Skins planen Konzert im Enzkreis

Erstveröffentlicht: 
13.03.2010

Im Südwesten

 

Skins planen Konzert im Enzkreis

 

Mühlacker - "Hoffentlich lassen es auch unsere Freunde in Grün durchgehen..." Das schreibt der Veranstalter des geplanten Jubiläumskonzerts von Stallhaus Germania, einer rechtsextremistischen Skinhead-Kameradschaft, der lokalen Naziband Devil's Project. Diese Band hat ihren Auftritt beim Pfingst-Open-Air auf einem privaten Grundstück zwischen Mühlacker im Enzkreis und dem Stadtteil Lomersheim ebenso zugesagt wie die nordrhein-westfälische Skinhead-Band Angry Boot Boys.


Zugpferd soll die in der rechten Szene international bekannte Band Faustrecht sein, die dem in Deutschland seit September 2000 verbotenen, aber weiterhin aktiven Nazimusiknetzwerk Blood & Honour angehört. Aufgrund des Bekanntheitsgrades müsse deshalb mit der Anreise von "mehreren Hundert Nazis" gerechnet werden. Zu dieser Einschätzung kommen die Autonomen Antifaschisten in Freiburg.

Im Internet gibt es viele Möglichkeiten, zu informieren

Sie haben das geplante Jubiläumskonzert in Mühlacker, mit dem Stallhaus Germania das zehnjährige Bestehen der Kameradschaft feiern will, mit intensiven Recherchen im Internet aufgedeckt. Und sie sind auf weit mehr gestoßen in den einschlägigen Naziforen und Mailkontakten. Sie haben die Kontakte und die Vernetzung einzelner Mitglieder aufgedeckt, Beziehungsstreitigkeiten bis hin zum Bankkonto, dem Baujahr des Familienautos, der Zahl der Kinder und dem Namen des Haustiers. Ein Mitglied der Ludwigsburger Crew 38, dem internationalen Gefangenennetzwerk der Hammerskins, arbeitet demnach bei einer Behörde.

"Auf Demos kann ich nicht gehen... ich arbeite beim Staat", heißt es in einem Schreiben an den Organisator des Pfingstkonzerts, der ebenfalls im Kreis Ludwigsburg wohnt. Der Mann von Stallhaus Germania ist VfB-Fan und beklagt sich, so hat es die Antifa samt Fehlern protokolliert, in einem Nazimusiktauschforum über "Neger und sonstiges Gesocks": "Auch sind wir, neben Berlin, der einzigste Verein mit nem Schwulenfanclub. Na ja aber bald wird aufgeräumt."

Diese gesammelten Informationen will die Antifa nun im Internet öffentlich machen. Die Linken rechtfertigen diese Bloßstellung als Notwehr. Weil der Staat ihrer Ansicht nach nichts tut, um die Neonazis zu bekämpfen. Ihre Enthüllungen haben schon mehrfach Furore gemacht. Im Frühsommer hatte die Antifa den bis dato verdeckt agierenden Freiburger NPD-Kreisvorsitzenden mitsamt persönlichsten Details bekannt gemacht.

Eine Gefahr für "Leib und Leben"

Der gesamte NPD-Vorstand am südlichen Oberrhein löste sich daraufhin auf. Die Staatsanwaltschaft sah in diesem Outing allerdings einen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz, möglicherweise auch Stalking und ermittelt gegen die Linken. Der Recherchearbeit der Freiburger Antifa ist die Enttarnung und Festnahme des Bombenlegers von Weil am Rhein zu verdanken, sagt Hans-Ulrich Sckerl, der Extremismusexperte der Grünen-Fraktion im Landtag.

Bei dem 22-jährigen "Stützpunktleiter" der Jungen Nationaldemokraten waren mehrere Waffen sowie zahlreiche Chemikalien zum Bau einer Fünfkilobombe mit veheerender Wirkung sichergestellt worden. Diese Enthüllung im August 2009 habe auch "die größte Panne" des Landeskriminalamtes im Kampf gegen den Rechtsextremismus offengelegt, erinnerte Sckerl. Dass sich da eine ganz akute Gefahr für "Leib und Leben" zusammenbraute, sei den Staatsschützern offensichtlich entgangen.

Dabei versicherten diese laut Sckerl stets, dass sie die rechtsextreme Szene dank ihrer V-Leute im Griff hätten. Dass ein NPD-Funktionär geoutet werde, der ja eine politische Funktion habe und auch ein öffentliches Amt, sei nachzuvollziehen. Der Bogen sei aber überspannt, wenn die Enthüllungen weit in den Persönlichkeitsbereich hineingehen.

"Rechte müssen dauerhaft isoliert werden"

Damit verlasse man die Ebene der politischen Auseinandersetzung. Man müsse die offene politische Diskussion führen, um die Rechten dauerhaft zu isolieren. Sckerl hält es nicht für zielführend, wenn die Linken die Rechten mit gleicher Methode ausspähten und einen "Antifa-Geheimdienst" aufbauten.

Die Pforzheimer Polizei jedenfalls will bei Stallhaus Germania anklopfen, dass diese das Konzert absagen. Das sei oberstes Ziel. Im Mai 2008 etwa hatte die Polizei ein Grillfest platzen lassen. Die Gruppe hatte unter falschen Angaben ein Grundstück gemietet. Nach Aufklärung machte der Hausherr, ein Musikverein im Enzkreis, den Vertrag rückgängig. Die Rechtsextremen verklagten daraufhin die Polizei.

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Im Südwesten

 

KENNTNISSE DER BEHÖRDEN

 

Artikel aus der STUTTGARTER ZEITUNG vom 13.03.2010

 

Im Enzkreis gibt es laut Innenministerium gleich drei Gruppierungen mit rechtsextremistischen Bestrebungen. Alle drei werden vom Verfassungsschutz beobachtet.

 

Stallhaus Germania. Die Gruppe mit rund 20 Mitgliedern wird der rechten Szene zugerechnet. Über deren Jugendgruppe gibt es laut Innenministerium keine Erkenntnisse. Das Vereinsheim liegt auf dem Gelände eines Handwerksbetriebs in Mühlacker. Das ist in der Stadt bekannt.

 

Der Heidnische Sturm Pforzheim (HSP) hat nach Erkenntnissen der Polizei 35 Mitglieder. Die Gruppierung wird der rechtsextremistischen Skinheadszene zugerechnet.

Ein Herz für Deutschland e. V. (FHD) soll 50 bis 60 Mitglieder haben. Besonders präsent im Pforzheimer Stadtbild sind diese Rechtsextremisten regelmäßig bei Demonstrationen anlässlich der Zerstörung der Stadt bei einem Bombenangriff der Alliierten am 23. Februar 1945. Im März vorigen Jahres verteilten sie Flugblätter vor einem Gymnasium. akw