Aktuelle Sozialtechnologien --- "Restorative Justice" -- eine gute Idee - fürs herrschende System

...stronger than their walls

Grundlagen: restorative justice bedeutet sowas wie wiederherstellende gerechtigkeit und steht im gegensatz zur vergeltenden und zur resozialisierienden justiz, bei denen die täterpersonen im vordergrund stehen und lässt sich auch mit „opferorientierter gerechtigkeit“ übersetzen, wo die betroffene die hauptrolle hat. der konflikt wird vom staat weg hin zu den konfliktbeteiligten gebracht.

RJ ist so neu nicht. schon vor herausbilden des staates und der errichtung der gefängnisse gab es diese art von konfliktlösung..in vielen indigenen gemeinschaften wird sie auch heute noch praktiziert.In den favelas in brasilien z.b. gibt es restorative circles in neuseeland wurde sie von staatlicher seite von den maoris übernommen.

 

In deutschland existiert sie vor allem in form des „täter opfer ausgleich“ durch den einsatz von mediator*innen als vermittlungsinstanz... initiiert durch die sozialen dienste der justiz, jugendgerichtshilfe, auch staatsanwaltschaften, ausgeführt durch private institutionen wie z.b."die

waage" in köln. fand der t/o/a bisher bei kleinen bis mittelschweren delikten statt und vor allem in der jugendarbeit, nähert sich der T/O/A nun auch handlungen der sexualisierten gewalt zu.


bei RJ wird die tat nicht mehr über das jeweilige gesetz definiert, nicht mehr als handlung gegen den staat gesehen, sondern über den schaden definiert, der dem opfer zugefügt wird. RJ dient der wiedergutmachung durch den verursacher. als schadens und leidensausgleich der geschädigten.


Hiesige Praxis:

während in den indigenen gemeinden und manchen von vorwiegend schwarzen bewohnten stadtteilen in den usa, die sogenannte community einen wichtigen platz im gelingen der RJ einnimmt zeigen sich hierzulande die zerstörungen durch den neoliberalismus: dem auflösen sozialer gemeinschaften, der desintegration sozialer lebenswelten, der entsolidarisierung und dem befriedigen subjektiver bedürfnisse und damit dem ausschluss des/der anderen, um sich selbst zu stärken...hierzulande kann es also nur in einbeziehung von kleinen kreisen gehen: in der familie oder dem freundeskreis der beiden betroffenen...das erklärt aber auch zum anderen das steigende interesse an rj :


wächst zum einen das delegieren von vormals staatlichen aufgaben an die bürger*innen, die sich für ihr wohlergehen selbst verantwortlich erklären, so erscheint bei RJ dadurch andererseits der wunsch nach nichtstaatlichen strukturen und gemeinschaften ...obwohl es sich dann dabei wieder in diesen neoliberalen kreis fügt..(verschlankung des staates mit gleichzeitiger bewahrung staatlicher interessen durch übertragung auf seine bürger*innen.)..also eine kooperation mit dem neoliberalen ethos: individuelle wahl, selbstverantwortliches handeln, bestimmer des eigenen schicksals eigeninitative ..im rahmen und akzeptanz der bestehenden gesetze... und hier zeigt sich die schwäche der RJ.


Kritik:

fundamentale soziale veränderungen können durch individuelle bearbeitung der konflikte nicht erreicht werden..sondern kann eher zu einer weiteren form der sozialen kontrolle führen .. verstärkt wird das auch durch die wachsende professionalisierung der RJ.. es gibt eine wachsende anzahl von theoretischen auseinandersetzungen zur RJ, die ersten professoren treten auf verschiedenen kongressen auf...professionelle mediator*innen sehen neue verdienstmöglichkeiten.. unternehmer*innen gründen entsprechende firmen, diplomarbeiten versprechen entsprechende abschlüsse...die zunahme der sogenannten höheren bildung treibt mehr und mehr leute in die suche nach neuen aufgaben, die sich in bezahlte arbeit umwandeln lässt. die balance verschwindet im sozialen raum..der ja wie oben beschrieben..schon klein und überschaubar war. kippt zu gunsten der sogenannten experten ..mit ihren werten und kapital (siehe Grafik)...und verfestigt dadurch die vorhandene ungleichheit.


fehlte schon vorher bei vielen anderen das ökonomische kapital und durch die gentrifizierung z.b. das sogenannte soziale kapital...alles gründe die zu vermehrten sogenannten "kriminellen handlungen" führten und führen... so verlieren sie nun weiterhin..das praktische wissen das sie sich durch ihre alltäglichen erfahrungen angeeignet hatten ist nix mehr wert bei den vielen expert*innen die plötzlich die räume besetzen mit dem ausweis des „besserwissens“..


"RJ does not mean abolishing the concept of crime.".
sagt einer der führenden vertreter der RJ (Braithwaite*)..damit wird sich also weiterhin am herrschenden strafrecht orientiert..was die sogenannten „kriminellen“ in ihrer rolle belässt ohne dass sich über die gründe und den zweck dieser zuweisung gedanken gemacht wird bzw. zu den hintergründen des abweichenden verhaltens... von einer entsprechenden gesellschaftlichen veränderung gar nicht erst zu reden …


das konzept der RJ wird in den zuständigen institutionen - politik, justiz, polizei durchaus zur kenntnis genommen und vor allem im jugendbreich schon praktiziert...auf der anderen seite aber steht weiterhin die kriminalitätsbekämpfung, die sich in strafverschärfungen und kompetenzerweiterungen von polizei und justiz ausdrückt (vor allem gegenüber den o.a. bevölkerungsgruppen wie arme, vertriebene , flüchtlinge) ...das gefängnis auch in seinem industriellen komplex scheint eisern zu stehen... für den sozialen frieden bietet sich dabei die RJ an...und steht in einer reihe der aktuellen sozialen technologien wie resilienz und der „gewaltfreien kommunikation laut rosenberg“


(*john braithwaite ist ein australischer kriminologe )


Alternativen bieten sich in der sogenannten “transformative justice” übersetzt wie “transformative hilfe”...TJ ist in den radikalen sozialen bewegungen und den aktionen gegen die gefängnisse, die todesstrafe und andere vergeltungs und strafmethoden verwurzelt.TJ ist mehr als die konfliktbewältigung zwischen zwei personen. wir stehen in einem komplexen verhältnis von unterdrückern und unterdrückten und wir sind nur dann in der lage, frei zu werden, wenn wir alle systeme von herrschaft und verletzungen uns und den anderen gegenüber herausfordern, um strukturen und systeme zu ändern...

 

W (für Abolisha)

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