Demos, Blockaden und Bullen, zwei weitere Tage in Frankreich (Teil 2)

Riots in Frankreich

Die Demonstration heute am Donnerstag in Paris war gut besucht, vor allem wenn mensch bedenkt, dass es ja erst am Dienstag einen Aktionstag gegeben hatte. Die Angaben der CGT von 50.000 dürften masslos übertrieben sein, aber trotzdem...Landesweit sollen laut Gewerkschaften 400.000 demonstriert haben, die Behörden sprechen von 128.000.

 

Nach dem in Teilen diskussionswürdigen Angriff auf einen Streifenwagen und dem Fahrer des Wagens gestern schlugen die Wellen der Empörung im bürgerlichen Lager hoch. Ministerpräsident Valls höchstpersönlich fühlte sich bemüssigt, die Gewerkschaften aufzufordern, dafür zu sorgen, dass die Casseurs auf den Demos der Gewerkschaften nicht "weiter ihr Unwesen treiben könnten". Die Bullen haben am Mittwoch fünf Leute festgenommen, denen sie vorwerfen, an dem Angriff auf den Streifenwagen beteiligt gewesen zu sein.

 

Trotzdem, oder gerade wegen der Vorkommnisse der letzten beiden Tage blieben sowohl das Auftreten des Ordnungsdienstes der Gewerkschaften als auch des antagonistischen Blocks heute "dezenter" als am Dienstag. Der Ordnungsdienst verzichtete auf das offensive Tragen von Schlagwerkzeugen und der Block verzichtete auf direkte, massive Angriffe auf die Bullen während der Demo. Trotzdem kam es zu einigen Konfrontationen, bei dem die Bullen reichlich Tränengas einsetzen, besonders nach direkten Aktionen gegen Banken, die an der Wegstrecke lagen. Die Abschlusskundgebung ging dann ebenso wie am Dienstag im Tränengasnebel unter.

 

Unterdessen zeigen die Blockadeaktionen der Gewerkschaften, die schwerpunktmässig im Nordosten Frankreichs stattfinden, erste Wirkung. Der Konzern Total gab heute bekannt, dass mittlerweile 70 seiner Tankstellen keinen Sprit mehr verkaufen können, weil Raffinerien und Depots blockiert werden. Ebenso kommt es zu strategischen Blockaden von wichtigen Verkehrswegen durch Blockaden von Lastkraftwagenfahrer, auch die Häfen von Le Havre und Nantes-Saint-Nazaire werden seit Anfang der Woche blockiert.

 

Die von der Präfektut verbotene Demo in Nantes, an der sich trotz des Verbotes 2000 Menschen aus verschiedenen Spektren beteiligt hatten, wurde am Ende mit sehr massiven Tränegaseinsatz aufgelöst. Die Bullen nahmen über 60 (!) Menschen in der Innenstadt fest, bei den bisherigen Demos in Nantes hatte es immer Festnahmen im einstelligen Bereich gegeben. Auch in Rennes setzte die Bullen Tränengas ein, als es zur Blockade der Umgehungsautobahn durch Leute aus dem nicht-gewerkschaftlichen Spektrum kam.

 

Die nächsten Aktionstage der Gewerkschaften werden am 26. Mai und 14. Juni stattfinden.

 

Bilder

 

Nantes:

 

https://www.youtube.com/watch?v=GSnqB4iDmtA

https://www.youtube.com/watch?v=MtIeUhd0Ofo

https://www.youtube.com/watch?v=okieOg7xyW8

 

Rennes:

 

http://www.vincentfeuray.com/manifestation-contre-la-loi-travail-rennes-...

https://www.youtube.com/watch?v=IcCmmZTjdtc

 

Paris:

 

https://www.youtube.com/watch?v=k_30C6XfPUA

https://www.youtube.com/watch?v=8xUHUUK_NZk

https://www.youtube.com/watch?v=cATj1RIH31U

https://www.youtube.com/watch?v=-voOtNl1H_E

 

Tours:

 

https://www.youtube.com/watch?v=guqvlgO2CuA

 

Marseille:

 

https://www.youtube.com/watch?v=GQKnECGMzDU

 

Toulouse:

 

https://www.youtube.com/watch?v=5dgh04OEIcA

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Da es ja in einigen Berichten hiess, es sei in Paris während der Demo (relativ) ruhig geblieben, hier ein längeres Video von der "ruhigen" Demo: https://www.youtube.com/watch?v=jIUSoj4G-1k

Streikende Fernfahrer und nuit debout Aktive blockieren gemeinsam - Aktuelle Protestlage in Frankreich

Interview (20.05.) mit Bernard Schmid, in dem auch über oben erwähntes Auftreten der gewerkschaftlichen Ordner diskutiert wird...

Soso, lieber Bernard, der Ordnerdienst der Gewerkschaften in Paris schleppt also Knüppel mit sich herum, um mögliche Angriffe von Faschisten auf eine Demo von Zehntausenden abzuwehren oder bei Bedarf auch die Bullen auf Abstand zu halten....Wem willst du das denn verkaufen, da glaubst du doch selber nicht dran. Es sei dir ja unbenommen, aufgrund deines politischen Standpunktes die Antagonisten/Anarchisten/Autonomen oder wie auch immer, für Kleinbürger zu halten und ihre Praxis für wenig erfolgsversprechend. Aber bitte bleibe doch bei der Realität.

 

Ob und wie es wirklich konkrete Absprachen zwischen der Gewerkschaftsführung und dem Bullenapparat gibt, wird eh nicht transparent werden. Fakt ist aber die ganz konkrete Zusammenarbeit vor Ort, dass ist auch ausreichend durch zahlreiche Videos dokumentiert. Und das poltische Kalkül dahinter ist doch auch klar, also warum es dann nicht klar benennen? Und ja, es war gut, das gestern in Paris die Konfrontation zwischen dem service d'ordre (SO) und dem antagonistischen Block nicht weiter eskaliert ist. Die Schlägertrupps der Gewerkschaften dürften aber auch u.a. ihre Knüppel deshalb nicht ausgepackt haben, weil es nämlich in der Öffentlichkeit durchaus kritische Nachfragen gab, wie es denn mit dem von Valls dieser Tage so viel beschworenen Gewaltmonopol des Staates aussieht, wenn die Bullen einfach daneben stehen zu schauen, wenn bewaffnete Kräfte ihren Job übernehmen. Und das Vorgehen des SO hat ja auf den Demos bei ganz unterschiedlichen Spektren viel Wut und Empörung ausgelöst, der bewaffnete  CGT/FO Haufen ist ja von allen Seiten, auch von vielen Gewerkschaftlern beschimpft worden.

 

Und das ist jetzt auch mal wichtig zu betonen, auf den Demos gibt es sehr viele offen und bekennend als Gewerkschaftler auftretende Leute, die sich sehr solidarisch in den Konflikten mit dem repressiven Bullenapparat verhalten. Und auch wenn es z.B. in Marseille ähnliche Konflikte mit dem SO wie in Paris gab (aber die Führung in Marseille hat ja eh eine völlig realitätsentrückte Sicht, die sprechen bei jedem Aktionstag von 50.000 - 100.00 auf den Strassen in Marseille), so läuft es in anderen Städten besser, vor allen in den kleineren.

 

Und historisch ist das ja nun wirklich alles nichts neues, wo die CGT steht, weiß ja nun seit dem Mai 68 jeder und jede. Auch damals waren die Revoltierenden aus Sicht der CGT Hooligans und Kleinbürger und die Arbeiterklasse müsse sich vor ihnen hüten. Die damalige Streikbewegung, die zusammen mit den Kämpfen der Jugendlichen für eine kurzen, historischen Moment die kapitalistische Verfasstheit Frankreichs zur Disposition stellte, musste sich dann auch gegen die Führug der CGT finden. Die dann nichts besseres zu tun hatte, als sich auf dem Höhepunkt der Bewegung mit den Repräsentanten der politschen Klasse und den "Arbeitgebern" an den Tisch zu setzen, um ordentliche Lohnerhöhungen, etc. auszuhandeln. Dieses "Abkommen von Grenelle" war dann auch der Anfang vom Ende für die Bewegung. Und auch wenn die CGT in vielen kämpferischen  Betrieben für diese Kapitulation beschimpft und ausgepfiffen worden ist, gelang es der CGT dann doch, die ganze Situation zu befrieden.

Es macht keinen Sinn, undifferenziert vom «Ordnungsdienst der Gewerkschaften» zu sprechen. Nahezu jede Gewerkschaft hat in Frankreich ihren eigenen SO. Diejenigen, von denen hier gesprochen wird und die teilweise als Hilfsbullen agieren, sind die Ordnungdienste der CGT und derjenige von «Force Ouvrière» (FO). Der SO der anarcho-syndikalistischen CNT-F etwa hat im Gegensatz dazu bei der Pariser Demo am 17. April die Blockade der Route durch eine CRS-Einheit beendet und dafür gesorgt, dass u.a. die Cortèges von SUD, FSU und CNT-F ihren Weg fortsetzen konnten. Die Quittung der Flickage gab es bei der Demo am 19. April, als die Cops FlugblattverteilerInnen der CNT-F drangsaliert und mindestens ein Mitglied des SO der CNT-F festgenommen haben. Am Samstag, den 21. April findet übrigens in Lille eine größere Demo gegen die Verwüstung des Gewerkschaftslokal der CNT-F durch die Bullen, gegen diverse angedrohte Verfahren gegen Mitglieder der Gewerkschaft und allgemein gegen die Kriminalisierung der sozialen Bewegungen statt. 

Du hast natürlich recht, korrekt wäre es, immer vom SO der CGT und dem SO der FO zu sprechen. Und natürlich gibt es außer den drei grossen Gewerkschaften CGT, FO und CFDT noch diverse andere, wobei mensch schon erwähnen muss, dass die CNT-F landesweit vielleicht mal gerade 2.000 (?) Mitglieder hat. Wie auch immer, es ist eher ein Problem der nicht so umständlichen Formulierung in meinen Artikeln, wenn ich von "den" Gewerkschaften und "dem" Ordnungsdienst" spreche, gemeint waren immer die von CGT und FO, ich schau aber mal, dass ich das in Zukunft anders gestalte.

Als neuerdings extrem an Frankreich interessierter finde ich das großartig, wie das hier alles zusammengestellt wurde - chapeau und weiter so!