[B] Der AfD-Bezirksverband Berlin-Mitte

Jürgen Mickley

Nach den vergangenen Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) sowie zum Abgeordnetenhaus (AGH), konnte die AfD zahlreiche Stimmen auf sich vereinigen. In zahlreichen Bezirken ist die AfD sogar in Fraktionsstärke in die Rathäuser eingezogen und kann mit Fraktionen und dem Stellen von Stadtratsposten nun sogar erstmals eine begerenzte, jedoch gefährliche, politische Gestaltungsmacht in sieben Bezirken für sich beanspruchen.

 
So zum Beispiel in Pankow, Reinickendorf, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick u.a.
Morgen finden die konstituierenden Sitzungen der BVV'en statt und aus diesem Anlass antifaschistische Kundgebungen in Lichtenberg, Pankow und Mitte statt. (weitere Informationen siehe unten)

Ein kleines Dossier soll nun kurz die Struktur des Bezirksverbandes Mitte umreißen, um Informationen für antifaschistische Arbeit gegen die AfD bereitzustellen.

 

Einleitung – Die AfD in Mitte

 
Viele, die sich das erste Mal mit dem Bezirksverband der Partei „Alternative für Deutschland“ in Berlin-Mitte befassen, werden vor allem die Sprecherin Beatrix von Storch kennen. Mit ihrem politischen Engagement bestimmt sie maßgeblich das Agieren der AfD bundesweit. Die Bezirkspolitik wird jedoch von ihr kaum (direkt) bestimmt. Mit der vorliegenden Zusammenfassung wollen wir den Blick auf die bisher vielleicht eher unbekannteren Mitglieder der AfD in Mitte erweitern. Dies ist schon allein deswegen wichtig, weil fünf von ihnen in die Bezirksverordnetenversammlung eingezogen sind. Dort werden sie auf die ein oder andere Weise probieren, die Positionen der Partei auch kommunalpolitisch durchzusetzen. Um dies effektiv zu verhindern, braucht es Informationen über die Akteure, ihre Inhalte und Strukturen. Einen ersten Versuch wagen wir mit diesem Dossier.

 

BVV-Fraktion der AfD in Mitte

 
Mit einem Stimmenanteil von knapp 10% konnte die AfD bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung Mitte fünf Plätze erringen. Damit ist ihre Fraktion im Vergleich zu anderen Bezirken relativ klein und auch ein Stadtratsposten liegt in weiter Ferne. Aufgrund der geringen Fraktionsgröße und der Vielzahl von anderen in der BVV vertretenen Parteien dürfte es für die AfD schwer werden, in Mitte eigene Inhalte konsequent einzubringen geschweige denn durchsetzen zu können. Zumal fraglich ist, was diese Inhalte sein könnten, da der Bezirksverband nicht mal ein eigenes Bezirkswahlprogramm für die BVV-Wahl 2016 vorlegen konnte. Die politische Arbeit in der BVV wird deshalb wohl eher eine der leisen (Fundamental-)Opposition sein, die auf offene Ausgrenzung und Diskriminierung verzichtet. Doch gerade das sollte Grund sein, die AfD nicht einfach hinzunehmen, sondern noch genauer hinzuhören.


Diese politische Inhaltsleere und Planlosigkeit trifft hierbei auf die fehlende (kommunal-)politische Erfahrung der Fraktionsmitglieder. Lediglich Jürgen Mickley verfügt als (ehemaliger) stellvertretender Vorsitzender der „Bürgerinitiative Wilhelmstraße e.V.“ zumindest über einen wohnungs- bzw. stadtpolitische Background. Und auch Clemens Torno dürfte während seiner Zeit als ehemaliger Kreisvorsitzender der CDU Schülerunion zumindest grundsätzliche politische Erfahrungen gesammelt haben. Die anderen Fraktionsmitglieder, wie der Vorsitzende Eckhard Paetz, die stellvertretende Vorsitzende Sabine Schüler oder der Schatzmeister Michael Wehlus, sind unbeschriebene Blätter. Das gilt im Übrigen auch für ihren persönlichen Hintergrund. Doch auch wenn sie auf den ersten Blick (politisch) unverfänglich erscheinen, sind sie dennoch Mitglieder in einer Partei und einem Bezirksverband mit deutlichen reaktionären Tendenzen, welche sie auf diese Weise mittragen. Dementsprechend kann die Aufstellung von gerade diesen Kandidat*innen auch als politisches Kalkül gelesen werden, um die BVV-Fraktion (auf personeller Ebene) weniger angreifbar zu machen.


Der Vorstand der AfD-Mitte

 
Im Gegensatz zur BVV-Fraktion tummeln sich im Vorstand der Mitte AfD zahlreiche Personen mit zumindest fragwürdigen politischen Lebensläufen. Deshalb liefert ein ausschnitthafter Blick auf die relevanten „Köpfe“ des Bezirksverbandes ein genaueres Bild der politischen Ausrichtung, das auch die eher harmlos erscheinende BVV-Mitglieder in ein anderes Licht rückt.

 

Beatrix von Storch (Sprecherin, Abgeordnete im Europa-Parlament)

 
Beatrix von Storch ist sicherlich die bekannteste Vertreterin der AfD Mitte. Sie ist die stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD, eine der beiden Landesvorsitzenden in Berlin und sitzt für die Partei im Europa-Parlament. Ihre politischen Äußerungen und ihr Engagement sorgen teilweise bundesweit für Kritik.Ihr Fokus liegt ganz klar auf der Bundes- und Landespolitik, bezirkspolitisch tritt sie hingegen kaum in Erscheinung. Ein Grund hierfür ist sicherlich auch, dass sie die AfD vor allem als Instrument benutzt, um ihre eigenen Interessen breitenwirksam durchzusetzen. Neben der Partei nutzt sie dafür noch ihren Verein „Zivile Koalition“, als breites neurechtes Netzwerk, das gerade über das Internet ein reaktionäres Meinungsbollwerk herzustellen versucht. Grundsätzlich betreibt von Storch eine enorm traditionalistische bis rückwartsgewandte Politik mit klaren Rollenbildern. Am deutlichsten wird dies sicher bei ihrem Engagement im Rahmen der sog. „Lebensschutzbewegung“ gegen das Recht von Frauen auf selbstbestimmte Abtreibungen. So unterstützt sie (indirekt) die reaktionären „Demonstrationen für alle“ in Baden-Württemberg oder tritt in Berlin an vorderster Front vom „Marsch für das Leben“ auf.

 

Kai Borrmann (stellv. Sprecher)

 
Der in der Immobilienbranche tätige Borrmann, ist seit vielen Jahren als „Anti-Islam-Aktivist“ tätig. Sein akademischer Titel als Doktor der Islamwissenschaft soll seiner verleumderischen Hetze dabei einen halbwegs neutralen Anschein verleihen. Bereits 2007 fiel er durch seine große Nähe zur islamophoben „Bürgerbewegung Pax Europa“ auf. Im gleichen Jahr betätigte er sich als Vorsitzender des Sprecherrates der in Neukölln gegründeten Partei „Demokratische Liga“, die u.a. für eine „erleichterte Ausreise für integrationsunwillige Ausländer“ eintrat. Nach nur einer Woche wurde er jedoch wegen „Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf NS-Geschichte“ aus dem Amt entfernt. Während Borrmann also selbst einer rassistischen Splitterpartei zu rechts war, nimmt ihn die AfD gerne auf
Stefan Franz Kerker (stellv. Sprecher, Mitglied des Abgeordnetenhauses)
Kerker ist ehemaliges Mitglied der CDU und war als Bürgerdeputierter in der BVV-Wedding, später Mitte, aktiv. Er verfügt demnach über eine gewisse (kommunal-)politische Erfahrung, die vor allem der BVV-Fraktion fehlt. Dennoch nimmt er sein Mandat im Bezirk nicht war und zieht stattdessen über die Landesliste als einziges Mitglied der AfD Mitte ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Eine wichtigen Anhaltspunkt bezüglich seiner politischen Haltung erlaubt seine Mitgliedschaft als „Alter Herr“ in der „Sängerschaft Borussia“. Hierbei handelt es sich um eine verpflichtend farbetragende und fakultativ schlagende studentische Verbindung aus Berlin. Auch wenn sie nicht zu den am weitesten rechts stehenden Verbindungen (in der BRD) gehört, ist sie stark konservativ und deutsch-national ausgerichtet.


Boris Preckwitz (Presssprecher, nicht zu den Wahlen 2016 angetreten)

 
Der Job als Pressesprecher ist wie geschaffen für einen Menschen mit so enormem Geltungsdrang wie Boris Preckwitz. Der PR-Berater betätigt sich nebenbei noch als Kiezblogger, erfolgsloser Poetry-Slammer und Schriftsteller (v.a. Lyrik). In seinen Texten bedient er klassische Themen der Neuen Rechten, wie „Lügenpresse“, „nationaler Identitätsverlust“ oder „manipulierte Regierungen“. Auffällig ist der starke Gewaltfetisch in einigen seiner Texte: „gewalt, die uns frei macht, ist widerstandsrecht.“ Dementsprechend ist sein „künstlerisches“ Engagement vor allem ein Mittel, seine teilweise menschenverachtenden Ansichten zu verbreiten, was ihn in den Augen seiner Kollegen zum idealen „der Barden des neuen Faschismus“ macht.


Ambros Tazreiter (Beisitzer, nicht zu den Wahlen 2016 angetreten)

 
Die Beisitzer-Posten in den AfD-Bezirksverbänden werden oftmals eher willkürlich vergeben und wechseln oft. Dennoch ist ihre Besetzung Ausdruck einer gewissen Wertschätzung des Mitgliedes innerhalb des Verbandes. Eines der Beisitzer in Mitte ist Ambros Tazreiter. Auch er kommt aus einem deutsch-nationalem und zutiefst konservativen Burschenschaftsumfeld. Als pflicht-schlagende Verbindung ist das „Corps Symposion Wien“, dem Tazreiter angehört, ein deutlicher Vertreter studentischer Verbindungstraditionen als gewalt befürwortende Männerbünde mit klaren nationalistischen und chauvinistischen Orientierungen.Ähnliche Linien verfolgt auch die Berliner „Junge Alternative“, die Jugendorganisation der AfD, der Tazreiter im Vorstand angehört.


Fazit


Bei der AfD in Mitte handelt es sich um einen sehr heterogenen Bezirksverband. Während die Fraktion in der Bezrksverordnetenversammlung eher durch personelle und politische Unscheinbarkeit besticht, tummeln sich vor allem im Vorstand zahlreiche Personen mit eindeutigen politischen Ansichten und Lebensläufen.Gerade autoritäre Denkmuster bis hin zu gewaltverherrlichenden bzw. gewaltbefürwortenden Positionen scheinen sehr verbreitet oder zumindest verbandsintern unwidersprochen zu sein. In diesem Sinne sollte der Bezirksverband stets als Ganzes betrachtet werden. Denn zumindest eins kann den eher unscheinbaren Mitgliedern vorgeworfen werden: ihre (stillschweigende) Akzeptanz von nationalistischen, völkischen, islamophoben und chauvinistischen Personen in ihrem Bezirksverband. Wenn sie mit diesen ein Problem hätten, würden sie wohl kaum für die AfD in der BVV sitzen. Wie sich dies auf die konkrete politische Arbeit im Bezirk auswirkt bleibt abzuwarten.Aber die grundsätzlichen (Abgrenzungs-)Schwierigkeiten des Verbandes gegenüber entsprechenden Personen und Einstellungen sollten im Hinterkopf behalten werden. Das gilt gerade bei vermeintlich unscheinbaren Äußerungen oder Anträgen in der BVV.

 

-- Termine für konkreten Protest --

 

Gegen Rassismus, Verdrängung und für eine solidarische Stadt von unten!

Mitte:
Kundgebung: 27.10.2016 | 17:00 Uhr | Rathaus Mitte | Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
U-Bahnhof Schillingstraße (U5) | Infos unter: Hände weg vom Wedding

 

Weitere Kundgebungen


Pankow/ Prenzlauer Berg
:
Kundgebung: 27.10.2016 | 16:30 Uhr | Bezirksamt | Fröbelstraße 17, 10405 Berlin
S-Bhf. Prenzlauer Allee | Straßenbahnstationen: Fröbelstr. (Tram M1), Prenzlauer Allee/Danziger Str. (M10 M2)
Infos unter: North East Antifascists

 

Lichtenberg:
Kundgebung: 27.10.2016 | 16:00 Uhr | Gemeindesaal, Schottstr.6, 10365 Berlin
Infos unter: https://bunterwind.wordpress.com/
Antifa Infoportal Lichtenberg

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Minarette des Denkens 30. August 2010, 20:00 

In Zeiten wie diesen ist man schneller als "islamophob" punziert, 

als ein Abschiebefanatiker einen Reim auf "Wiener Blut" findet. 

Wie kommt das? - Anmerkungen zur Karriere eines Kampfbegriffs 

von Stephan Grigat

http://derstandard.at/1282978535234/Kommentar-der-Anderen-Minarette-des-...

Islamfeindlichkeit 
https://de.wikipedia.org/wiki/Islamfeindlichkeit 

Organisation für Islamische Zusammenarbeit Haltung zur Islamophobie
https://de.wikipedia.org/wiki/Organisation_f%C3%BCr_Islamische_Zusammenarbeit#Haltung_zur_Islamophobie