Raus aus dem Ghetto: Gegenöffentlichkeit herstellen

Biafra

Die öffentliche Meinung in Deutschland ist nach rechts gerückt. Rechtspopulisten verstehen es wunderbar, mit plumper Hetze Massen von Menschen zu mobilisieren. In sozialen Medien, im Stammtisch, in der Kneipe, auf der Straße, beinahe überall gelten rassistische Statements mittlerweile als normal. Linke und insbesondere libertäre Strömungen verstehen es hingegen gut, in aggressiver Abgrenzung und Erhöhung der eigenen Meinung auf den Stand der letzten Wahrheit, ihren Einfluss in der Bevölkerung immer wieder zu verspielen. Ändern wir das!

 

Erstens: Lasst uns bereit sein, uns selbst kritisch zu hinterfragen. Insbesondere sollte unser größter Kritiker zugleich unsere größte Inspiration zur Selbstreflexion sein. Rechte sind nicht nur machtgeile Volksverführer und dumme, ungebildete Mitläufer. Die neue Rechte ist nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil vieles von dem was sie kritisiert, sowohl für die großen politischen Parteien als auch für Linksradikale Tabuthemen sind. Wenn wir Menschen erreichen wollen, dürfen wir nicht auf der Grundlage diskutieren, dass ihre Meinung sowieso Blödsinn ist.

 

Zweitens: Lasst uns die ewig aggressive Zankerei beenden. Ein guter Teil der Beiträge in linken Medien ist so hasserfüllt und aggressiv, dass es mir kalte Schauer über den Rücken jagt. Schlimmer wird es in den Kommentarspalten, wo sich unterschiedliche Untergruppen genauso erbittert bekämpfen. Feindbilder und absolute Wahrheiten beherrschen die Meinungen. Die sind bekanntlich austauschbar, aber niemals hilfreich. Viele hochmotivierte Aktivistis wenden sich nach ein paar Jahren wieder von der Szene ab. Viele Normalos werden schon viel früher abgeschreckt, obwohl sie sich mit den grundlegenden Ideen identifizieren können.

 

Drittens: Lasst uns uns nicht auf uns selbst beschränken. Linke Medien von Linken für Linke mit Sekten-ähnlichem Sprachhabitus gibt es viele. Aber Kommunikation nach außen geht oft nicht über "Wir haben recht, ihr seid scheiße!" hinaus. Zumindest habe ich es selten erlebt. Noch nie habe ich auf einer Demo Menschen spontan mitlaufen sehen, weil die Transpis sie überzeugt haben und ich kann kaum eine linke Zeitung lesen ohne schlechte Laune zu kriegen.

 

Der dritte Punkt hat mich dazu gebracht, diesen Beitrag zu schreiben. Genauer habe ich heute gesehen, dass die Seite Wikinews immer mehr zu einer Plattform unwidersprochener rechter Propaganda wird. Das ist insofern ein gutes Beispiel, weil jene Seite dezentral und für jeden zugänglich ist, gleichzeitig aber aus einer eher bürgerlichen Freie-Inhalte-Bewegung. Das Ergebnis (außer dass die Seite insgesamt schlecht läuft): Linke Autoren halten sich davon fern. Obwohl Nachrichten aus einer linken Perspektive für die "Mitte der Gesellschaft" mit Sicherheit eine Bereicherung darstellen würden.

 

 

Ich bitte auch darum, diesen Beitrag nicht als weitere Möglichkeit für Grabenkämpfe und Hasstiraden zu sehen. Ich will kritisieren, ja. Und ich will auch kritisiert werden und diskutieren. Aber ich habe kein Interesse an Rumgezanke.

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Guter, differenzierter Beitrag.

Scheitert bei mir zumindest aber daran, dass ich keine Lust habe mich mit solch geistigen Tieffliegern, wie dem obigen Poster auseinander zu setzen. Solange er nur seine Meinung, soweit man das so nennen kann, hat ist er mir egal. Tritt er damit in die Öffentlichkeit gibts auf die Schnauze. Keine Gewalt ist keine Lösung. Diese Menschen kann man nicht mit Argumenten zum Umdenken bringen. Es ist Aufgabe der Gesellschaft diese Menschen satt und halbwegs zufrieden zu machen, dann bleiben sie in ihren Löchern. Der obige Vorschlag übersteigt meiner Meinung nach unsere Möglichkeiten.

Die Seite stellt doch zum Beispiel Gegenöffentlichkeit da, bloss im Gegensatz zu etablierten Medien ist die Reichweite sehr gering.

Deswegen trifft der obige Artikel auch nur die halbe Wahrheit. "Become the Media" und dann? Am Ende ist man genauso Scheisse wie die Medien.

Indymedia linksunten ist weiter verbreitet als du denkst. Linke, rechte, bürgerliche lesen es. Wenn noch vor 2 Jahren in den Zeitungen von einem "linken Internetportal" zu lesen war, wird heute direkt auf den Artikel verlinkt oder Indymedia linksunten direkt benannt. Ja, ein massenmedium wie die Bild ist es nicht, die Reichweite sollte aber nicht unterschätzt werden.

 

"Become the Media" und dann? Am Ende ist man genauso Scheisse wie die Medien.

 

Das verstehe ich nicht, rufst du ernsthaft dazu auf linke Medienarbeit einzustellen und konservativen/rechten Spinnern das Feld zu überlassen?

Zunächst wird ein Loblied auf die Kritik gesungen, um sie dann gleich wieder als "Gezanke" zu diskreditieren? Eine mediale Einheitsfront macht noch weniger Sinn als eine progressive Große Koalition, das ist hier auf Indy ja schon gut erkennbar, wo Hooligan-nahe und neostalinistische Artikel nicht ausreichend reflektiert werden und sogar (strukturell) antisemitische Einträge geduldet werden. Welcher kritisch denkende Linke soll eine solche Seite ernst nehmen? Die Annahme, eine inhaltliche Kritik sei automatisch ein identitärer Reflex, mit dem sich "Untergruppen bekämpfen" würden zeigt die Reflektions-Fähigkeit der "Autor*innen" ja bestens auf. Denen geht es im letzten Teil ihrer Szeneanalyse auch darum, nach "aussen" zu kommunizieren, somit betonen sie nochmals ihre Sonderstellung in einem Mikrokosmos, anstatt sich als emanzipierte Teile der Gesellschaft zu begreifen. Wer sich mit identitärem Ideologiegehabe dermaßen in Szene setzt, der sollte den Begriff "Selbstreflektion" erst einmal praktisch anwenden als hier eine Pseudo-Kritik zu schreiben. Denken ist wie Googeln, nur krasser!

Der Kommentar ist ein gutes Beispiel für "Rumgezanke" anstelle von "Kritik" und für den desolaten Zustand der Kommunikation und des gegenseitigen Respekts hier und unter Linken im Allgemeinen. Glaube kaum, dass die Autorin sich nochmal die Mühe macht, so einen Artikel zu schreiben, wenn sie sowas als Antwort bekommt.

..aber auf die linke szene setzen, will ich sowiso nicht mehr. bestes beispiel, die Kritiker_in die sich hier zu wort meldet und behauptet, aufgrund fehlender gendergerechter sprache hätte sie nicht weitergelesen.

weiß man nun, ob diese person es ernst meint oder ein VS-troll versucht weiter zu spalten?

weiß man das bei anderen diskussionen die hier geführt werden und stattfinden?

linke aktivistische öffentlichkeitsarbeit müsste huete bedeuten, das man sich 5 youtube-accounts zulegt und damit mal der ganzen rechten scheisse dort widerspricht.

es müsste bedeuten, das man die kommentarspalten von der süddeutschen, der zeit, der taz, der faz usw. durch diskussionsbeiträge beinflusst. momentan manchen das dort nämlich vornehmlich die rechten und das machen sie übrigens auch ziemlich gut.

 

vor ca. einem jahr war doch diese schlagzeile kurzzeitig in den medien, das putin ein paar millionen euro in internet-trolls investiert, die seine propaganda verbreiten. ich will nun gar nicht darüber streiten ob das stimmt, oder ob es andersherum propaganda der medien hierzulande ist, so etwas zu behaupten.

der interessante punkt dabei ist nur, das genau dieser bereich (trollfabrik etc.) mittlerweile einen so enormen einfluss auf die meinungsbildung vieler menschen hat, das die linke anfangen muss, diesen bereich zu kappern und ernstzunehmen.

dort werden nämlich mittlerweile meinungen ausgetauscht und mehrheiten vorgegaukelt.

wenn man zb. bei youtube die kommentare durchliest, könnte man meinen man befände sich bereits im 4ten reich.

so blöd es klingt und vielleicht auch ist, aber es geht heute eben auch um likes und "gefällt mir" angaben. also einfach mal noch ein paar zusätzliche facebook-accounts eröffnen und sich selbst liken, einfach mal genauso wie die faschos unter jedes dumme youtube-video einen antikapitalistischen oder antirassistischen spruch.