Patzelts Auto: Wer es wirklich war, ist egal

The matrix has you
Erstveröffentlicht: 
28.03.2017

Als vor einer Weile in Dresden ein Sprengsatz vor einer Moschee gezündet wurde, hielten sich die Behörden lange bedeckt. Man wolle kein vorschnelles Urteil fällen. Als dann ein augenscheinlich gefälschtes Bekennerschreiben auftauchte, gingen Ulbig und seine Leute dieser „Spur“ so lange nach, bis das Offensichtliche bestätigt war. Bei unzähligen Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte in Sachsen war zudem zunächst kein politisches Motiv zu erkennen, in manchen Fällen auch nach dem Gerichtsprozess nicht. Und nun brannte Werner Patzelts Auto, und alle wissen, wer es war.

 

Die Reaktion der sächsischen AfD auf einen solchen Vorfall ist im besten Wortsinn pawlowsch: Die Antifa muss es gewesen sein (wahrscheinlich hat der e.V. den Brandbeschleuniger bezahlt), der politische Terror von links habe den Freistaat fest im Griff und Ulbig sei „auf dem linken Auge blind“ (dann sieht er allerdings gar nichts mehr, was wiederum einiges erklären würde). Das ist wenig überraschend und lockt wohl niemanden hinter dem Ofen vor. Dass allerdings das Operative Abwehrzentrum und Tag24 umgehend und offen die Täter links vermuten, veranschaulicht einmal mehr das sächsische Lagebild: Zurückhaltung und Vorsicht, wenn der erste Verdacht auf den gewaltbereiten besorgten Bürger fallen könnte. Wer Migranten und Menschen, die so aussehen, jagt, hat wohl kein politisches Motiv. Und Feuer frei, wenn linksdrehende Spekulationen schon passen werden, weil ein Auto gebrannt hat.

 

Zum Vergleich: Auf dem Bautzner Kornmarkt handelte es sich um „Einheimische“ (Tag24), die Steine auf Geflüchtete warfen; als der Husarenhof in Bautzen brannte, waren es „teilweise betrunkene Erwachsene“ und „Kinder“ (ebenfalls Tag24), die jubelnd daneben standen. Die Liste ließe sich beinahe endlos verlängern. Immer wieder gilt die Unschuldsvermutung. Man müsse erst ermittelt – nicht zuletzt, um ein mögliches politisches Motiv aufdecken zu können. Die dreist verharmlosende Rhetorik von der Asylkritik, die der hiesige Verfassungsschutz behördlich etablierte, setzt diesem Szenario die Krone auf.

 

Und nun ist Werner Patzelts Auto ausgebrannt. Bekanntlich braucht es dafür weder Jack Bauer noch Chuck Norris. Es ist also ein Leichtes, die Assoziationskette links beginnen zu lassen, weil sich die national befreite Seele umstandslos auf die gewünschte Reaktion der sächsischen Polizei und einiger Medien verlassen kann. Anders formuliert: Es ist durchaus plausibel, dass rechte Aktivisten als Täter infrage kommen. Schließlich wird „die Antifa“ umgehend zur Verantwortung gezogen. Dass es linke Aktivisten waren,  ist genauso denkbar, da einigen von ihnen eine solche Tat ohne Zweifel zuzutrauen wäre, immerhin glänzt Patzelt regelmäßig mit reaktionären Thesen.

 

Und wir sehen eine Logik der Simulation am Werk, bei der es nicht mehr um die Frage geht, wer wirklich und aus welchen Gründen am Werk war. Es spielt keine Rolle, weil eine solche Aktion schon politisch wirkt, noch bevor die Reste des Autos erkaltet sind. Der Philosoph Jean Baudrillard hatte diese Mechanismen bereits in den 1980er Jahren beschrieben. Er diskutiert das Beispiel eines Bombenattentats in Italien. Waren es die „Linksextremisten“? Ist es eine Provokation der extremen Rechten oder gar eine „Inszenierung des Zentrums, um alle terroristischen Extremisten in Mißkredit zu bringen?“ Oder „handelt es sich um ein Polizei-Szenario und eine Erpressung zur öffentlichen Sicherheit?“ Jede Hypothese erscheint wahr und falsch zugleich, und die Suche nach Objektivität hilft nicht: „Wir bewegen uns […] in einer Logik der Simulation, die mit einer Logik der Fakten und einer Ordnung der Gründe nichts mehr zu tun hat“.

 

Im gleichen vertrackten Spiel einer simulativen Deutungsspirale sind dann Überlegungen gefangen, den AfD-Brass auf Patzelt, den er sich überraschenderweise bei einer Extremismustagung in Berlin vor ein paar Tagen zuzog, als mögliches Tatmotiv hervorzukramen. Netter Versuch.

 

Als schließlich der Täter des Sprengstoffanschlags auf die Dresdner Moschee – ein einschlägig bekannter Pegida-Redner – ermittelt war, hatte das mediale Echtzeitspektakel längst anderes im Fokus. Es reichte gerade noch für die eine oder andere Randnotiz, die für Pegida kaum belastend war. Und Patzelt: Hält beharrlich daran fest, die Dresdner Spaziergänger bestünden nur aus einem Haufen verängstigte Demokraten, die ein wenig patriotisch integriert werden wollen. Das Verwirrspiel um den Sprengstoffanschlag in Dresden wird ihm dabei geholfen haben, sich selbst die Mähr auch weiterhin abzunehmen.

 

Im Hinblick auf sein Auto dagegen sieht er – von Paris aus, wo er sich vermutlich im Auftrag der Wissenschaft befindet – völlig klar. Weil der Anschlag offenbar auf eine Weise verübt wurde, wie es in Berlin länger schon zu beobachten war (siehe hier), müssen es Linke gewesen sein, die nun einen „Etappensieg im antifaschistischen Kampf gegen Rassismus und Chauvinismus“ (siehe hier) zu feiern glauben. Ein Großteil der in der Hauptstadt verübten Brandanschläge auf Autos (die nebenbei bemerkt ziemlich leicht nachzuahmen sein dürften, weil man nur ein wenig Kohlenanzünder auf die Reifen legen und entflammen muss) gingen auf das Konto eines frustrierten Mormonen. Für Patzelt reicht es allerdings, die üblichen Assoziationen zu bedienen. Im Simulationsraum des politischen Geschäfts ist die Tat nun einsortiert, egal wer es wirklich war.

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veröffentliche deine überheblichen rethoriken doch bitte weiter auf dem blog und nicht hier. nur für dich spielt es eine rolle ob jemand ein "frustrierter mormon" ist - da war ja noch die springerpresse als sie von "arbeitslosem maler" schrieb weniger  verkennend.

... dass genau der Artikel direkt über diesen roten Aluhut-Artikel auftaucht: https://linksunten.indymedia.org/de/node/208183