Pogromstimmung in Heidenau – Polizei lässt Nazis gewähren

Heidenau 22.08.2015

In der zweiten Nacht in Folge ist es vor den Augen der Polizei im sächsischen Heidenau zu rechten Ausschreitungen gekommen (Fotos 1 | 2 | 3). Im Gegensatz zur Nacht auf Samstag griffen Nazis dabei auch eine linke Kundgebung mit Flaschen, Böllern und Steinen an. Die anwesende Polizei reagierte darauf mit der Einkesselung und dem Abfilmen der antirassistischen Kundgebung sowie dem Einsatz von Pfefferspray und Tränengas gegen die Nazis. Bei den nächtlichen Ausschreitungen wurden nach Polizeiangaben zwei Beamte verletzt. Eine Person wurde vorläufig festgenommen, insgesamt 65 Platzverweise wurden ausgeteilt.

 

Als Reaktion auf die über zwei Tage andauernden Ausschreitungen hatte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) am Sonntag das Gebiet vor der Unterkunft und die Heidenauer Innenstadt zum Kontrollbereich erklärt. Damit kann die Polizei anlasslos Personenkontrollen durchführen sowie Platzverweise und Aufenthaltsverbote aussprechen.

 

Angefangen hatte der Tag relativ ruhig, nachdem antirassistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Akteure zu einer Kundgebung für den Nachmittag aufgerufen hatten, um mit Präsenz auf die rechten Krawalle vom Vortag zu reagieren und sich mit den in den ersten in dem Gebäude untergebrachten Asylsuchenden solidarisch zu zeigen. Bei sonnigem Wetter fanden sich über 200 Menschen zusammen, die mit Transparenten gegenüber dem ehemaligen Praktiker-Baumarkt, der jetzt zu einer Unterkunft für 600 Menschen umfunktioniert werden soll. Eine größere Gruppe der dort Untergebrachten schloss sich auch der Kundgebung an und es fand ein reger Austausch zwischen antirassistischen Akteuren und Asylsuchenden statt.

 

Immer wieder passierten und fotografierten jedoch rechte Jugendliche sowie pöbelnde “besorgte Bürgerinnen und Bürger” die Kundgebung. Es kam wiederholt zu Beschimpfungen aus vorbeifahrenden Autos heraus, aus denen ebenfalls immer wieder die Kundgebung abgefilmt wurde. Gegen 17 Uhr entstand dann eine Ansammlung von mehr als 70 rechtsgerichteten Personen am Real-Supermarkt unmittelbar neben der Kundgebung. Die anwesende Polizei, welche anfangs nur sehr zögerlich gegen die Nazis vorging, löste schließlich diese Zusammenkunft auf, gewährte ihnen aber für 18 Uhr eine Kundgebung am benachbarten Hammer-Baumarkt, der sich unmittelbar neben der Geflüchteten-Unterkunft befindet.

 

Als es dunkel wurde, erhielten die anwesenden Polizeibeamten noch einmal Verstärkung und ausfahrbare Flutlichtstrahler wurden in Position gebracht. Diese leuchteten jedoch ausschließlich die antirassistische Kundgebung aus, während sich die Rassistinnen und Rassisten ungestört im Dunkeln an ihrem Kundgebungsort treffen konnten, dabei wuchs deren Anzahl auf bis zu 600 Personen an und Gruppen von Nazis begrüßten sich gegenseitig mit lauten “Sieg Heil”-Rufen. Parallel dazu riefen mehrere Naziseiten, wie der Facebook-Auftritt der Bürgerwehr Freital, dazu auf, sich unverzüglich nach Heidenau zu begeben.

 

Die Lage war den ganzen Abend über sehr angespannt und ein freies Bewegen in der Stadt fast unmöglich. Kurz vor 23 Uhr kam es dann zu einem ersten geplanten Angriff auf die anwesenden Menschen. Statt die Umgebung weiträumig abzusichern, konzentrierten sich die Polizeieinheiten in der Nähe der linken Versammlung und ermöglichte so erst den Angriff von der Rückseite des benachbarten Parkplatzes aus. Im Anschluss zog der Nazimob die Bundesstraße 172 entlang und blockierte abermals mit Bauabsperrungen die Fahrbahn. Die Polizei, die kopflos und überfordert agierte, zeigte sich nicht in der Lage, angreifende Nazis festzunehmen. Berichten in sozialen Netzwerken zufolge soll es anschließend auf der nun blockierten Bundesstraße sogar zu Fahrzeugkontrollen durch Nazis gekommen sein.

 

Was nun folgte war ein Musterbeispiel für die “Deeskalationsstrategie” der sächsischen Polizei. Der Einsatzleiter setzte den Versammlungsleiter, ein Mitglied des Landtags der Partei Die Linke, unter Druck, die Versammlung zu beenden, weil für deren Sicherheit nicht mehr gesorgt werden könne. Ein Vorgang, den der sächsische Grünen-Politiker Jürgen Kasek am 23. Jahrestag der Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen als “Ohnmachtserklärung des Staates” bezeichnete.

 

Die Refugees-Welcome-Demonstration erreichte schließlich ohne weitere Zwischenfälle den Bahnhof Heidenau-Nord. Auf dem Bahnsteig kam es dann erneut zu Angriffen von Nazis mit Steinen, während Polizeibeamte auf dem gegenüberliegenden Gleis das Gespräch mit drei dort befindlichen herumpöbelten Nazis suchten. Zum wiederholten Male stellte sich an diesem Abend die Frage, inwieweit ein solches Einsatzkonzept politischem Kalkül entspringt und ein Klima der Angst für geflüchtete und zivilgesellschaflich engagierte Menschen schaffen soll.

 

Eines jedoch dürften die Ereignisse vom Samstag gezeigt haben: lokale Nazis dürften sich in ihrem Tun bestärkt und akzeptiert fühlen. Die Übergriffe in Heidenau reihen sich nahtlos ein in die Geschehnisse von Freital, Dresden und Meißen und es wird klar, warum Nazis in Sachsen inzwischen immer selbstsicherer und brutaler vorgehen können.

 

Den Beweis für einen totalen Realitätsverlust trat am darauffolgenden Tag Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) an, indem er auf kritische Fragen zur Vorgehensweise der Polizei mit den Worten: “Wir werden das Gewaltmonopol des Staates hier durchsetzen” reagierte. Seiner Ansicht nach habe die sächsische Polizei “die Voraussetzungen, die sie braucht.” Glaubt Herr Tillich tatsächlich, die Öffentlichkeit nach den Meldungen und Videomitschnitten zu den Nazirandalen vom Freitag und Samstag damit überzeugen zu können?

 

Die brutalen Polizeiangriffe am Sonntagabend, als Polizeibeamte mit Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz gegen zugereiste Antifaschistinnen und Antifaschisten vorgingen, veranschaulichen, was Tillich wohl damit meinte, als er von Gewaltmonopol sprach. Der Sächsische Innenminister Ulbig, der ebenso wie Tillich mehrere Tage verstreichen ließ, bis er sich zu einer Erklärung genötigt sah, wird in der Presse mit einer recht eigenwilligen Interpretation der Ereignisse zitiert: “Es hat Alkohol ‘ne Rolle gespielt, Menschen haben sich hochgeschaukelt.”

 

Weiterer Bericht: Heidenau: Der deutsche Mob randaliert!

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hier ein bericht und ein paar bilder vom 23.08.2015: facebook.com/leftreportberlin/posts/363723447136165

 

bilder auf flickr: https://www.flickr.com/photos/leftreport/sets/72157657289022850

Demobericht Heidenau:

Seit Freitag, 21.08.15, gab es im sächsischen Heidenau heftige Ausschreitungen von Rechten wegen einer Geflüchtetenunterkunft, die kurzfristig in einem umgebauten Baumarkt entstand. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Rassist*innen warfen unter dem Jubel und dem Applaus der Menge Steine, Flaschen, Feuerwerkskörper und Brandsätze in Richtung des Heims, in dem seit Freitagnacht Geflüchtete untergebracht sind.

Die Polizei konnte oder wollte die Lage nicht unter Kontrolle bringen und ließ den rassistischen Mob sowohl Freitag- als auch Samstagnacht weitgehend gewähren.
Eine linke Gegendemo wurde am Freitag untersagt. Bei einer weiteren Demo und Kundgebung am Samstag kam es zu massiven Polizeikontrollen. Die Kundgebung, die bis in die späten Abendstunden andauerte, wurde durch Polizeistrahler komplett ausgeleuchtet und überwacht, während den Rassist*innen erneut freie Hand gelassen wurde.

Leftreport war Samstag und Sonntag vor Ort. Am Samstag war es uns aufgrund der massiven Bedrohungslage und des omnipräsenten Nazimobs nicht möglich, das Geschehen zu dokumentieren. Am Sonntag gab es eine antifaschistische Demonstration durch Heidenau. Ca. 300 Antifaschist*innen reisten gegen 21.15 Uhr mit dem Zug in Heidenau an und zogen unter kraftvollen Rufen von Parolen gegen Nazis, Rassist*innen und für das Willkommenheißen von Geflüchteten zügig zur Unterkunft.

Nachdem die Bewohner*innen des Heims offenbar zunächst unsicher waren, um wen es sich bei den vor dem Baumarkt versammelten Menschen handelte, kamen kurze Zeit später einige von ihnen aus dem Gebäude und wurden mit Klatschen, Jubel und Winken begrüßt.
Nach einiger Zeit der stillen Präsenz vor dem Geflüchtetenheim wurde eine Demonstration durch Heidenau angemeldet. Diese wurde von der Polizei jedoch nur für den Rückweg zum Bahnhof genehmigt. An der Kreuzung Hauptstraße/Güterbahnhofstraße näherte sich eine Gruppe von ca. 20 Nazis dem Demonstrationszug, die von den Antifaschist*innen entschlossen vertrieben wurde.
Daraufhin stürmten zahlreiche schwer gepanzerte und bewaffnete Polizeikräfte, darunter BFE-Einheiten, der Demo hinterher. Sie setzten Pfefferspray ein, prügelten mit Schlagstöcken um sich und traten und sprangen in die Menge der Demonstrant*innen hinein. Es gab zahlreiche Verletzte auf Seiten der Antifaschist*innen, darunter einige schwer.

Anschließend zog die Demonstration weitgehend ruhig und geschlossen und mit verstärkter Polizeibegleitung zum Bahnhof zurück. Gegen 22.45 Uhr fuhren die Antifaschist*innen mit dem Zug wieder ab.

An diesem Abend waren bei weitem nicht so viele Rassist*innen auf der Straße, wie an den zwei Tagen davor. Die Polizei, die Freitag und Samstag noch mehr als schlecht aufgestellt war und sich fast vollständig aus dem Geschehen raushielt, zeigte nach der Ankündigung, dass Antifaschist*innen anreisen würden, eine deutlich stärkere Präsenz mit Wasserwerfern und schwer gepanzerten Polizeikräften. Dennoch wurde auch am Sonntag deutlich, dass die Polizei mit der Situation vor Ort massiv überfordert und wenig handlungsfähig, dafür aber umso aggressiver war.

Während es der Polizei über das gesamte Wochenende nicht gelang, dem wütenden rechten Mob Einhalt zu gebieten, konnten Antifaschist*innen den Nazis in dieser Nacht Paroli bieten und zeigen, dass rassistische Gewalt nicht unbeantwortet bleibt.

als könnten und würden die bullen nicht auch ohne kontrollbereich ständig und überall verdachtsunabhängige personalienkontrollen durchführen und platzverweise erteilen. zur not wird aus dem stegreif ein grund erfunden. von daher ist dieser "kontrollbereich" in heidenau völlig sinnlos bzw. eine rein propagandistische maßnahme, die vermitteln soll, dass "man etwas unternimmt".

Ja wenn man bedenkt wie die Bullen z.b. bei Stuttgard 21 zugeschlagen haben,

da kann eigendlich nur von einer mehr oder weniger Stillen Kumpanei von (Weißen) Bullen und Bürgermob und Nazis ausgegangen werden.

Oh man, liebe Antifa, das "zivilgesellschaftliche Engagement" bekommt dir nicht gut.

"Die Polizei konnte nicht; war nicht in der Lage; war überfordert; hat nicht..." aber voll gemein, auf die Linken konnten sie einprügeln.

Wait, hatten wir schon mal - Lichtenhagen u.a.

Bis heute können sich die Demokratieschützer der zivilgesellschaftlichen Antifa nicht vorstellen, dass die Bullen nicht (nur) aus individuellem Rassismus so handeln (Rechts gewähren, links schlagen), sondern dass das vom Staat gewollt ist. Bullen sind Individuen, Die Polizei ist ein Aparatt des Staates, den kann man lenken  - dafür muss kein Verschwörungstheoretiker sein. Die haben Einsatzpläne und Befehlshierarchie.  Man kann die Nazihunde mal an die kurze und mal an die Lange Leine nehmen. Aber das wäre für die Antifa ja Antisemitismus, weil ähh...würde ja nach Plänen und Hinterzimmer und Herrschenden riechen. Dabei ist immer nur "der Mob" und der deutsche Hanswurst schuld, nie der Staat.

Und nur von eurer Demokratiehörigkeit kann die Empörung herrühren: "War nicht in der Lage der Rechten einhalt zu gebieten, aber voll gemein auf die Linken hauen."

Diese Analyse war 1992 schon falsch - und extrem schädlich.

 

Sorry, wenn es euer Bild durcheinander bringt, dass nicht nur der "der" deutsche Mob schuld ist, sondern auch der zivilisierte deutsche Staat:

Die Herrschenden lassen grad eine Offenisve und Hetzte und Pogromstimmung gegen Refugees zu, weil es ihnen grad passt. Wenn sie wöllten, könnten sie es locker stoppen, aber sie wollen nicht. Da könnt ihr noch 1000 taktische Handlungstipps an die Polizei geben.

 

Aber mit Linkspartei und iL habt ihr es nicht besser verdient, als an die Demokratie zu glauben und hier den Empörten zu machen.

Tod dem deutschen Vaterland - Schwarz-Rot-Gold wird abgebrannt!

 

"Statt die Umgebung weiträumig abzusichern, konzentrierten sich die Polizeieinheiten in der Nähe der linken Versammlung und ermöglichte so erst den Angriff von der Rückseite des benachbarten Parkplatzes aus."

 

"Auf dem Bahnsteig kam es dann erneut zu Angriffen von Nazis mit Steinen, während Polizeibeamte auf dem gegenüberliegenden Gleis das Gespräch mit drei dort befindlichen herumpöbelten Nazis suchten. Zum wiederholten Male stellte sich an diesem Abend die Frage, inwieweit ein solches Einsatzkonzept politischem Kalkül entspringt und ein Klima der Angst für geflüchtete und zivilgesellschaflich engagierte Menschen schaffen soll."

 

"Dennoch wurde auch am Sonntag deutlich, dass die Polizei mit der Situation vor Ort massiv überfordert und wenig handlungsfähig, dafür aber umso aggressiver war."

 

"Während es der Polizei über das gesamte Wochenende nicht gelang, dem wütenden rechten Mob Einhalt zu gebieten,..."

Was soll man sagen? Der Mann hat Recht?

 

Viva a Anarquia / o socialismo libertário.

Klingt ja alles toll was du da sagst. Aber es spart den Teil aus, dass Cops die scheiße freiwillig mitmachen. Und was du vergisst oder wegen Unachtsamkeit überliest, es wird sehr wohl auch auf den Staat, dessen Fehler und Inkompetenz aufmerksam gemacht. Jedoch ist aucb der dt Michel, der randalierend auf der Straße wütet, und der "besorgte" Hans- Peter, der applaudierend deneben steht, mit schuld. Genauso wie der Teil der Bevölkerung der sich seine Hände Desinteresse wäscht.

Und jetzt noch zu dir. In einer Zeit in der die Rechte wieder erstärkt und gerade in bestimmten Teilen klar Oberwasser hat, ist dein hochnäsiges, arrogantes, besserwissen fehl am Platz. Statt zur Solidarität aufzurufen, hältst du hier den Leuten ihre, nach deiner Ansicht, vermeintlichen Fehler unter die Nase. Und sowas fucked mich richtig ab.