Baskische Zivilgesellschaft formiert sich

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Lange wurde gerätselt, wie sich die baskische Linke nach neuen Vorschlägen zu einer friedlichen Konfliktlösung.  Die Basis der verbotenen Partei Batasuna (Einheit) hatte die Vorschläge von Alsasua debattiert und abgesegnet. Die Partei machte damit kürzlich einen weit reichenden Schritt. Unilateral verpflichtete sie sich, auf jede Art der Gewalt zu verzichten. Das Ziel eines unabhängigen, sozialistischen Baskenlandes mit ausschließlich friedlichen, demokratischen Mitteln verfolgt werden. Die gesamte Unabhängigkeitsbewegung müsse die Bedingungen schaffen, dass sich die Initiativen der Zivilgesellschaft entfalten könnten, wurde deutlich an die ETA appelliert. Deren angebliche erneute "Enthauptung" darf getrost als neue Nebelkerze aus Madrid bewertet werden.

 

Genau diese Zivilgesellschaft formiert sich nun im Baskenland. In spanischen Medien wurde lang und breit über eine gemeinsame Wahlplattform linksnationalistischer Parteien spekuliert. Die Tatsache, dass die sozialdemokratische Baskische Solidaritätspartei (EA) kürzlich den neuen Batasuna-Vorstoß zur friedlichen Beilegung des Konflikts mit Spanien und Frankreich begrüßte, lieferte die entsprechende Nahrung dafür.

 

Am Samstag machten 139 Basken aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum deutlich, dass auf Zivilgesellschaft gesetzt wird. Im Seebad Donostia (San Sebastian) wurde "Independentistak" vorgestellt. Es ist ein Netzwerk derer, die für die Unabhängigkeit des Baskenlands eintreten. Es will die Gesellschaft für die Umsetzung der Ziele mobilisieren. Getragen wird es von Ex-Ministern der baskischen Regionalregierung wie Sabin Intxaurraga oder Rafa Larreina (EA) genauso, wie von Gewerkschaftlern wie Paul Nicholson oder der Präsidentin des baskischen PEN-Clubs, Laura Mintegi . Neben Musikern, Künstlern und Sportlern finden sich darunter auch Veteranen der linken Unabhängigkeitsbewegung: Luis Alvarez Enparantza, der in der Franco-Diktatur die bewaffnete ETA vor 50 Jahren mitbegründet hatte und sie heute scharf kritisiert  oder auch ein Ex-Führungsmitglied von Batasuna. Rufi Etxeberria musste kürzlich freigelassen werden, weil es der Justiz nicht gelang, ihm in vier Jahren den Prozess zu machen, weil er ja als Batasuna-Führungsmitglied auch angeblich Mitglied der ETA sei.

 

Man wolle weder eine Wahlinitiative noch eine übergeordnete Plattform aus Parteien oder Organisationen gründen. Independentistak gehe es darum, eine "Bewegung" zu schaffen, die unabhängig von Parteien für die "Unabhängigkeit als beste Option für das Baskenland" eintritt. Die Basken hätten, wie alle anderen, das Recht souverän zu entscheiden. Auch wenn Spanien und Frankreich diese Option verbieten, werde man sich mit demokratischen Mitteln dafür einsetzen und dafür müsse zunächst ein demokratischer Rahmen geschaffen werden. Die ETA könne nicht als "Ausrede dienen, um die Bildung einer breiten und pluralistischen Unabhängigkeitsbewegung zu blockieren".

 

Batasuna hatte kürzlich den Weg für eine solche Initiative frei gemacht und sich ausschließlich auf den "Einsatz von politischen und demokratischen Mitteln" verpflichtet. Auf internationaler Ebene wird seither an Spanien appelliert, einen demokratischen Prozess im Baskenland zu ermöglichen. So hält eine Gruppe von 12 Parlamentariern im Europaparlament ein “positives Szenario” für möglich und fordert Spanien zu Schritten auf, um den "letzten bewaffneten Konflikt in Europa" zu überwinden. Auch der südafrikanische Anwalt und Vermittler in Friedensprozessen Brian Currin, nannte die Vorschläge der baskischen Linken "wichtig", "ehrlich" und "verantwortlich". Niemals sei die soweit gegangen, weshalb er von einer "Unumkehrbarkeit" sprach.

 

In einem Artikel in der britischen Zeitung "Guardian" rief auch Gerry Adams, der Vorsitzende der irischen Sinn Fein, die spanische Regierung auf, die "Vorschläge" genau zu studieren. Der genaue Kenner der Lage begrüßte den Reflektionsprozess von Batasuna und wies auf Parallelen zum Friedensprozess in Nordirland hin. Adams schreibt, die baskische Linke sei bereit, den Konflikt beizulegen. Die sozialistische Regierung müsse nun entsprechend "positiv reagieren". Die folgenden Schritte "sind entscheidend" schreibt Adams.

 

Dass angesichts dieses Vorgangs mal wieder die ETA enthauptet worden sein soll, ist eigentlich nur noch eine Randerwähnung wert. Zu oft hat Spanien schon behauptet, man habe die Führung verhaftet und auffällig ist stets, dass spektakuläre Verhaftungen von Leuten immer bedeutsame Vorgänge im Baskenland überdecken sollen, wie die angebliche Verhaftung der "ETA-Führung" 2008. Klar ist auch diesmal, dass die verhafteten in Frankreich offensichtlich länger unter der Kontrolle der Polizei standen und genau am Sonntagmorgen verhaftet wurden.

 

Ibon Gogeaskoetxea, Beñat Aginagalde und José Lorenzo Ayestarán wurden in einem Landhaus in der Normandie festgenommen. Ursprünglich wurde gemeldet, verhaftet worden wäre statt Lorenzo Gregorio Jiménez Morales. Das ist nur eine Besonderheit, schließlich hatte das Sprachrohr der sozialistischen Regierung, die Tageszeitung El País, noch vor einer Woche mit erklärt, Mikel Kabikoitz Carrera Sarobe sei der die "Nummer 1 des Militärapparats". Die Zeitung berief sich dabei auf die Nationalpolizei, die Guardia Civil und die Geheimdienste. Ohnehin sorgt die Aufspaltung in "militärischer Apparat", "politischer Apparat", "Chef der Kommandos", etc. dafür dass man ständig irgendwas enthaupten kann.

 

 

Verhaftungen angeblich oder tatsächlicher ETA-Führungsmitglieder, die Entdeckung angeblicher schwerer Attentatspläne folgen gerne auf politische Initiativen der legalen linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung wie am Samstag. Der Frage, warum die ETA seit August 2009 keine Anschläge mehr durchführt, kann mit dem Verhaftungsdruck kaum erklärt werden. Im Januar hatte sie erklärt, die Strategie der abertzale Linken “als die ihre” zu akzeptieren.

 

© Ralf Streck den 03.03.2010

 

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Info Baskenland - Konfliktlösung: http://www.info-baskenland.de/407-0-Konfliktloesung.html