Berlin-Kreuzberg: Kiezdemo gegen Verdrängung

Hände weg vom Wedding

Am heutigen Sonnabend haben sich gut und gerne mehr als 1500 Personen zur Kiezdemo gegen Verdrängung aus dem Berliner Kiez eingefunden. Dabei steht die Situation in Kreuzberg nur exemplarisch für einen Berliner Gesamtzustand, der sich in anderen Kiezen ebenso, auch nicht weniger heftig, niederschlägt, bespielsweise die Rigaer in Friedrichshain, Linie in Mitte oder Friedel54 und Unser Block bleibt in Neukölln.

 

Wenngleich gegen die ganz konkrete und aktut anstehende Verdrängung des Cafe Filou, des Bantelmann oder des Kisch & Co. demonstriert wurde, sind mit Lause10-11 und M99 (um nur zwei Beispiele zu nennen) die dort drohenden Verdrängungsprozesse keinesfalls geklärt, und wie die Mieterproteste der Gemeinschaft Otto-Suhr-Siedlung und Kotti & Co. (um wiederum nur zwei Beispiele zu nennen) aufzeigen, sitzt das Problem nicht nur sehr viel tiefer, sondern geht auch sehr viel mehr Menschen an, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag, konkret: Was Bizim Kiez und Bündnis Zwangsräumung Verhindern seit langem problematisieren und skandalisieren, ist nunmehr zu einem im wahrsten Sinne des Wortes "großartigen" Problem für ganze Kieze, ihre gewachsene Struktur und die berühmte "Berliner Mischung" geworden, wenn Großteile der Bevölkerung (sei es Wohn- und Gewerbemieter) sich den sprichwörtlichen Boden unter den Füßen nicht mehr leisten können.

 

Insofern war die heutige Demonstration, die vom Heindrichplatz quer durch S036 bis zur Wrangelstraße zog, ein vergleichsweise laut- und aufmerksamkeitsstarker Auftakt solidarischer Menschen, für die, wie auf der Demo immer wieder gerufen wurde, Zusammenhalt keine Floskel und - trotz aller Veränderungen, die wir alle miteinander erleben - Widerständigkeit kein Projekt von vorgestern ist.

 

Bilder unter:

https://www.flickr.com/photos/neukoellnbild/albums/72157679134788190

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"Was Bizim Kiez und Bündnis Zwangsräumung Verhindern seit langem problematisieren und skandalisieren, ist nunmehr zu einem im wahrsten Sinne des Wortes "großartigen" Problem für ganze Kieze, ihre gewachsene Struktur und die berühmte "Berliner Mischung" geworden,

 

umgekehrt: Was seit vielen Jahren ein großes Problem breiter Kreise der Bevölkerung ist, hat das Bündnis Zwangsräumung verhindern gut 4 Jahre lang  versucht, in der Öffentlichkeit als wenige einzelne Skandalfälle hinzustellen. An dieser Verharmlosungsstrategie, welche Motivation auch immer hinter ihr stand, gab es von Anfang an immer wieder Kritik. Jetzt ist ein Punkt gekommen, wo die Kritik so stark zugenommen hat, gleichzeitig andere Initiativen wie Bizim, Otto-Suhr-Siedlung, degewo, stärker geworden sind, so dass sich das Märchen von den einzelnen Skandalfällen, die das Bündnis für uns alle löst, nicht mehr halten lässt. 

Ist zu hoffen, dass die Seifenblase wirklich platzt, die Bewegung wieder in die Breite wächst, Aktionsformen nicht mehr wie in bester Werbemanier angepriesen werden, sondern kritisch und solidarisch reflektiert werden.

Also, dieses Bündnis Zwangsräumung verhindern hat uns allen jetzt 4 lange Jahre vorgemacht, dass es gar kein Problem mit Verdrängung und hohen Mieten gibt  sondern alles nur Einzelfälle sind. Damit haben sie verhindert das eine Bewegung entsteht. Aber dank deiner Aufklärung haben wir sie jetzt erwischt, die Schlawiner.

Es ist eine nicht ganz faire Kritik, Zwangsräumung Verhindern nachzusagen, sie hätten eine Strategie der "Verharmlosung", die darin bestünde, Fälle als Einzelfälle zu skandalisieren. Die Geschichte der Betroffenen politisch öffentlich zu machen ist eben kein Runterkochen auf einen Einzelfall. Das ist aber auch schon in der Methode angelegt, Betroffene von Zwangsumzugstress gemeinsam einzuladen und in ihrer Sprache erzählen zu lassen: Daraus ergeben sich allein schon in diesem gemeinsamen Gespräch gemeinsame Einblicke in strukturelle Zusammenhänge zwischen der Lage von Nuriye hier und der Lage von Kalle da, die daraufhin öffentlich als solche angegriffen werden. Das ist die Praxis der Organisierung. Ziel ist aber davon abgesehen nicht, dass die Betroffenen mal gefälligst mit ihren alltäglichen Zumutungen klarkommen sollen und es beispielsweise von alleine zu Jobcenter oder Bezirksamt schaffen. Sondern, dass sie auch ein stückweit oft verloren gegangenes Selbstwertgefühl zurückgewinnen, indem sie sich mit anderen ihrer Zwangsräumung zu widersetzen, die ihnen Vermieter, Politik, Gerichtsvollzieher und Polizei an die Backe schmieren und an der sie nicht Schuld sind.

Von der Zwangsräumung der Gülbols über den Tod von Rosemarie bis zur Skalitzer Straße wurde durchgängig der Zusammenhang mit kapitalistischer Verwertungslogik und der Tatsache, dass Wohnraum Ware ist, betont. 

Und ja, natürlich brauchen wir eine Bewegung in der Breite, dem steht der politische Ansatz doch aber auch gar nicht im Weg. Nichts besser als das, wenn sich der punktuelle Widerstand im Kiez zu einer breiten Bewegung auswächst. Pack mit an! Zum Beispiel bei der Kiezversammlung 21.03. 19 Uhr im SO36.

Ja richtig, die Aktivist*innen, die sich bei ZR Verhindern jahrelang organisieren, die sich teilweise in klirrender Kälte mitten in der Nacht.solidarisch mit Zwangsröumungsbedrohten vor deren Buden hocken und diese gegen Gerichtsvollzieher*innen blockieren, nur um bei Tagesanbruch nach Bullenschmerzgriffen einzufahren, und um in den Folgemonaten die Repressionsknute so richtig zu spüren.... ja, all diese Menschen machen das, weil sie die systemimmanente Verdrängung von Menschen verharmlosen wollen.

tendenziell, die Kritik. Zum Beispiel wenn es in dem Bericht über die Kiezversammlung heißt "Aktuell stehen 4 Orte kurz vor der Räumung", das ist natürlich ein Hohn. Oder, googelt man das Stichwort "Zwangsräumungen", dann bekommt man den Link zum Bündnis Zwangsräumung verhindern, und klickt man da auf "Zwangsräumungen", dann ist da zu lesen: "Hier findet ihr alle aktuell anstehenden Zwangsräumungen" Hä? Seriös wäre sowas wie "Hier findet ihr die Zwangsräumungen, mit denen wir gerade zu tun haben". 

Gut wäre an dieser Stelle eine Einordnung in die  gesamte Problemlage. Denn in Berlin finden täglich mehr als 20 Zwangsräumungen statt, im Jahr 6000 bis 8000. Davon verhindert das Bündnis vielleicht vier oder fünf. 

Es entsteht schon der Eindruck, das Bündnis möchte das Phänomen in der Öffentlichkeit so zurechtstauchen, dass die eigene Bedeutung überdimensioniert wird.

Das ist natürlich fatal. Die Aktionsform ist ja super, auf jeden Fall, und jede gerettete Wohnung ist wichtig, nur müsste doch irgendwann mal eine Auswertung in Relation zur Gesamtsituation kommen, als Ausgangspunkt für Überlegungnen, was denn nun tatsächlich gegen Zwangsräumungen getan werden kann.