Last call: Feuer statt Konfetti – Den AfD Bundesparteitag verhindern

Hoops

Ein Aufruf zur fabelhaften Nutzung einer doch ganz günstigen Situation in diesen dunklen Zeiten

Am 22. und 23. April findet der AfD-Bundesparteitag in Köln statt. Tausende Menschen werden ab früh morgens in den Blockaden und Demonstration stehen – vor allem aus Köln und Umgebung. Dies ist ein Aufruf an die autonome und radikale Linke die Chance zu ergreifen die glasklar auf der Hand liegt: Die spektakuläre Verhinderung des Parteitags soll ein gemeinsames Projekt werden, in einer Zeit wo es an solche mangelt. Wieder nur ein Event werden einige sagen. Oder hoffentlich nicht ein Debakel wie in Stuttgart. Die AfD ist nicht mehr aufzuhalten, die Pessimisten. Und sind die AfDler überhaupt wirklich Nazis, die Borniertesten. Sicherlich könnte jemand bestimmt tausend Gründe erfinden nicht nach Köln zu fahren – aber wirklich... worauf warten wir wirklich? Die AfD zerlegt sich vielleicht selbst – aber wir könnten nachhelfen ihr den wahren Todesstoss zu geben.

 

Willkommen in der Hölle von Köln


In Köln hat Antifaschismus Tradition – dies bedeutet neben nervige karnevalistische Folklore vor allem gutes. Die letzte Monate haben gezeigt, dass der Protest in der Medienmetropole am Rhein vielschichtig sein wird. Die Tausenden Bierdeckel werden ihren Effekt haben, gepaart mit zahlreichen Erfahrungen des „Zusammenstehens gegen Rechts“ der letzten Jahre. Erinnert sei an die Verhinderung des „europaweiten“ Antiislamisierungskongress von Pro Köln, also das Zusammentreffen von 150 Leuten, von über 20.000 Gegendemostrant*innnen. Bei dem zweiten HoGeSa Aufmarsch bewiesen Antifaschist*innen wie die Kölner Hölle für Neonazis aussehen kann: blutige Nasen und Köpfe und eine Sichtbarkeit der Neonazis die gen Null tendiert. Die Wiederholung des ersten massiven HoGeSa Aufmarsches ist an dieser Entschlossenheit gescheitert.

Die Vorraussetzungen sind ähnlich wie beim Antiislamisierungskongress: Breites Medienecho, Skandale, Maritim und breite gesellschaftliche Diskussion um die Proteste. Vorboten waren die Verhinderung der AfD Veranstaltungen beim Birlikte-Fest in Köln-Mühlheim und Universität zu Köln. Bundesweit werden Infoveranstaltungen organisiert, Busse gechartert und noch der eine oder andere AfDler besucht. Und Köln ist nicht Stuttgart: Der Parteitag findet nicht abgeschottet in der Messe statt, sondern direkt in der Kölner Innenstadt. Die Zivilgesellschaft Kölns tobt sich schon seit Monaten aus und bereitetet der AfD einen massenhaften Empfang vor. Und die Aktionsmöglichkeiten werden vielfältiger sein als im Land der Maultaschenliebhaber: Wir sind nicht der Polizei in Kamikaze-Blockaden wie in Stuttgart ausgeliefert, sondern haben trotz großem Polizeiaufgebot Spielraum den wir nutzen sollten.


Die radikale Linke scheint trotz gemeinsamer Suche nach einem Projekt, sich eher auf den G20 zu fokussieren, als doppelt zu zuschlagen. Es scheint als sei ein Protest gegen Trump und die anderen Herrschenden der Welt die in Hamburg zu Gast sein werden einfacher als gegen das Elend im eigenen Land vorzugehen. Stellt euch aber vor wie der Effekt sein wird wenn Bilder von tausenden Blockierern und brennenden Barrikaden in Köln um die Welt gehen: Es könnte der Anfang eines Gegenangriffs von links sein, genauso wie die aufkommenden antifaschistischen Proteste in Frankreich gegen den eventuellen Wahlsieg von Marine Le Pens Front National oder die sozialen Kämpfe die sich hoffentlich bald im Trump-Land ausbreiten werden.

 

AfD is part of this fucking crisis system


Die deutsche und europäische Linke ingesamt hat sich doppelt blamiert: Die Suche nach dem Messias wurde zur Anbetung der einzig gedachten realistischen Alternative – der klassische einfache Weg. Das Hoffen auf eine homogene Entwicklung der Linksparteien europaweit – eine Illusion, genauso wie auch die Annahme, dass der Schneeball der Selbstorganisierung immer von alleine weiter rollt und größer wird und die laufende Gesellschaftsform ablöst. Wie konnten „wir“ alle annehmen, dass von Griechenland aus eine soziale Wende in Europa eingeführt wird. Viele wedeln jetzt mit den Finger auf die gescheiterte Transformation oder gar verpasste Chance der sozialen Revolution. Erinnern sich doch plötzlich, zu spät, an die angestrebte Autonomie der sozialen Bewegungen. Andere sind schockiert und sympathisieren mit Resignation und der Rückkehr zum Sofaplatz. Einige wussten es schon immer besser. Nur die wenigsten haben sich tatsächlich während der Zeit mit Alternativen auseinandergesetzt.Und das wichtigste wird weiterhin übersehen: Es geht in dieser Situation nicht um Sieg oder Niederlage, Romantik oder berechtigte Hoffnung sondern darum, dass der Skandal namens Kapitalismus und der fortschreitende technologische und soziale Angriff wieder auf der Tagesordnung ist und weiter aufgedeckt wird. Der Angriff auf Griechenland ordnet sich ein in die weltweite Unterdrückung der Menschen durch die Innovationsschübe des Kapitals. Im Namen der Austerität wird alles platt gemacht was alt und hinderlich ist, der Ausverkauf des Staates weiter vorangetrieben und ganze Regierungen delegitimiert mit dem Ziel Platz zu schaffen für die weitere Experimente der kapitalistischen Eliten. Die tatsächlichen Gründe der Krise werden immer noch verdeckt – egal ob vom Establishment oder den neuen Populisten jeglicher Couleur. Fazit auch hier: die Krise ist beileibe nicht vorbei, sie hat sich verschärft und dient weiterhin als Einfallstor des allumfassenden kapitalistischen Angriffs.

 

Der Siegeszug des Kapitals hat in den ökonomischen Beziehungen und den Subjekten Spuren hinterlassen, auch in den repressiven und ideologischen Staatsapparaten vollzog sich eine „autoritäre Formierung“. Befugnisse für Polizei und Sicherheitsdienste wurden immer mehr erweitert, Frontex Einsätze finden ohne Öffentlichkeit und parlamentarische Kontrolle statt und weitreichende politische Entscheidungen treffen, wie das Troika-Regime im Griechenland, nicht mehr die gewählten Abgeordneten. In Frankreich konnte letzten Frühling begutachtet werden, wie „demokratisch“ ein neues Arbeitsgesetz mit Gasgranaten und Schlagstöcken abgestimmt wird. Die „Verselbstständigung der Exekutivgewalt“ geht einher mit der Aushöhlung von Grundrechten durch immer neue Sondergesetze für zum Beispiel „Ausländer“ oder „Erwerbslose“. Ideologisch abgesichert wird dieser Prozess durch einen Standortnationalismus, der konsequent sozialdarwinistisch, seine Bürger und die es werden wollen, nach ihrer Nützlichkeit für Staat und Wirtschaft sortiert.

 

Ergebnis von all dem ist die Etablierung der Krise als Lebensform; die Ausgeschlossenen vermehren sich und müssen eine verschärfte soziale Kontrolle und Ausschluss, neoliberale Verwaltung der Arbeit und Erwerbslosigkeit ertragen. All das passt auch zu der fortschreitenden Digitalisierung, die mittlerweile jegliche Sphäre des Lebens betrifft. In der nicht so fernen Zukunft wird die Filterung der Bevölkerung in Nutzlosen und Nützlichen von Computern erledigt, die Polizisten durch unverletzliche Robocops ersetzt und die Untertanen werden sich mittels eines bedingungslosen Grundeinkommens nicht mehr Autos leisten sondern einzelne Fahrten bei Uber.

 

Dabei spielen Formierungen wie die AfD oder ihre schon zu Ende erfolgreich modernisierten Vorbilder Front National in Frankreich oder die FPÖ in Österreich ihre ganz eigene Rolle: Sie treiben die herrschende Politik vor sich her. Den herrschenden politischen Eliten fällt als Antwort auf die rechtspopulistische Zuspitzung nichts mehr ein als die Übernahme und Vollziehung autoritärer Politikprogramme. Asylrechtsverschärfung, Abschottung oder eine starke Polizei sind die Instrumente mit denen sie glauben die Wähler zurück zu gewinnen. Tatsächlich aber schaufeln sie die klassischen Volksparteien an ihrem eigenen Grab: Das Phänomen Trump ist nur die Spitze des Eisbergs der Krise der klassischen Politik die sich im letzten Jahrzehnt im Rahmen der Finanzkrise manifestiert. Der Ausgang ist unklar, aber alles deutet auf wenig gutes hin: Der Neoliberalismus passt sich an den neuen Kampf zwischen den nationalkonservativen und neoliberalen Blöcken an, die in letzter Instanz lassen sie sich prima ergänzen. Im Notfall muss auch bei einer autoritären Führung mitgemacht werden. Dies beweist das Treffen der „liberalen“ Silicon-Valley Chefs mit Trump. Auch in der BRD ist die AfD in der politischen Landschaft angekommen. Wenn sie sich nicht selbst zerlegt, wird sie sich allmählich zu einer echten Koalitionsoption entwickeln und stärkeres Interesse in der deutschen Wirtschaft wecken.

 

Wir hören mit der Scheiße nicht auf, bis die Scheiße aufhört

 

Eine Strategie gegen die AfD. muss die gesellschaftspolitischen Entwicklungen ins Zentrum ihrer Kritik setzen. Die reaktionären Krisenlösungen dieser Parteien schneiden sich gewiss mit vielen Gepflogenheiten der herrschenden Politik und widersprechen in einigen Punkten den Interessen der Industrie. Nichtsdestotrotz sind sie der radikalste Ausdruck der allgemeinen »autoritären Formierung« von Staat und Gesellschaft. Daher ist unser strategisches Ziel im Kampf gegen die AfD eine progressive Alternative zu einer menschenfeindlichen Politik aus Nationalismus, Sexismus und knallhartem Neoliberalismus sichtbar zu machen.

 

Eine solche Alternative aber leichter gesagt als getan. Wie wir in den letzten Monaten feststellen konnten, gibt es keinen sichtbaren politischen Gegenspieler zur AfD in der Öffentlichkeit. Die Kampagne »Nationalismus ist keine Alternative« ist bisher eher ein Projekt der Aktivierung der radikalen Linken – sie hat jedoch das ehrenwerte Ziel, Teil eines breiteren gesellschaftlichen Gegenentwurfs zur autoritären Formierung von Staat und Gesellschaft zu sein. Ob sie den Sprung weg von einer reinen „Anti-AfD-Agentur“ schafft ist offen. Das Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« ist dabei immer noch der klägliche Versuch Linksliberale von der Notwenigkeit einer deutlichen Kritik an der bestehenden Regierungspraxis und ihrer autoritären Verschärfung zu überzeugen. Wir denken aber dass der ewige Wunsch nach Verschiebung im besten Fall die falsche Fokussierung ist. Interessanter als das nächste Forum zu gründen ist eher, dass durch die Auseinandersetzung tausender Solidarisierender mit dem staatlichen System, ein interessantes Feld, wo weitergehende Auseinandersetzungen, wie etwa gegen Asylrechtsverschärfungen und Abschiebungen, möglich werden entsteht. Gleichzeitig denken wir, dass es einen deutlichen Umschwung im Theorie-Praxis-Verständnis im Kampf gegen diese Zustände braucht. Dabei sollten alte bewährte Rezepte erweitert und neue Ideen riskiert werden:

Es ist an der Zeit sich von zeitlich beschränkten Minimalkonsens-Bündnissen und Eventmacherei von Oben hin zu einer Offensive auf der Straße und allen Millieus zu bewegen. Dabei muss mehr her als eine einfache Aufsummierung von Akteuren oder isolierte Stadtteilarbeit. Innerhalb eines solchen Prozesses der Formierung einer emanzipatorischen Gegenmacht sollten wir versuchen, die bestehenden gesellschaftlichen Bruchlinien zu befeuern. Egal ob in Italien oder Griechenland, wo wir mit den Geflüchteten Wohnraum besetzen und den Frontex Schergen einheizen, beim Arbeitskampf der Amazon-Arbeiter*innen Flugblätter mit verteilen oder aber der Reaktionären bei AfD-Veranstaltungen auf die Pelle rücken, letztendlich braucht es eine grundsätzliche Diskussion über eine andere Gesellschaft.

 

Gleichzeitig sollten wir weiterhin durch öffentlichkeitswirksame Aktionen wie den Aktionen beim AfD-Bundesparteitag den politischen und öffentlichen Raum zurückerobern. Mit etwas Kreativität konnte mit der Aktion in Berlin "Return to Sender" der Zusammenhang von rassistischen Debatten und Brandanschlägen in der Öffentlichkeit thematisiert werden. Die Aktionen in weißen Maleranzügen sind derweil zu einem Markenzeichen geworden – wenn auch nur in den linken Social-Media-Kreisen.


Wir sind aber auch vor allem die Leute die in den letzten Jahren AfD Veranstaltungen verhinderten, Funktionäre Hausbesuche abstatteten und ein offensives Vorgehen befürworten. Dabei haben wir auch Grenzen erkannt. Die Bereitschaft, sich die eigenen Hände schmutzig zu machen, sprich in der Gesellschaft zu agieren und in bestehende politische Diskussionen wie beim Birlikte-Fest zu intervenieren, scheint bei manchen da zu sein aber ist weiterhin unterentwickelt. Genau wie auch das Erkennen dieser fabelhaften Chance in einer sehr schwierigen Situation. In Perioden wie diese wo jede 10 Stunden eine Flüchtlingsuntekunft angegriffen werden kann ohne dass es jemanden juckt, ein Milo Yannopoulos von Breitbart News seinen antifeministischen Diskurs im US-Fernsehen überall präsentieren darf oder Petry und Wagenknecht gemeinsam bei Anne Will lächeln sollten wir auf die Rückeroberung des sozialen Raums setzen. Ohne Kompromisse.

 

Kommt alle nach Köln: Es wird unser Fest, und deren Hölle. Feuer statt Konfetti.

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