Pressemitteilung des Freundeskreis Ahmed Said. Frankfurt am Main, den 28.12.2015 - Kontakt: fkas[ät]riseup[dot]net Tel.: 0152-17249363 Twitter: @freeahmedsaid.eu - Ägypten: Disziplinarhaft und Hungerstreik - Weitere Repressionen gegen den Arzt und Menschenrechtler Ahmed Said
Verschärfung der Haftbedingungen für ägyptische Menschenrechtler vor Verhandlung am 30.12.2015. UN Menschenrechtskommissariat, Amnesty- und Medico International sind alarmiert. Auswärtiges Amt übt sich in Zurückhaltung.
In der Nachlieferung zur Bundespressekonferenz vom 14.12.2015 zum Fall Ahmed Said, einem in Deutschland lebenden ägyptischen Arzt, der in Kairo inhaftiert ist, heißt es lediglich, dass dem Auswärtigen Amt der Fall bekannt sei. „Die deutsche Botschaft steht hierzu in Kontakt mit den ägyptischen Behörden." ist das einzige, was dazu von der zuständigen Pressestelle zu erfahren war.
Der Chirurg und Dichter Ahmed Said ist mit einer deutschen Staatsbürgerin verlobt. Er war am 19.11.2015 mit drei weiteren Personen in Kairo festgenommen und am 13.12.2015 zu zwei Jahren Gefängnisstrafe verurteilt worden. Insgesamt fünf Personen wird in dem Verfahren Verstoß gegen das Protestgesetz vorgeworfen.
Seit dem 14.12.2015 befindet sich der Menschenrechtler in Disziplinarhaft. Aus Protest gegen die unrechtmäßige Verurteilung ist er seither im vollen Hungerstreik. Sein Gesundheitszustand ist schlecht. Laut einer Mitteilung seiner engsten Angehörigen leidet er unter Schmerzen, die nicht nur auf Nahrungsmangel, sondern - einer ärztlichen Einschätzung folgend - eher auf externe Gewalteinwirkung zurückzuführen sind. Bereits in einer ersten Anhörung berichtete Said von Folter durch den ägyptischen Staatssicherheitsdienst; der Staatsanwalt weigerte sich, die Erklärung protokollieren zu lassen.
Der erste Besuch nach einer elftägigen Kontaktsperre war für Familie und Anwälte ein Schock. Die Schwester Saids empört sich über die Haftbedingungen: "Die Zelle hat weder Frischluft noch Tageslicht. Es gibt kein Bett, die Gefangenen müssen auf dem Boden schlafen. Ahmed hat nicht einmal Gefängniskleidung erhalten und konnte seine Kleidung seit seiner Ankunft nicht wechseln.
Von weiteren Misshandlungen wissen wir nicht, weil der Besuch von einer großen Zahl von Wärtern und hohen Offizieren überwacht wurde, die versuchten jedes Wort zu kontrollieren, das in den zehn Minuten Besuchszeit gesprochen wurde. Dazu gehörten auch eindeutige Gesten zur Einschüchterung der Besucher und Gefangenen.
Nachdem sich Freunde und Angehörige der Inhaftierten an Presse und Menschenrechtsorganisationen wandten, ist der Fall neben tausenden anderer dokumentierten Rechtsverstöße des Alsisi-Regimes publik geworden. Mittlerweile beschäftigt sich Zeid Ra’ad Al Hussein - hoher Kommissar der UN für Menschenrechte - mit der Unrechtmäßigkeit der Verhaftung und des Urteils sowie mit der Prüfung der Verstöße gegen die Folterkonvention. Ein erstes Ergebnis ist allerdings nicht vor Januar 2016 zu erwarten.
"Die Mitarbeiter der UN in Berlin und Brüssel waren trotz einer Vielzahl ähnlicher Fälle sofort sehr engagiert und haben alle Informationen aufgenommen. Wir können hoffen, dass die UN die offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen durch die ägyptische Polizei und Justiz im Fall Ahmed Said sehr deutlich verurteilen wird." betont Karin G. vom 'Freundeskreis Ahmed Said'.
Mehrere Bundestagsabgeordnete haben sich besorgt über die anhaltende behördliche Willkür beim Wirtschafts- und Sicherheitspartner Ägypten gezeigt und sich persönlich für die Rechte der Inhaftierten
eingesetzt. Weil Said noch keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzt,
sind die Bemühungen des Außenministeriums allerdings verhalten. Obgleich
der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung die innenpolitischen Zustände in Ägypten deutlich anprangert, existiert auf diplomatischer Ebene wenig Bereitschaft, Konsequenzen für die bilateralen Beziehungen, zu ziehen.
Ahmed Said, der auch literarisch tätig ist, hat noch in Polizeigewahrsam einen offenen Brief verfasst. Darin beteuert er, zwar unrechtmäßig verurteilt zu sein, bekennt sich aber zu seinem zivilgesellschaftlichen Engagement und fordert seine Mitbürgerinnen und Mitbürger auf, sich nicht einschüchtern zu lassen. Ärzteverbände und mehrere Menschenrechtsorganisationen unterstützen diese Haltung. Amnesty International startete einen internationalen Aufruf zur sofortigen Freilassung der fünf Verurteilten.
"Wir sind froh über die vielseitige Unterstützung und haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass der Berufung stattgeben wird. Wenn die Bundesregierung es in der internationalen Zusammenarbeit mit der Demokratisierung ernst meint, muss sie Menschenrechtler wie Said stützen, anstatt die Willkür und Täuschungen des Regimes in Kairo zu decken." fasst Matthias Schneider vom 'Freundeskreis Ahmed Said' zusammen.
In einer Internetkampagne sind Blogger und Journalisten in Europa und Ägypten vernetzt, um die Gerichtsentscheidung in letzter Instanz kritisch zu verfolgen. Der Verhandlungstermin in Kairo ist am 30.12.2015.
Informationen zur Öffentlichkeitsarbeit in Ägypten und der EU
Unter dem Hashtag #FreeAhmedSaid formiert sich eine kritische Masse von Einzelpersonen und NGOs, Journalistinnen und Journalisten sowie Politikerinnen und Politikern, die den Fall verfolgen und versuchen, durch öffentlichen Druck die ägyptischen Justizbehörden zur Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu mahnen.
Aktivisten von der 'Egyptian Comission for Rights and Freedoms' unterstützen die Gefangenen publizistisch und mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen vor Ort. Die ECRF steht auch im Austausch mit den Unterstützern von Ahmed Said in der EU. Im Rhein-Main-Gebiet, in Berlin und in Hamburg wird dafür mobilisiert, den 30.12.2015 als nächsten Verhandlungstag im Revisionsverfahren kritisch zu begleiten.
Im Januar 2016 sind in allen drei Städten Informationsveranstaltungen geplant, um weitere Schritte vorzubereiten für den Fall, dass die Berufung abgewiesen wird und somit Ahmed Said, Mostafa Ibrahim Mohamed Ahmed, Karim Khaled Fathy, Mohamed Abdel-Hamid, und Gamila Seryel-Dain in Haft verbleiben müssten.
Weiteres zur Person Ahmed Said, seiner Zeit in Deutschland und den Ereignissen, sowie weitere Informationen finden sie im angehängten Dossier
Der "Freundeskreis Ahemd Said" ist ein freier Zusammenschluss der Freunde und Mitbewohner Ahmed Saids, die Ihn in Deutschland kennen und schätzen gelernt haben und sich nun für seine Freilassung und Rückkehr in die BRD einsetzen.
grober pressespiegel