten kommunizieren und Pläne machen. Gemeinsame Gesänge und Sprechchöre. Trommeln gegen die Inneneinrichtung, Stress durch Lärm verursachen. Zellen verbarrikadieren oder das Schließen verhindern. Beschädigung oder Aufbrechen der Zellen. Essen und Trinken verweigern. Und so weiter.

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und ein Genosse aus meiner Bezugsgruppe wurde mit einer Busladung Gefangener in einer Seitenstraße rausgeworfen, mit der Aufforderung, so schnell wie möglich Land zu gewinnen, weil die Situation in der Gesa zu diesem Zeitpunkt zu unübersichtlich war und diverse Käfigtüren aufgebrochen worden waren. ES HAT SICH AUF JEDEN FALL GELOHNT! Wegen der widerständigen Stimmung in der Gesa sind andere Leute frei gelassen worden, vergesst das nicht!

...was ist das denn für eine schwachsinnsgeschichte

.

War doch auch in Stuttgart 2016 so: irgendwann war die Gesa so rappelvoll dass GenossInnen noch vor der ED-Behandlung freigelassen wurden. Eine Massenrandale mit massiver Bullenüberforderung ist noch n ganzes Kaliber härter.