[OD] Sven Späthmann zu Geldstrafe verurteilt

Sven Späthmann

Bereits ab 11 Uhr sitzt Sven Späthmann im Aufenthaltsbereich des ersten Stocks im Gebäudekomplex des Amtsgerichts Ahrensburg. Die heutige Verhandlung gegen ihn ist auf 12 Uhr terminiert. Späthmann ist allerdings bekannt dafür, als einer der ersten bei Veranstaltungen der extrem rechten Szene aufzuschlagen – oftmals schon Stunden vorher und so verwundert es eben nicht, dass er bei seiner heutigen Verhandlung als einer der ersten vor Ort ist. Späthmann muss sich wegen des Zeigens des „Hitlergrußes“ und dem Vorwurf der Sachbeschädigung verantworten. Zusammen mit ca. 60 weiteren Nazis nahm Späthmann am 16. April 2016 an einer in Bad Oldesloe von der NPD organisierten und von Mark Michael Proch angemeldeten Demonstration unter dem Motto „Gemeinsam für Deutschland - Volkswillen umsetzen“ teil.

 

 Mit Rechtsrock in den Ohren auf die Anklagebank


Späthmann riecht nach Schweiß, seine Atmung geht schwer. Er trägt wie üblich seine schwarz-blaue Fleecejacke der KiK-Eigenmarke „Polar Track“. Er tippt auf seinem Tablet, was er ebenfalls als Telefon nutzt. Nervös schaut er sich um – wühlt in seinem Rucksack nach seinem MP3-Player. Aus seinen Kopfhörern dröhnt Rechtsrock. Er steht auf, schaut aus dem Fenster, erkundigt sich ob Zuhause alles gut sei. Beruhigt setzt er sich wieder hin, springt jedoch kurze Zeit später entschlossen auf und verschwindet Richtung Geschäftszimmer. Noch bevor die verfahrensbeteiligten Personen aufgerufen werden können, erkundigt sich Spätmann bei dem Vorsitzenden Richter, ob die Verhandlung beginnen könne. Um 11.57 Uhr ist es soweit. Noch bevor Richter Holtkamp die Anwesenheit der geladenen Zeugen prüfen kann, grätscht Späthmann dazwischen. Er möchte die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen, kann dies jedoch nur schwer begründen.

 Die Verhandlung


Ohne durch einen Anwalt vertreten zu werden, macht Späthmann Teilangaben zum Tatvorwurf. Nachdem Späthmann den „Hitlergruß“ bei der Demonstration in Bad Oldesloe gezeigt hat, wurde er vorübergehend in Gewahrsam genommen. Nach Beendigung der polizeilichen Maßnahmen soll er bei dem Verlassen des Gebäudes aus Protest eine Tür derart nach außen geschleudert haben, dass ein Sachschaden von 164 Euro entstanden ist. Spätmann gibt an, das Gebäude durch eine andere Tür verlassen zu haben und somit nicht für den Schaden verantwortlich zu sein. Der geladene Polizeibeamte aus Bad Oldesloe konnte hierzu nur bedingt Angaben machen und ließ Raum für Spekulationen. Zum Tatvorwurf des Zeigens des „Hitlergrußes“ verweigerte Späthmann die Aussage. Bildmaterial, das dem Gericht vorlag, belegte jedoch eindeutig diesen Vorwurf. Ein weiterer geladener Polizeibeamter aus Hamburg belastete Späthmann ebenfalls, er äußerte, dass der Angeklagte mit der Geste auf die Provokation der anwesenden Gegendemonstrant_innen reagierte.

 Das Urteil


Nach §154 stellte das Gericht den Vorwurf der Sachbeschädigung ein, da nicht zweifelsfrei bewiesen werden konnte, dass Späthmann für den an der Tür entstandenen Sachschaden verantwortlich ist. Nach Forderung der Staatsanwaltschaft ist der Angeklagte wegen Zeigens des „Hitlergrußes“ zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro zu verurteilen. Das Gericht verurteilte Späthmann knapp unter der Forderung der Staatsanwaltschaft zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätze zu je 8 Euro, insgesamt 240 Euro.

Strafmildernd wirkte sich dabei aus, dass Späthmann noch nicht einschlägig vorbestraft ist. Die 17 Eintragungen im Bundeszentralregister beruhen zum Teil auf Trunkenheit am Steuer, Fahren ohne Führerschein, Diebstahl und Körperverletzungsdelikten. Späthmann protestierte und bewirkte, dass seine Eintragungen vor dem Jahre 2000 bei der Verhandlung nicht preisgegeben werden. Als Begründung gab er an:

 

„Wenn das rauskommt, kann ich mich bei einigen Personen nicht mehr blicken lassen. Das ist innerhalb von 30 Minuten auf Twitter. Nein, vielleicht schon schneller“.

 

Das Gericht kam der Bitte nach, verwies jedoch darauf, dass dies in der Regel nur unter besonderen Umständen möglich sei.

Die Tagessatzhöhe von 8 Euro berechnet sich aus dem Einkommen Späthmanns. Nach eigener Aussage bezieht dieser Arbeitslosengeld II, ist arbeitssuchend gemeldet und ohne Berufsausbildung. Zu einem absolvierten Schulabschluss wollte sich Späthmann nicht äußern. Der Richter gab zudem an, dass er unterhalb der Zehn-Euro-Grenze geblieben sei, da Späthmann als Vater von einem zweijährigen Kind Probleme habe, den Betrag aufzubringen, was er aufgrund seiner Tätigkeit als Familienrichter nachvollziehen könne.
 

 Einschätzungen & Kommentar

 

Wir als Antifaschist_innen wollen nicht über ein gerechtes Strafmaß diskutieren. Wir sehen es auch nicht als unsere Aufgabe an, juristische Straftaten aufzuklären. Dennoch sehen wir es als unsere Pflicht, uns in Prozesse einzumischen und Ermittlungsschritte zu kritisieren. Wir müssen extrem rechte Verbindungen benennen, diese aufzeigen und entschieden bekämpfen. Unser Anliegen muss es sein, dafür zu sorgen, dass extrem rechte Strukturen nicht erstarken und ihre Verbindungen zerschlagen werden.


Sven Späthmann ist kein Stratege und vor allem auch keiner, der innerhalb der extrem Rechten unersetzlich wäre, das unüberlegte Maß an Selbstüberschätzung und Profilierungszwang machen ihn angreifbar. Sicher wird sein Alkoholkonsum, beim Naziaufmarsch am 16. April 2016 in Bad Oldesloe bestehend aus Bier und Whisky-Cola, seinen Teil dazu beigetragen haben, den „Hitlergruß“ in der Öffentlichkeit zu zeigen. An dieser Stelle möchten wir noch erwähnen, dass - entgegen der Annahme der Zeugen - Späthmann nicht die Gegendemonstrant_innen, sondern seine ankommenden Kameraden aus Mecklenburg-Vorpommern und dem Kreis Herzogtum Lauenburg mit dem „Hitlergruß“ begrüßt hat.


Es ist schon bezeichnend für den Zustand der extrem rechten Szene in Schleswig-Holstein, wenn Verantwortung einem in Niedersachsen lebenden Saufnazi wie Sven Späthmann übertragen wird. So brüstete sich Späthmann u.a. am 5. März 2016 bei einer NPD-Kundgebung in Stade damit, Manfred Riemke als Anmelder der „Neumünster wehrt sich“-Kundgebungen abzulösen.


Es verwundert uns ebenfalls, was für ein Versteckspiel Späthmann um seine Vergangenheit betreibt. Es ist bereits bekannt, dass er mehrmals wegen sexueller Nötigung angezeigt worden ist und deswegen auch zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden ist. Blöd für ihn, dass das nun auch seine Kameraden erfahren...


Bezeichnend ist, dass das Gericht sowie die Staatsanwaltschaft das Verfahren entpolitisieren und seine Tat nicht im Zusammenhang mit seinem politischen Engagement innerhalb der extrem Rechten stellen. Die Sachbeschädigung an der Tür dominierte das Verfahren, wobei dieser Vorwurf letztlich aufgrund der Unfähigkeit des Polizeibeamten fallen gelassen wurde. Im Plädoyer der Staatsanwaltschaft sowie in der Urteilsbegründung des Gerichts wird strafmildernd herausgestellt, dass Späthmann noch nicht einschlägig vorbestraft ist - jedoch wird versäumt herauszuarbeiten, dass der „Hitlergruß“ aufgrund seiner menschenverachtenden Ideologie und seiner Verbindung zur extrem rechten Szene getätigt worden ist.

 

Antifaschistische Koordination Lübeck

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Wo wohnt dieser Späthmann?

Sven Späthmann

*15.08.1976 in Neumünster

Von-Brummer-Straße 35
21706 Drochtersen

hallo antifaschistische koordination lübeck.

 

erstmal danke euch für den artikel.

allerdings habe ich eine frage, welche ich euch direkt stellen möchte, bevor ich zu eigenen rückschlüssen übergehe.

warum genau beschreibt ihr dinge wie z.B. "Späthmann riecht nach Schweiß" oder "Er trägt wie üblich seine schwarz-blaue Fleecejacke der KiK-Eigenmarke „Polar Track“". mir ist nicht klar (oder will nicht klar sein), was ihr damit zum ausdruck bringen möchtet.

 

solidarische grüße

Ich bin nicht die Antifa Lübeck und kann deshalb nur vermuten. Mein Gedanke: Für Recherche ist jedes Detail wichtig. Egal ob es "uns" als Antifas von Natur aus interessieren würde oder nicht. Warum? Weil wir nun einmal über politische Gegner_innen recherchieren, die andere Maßstäbe haben und die wir verstehen müssen. Und Informationen wie der Alkoholismus, das Tragen von KIK-Klamotten und der Gestank sind zwar aus "unserer" Sicht nicht verwerflich, werden aber verhindern, dass Späthmann in einer streng hierachischen und oberflächlichen Männerwelt wie der Neonaziszene jeweils eine Führungsrolle übernehmen wird. Insofern sind die Infos spannend und geben einen guten Einblick.