Die zusammengekommenen Nachbarn und Empörten (indignados) konntet die Zwangsräumung einer Familie in der Calle Andrade in El Clot, einem Arbeiterviertel in Barcelona, nicht verhindern. Ein Ehepaar senegalesischer Abstammung und ihre drei Kinder haben kein Dach mehr über dem Kopf, seit die Mossos d’Esquadra sich auf effektive Weise mit einer Leiter über den Balkon Zutritt in die Wohnung verschafft haben. Verónica, die Mutter, verharrte regungslos auf dem Boden und ihrem 12jährige Sohn, dem einzigen der Kinder, das sich zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung befand, wurden durch einen Polizeibeamten beide Hände auf dem Rücken festgehalten.
Die Polizeiaktion sorgte für eine angespannte Atmosphäre auf der Straße, wo sich etwa 300 Menschen versammelt hatten, die von der Asamblea Social (Sozialversammlung) des Stadtteils und der Verbindung 500×20 zusammengerufen worden waren. Die Polizeiknüppel kamen bei denen erneut schlagkäftig zum Einsatz, die sich der Räumung widersetzten oder das Vorgehen der 50 bereitgestellten Mossos verurteilten, die mit einem Dutzend Polizeiwagen in den Stadtteil gekommen waren.
Die Handlung hatte drei Leichtverletzte zur Folge – ein 52jähriger Mann mit Platzwunde am Kopf durch einen Schlag mit dem Knüppel und zwei Beamten – und vierzig Strafanzeigen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Elf davon hatten sich zusammen mit der Familie in der Wohnung eingeschlossen und die übrigen aufgeteilt zwischen der Haus- und der Wohnungstür, um der Gerichtskommission, welche die Zwangsräumung durchführen sollte, den Zutritt zu verwehren.
Nach dem Eindringen der Mossos, wurden die Demonstranten dazu aufgefordert einer nach dem anderen herauszukommen um die Strafanzeigen einzuleiten. Kurz darauf verließen die Familienmitglieder die Wohnung und trugen dabei einige Tüten mit persönlichen Gegenständen. Zu sehen waren auch Handwerker, wie sie Möbel und Haushaltsgeräte abtransportierten.
Mieter seit 26 Jahren
Die Familie lebte dank eines Mietvertrags seit 26 Jahren in der Wohnung und waren laut eigener Aussage mit ihren monatlichen Zahlungen auf dem Laufenden. Der Ursprung des Rechtsstreits geht darauf zurück, dass der Besitzer des Grundstücks, Alberto Viñas Tous – der an Einrichtungen beteiligt war, die während es Franquismus mit dem Kultusministerium verbunden waren – die Mieten deutlich erhöhen möchte. Mit dem Argument, dass der Vertrag nicht unbefristet war, begründet er seine Absicht, die Miete bei circa 800 Euro zu etablieren.
Das Ehepaar weigerte sich, die Steigerung hinzunehmen und brachte den Fall vor Gericht. Sie setzten sich in erster Instanz durch, aber die anschließende Berufung endete damit, dass dem Besitzer Recht gegeben wurde. Bis zu dem schweren Tag, den sie gestern ertragen mussten.
Die rücksichtslose Vorgehensweise der Mossos rief erneut eine Welle der Entrüstung hervor. In einer Mitteilung forderten vier Körperschaften – darunter der Mieterbund Barcelonas und PAH (Plataforma de Afectados por la Hipoteca = Plattform für die Betroffenen von Hypotheken) den Rücktritt des Innenministers der Generalitat, Felip Puig, den sie beschuldigten, dass er "die sozialen Probleme Kataloniens mittels polizeilicher Repression zu lösen versuche."
Barcelona: Massiver Polizeieinsatz für Zwangsräumung (2011)
Zwangsräumungen von Wohnungen und Häusern gehören mittlerweile praktisch zum traurigen Alltag Spaniens. Laut RTVE waren es im ersten Quartal 2011 15.000 Familien, die auf die Straße gesetzt wurden, weil beispielsweise Hypotheken nicht mehr bezahlt werden konnten. Spanische Empörte, die der Bewegung #15m angehören, aber auch einfach Nachbarn der Betroffenen, versuchen in vielen Fällen mit Zivilcourage diese Räumungen zu verhindern.
Den Text haben wir übersetzt aus der spanischen Zeitung Público. Das Foto stammt von Albert Garcías Blog.
Übersetzung des Textes, dessen Original am 26. Juli 2011 auf Público veröffentlicht wurde.
Weitere Artikel zu diesem Thema (spanischsprachig):
Perodismuhumano
La Vanguardia
Der Tag nach der Zwangsräumung – abermals in der Público
Eine Fotodokumentation von Albert García.
YouTube-Video der Zwangsräumung