Für einen antiautoritären Internationalismus. Griechenland-Delegationsreise und Unterstützungskampagne.

Die Angst zerbrechen

Mit diesem Text wollen wir eine kurze Kritik an den zwei großen „griechenlandsolidarischen“ internationalistischen Projekten der deutschen Linken formulieren und auf unsere kommenden Unternehmungen zu sprechen kommen: unsere März-Reise nach Athen und Thessaloniki sowie die Unterstützungskampagne für die antirassistische Hausbesetzung Orfanotrofeio in Thessaloniki.

von der Initiative zur Gründung eines Internationalen Solifonds, 3. März 2016

Quelle: http://internationalsolidarityfund.blogsport.eu/2016/03/03/delegationsre...

 

Vom linken Internationalismus

Seit 2012 versucht Blockupy, über linkspopulistische Kampagnen und die offene Allianz mit dem linken Teil des Herrschaftsapparats (u.a. die Linkspartei, die korporatistischen Gewerkschaften) eine deutsche Massenbewegung gegen die europäische Krisenpolitik zu simulieren. Der Plan: „Europa“ und die „Demokratie“ gegen das Austeritätsmonster retten. 2015 sollte es dann mit der Linksregierung in Griechenland richtig losgehen. Blockupy schickte zweimal Delegationen nach Athen. Einmal zu den griechischen Parlamentswahlen im Januar/Februar 2015, um linke Wahlbeobachter zu spielen, die Vorfeldriege von Syriza durchzuinterviewen, den Wahlsieg der Staatslinken abzufeiern und die linkspatriotischen „Kundgebungen zur Unterstützung der Regierung“ zu bewerben. Und ein zweites Mal zum Referendum im Juni/Juli 2016, um gemeinsam mit Syriza und ihren Vorfeldorganisationen an der regierungslinken Kampagne für das „oxi“ teilzunehmen und anschließend den „Sieg des Neuen“ zu verkünden. Zweimal wurde so aktiv mehr oder weniger indirekt das Projekt der Staats- und Regierungslinken unterstützt. Als Blockupy mit dem dritten Referendum dann von der Realität eingeholt wurde, wurde die befreiungsnationalistische Linie mit dem Slogan „This is a coup!“ weiter schöngeredet.

 

Schlimmer könnte es nicht kommen, dachten wir. Dann hat uns der Blockupy-Ratschlag Anfang Februar 2016 eines Besseren belehrt. Blockupy-Größe John Malamatinas tat mit seinem würdelosen offenen Brief an Varoufakis sein Bestes, um ihn von Lafontaines Plan B abzubringen und auf den Blockupy-Ratschlag zu locken. Er drückt darin seinen„tiefen Respekt für das von [Varoufakis] Geleistete“ aus und schickt dem „Symbol der Anti-Austeritätsbewegung“ ein „großes Like“. Varoufakis, ein sozialdemokratischer Intellektueller, der nie in seinem Leben Teil autonomer Bewegung gewesen war, sondern es vorzog, als Mitglied der Regierung von Tsipras die autonomen Kämpfe in Griechenland staatlich-bürokratisch von oben zu verwalten und zu unterdrücken, durfte dann beim Ratschlag als Special Guest auftreten. Anschließend schleimte sich eine Blockupy-Delegation beim Gründungskongress von Varoufakis‘ „Bewegung“ DiEM25 bei ihrem neuen „Genossen“ ein. Selbstverständlich mit der „krass harten“ Kritik an „fehlender Transparenz“. Blockupy hat seine Bündniswahl offenbar nicht geändert und zieht es vor, sich mit sozialdemokratischen ex-Staatsministern zusammenzutun.

 

Das zweite internationalistische Projekt der bundesweit vernetzten Griechenland-Solidaritäts­kommitees vertrat von jeher einen offen befreiungsnationalistischen Kurs. Sie suchen nicht nach den Klassen- und politischen Widersprüchen innerhalb der griechischen Gesellschaft, sondern solidarisieren sich pauschal mit „den Griechen“ oder dem „griechischen Volk“. Seit dem Regierungsantritt Syrizas haben sie sich von der griechischen Linksregierung einspannen lassen. Sie vertreten in Deutschland die Regierungspropaganda von Tsipras und co, fordern die Zahlung der deutschen Kriegsreparationen an den griechischen Staat (nicht an die sozialen Bewegungen) ein und wünschen sich mit dem Schuldenschnitt eine vorläufige Lösung der Krise von griechischem Staat und Kapital.

 

Antiautoritärer Internationalismus

Im Gegensatz dazu, sind wir bemüht, einen klaren Blick auf die Herrschaftsverhältnisse in Griechenland zu behalten und dazu gehört eben eine schonungslose Kritik an der staatlichen Verwaltung der kapitalistischen Transformation und sozialen Kämpfe durch die Linksregierung und das nicht erst seit der großen Enttäuschung im Sommer 2015, sondern seit dem Regierungsantritt im Januar 2015. Wir werden auch nicht die Perspektive des Staats einnehmen und versuchen, durch Entwürfe von Konjunkturprogrammen und das Einfordern von Schuldenschnitten die Krise auf eine „sozialere“ Art und Weise verwalten zu lassen. Stattdessen arbeiten wir eng mit der anarchistischen/antiautoritären/autonomen Bewegung v.a. in Thessaloniki zusammen und sind daran interessiert, autonome soziale Kämpfe politisch-inhaltlich und materiell von unten zu unterstützen. In dem Rahmen haben wir letzten Herbst Einiges zur Werksbesetzung von VIO.ME gemacht. Unser Internationalismus soll keine Selbstbespaßung und Ausflucht aus der deutschen Realität sein, sondern steht in engem Zusammenhang, mit unseren eigenen Kämpfen vor Ort und ist der Perspektive grenzüberschreitender Gemeinschaften der gegenseitigen Solidarität und des Widerstands verpflichtet.

 

In dieser Herangehensweise verbindet uns vieles mit unseren Genoss_innen vom Internationa­listi­schen Zentrum (IZ) Dresden, das sich im Dezember 2015 gegründet hat. Ende Dezember hat sich dann eine Gruppe vom IZ auf eine fast einmonatige Delegationsreise nach Griechenland aufgemacht und in dem Rahmen einige empfehlenswerte Berichte geschrieben. Im März 2016 werden sie ihre Erfahrungen in drei Veranstaltungen politisch auswerten. Darin geht es (1) um eine Analyse  der Transformation des europäischen Grenzregimes und der staatlichen Selektion und Verwaltung von Sans Papiers/Migrant_innen, (2) eine Kritik an der strukturellen Rolle der NGO-Industrie und von rein humanistischer Freiwilligenarbeit in der Verwaltung der kapitalistischen Restrukturierung und (3) eine internationalistisch-kämpferische Perspektive auf das Modell der Sozialen Zentren. Gemeinsam wollen wir eine kritisch-solidarische Unterstützung des besetzten Hauses und Sozialen Zentrums Orfanotrofeio in Thessaloniki organisieren.

 

Delegationsreise nach Griechenland

Anfang März 2016 werden wir uns nach Athen und Thessaloniki aufmachen. Wir orientieren uns dabei am Konzept der Delegationsreise des IZ Dresden und werden mit Genoss_innen aus verschiedenen Strömungen der antiautoritären/anarchistischen/autonomen Bewegung in kritischen Austausch treten und Bewegungsräume und -projekte besuchen. In voraussichtlich zwei längeren Berichten wollen wir von diesen Projekten und Kämpfen erzählen und laufende Bewegungs­debatten beschreiben. Dabei geht es darum, den politischen Mythos des griechischen Anarchismus infragezustellen und den Schritt von konsumistischem Demo-Tourismus hin zum politisch-inhaltlichen Austausch zu gehen. Die Reise werden wir in Zusammenarbeit mit dem IZ Dresden durchführen.

 

Unterstützungskampagne für das Orfanotrofeio

Anfang Dezember 2015 wurde in Thessaloniki ein Haus besetzt mit dem Ziel, dort einen selbstverwalteten und sicheren Wohnraum für Migrant_innen einzurichten und ein Zentrum für gemeinsame Organisierung und politische Kämpfe aufzubauen. Das Orfanotrofeio ist nicht die einzige Hausbesetzung dieser Art in Griechenland. Tatsächlich sind die gemeinsamen Hausbesetzungen eines der wichtigsten Projekte der anarchistischen Solidarität mit den Kämpfen der Migrant_innen in Griechenland. Wie widersprüchlich und schwierig es ist, diesem eigenen Anspruch gerecht zu werden, hat das IZ Dresden in einem seiner Reiseberichte dargestellt.

 

Wir wollen das Orfanotrofeio in den kommenden Monaten gemeinsam mit dem IZ Dresden durch Spendensammlungen und Veranstaltungen sowohl materiell wie politisch unterstützen. Dafür haben wir bei der Roten Hilfe Jena ein Spendenkonto klar gemacht. Moralische oder tatsächliche Spendenquittungen können wir nicht ausstellen.

 

Kontoinhaberin Rote Hilfe Ortsgruppe Jena

IBAN DE77 4306 0967 4007 2383 09

BIC GENO­DE­M1GLS (GLS Bank)

Betreff: Salonika squat

 

Ab April wollen wir schauen, wie wir auf Veranstaltungen über unsere Erfahrungen, Eindrücke und Einschätzungen sprechen können.

 

Initiative zur Gründung eines Internationalen Solidaritätsfonds, März 2016.

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Hey, also ich finde gerade wenn mensch sich die griechenlandsoligruppen anschaut sind diese sehr verschieden. Aber nirgends konnte ich rauslesen, dass sich die soligruppen auf ein griechisches volk beziehen. vielmehr habe ich mitbekommen das die gruppen sich die projekte die sie unterstützten genau ausgesucht hatten. vielleicht recherchiert ihr einfach noch mal, bevor ihr solche haltlosen und nicht belegten unterstellungen raushaut. ansonsten kommt es so rüber, als ob die leute die seit jahren, die basisprojekte in griechenland unterstützen es einfach nicht gerafft haben und ihr jetzt den stein der weisen entdeckt habt. das wirkt arrogant und unreflektiert...

hier mal ein projekt aus berlin, wo es seit jahren einen guten austausch zu den verschiedenen selbstorganisierten projekten in griechenland gibt. vielleicht muss mensch auch das rad nicht immer neu erfinden, wenn mensch mit offenen augen und ohne tunnelblick durchs leben geht: https://one-struggle.site36.net/

Ihr scheint eine sehr Syriza freundliche Gruppe zu sein. Um die Ablehnung des Palamentarismus in Griechenland zu verstehen, die in manchen Strömungen zum Ausdruck kommt, solltet ihr euch auch mit der Metapolitefsi beschäftigen, die in einem weiteren Verrat der unteren Schichten endete. Die Vorgeschichte ist auch hier zu lesen https://urbanresistance.noblogs.org/abriss-2/griechenland/

Gleich vorweg, Teile eurer Kritik am "linken Internationalismus" teile ich und ich finde auch gut was ihr macht, aber... Ich erkenne in eurem Ansatz keinen super revolutionären Gegenentwurf. Inwiefern hat das was ihr macht denn nun irgendeinen positiveren Einfluss? Und gab/gibt es von "linker" Seite nicht auch Arbeit mit Basisbewegungen oder -projekten? Es klingt ein bisschen so als befänden wir uns in den 30er Jahren und es ginge darum ob man in Spanien jetzt auf CNT/UGT/POUM oder PCE/PSUC-Seite steht. Ich weiß, ein sehr zynischer Vergleich aber die Situation ist nunmal nicht so, als müsse man sich jetzt auf eine Seite schlagen und alles was die "anderen" machen wäre scheisse. Euer Text sagt verkürzt: Der Internationalismus der "linken" erschöpft sich darin, etwas zu retten was schon längst verloren ist (nicht erst seit dem "coup") und sich nur in abgehobenen Sphären bewegt. Und euer Internationalismus? Der erschöpft sich in Mikroprojekten die letztendlich auch nicht mehr bewirken (ohne die tatsächlich positiven, kleinmaßstäblichen Ergebnisse geringschätzen zu wollen). Versteht mich nicht falsch, ich finde "euren" Ansatz sinnvoll aber ihr habt auch nicht das Patentrezept und in diesem Sinne klingt euer Text tatsächlich etwas arrogant. lg

Wer sich die Niederlage von Syriza und v.a. der europäischen Linken nur mit Verrat erklären kann, hat nichts kapiert.

... ob nach Griechenland oder im Moment auch sehr beliebt Rojava: Meist sind diese Delegationsreisen nur ein Vorwand für die eigene Abenteuerlust oder den eigenen Elendstourismus und für eine linke Bewegung kommt überhaupt nichts rum. Oft belasten diese Reisen sogar die örtlichen Strukturen nur noch zusätzlich.

Ich denke, dass deine Unterstellungen teilweise auf manche Menschen zutreffen, die in die genannten Gebiete reisen. Reisen macht halt Spaß.

 

Ich persönlich bin für jeden "Ich war vor Ort"-Bericht über Rojava und die Versuche des Demokratischen Konföderalismus und über die Kämpfe in Griechenland dankbar. Berichte von Genoss*innen vertraue ich am ehesten.

Es gibt eine ganze Reihe uralter Genoss*innen, die sich derartige Reisen mehr als verdient hätten, das letzte Mal vor zehn jahren "Urlaub" hatten und unter Existenzminimum leben müssen und allein aufgrund ihrer Erfahrung auch objektive Ergebnisse liefern können und jetzt kommen irgendwelche Joungster daher, mit welchem Geld eigentlich, gibt's heutzutage überhaupt noch Jobs, die nicht mit imperialistischen Massenmorden für Rohstoffen einhergehen? Rote Hilfe Dresden? Das Geld kommt nicht von der Linken oder irgendwelchen kubanischen Unterabteilungen des autoritären "Kommunismus", die Dokus drehen in denen keine schwarzen Fahnen vorkommen und alles rot ist?

Kann Solidarität auch anders ausdrücken und Musik aus Griechenland bestellen: https://www.discogs.com/lists/Greek-DIY-PunkHardcore-etc-labels-and-dist...

Nachdem also jahrelang antipolitische und nihilistische Anarchist*innen die Vorarbeit geleistet haben, kommt jetzt also die politische Ausschlachtung und sie hat sogar - völlig anti-anarchistisch - Unmengen Geld um monatelange Reisen zu finanzieren und um dem ganzen die Krönung aufzusetzen gibt's ein Spendenkonto bei der "Roten Hilfe" und keinen einzigen Besuch bei den Gefangenen der Bewegung. Auch wer auf der Suche nach irgendwelchen anarchistischen Mythen ist, sollte das mal lieber in Delphi probieren, aber ernsthaft vor allem in der "Provinz" von Chania, Agrinio, Larissa, Kavalla, Iraklio etc und nicht mit irgendwelchem Metropolenmist ankommen und sich irgendeiner Fraktion andienen, die es so nur in Großstädten geben kann.

@ anarchypress: Mein Freund, Fraktionen gibt es überall. Nehmen wir z.B. das von dir erwähnte Chania auf Kreta, dort gibt es zwei anarchistische Gruppen die sich spinnefeind sind. Wenn die einen mobilisieren kommnen die anderen nicht, mobiliesiert die andere Gruppe, dann kommt die anderen Gruppe nicht. Das hat nichts mit Metropole oder Provinz zu tun, denn Fraktionen gibt es überall.

Moin, ich begrüße eure Initiative. Auch ich habe in den letzten Jahren sehnlichst eine antikapitalisitsche Griechenland-Solidarität vermisst.

 

Ich teile auch eure Einschätzung zu Blockupy und DiEM25. Das mit den "befreiungsnationalistischen Kurs" ist natürlich Humbug. Das erinnert mich eher an eine Rhetorik der (verrückten) Antideutschen.

 

Auch sollte es als radikale Linke selbstverständlich sein sich für die Reparationschulden von Deutschland an Griechenland und sich für das Recht auf Entschädigung (Distomo) einzusetzten.

 

Euer Text ist leider nicht solidarisch, er ist von oben herab. Nach dem Motto "wir haben die Weissheit gefressen- wir haben den Plan". Wir (Radikale Linke) sind die Guten, die Anderen- die Griechenlandsoli-Gruppen sind die Bösen (reformistisch). Klar sind die meissten Griechenland Solidaritätsgruppen nicht linksradikal und Anachisten sucht man dort vergebens. Ihr tut in eurem Text aber die vielen unterschiedlichen Griechenland-Solidaritätsgruppen pauschalsieren. Die verschieden Gruppen von Kiel über Bochum bis nach Freiburg sind sehr unterschiedlich und heterogen.

 

Die verschiedenen Griechenland Solidaritätsgruppen machen genau das Selbe wir ihr. Sie machen in ihrer Stadt Infoveranstaltungen, Kundgebungen usw., fahren nach Griechenland und unterstützen dort Projekte wie die Kliniken der Solidartät, VioMe, das Arbeitslosenzentrum Perama in Piräus usw.

 

Ihr macht in eurer Stadt Infoveranstaltungen, fahrt nach Griechenland und unterstützt dort das Projekt Orfanotrofeio. Das Orfanotrofeio ist ein tolles Projet, aber auch keine politische Neuerfindung.

 

Ich wünche euch weiterhin viel Erfolg.

 

Die Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker (Che)

Der griechische Staat gehört (leider?) mit dazu.. Wo kommt denn dieser Bullshit her mit den "sozialen Bewegungen"? Vor allem weil doch den meisten Opfern schon immer schon echte Entschuldigung und Schuldanerkennung wesentlich wichtiger als die Kohle ist.

Cooles Projekt! Ich frage mich halt ein bisschen, ob die starke Fokusierung auf das Schaffen und Halten sozialer Zentren nicht der Arbeit an der Perspektive einer antikapitalistischen gesellschaftlichen Transformation etwas im Wege steht. Aber auf jeden Fall finde ich eine antiautoritäre Delegation begrüßenswert. Und verglichen mit der Blockupy-Bewegung sind sowieso alle emanzipatorischen Projekte begrüßenswert!