"Die lange Woche der Rigaer Straße" - Staatsschutz befürchtet gewalttätige Aktionen bei Straßenfest

Erstveröffentlicht: 
06.07.2015

Die Aktionswoche der linksautonomen Szene in die Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain könnte für Krawalle im Kiez sorgen. Die Polizei rechnet vor allem mit Aktionen der gewaltbereiten Szene, die sich zuletzt stark zurück gehalten hatte. Von Olaf Sundermeyer

 

Die Botschaft ist eindeutig: "Never R.I.P. - Dorfplatz bleibt laut und dreckig" steht auf einem weißen Laken geschrieben, das über dem Eingang des Hauses Liebigstraße 34 in der Sonne hängt. Niemals wollen sie also in Frieden ruhen, hier in dem Kiez der besetzten Häuser in Berlin-Friedrichshain, an der Kopfsteinpflasterkreuzung Rigaer Straße, Ecke Liebigstraße, die unter den Bewohnern den friedlichen Namen "Dorfplatz" trägt.

 

Für diese Woche laden hier acht linksgerichtete Gruppen zur "Langen Woche der Rigaer Straße" ein: Auf dem Programm stehen unter anderem Selbstverteidigungskurse ("Entwaffnungstechniken"), eine Lesung zum militanten Antifaschismus ("Antifa heißt Angriff"), Rechtsberatung ("Was tun, wenn die Polizei vor der Tür steht?"), eine Filmnacht ("Anti-Gentrification"), Sozialberatung und veganes Kochen.

 

Staatsschutz rechnet mit gewalttätigen Aktionen

 

Es wird die größte Zusammenkunft der gewaltbereiten linken Szene in Berlin sein, seitdem fast 200 Linksautonome aus der Hauptstadt im März dieses Jahres an den gewalttätigen Protesten gegen die Europäische Zentralbank in Frankfurt/Main teilgenommen haben. Die Berliner Polizei ist alarmiert.

 

Weil diese wiederkehrende Veranstaltung in Friedrichshain im vergangenen Jahr in brennenden Barrikaden, Steinwürfen und Gewalt gegen Polizisten eskalierte, hat der polizeiliche Staatsschutz nun eine Gefährdungsanalyse formuliert. Darin heißt es, dass mit "gewalttätigen Aktionen zu rechnen ist". Diese Einschätzung teilt auch Tom Schreiber, der für die SPD im Verfassungsschutzausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses sitzt, und selbst in Friedrichshain lebt. "Der Rigaer-Kiez ist ja Tat- und Wohnort zugleich", sagt Schreiber.

 

Einschüchterungen und Sachbeschädigungen

 

Rund 1.000 gewaltbereite Linksextremisten zählt der Verfassungsschutz aktuell in Berlin - der harte Kern der militanten linksautonomen Szene lebt genau hier. Nur ein paar Schritte unterhalb des so genannten "Dorfplatzes" steht die neu errichtete Baugruppe "Liebig 1": 140 Eigentumswohnungen, die erst zum Teil fertiggestellt und bezogen sind. Gleich mehrfach wurde der Bau zum Ziel linker Gewalt. "Wenn es nach den Linksautonomen geht, würden sie die neuen Bewohner gerne vertreiben und schüchtern sie deshalb ein, zum Beispiel mit Sachbeschädigungen", sagt Wolfram Pemp, der für linksextremistische Straftaten zuständige Dezernatsleiter beim Landeskriminalamt (LKA).

 

Für Pemp steht fest, dass "die Linksautonomen mit dieser Aktionswoche vor allem Präsens zeigen wollen. Sie wollen klar machen, dass sie das Sagen im Kiez haben." Wolfram Pemp rechnet vor allem mit einem "Lebenszeichen" der Szene, um die es seit dem vergangenen Jahr wieder ruhiger geworden ist: "Die aktuelle Tendenz bei den linksextremistischen Straftaten ist derzeit  eher rückläufig, weil es im Moment nicht so viele wiederkehrende Großlagen mit Konfliktpotenzial gibt wie im vergangenen Jahr mit den Protesten um die Gerhart-Hauptmann-Schule oder die Demonstrationen gegen die Flüchtlingsheimgegner in Marzahn-Hellersdorf und Köpenick."

 

Kleine Spontanaktionen statt großer Demos

 

An einer der Fensterscheiben der "Liebig 1" steht noch immer "Hier wohnt ein Kind" in Fingerfarben geschrieben. Auf das Gebäude haben Angreifer mit Stahlkugeln geschossen. Die Täter wurden bis heute nicht gefasst. Auch nicht diejenigen, die gleich mehrfach die Fensterfront des denkmalgeschützten "Taut-Hauses" am Engeldamm in Berlin-Kreuzberg sowie eines nahe gelegenen Möbelladens mit Pflastersteinen angegriffen haben, oder die mit Hämmern die Fensterfront eines Wohn- und Geschäftskomplexes in der Schwedter Straße am Prenzlauer Berg demoliert haben. Auch diese Objekte stehen in dieser Woche unter besonderem Schutz der Polizei.

 

Nach Recherchen des rbb ist für die Angriffe auf die Baugruppe "Liebig 1" eine linksautonome Kampfsport- und Trainingsgruppe aus dem Rigaer Kiez verantwortlich: Junge gewalttätige Männer und wenige Frauen, zumeist Studenten, die ihre Gewaltaffinität in geheim organisierten Schwarmaktionen ausleben, und für die sie sich politischer Erklärungsmuster bedienen. Ihr Vorgehen entspricht der geänderten Strategie der gewaltbereiten linksautonomen Szene, die sich in den vergangenen Jahren immer mehr von der Militanz auf Großdemonstrationen - wie etwa am 1. Mai - wegbewegt hat, hin zu spontanen Aktionen schlagkräftiger Kleingruppen.

 

Deutlicher Anstieg politisch motivierter Gewalt in Berlin

 

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass die etwas ankündigen, und sich dann bloß am schönen Wetter erfreuen", sagt Tom Schreiber angesichts der Aktionswoche. Er fordert unabhängig von aktuellen Anlässen einen höheren Kontrolldruck von Polizei und Ordnungsamt gegen die hiesige linksextremistische Szene. Auch weil die politisch links motivierten Straftaten in Berlin im vergangenen Jahr um ein Drittel gestiegen sind, entsprechende Gewalttaten sogar um zwei Drittel.

 

Bereits 2013 hatte es einen deutlichen Anstieg gegeben, verknüpft mit den Themen Flüchtlingspolitik, Gentrifizierung und den damit steigenden Mietendruck in Berlin, gegen den sich die Aktivisten im Widerstand sehen. Diese Themen legitimieren aus ihrer Sicht die Gewalt gegen hochwertige Bauprojekte oder gegen die Polizei, die eine restriktive Flüchtlingspolitik des Staates mit Repressionen durchsetzt.

 

Gegen diese Gewalt will Schreiber vor allem "den Raumschutz durch die Polizei erhöhen". Mehr Polizeipräsenz gegen linksextremistische Straftäter, so sein Credo. "Mein Vorschlag ist, einen Teil der Polizisten für diese Aufgabe abzuziehen, die jetzt noch im Görlitzer Park gegen Drogendealer vorgehen", meint Schreiber. Bezogen auf die "Lange Woche der Rigaer Straße" sieht sich die Polizei jedenfalls gut vorbereitet. "Sie wird so zurückhaltend wie möglich und so konsequent wie nötig vorgehen", sagt Staatsschützer Pemp.

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...von rbb online. hoffentlich gibts noch ne stellungnahme der "szene".