[KA] Der „Tag der Deutschen Zukunft“ (TDDZ) in Karlsruhe

TddZ

Düstere Zukunftsaussichten in Durlach

Der neunte „Tag der Deutschen Zukunft“ (TDDZ) erfuhr eher eine magere Beteiligung aus der Neonazi-Szene. Es fanden sich lediglich 300 Personen auf dem Bahnhofsvorplatz in Karlsruhe- Durlach zusammen um für eine „Deutsche Zukunft“ zu demonstrieren. Der mit eineinhalb Stunden Verspätung gestartete Marsch dürfte unter den Teilnehmenden kaum auf ein positives Echo stoßen. Die Stadt hatte zuvor neun von zehn RednerInnen abgelehnt, ebenso 16 von 21 OrdnerInnen.


Im Marsch mitgeführt wurden als Fahnen lediglich die zuvor extra ausgeteilten Fahnen in Schwarz-Weiß-Rot. Dazu kamen mehrere Transparente, wobei ein Transparent mit der Aufschrift „Freiheit für Wolle“ laut einer Twitter-Meldung von der Polizei im Vornherein beschlagnahmt wurde. „Wolle“ spielt auf Ralf Wohlleben an, der im Münchner NSU-Verfahren zusammen mit Beate Zschäpe vor Gericht sitzt.

 

Ansonsten wurden kräftig NS-Bezüge zur Schau getragen. Ein Teilnehmer trug an der Hand sogar eine Hakenkreuztätowierung, ohne dass die Polizei einschritt.


Auf diesem Niveau bewegten sich auch die beim Marsch gerufenen Parolen wie „Nationaler Sozialismus Jetzt!“, „Ruhm und Ehre der deutschen Nation!“, „Alles für Volk, Nation und Rasse!“, „Frei, Sozial und National!“, „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!“, „Ob Ost, ob West, nieder mit der roten Pest!“ oder das gegen die Gegendemonstration und Medien gerichtete „Antifa Hurensöhne!“.


Auch seinem Antisemitismus bot man Raum mit „Nie wieder Israel!“ oder „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit!“.

 

Wer war da und wer nicht?


An Gruppen ließen sich an diesem Tag in Durlach sehen: Die „Berserker Pforzheim“, das „Kollektiv 56“ („Deine lokale Nazi-Crew“) aus Dortmund, die im Raum Konstanz beheimatete „Kameradschaft Höri-Bodensee“ und die „Kameradschaft Freudenstadt“, die „Freien Kräfte Schwarzwald-Baar-Heuberg“, die rheinland-pfälzische „Kameradschaft Zweibrücken“, eine Gruppe namens „S52“ („Aachen, Düren, Heinsberg“) und die Gruppierung „Aryans“ („support your race“).


Der hochrangige Hammerskin-Aktivist Malte Redeker aus Ludwigshafem wurde von LuNaRa-Mitgliedern begleitet. LuNaRa steht als Abkürzung für „Ludwigshafen Nazis Rassisten“.
Einzelne Teilnehmer konnten Gruppen wie der Hooltruppe „Gemeinsam Stark“, „Troublemaker Magdeburg“ oder der Hammerskin-Supporter-„Crew 38“ zugeordnet werden. Für erste Hilfe stand ein Vertreter des „Demosanis Kameradschaftsdienst“ bereit. An Parteien waren vor allem Mitglieder von „Die Rechte“ und NPD vor Ort.
Andere Personen trugen die Symbolik der griechischen neofaschistischen Partei „Golden Dawn“ oder des ukrainischen Nazi-Labels „Svastone“
Zudem kokettierte in Durlach ein Teilnehmer offen mit seiner Sympathie für den  Rechtsterrorismus. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „Combat 18“ auf der Vorderseite und der Drohung „the war is coming – this is our answer“ mitsamt einer Pistole-Abbildung auf der Rückseite. Bei „Combat 18“ handelte es sich um eine rechtsterroristische Gruppe, die in Großbritannien drei Menschen durch Bombenschläge ermordete und zahllose verletzte. Ihre Buchstabenkombination zielt auf den ersten und den achten Buchstaben im Alphabet ab. A und H bzw. Adolf Hitler.

Vor Ort maßgeblich als Veranstalter aktiv war Christian Worch (Die Rechte) aus Parchim (Mecklenburg-Vorpommern), dem Dieter Riefling aus Hildesheim zur Seite stand.

Worch schien etwas cholerisch gestimmt zu sein, denn er brüllte mehrmals seine Kameraden an, weil es ihm bei der Aufstellung des Demonstrationszugs nicht schnell genug ging.  Auch Angelina Bähren aus dem Umfeld von „Die Rechte“ ließ ihrem Ärger laut Raum und beschimpfte Pressevertreter als „Fotzen“.

Neben Worch sprach Manuel Mültin, der Landeschef von „Die Rechte“, und eine uns noch unbekannte Frau. Diese sprach bei der Zwischenkundgebung am Hengstplatz. Der Wagen mit der Technik für die Demonstration wurde von der bekannten Autovermietung „Buchbinder“ entliehen.
Der Redebeitrag am Hengstplatz wurde aber effektiv durch einen Anwohner mittels einer Beschallung mit elektronischer Musik gestört. Diese engagierte Intervention endete, als einige Neonazis versuchten in die Wohnung zu stürmen und die Polizei ihnen hinterher eilen musste, um das zu verhindern.

Vor Ort anzutreffen waren auch Siegfried Borchert („SS-Siggi“) aus Dortmund und der NRW-Landesvorsitzende von „Die Rechte“, Sascha Krolzig. Ebenso Philipp Tschetschner, der als Liedermacher unter der Bezeichnung „Reichstrunkenbold“ auftritt.

Auffälligerweise waren verschiedene rechte Protagonisten aus Baden-Württemberg nicht vor Ort. Dass keine erkennbaren Mitglieder der Neonazi-Kleinstpartei „Der III. Weg“ vor Ort waren, verwundert nicht so sehr. Die Nachfolge-Organisation des „Freien Netz Süd“ (FNS) mit Schwerpunkt in Bayern gilt unter Expert*innen als worch-feindlich.
Ebenso fehlten Mitglieder der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) und das in Baden-Württemberg weitgehend deckungsgleiche „Antikapitalistisches Kollektiv“ (AKK).  Genauso vermisste man die bekannten Gesichter von NPD-Gliederungen wie dem Kreisverband Rhein-Neckar.

 

Fazit: Alter Wein in alten Schläuchen


Außenwirkung dürfte der Aufmarsch kaum entfaltet haben. Die gesamte Demo-Strecke war von der Polizei abgeschirmt. Zur Trennung vom antifaschistischen Gegenprotest setzte die Polizei teilweise auch den Schlagstock oder Pfefferspray/CS-Gas ein. Insgesamt waren am Samstag mehr als 3000 Polizeibeamte aus acht Bundesländern in Durlach im Einsatz.


In der Stadt selbst bezogen zahllose Anwohner*innen mit Plakaten und Transparenten Stellung gegen den TDDZ. Auf die Straße gingen laut „Karlsruhe gegen Rechts“ 4.000 Menschen.


Ursprünglich war der TDDZ für die Karlsruher Innenstadt geplant. Hier fand aber am 3. Juni eine „Christopher Street Day“ (CSD) statt.


Offenbar entfaltete Durlach nur wenig Anziehungskraft die Szene. Bis dato war der TDDZ ohnehin immer eine norddeutsch geprägte Veranstaltung gewesen. Dortmund war im letzten Jahr dran und gilt unter Neonazis als „unsere Stadt“. Das darf durchaus in Zweifel gezogen werden. Neonazis üben allerhöchstens in einzelnen Stadtteilen wie Dorstfeld eine Hegemonie auf der Straße aus. Trotzdem ist Dortmund eine Hochburg rechter Gewalt und mit fünf rechten Morden seit 2000 trauriger Spitzenreiter.

 

Mit dem TDDZ bestätigte sich scheinbar noch einmal, was sich zuvor bereits am 1. Mai bundesweit bundesweit und beim Tag der Heimattreue am 19. März in Bruchsal für „Baden-Württemberg“ gezeigt hatte: Eine relative Mobilisierungsschwäche. Der neonazistischen Rechten gelingt es nur noch einen harten Kern ihrer Szene für Demonstrationen zu mobilisieren.


Das mag in Anbetracht des deutschland- und europaweiten Rechtsrucks erst einmal überraschen.


Doch hier verliert die ‚alte‘ neonazistische Rechte zugunsten neuer rechter Phänomene an Zulauf. Sowohl an der Wahlurne, wo die NPD zugunsten der AfD Federn lassen musste. Auch neuere nicht-neonazistische und modernisierte extrem rechte Angebote wie die „Identitäre Bewegung“ scheinen rechte Jugendliche stärker zu begeistern als NS-Traditionsfolklore. Diese führt eher in die Selbstisolation, sogar innerhalb der extremen Rechten.

 

Der 10. TDDZ soll am 2. Juni 2018 in Goslar stattfinden. Die symbolische Weitergabe des TDDZ-Fronttransparents fand am Ende der Demonstration in Durlach statt. In der niedersächsischen Region agiert eine „Aktionsgruppe Nordharz“, die „Der Rechte“ nahe steht. Möglicherweise ist sie der neue Träger. Der neue Ort hat auf jeden Fall einen höheren Symbolwert für Rechte als Durlach. Die Stadt Goslar fungierte im Dritten Reich als „Reichsbauernstadt“. Sicherlich eine Tradition, an die auch der TDDZ anzuknüpfen versucht.

 

Weitere fotografische Eindrücke finden sich auf unserer Homepage adiz.info

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Ester Seitz war nicht da und das obwohl es ihre Homezone ist.

Seitz ist im freien Fall, bekommt von den eigenen Kameraden Demoverbot.

Daher hat sie auch nicht mobilisiert.

Die Freiheit (Stürzenberger), PEGIDA (Bachmann), Identitäre Aktion (Dittmer), Die Rechte/3. Weg (Worch, Giemsch und co), grosse Teile von NPD/JN, alle verweigern die Zusammenarbeit.

Stürzenbergers "Freiheit" ist schon seit Längerem Geschichte (die AfD hätte sein Ziel der Anti-Islam-Propaganda übernommen, außerdem war der Moscheebau in München von Idriz gescheitert, den Stürzenberger lange Zeit als Aufhänger für mehr oder weniger schlecht besuchte Kundgebungen nutzte). Der macht jetzt einen auf bundesweiten Solo-Demotourist, Redner bei Pegida Nürnberg und kreuzt ab und an bei der AfD München auf (so z.B. beim Merkel/Seehofer Treffen am letzten Sonntag oder einer "Kundgebung" mit 5 AfDlern an der Münchner Freiheit vor ein paar Wochen).

Wer wohl auch nicht da war aus München, jedenfalls sind die niemandem aufgefallen und ich hab sie auch auf Fotos bis jetzt nicht gesehen: die NPD/Die Rechte-AkteurInnen rund um Renate Werlberger (NPD) und Philipp Hasselbach (Die Rechte), sowie die Hool-Truppe um Kainz (letzterer dürfte wohl das Aus von 1860 in den Knochen stecken).

 

Warum die Identitären nicht da waren, dürfte nicht nur mit Beef zwischen den Führungskadern zu tun haben, eher mit folgendem: für die Identitären gab es keine Außenwirkung zu erwarten. Die typische Aktionsweise von denen, nämlich Hochglanzfotos und Symbolaktionen, verträgt sich eher weniger mit einer Latschdemo mit harten Rechtsextremen (von denen sich die IB in ihrer eigenen Darstellung bewusst abgrenzen will). Sie sparen außerdem grad Ressourcen weil sie Mann und Maus am 17. nach Berlin mobilisieren wollen, und ihre Kader haben noch dazu grad größere Probleme am Hals: die Verhaftungen in Aachen wegen Drogenkram hatten IB-Verbindungen, nach der Maas-Aktion gab es ordentlich politisches und mediales Feuer inklusive einem Haftbefehl für den LKW-Fahrer und bei Merkel/Seehofer haben sie von CSUlern kassiert und sich das Transpi abziehen und zerstören lassen. Also alles in allem wäre für die IB eine Teilnahme an der Demo nicht sonderlich sinnvoll gewesen.

war dort. Das kannst du auf den Bildern sehen. Und warum sollte Petra Kainz vom dritten Weg auf eine Demonstration einer "Konkurrenz" Partei gehen?

 

Könntest du bitte Aussagen denjenigen überlassen , die sich schon länger mit der rechten Szene in München beschäftigen?

Scheinbar machten Faschos der Kameradschaft Höri Bodensee auf der Rückfahrt von Karlsruhe etwa bei Sankt Georgen im Schwarzwald im Zug Stress. Sind da irgendwelche Menschen dort bekannt? Im Idealfall mit Bildern?

Ralph Kästner wohnt in St.Georgen. Siehe: https://linksunten.indymedia.org/de/node/167003

 

Er war auch in Karlsruhe mit dabei (vorne links am Transpi): https://www.flickr.com/photos/soerenkohlhuber/34267129093/in/album-72157...

Auch Tim Löffelbein war mit KHB T-Shirt dort: https://www.flickr.com/photos/soerenkohlhuber/35037578306/in/album-72157...

Wohnt mittlerweile in Freiburg: https://autonome-antifa.org/?breve6042

Neben dem Die Rechte Funktionär Sascha Krolzig(Bielefeld) und "SS-Siggi", Siegfried Borchard(Dortmund) waren weitere Nazis aus dem westfälischen Umfeld von Die Rechte anwesend, speziell aus Dortmund.
Zu nennen sind hier insbesondere Michael Brück, Dortmunder Stadtrat für Die Rechte und hochrangiger Funktionär in NRW, Christoph Drewer und sein jüngerer Bruder Matthias Drewer. Letzterer kam erst vor nicht allzu langer Zeit aus dem Knast und hat eine große Vorliebe dafür antifaschistischen Protest zu fotografieren.
Weiterhin zu nennen sind Daniel Grebe, Ingo Aßmann und Tim Gehrmann.
Erkennbar an ihren roten T-Shirts zum TddZ 2016 in Dortmund, waren ca. 2-3 Dutzend Nazis aus dem Dortmunder Umfeld angereist.

Video-Doku der Nazi-Demo: https://youtu.be/8f-KlbYiXcg

aus der Ortenau dabei? Von den dortigen üblichen Verdächtigen findet man keine Fotos. Wurden die übersehen oder hat sich die dortige Szene dank antifschistischem Widerstand tatsächlich aufgelöst? Immerhin hatte die ja fast ein Heimspiel!? Fragen....