In Gedenken an Ramazan Avci - vor 30 Jahren von Neonazis totgeprügelt

Ramazan Avci

Ramazan Avci wurde vor 30 Jahren im Hamburger Stadtteil Hohenfelde von einer Gruppe Neofaschisten totgeprügelt. Noch heute erinnern jedes Jahr Familienmitglieder, Freunde und antifaschistische Kräfte auf dem Ramazan-Avci-Platz an den tödlichen Übergriff. So auch geschehen am 21.12.2015. Anbei die bewegende Rede der Witwe Gülüstan Avci und ein kurzer Beitrag des NDR Hamburg Journal. Niemand wird vergessen - Kein Vergeben - Wandelt Trauer in Wut - Faschismus bekämpfen!

 

Die Rede von Gülüstan Avci:

 

Liebe Freunde, liebe Freundinnen,


30 lange Jahre sind bereits vergangen seit dem schmerzlichsten Tag meines Lebens. Damals war ich hochschwanger. Mit den Worten "spätestens in einer halben Stunde bin ich zurück" verließ Ramazan am 21.12.1985 die Wohnung. Er wollte das Auto verkaufen, um später mit dem Geld ein Kinderbett zu kaufen. Seit Wochen war er schon in voller Aufregung, weil er kurz davor stand, zum ersten Mal Vater zu werden. Mein Mann starb, bevor er seinen Sohn in den Armen halten konnte.

 

Menschenfeindliche Rassisten haben es Vater und Sohn nicht vergönnt, daß sie sich kennenlernen konnten. In einigen Tagen wird mein Sohn 30 Jahre alt. Sein Vater, dessen Namen er trägt ist bis auf die ersten Jahre nah dem Mord, lange in Vergessenheit geraten. Nichts und niemand erinnerte sich seiner.

 

Erst viele Jahre später, im Jahre 2010 nahmen Ünal Zeran und seine Freunde, die die Ramazan Avci Initiative gegründet hatten, zu mir Kontakt auf. Die Initiative nahm die damalige Idee nach der Ermordung der Benennung der Straße und des Platzes am Landwehr wieder auf und hat das zielstrebig bis zur Umsetzung verfolgt.

 

Jahrelang traute ich mich nicht hierherzukommen oder auch nur vorbeizufahren. Denn "Landwehr" erinnerte mich an den Verlust von Ramazan und erweckte immer wieder von Neuem meine tiefe Trauer und meinen Schmerz und bereitete mir Herzweh.

 

Doch seit Ende 2012 trägt dieser Platz offiziell den Namen "Ramazan Avci" und ich suche diesen Platz, den ich jahrzehntelang gemieden habe, nun regelmäßig mit meinem Sohn auf. Neben dem Gedenkstein lege ich Rosen ab und spreche zu Ramazan. Rosen mochte er am liebsten. Ich erzähle ihm dann, was sein Sohn und ich alles machen und wie es uns so geht. Ich bin ganz sicher, daß er mich hört und sieht. Ich spüre sein Lächeln.

 

Dieser Platz hat für uns eine gaz neue Bedeutung. Es ist der Ort für unsere Traueer und auch zugleich ein Symbol gegen den Rassismus, der die Gesellschaft bedroht. Jeder, der hier vorbeikommt und die Gedenksteininschrift liest, wird sich, auch wenn es nur für Sekunden ist, die Gefahren des Rassismus ins Gedächtnis rufen. Vielleicht kommen sogar selbst die Mörder Ramazans, die einige Jahre nach der Tat freikamen und unter uns leben, auch hier vorbei. Vielleicht mit Kindern oder Frauen. Denn auch für sie ist dieser Platz ein Ort der Erinnerung, an dem sie immer wieder an ihrer mörderische Schandtat erinnert werden. Auch wenn sie das Gefängnis der Justiz schnell verlassen konnten, im Gefängnis des Gewissens werden sie ewig gefangen bleiben. Auch dafür ist dieser Ort ein Symbol. Kein Vergessen, kein Vergeben.

 

Am Ende meine Ansprache möchte ich zu allererst Ibrahim Arslan, der beim Möllner Brandanschlag seine Großmutter, seine Schwester und seine Cousine verloren hat und selbst schwer verletzt wurde, sowie Osman Tasköprü, dem Bruder des NSA-Opfers Süleyman Tasköprü und natürlich euch allen für die Solidarität und Anteilnahme danken.

 

Gülüstan Avci