[Thiazi-Prozess] 12. bis 15. Verhandlungstag

Thiazi-Pressegruppe

 Kaum Neues am Landgericht Rostock

Der «Thiazi-Prozess» nähert sich langsam dem Ende, mit interessanten Neuigkeiten kann er jedoch in der letzten Zeit nicht aufwarten. Während in den vergangen Prozesstagen in 5-Minuten-Befragungen lediglich BKA-Beamt_innen gehört wurden, wurde am 15. Prozesstag über eine Abtrennung der Verfahren von Denny Stetefeld, Dominik Schuster und Daniela Wagner entschieden.

 

 Ein kurzer Rückblick


Den größten Teil der bisherigen Verhandlungstage nahm die Verlesung der Anklageschrift ein. Im Raum steht der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung in weit über 100 Fällen. Den Angeklagten wird vorgehalten, von ihren Betreuer_innenrechten kein Gebrauch gemacht zu haben, indem sie volksverhetzende Inhalte, hauptsächlich in Form von Songtexten und dazugehörenden Audiodateien, nicht gelöscht, zumindest jedoch nicht editiert hätten. Klaus-Werner Ruthenberg wird darüber hinaus vorgeworfen, als Chef des Forums fungiert haben; Wagner war für die technische Umsetzung zuständig.

Trotz der Schwere der Vorwürfe und mit Blick auf die Bedeutung des «Thiazi-Forums» für die Naziszene wirkten bisher weder Staatsanwaltschaft noch die Kammer übermäßig engagiert oder bissig. Der Richter lässt zwar zwischendurch hin und wieder spitze Kommentare fallen und wirkt auch nicht, als würde er sich auf „Spielchen“ einlassen, versäumt es dann doch aber immer wieder, wie auch die Staatsanwaltschaft, gezielte oder tiefergehende Nachfragen zu stellen. Im Grunde ist die Beweisführung nur noch eine abgespeckte Variante dessen, was sowieso durch das Verlesen der Anklageschrift bekannt ist.

Die Angeklagten haben sich allesamt zu den Vorwürfen eingelassen. Alle zeigen sich ihrem Verständnis nach „reuig“. Heute hätten sie sich von der Szene und/oder dem Gedankengut gelöst, ihr Handeln damals würden sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr tolerieren. Treffend kommentierte der Richter solche Äußerungen in einem der bisherigen Verhandlungstage mit: „Ja, jetzt sind viele schlau geworden, dass das falsch war, jetzt wo sie eine Anklage haben!“. Bereits in einem vorherigen Bericht wurde konstatiert, dass sich bestimmte Muster in den Aussagen der Beschuldigten und Beteiligten erkennen lassen, die am besten mit „von nichts gewusst“ und „nicht über die Bedeutung nachgedacht“ beschrieben werden können. So führten beispielsweise Wagner, Eberhardt und Rohde aus, dass sie vom Forum „nicht haben loslassen“ können, die Tragweite ihres Tuns hätten sie zudem nicht erkannt, heute würden sie ganz anders handeln, hätten sie noch einmal die Wahl. Einhellig sagten sie aber auch aus, dass sie sich kaum an rassistische, volksverhetzende oder ähnliche Inhalte erinnern könnten, vielmehr sei das Forum einfach ein „Ort des freien Meinungsaustausches“ gewesen, ganz unverfänglich, ganz harmlos.

So scheinen dann die Angeklagten im Laufe der Prozesstage auch die gegenseitigen Berührungsängste verloren zu haben. Während zu Beginn lediglich Ruthenberg und Wagner mal bei einem Plausch beoabachtet werden konnten, stehen zunehmend alle Angeklagten während der Prozesstage im lockeren Plauderton beisammen oder verlassen zusammen das Gerichtsgebäude. Im Kontext der Ausstiegsbezeugungen muss dies weiterhin kritisch beobachtet werden.

 Die Befragung der Beamt_innen vom BKA


Zwei Prozesstage lang wurden lediglich Beamt_innen des BKA zum Abgleich der Songtexte mit den Audiodateien befragt. Alle beschrieben die gleiche Vorgehensweise: Die im Liedtextbereich eingestellten Songtexte wurden mit den im Archiv hochgeladenen mp3-Dateien verglichen. In einer Tabelle wurde anschließend vermerkt, ob diese übereinstimmten oder an welchen Stellen sie sich unterschieden. Im Großen und Ganzen wären aber kaum Abweichungen festgestellt worden; einige Lieder hätten zwar zum besseren Verständnis mehrfach gehört werden müssen, dies sei aber nicht die Regel gewesen. Irritierend ist in diesem Zusammenhang die Bemerkung der Beamt_innen, dass sich über die Ermittlungsergebnisse in diesem Bereich nicht ausgetauscht wurde; alle hätten einfach die ihnen zugeordneten Songs ausgewertet, nicht aber mit den Erfahrungen der anderen abgeglichen. Über die Arbeit des BKA zeigt sich indes auch Wagner amüsiert; süffisant kommentiert sie diese im Vorfeld mit den Worten: „Na, mal schauen, was das BKA heute wieder verschlampt hat!“ Der Richter erklärt die wenig zeitintensive Befragung der Beamt_innen mit dem Umstand, dass die Kammer sonst selbst alle Songs hätte hören und vergleichen müssen. Die Vernehmung erscheint in diesem Zusammenhang eher als Formsache.

 Der 15. Verhandlungstag: «Als wenn der Führer damals mit allen diskutiert hätte!»


Im 15. Verhandlungstag des «Thiazi-Prozesses» wurde immerhin ein neues Schriftstück eingeführt. Das Protokoll einer Telefonüberwachung offenbart dabei interessante Einblicke in Ruthenbergs Ansichten. Darüber hinaus wurde über die Abtrennung der Verfahren von Stetefeld, Schuster und Wagner entschieden.

Inhalt der protokollierten Telefonüberwachung ist ein Gespräch zwischen Ruthenberg und Alexander Brammann, Bassist von D.S.T., im April 2009. In diesem tauschen sich beide über Nutzer_innen des NSPF («Nationalsozialisten Privatforum») aus. Brammann fragt Ruthenberg, ob er eine vom Nutzer «Nothung» kürzlich gestartete Diskussion verfolgt hätte, in der dieser sich auf kommunistische Ideen bezog und eine Art Punkte-Programm besprach. Ruthenberg bejaht dies, tut es allerdings als Spinnerei ab, und beide, er und Brammann, sprechen im Folgenden über „Spalter-Verhalten“ innerhalb des Forums, über „Negativ-Renommees“ und Sperrungen einzelner Nutzer_innen. Letzteres stieß innerhalb des NSPF offenbar auf Kritik, die Ruthenberg Brammann gegenüber mit den Worten abtut: „Manche Leute sind aus falscher Solidarität irgendwo. Als wenn der Führer damals mit allen diskutiert hätte! Der hat sich auch nicht mit denen an einen Tisch gesetzt.“

Auch sonst scheint Ruthenberg von einigen Nutzer_innen des ehemaligen Forums, besonders den weiblichen, die nur im Internet „eine dicke Hose machen“, und der Szene im Allgemeinen nicht viel zu halten. So berichtet er von der Nutzerin «Nickimuench», mit der er „im Internet herumgemacht“ hätte, als es Probleme in seiner damaligen Beziehung gab. Für ihn hätte das eine Art „Ego-Pushing“ dargestellt, auch wenn sie sonst nicht seinen Vorstellung entsprochen hätte, weil sie ihm „auch viel zu dick“ wäre. Auch Nutzerin «landerun» bekommt ihr Fett weg. Dieser hätte er mal ein Foto von sich geschickt, worüber sie sehr glücklich gewesen wäre, weil sie „ein so hohes Tier“ kennen würde. Das Foto habe sie auch anderen gezeigt, woraufhin Ruthenberg sie „angezählt“ und sie sich eine Weile zurückgezogen hätte. Ohnehin hält er aber nicht viel von ihr. So bezeichnet er sie im Laufe des Telefonats zunächst als „Schlampe“ und „absolut miese Schlange“ und lässt abschließend verlauten, dass sie für ihn „eine typische Hartz4-Asoziale“, „eine Talkshow-Alte, die nur vorm PC abhängt“ sei. Brammann erzählt daraufhin, dass er gehört hätte, dass sie erneut Mutter geworden wäre, dass er mal den Kindsvater kennengelernt hätte und dass es gegen sie Vernachlässigungsvorwürfe geben würde. Ruthenberg scheint dies in seiner Wahrnehmung der extremen Rechten zu bestätigen, so entgegnet er: „Wir müssen uns ja nicht darüber streiten, dass große Teile des Nationalen Widerstands aus Verlieren bestehen!“ Er selbst habe vom „absoluten Weibermangel“ in der Szene allerdings nicht profitieren können. So hält er fest, dass er dem in den Kreisen propagierten Bild des „starken Mannes“ und dem Männlichkeitskult schlicht nicht entspreche.

Das ganze Gespräch strotzt nur so von frauenfeindlichen und abwertenden Bemerkungen über die Szene. Nur eine Nutzerin kommt in dem Gespräch abschließend gut weg: «Prometheusfunke». Ruthenberg bezeichnet sie als „aufrechte Frau“, die sich „gut entwickele“. Beide vereint die pädagogische Tätigkeit, sowohl Nicola Brandstetter als auch Ruthenberg waren zu dem Zeitpunkt als ErzieherInnen tätig. Welche Konsequenzen dies haben kann, zeigt folgende Bemerkung: „Bei Funke ist das ja das Gleiche wie bei mit, dass man gleich bei den Kleinen anfängt, Werte zu vermitteln.“

 Wie weiter im «Thiazi-Prozess»?


Wie im Vorfeld angekündigt, entschied das Landgericht am gleichen Tag über die Abtrennung von Verfahren. Für Beobachter_innen wenig überraschend werden die Verfahren von Stetefeld und Schuster abgetrennt, eher unerwartet ist jedoch der Umstand, dass dies auch auf das Verfahren von Wagner ausgeweitet wird. Als Technikerin hatte sie neben Ruthenberg eine exponierte Rolle im «Thiazi-Forum». Abzuwarten bleibt, welche Vorwürfe gegen die Angeklagten bestehen bleiben und ob das Verfahren von Ruthenberg mit anderen zusammengelegt wird. Ziemlich sicher wird es im Verfahren gegen die ersten drei Beschuldigten bald ein Urteil geben. Zum 2. Juni 2015 sollen die Verteidiger von Stetefeld, Schuster und Wagner die Plädoyers vorbereiten, am 12. Juni möchte die Kammer dann eine Entscheidung fällen.

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