[DD] Aktionswoche an der TU Dresden „Fight Borders! Fight Fortress Europe!“

Fight Fortress Europe

Wir haben die Woche vor Ostern genutzt, um mit einer Reihe von Aktionen die Menschen auf dem Campus der TU Dresden aus ihrer Lethargie und unreflektierten Stumpfheit zu reißen und sie auf das Massensterben an den europäischen Außengrenzen aufmerksam zu machen. Denn: Die Festung Europa steht! Sie ist nicht weiter ein feuchter Traum rechter Vordenker*innen in Europa, sondern tödliche Realität. Anfang dieser Woche gab die türkische Regierung bekannt, dass sie den Bau der 550km langen Grenzmauer zu Syrien abgeschlossen habe. In Spanien, Griechenland und Bulgarien sind die provisorischen Barikaden aus Stacheldraht zu bis zu 10m hohen Zaunreihen mit bewaffneten Grenzposten ausgebaut worden.

 

Doch jeder noch so hohe Zaun kann überwunden werden, wenn er nicht gleichzeitig mit Waffen verteidigt wird. Und somit ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die europäischen Grenzbehörden sich nicht nur noch darauf beschränken, den tausenden Menschen entweder dabei zuzusehen, wie sie im Mittelmeer ersaufen und im Stacheldraht verbluten, oder die Menschen mit dem massiven Einsatz von Tränengas und Schlagstock auf Distanz zu den Grenzanlagen zu halten.

 

Wir können und wollen diesem großangelegten Massenmord der europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten nicht tatenlos zusehen. Wir können und wollen uns nicht schuldig machen an dem Mord an tausender Menschen, deren einziges Vergehen es sein soll, auf der falschen Seite des Stacheldrahts geboren zu sein, und die ihre Heimat aufgrund von Krieg und Armut verlassen mussten.

 

Perfider Weise ist die europäische Union im großen Maße für eben jene Fluchtursachen verantwortlich. Sei es nun durch die Ausstattung des Assad-Regimes mit chemischen Kampfstoffen, durch das Ausbeuten von Ressourcen überall in der Welt durch europäische Konzerne, die Zerstörung ganzer Wirtschaftszweige in anderen Ländern durch den Export stark subventionierter Produkte, durch Kriegshandlungen und Waffenverkäufe rund um die Welt oder die, aus all diesen Dingen resultierende, Umweltzerstörung.

 

All die Menschen, die an den europäischen Außengrenzen oder auf dem Weg dorthin elendig verrecken, sind somit ein notwendiges Übel, um den Wirtschaftsstandort Europa zu erhalten und im Sinne ihrer neoliberalen Vordenker weiter auszubauen.

 

Gleichzeitig gibt sich die europäische Union als die Hüterin der Menschenrechte und scheitert an ihren Grenzen Täglich an ihren eigenen Ansprüchen!

 

Doch Menschenrechte sind universell und sind nicht etwas, was man zuerkannt bekommt, wenn man den Weg über das Mittelmeer und die Grenzanlagen geschafft hat.

 

Um die Wahrung der Menschenrechte für ALLE zu gewährleisten braucht es sichere Einreisemöglichkeiten, die Grenzen müssen entmilitarisiert werden und die europäische Union und ihre Konzerne müssen ihre verheerenden Wirtschaftsunternehmungen rund um den Globus einstellen.

 

Wir wollten nicht weiter zusehen, wie viele Menschen in ihrer warmen Komfortzone sitzen und all das ignorieren können. Deshalb haben wir eine Grenze auf dem Campus errichtet um die Frustration anzudeuten, vor einer geschlossenen Grenze zu stehen und nicht weiterzukommen. Damit nur ein kleiner Eindruck der Brutalität der europäischen Grenzrealität transportiert wird, haben wir mit Stacheldraht und Nebeltöpfen gearbeitet [1]. An den folgenden Tagen haben wir Flyer und Flugblätter verteilt, um unsere Position darzulegen und die Menschen an der Universität dazu anzuregen, durch selbstständiges Denken eine kritische Position zu der Grenz- und Migrationspolitik der EU einzunehmen und entsprechend aktiv zu werden [2, 3]. Wir hoffen, dass unsere Aktionen einige Menschen angestoßen haben, sich mit diesem Thema, das so sträflich wenig in der Öffentlichkeit thematisiert wird, zu beschäftigen, während es vor fremdenfeindlichen Klischees in den Nachrichten nur so wimmelt. Abschließend haben wir versucht die Ruhe des Lesesaals der Bibliothek zu nutzen, um mit einem Banner und Flyern erneut auf verheerende Wirkung von Grenzen aufmerksam zu machen [4].

 

Das Ziel unserer Aktionen war immer, Menschen auf dem Campus mit Unterbrechungen des Alltages auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen: Neben der nicht zu rechtfertigen Existenz von Grenzen allgemein das heuchlerische Verhältnis der EU zu den schrecklichen Zuständen an ihren Grenzen.

 

Aber Dresden wäre nicht Dresden, wenn nicht dumme und unreflektierte Reaktion kommen würden. Über die anonyme Plattform Jodel reichten die Reaktionen von stumpfer Extremismustheorie bis hin zu menschenverachtenden Aussagen. Der Wunsch, dass im Mittelmeer möglichst viele Geflüchtete ertrinken mögen, damit Europa gleichsam weniger Menschen aufnehmen müsse, war nur die traurige Spitze der menschenverachtenden Äußerungen [5]: In der Anonymität zeigt sich die ganze konservative bis rechtsnationale Prägung vieler Menschen an der TU Dresden. Auch die unmittelbaren Reaktionen waren häufig ablehnend – meistens wurde kritisiert, dass der ordnungsgemäße Ablauf des Alltags gestört wurde: das „gehöre sich ja so nicht“. Die überwiegende Spießigkeit dieser Generation macht konservative und reaktionäre Kräfte bestimmt sehr glücklich.

 

Natürlich wollen wir nicht alle Menschen an der Universität über einen Kamm scheren; es gibt politisch Interessierte mit reflektieren Standpunkten, die nicht auf Menschenrechte verzichten können, jegliche Diskriminierung ablehnen und faschistoide Tendenzen entschlossen entgegentreten. Doch auch gerade diese Menschen sind dazu aufgefordert weiter in die Offensive zu gehen und weiter Druck auf die EU und ihre Helfer*innen aufzubauen um das Morden zu beenden.

 

Doch die Äußerungen und Handlungen in Reaktion auf unsere Aktionswoche haben uns in der Beobachtung bestätigt, dass die Mehrheit der Dresdener Studierenden nicht „nur“ politisch uninteressiert ist, sondern meist auch rechte Vorurteile, menschenfeindliche Grundeinstellung und einen gefährlichen Grad an Ordnungsverbohrtheit und Obrigkeitsgehorsamkeit aufweisen. Diese Menschen machen sich ebenso an dem Mord an Tausenden Menschen schuldig, da sie durch ihr Verhalten die Abschottungspolitik der europäischen Union vorantreiben und scheinbar legitimieren. Doch das ist für uns Ansporn! Wir werden sie weiterhin und immer wieder stören und sie mit Vehemenz auf die drängenden Probleme aufmerksam machen und sie immer wieder mit der Schuld, die sie auf sich laden, konfrontieren.

 

Daher fordern wir euch Menschen auf dem Campus (und alle anderen) dazu auf, gegen die Festung Europa aktiv zu werden! Beteiligt und plant Aktionen, die sich mit dem Thema europäische Grenze befassen! Nehmt Einfluss auf Politiker*innen, die diese Grenzpolitik mit zu verantworten haben!

 

(Und kauft euch - wenn das alles nichts mehr hilft - einen Bolzenschneider und lasst uns von innen dafür sorgen, dass die Grenzen der europäischen Union fallen, denn sie bedeuten den Tod für tausende von Menschen.)

 

Für einen konsequenten Antirassismus!

 

[1] https://twitter.com/Mario_mit_Blume/status/851428799501697024

[2] https://twitter.com/Protilope/status/852159427952205824

[3] https://twitter.com/Mr_Tuetenquark/status/852140925010796545

[4] https://twitter.com/Mr_Tuetenquark/status/852502109006254080

[5] https://twitter.com/ixogum/status/851417403833626624

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Menschenrechte wurden eingeführt, um den Schutz des einzelnen gegenüber dem Staat zu gewährleisten. Wenn es also um Menschenrechte geht, müsste mensch zuallerst die Fluchtursachen angehen, die die Menschen aus ihrer Heimat treiben, und das sind vor allem korrupte Eliten, machtgierige Clanchefs, religiöse Fanatiker und dergleichen mehr, die Krisen und Kriege anzetteln. Die ungleichen wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen den kapitalistischen Ländern und Afrika kommen oben drauf, wobei die wirtschaftlichen Aktivitäten von Russland und China gerne übersehen werden.

 

Ob Migration ein Menschenrecht ist, Migration von einem Staat in einen anderen, ist seit Ende des zweiten Weltkriegs umstritten, weil auf der anderen Seite das Recht der Menschen steht, ihre örtliche Gemeinschaft selbst zu definieren und damit ihre Grenzen zu schützen - sonst könnte, ganz simpel getippt, ein grosser Staat "seine Leute" in Bewegung setzten und "ganz friedlich" kleinere Staaten komplett übernehmen. Aktuelle Debatten dazu sind komplex und streifen viele Bereiche, z.B. https://www.heise.de/tp/features/Freie-Einwanderung-ein-Menschenrecht-33... und haben übrigens nichts mit Rassismus zu tun. Klassische Einwanderungsländer wie Kanada, Australien oder Neuseeland vergeben daher "Punkte" nicht nach Hautfarbe oder Religion, sondern nach Qualifikation: http://www.deutschlandradiokultur.de/kanadas-immigrationssystem-nur-die-...

Dass bessere Menschenrechtslagen andernorts für weniger Flucht und Migration sorgen könnten, mag ja stimmen, ist aber in der Situation, wo ein davor geflüchteter Mensch an der Grenze steht, komplett irrelevant. Selektion von Einwandernden nach wirtschaftlicher Verwertbarkeit hat nix mit Selbstbestimmung der "örtlichen Gemeinschaften" zu tun, solange die Wirtschaft nicht selbstbestimmt ist, sondern geldbestimmt. Dass die Bevölkerung kleinerer Staaten sich von größeren Nachbarstaaten demografisch bedrängt fühlen können, ist ne Tatsache, auch wenn in Deutschland selten wahrgenommen wird, dass das Sentiment gegen Einwanderung in der Schweiz sich großenteils gegen zugewanderte Deutsche richtet -- das scheint größtenteils nicht mal den AfD-Fans klar zu sein, die die Schweizer Abschottungspolitik hier als nationale Selbstbestimmung abfeiern.

 

Das Recht auf Auswanderung aus dem eigenen Staat ist ebenso Bestandteil der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wie das Recht, in einem anderen Staat Schutz vor Verfolgung zu suchen (Art. 14 bzw. 13-2). Das war also seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nur gut drei Jahre umstritten, seither sind Menschenrechte definiert.