Gardez la rage contre le barrage – Widerstand gegen den Staudamm in Tarn

A la mémoire de la fôret de Sivens

Der Widerstand gegen den Bau des Staudamms im Wald von Sivens im Südwesten Frankreichs steht in der Tradition linker Kämpfe gegen Großbauprojekte, ökologische Verbrechen und staatliche Arroganz. Zu nennen wären in Frankreich vor allem die Kämpfe um das Larzac-Plateau gegen die Erweiterung einer Militärbasis vor 40 Jahren, aber auch der gegenwärtige Widerstand um die ZAD (Zones A Défendre) wie die in Notre-Dame-des-Landes gegen den Bau eines Großflughafens in der Bretagne. Die Methoden des Widerstands gegen den Staudamm in Tarn sind ebenso wie der Name ZAD du Testet eher dem militanten Kampf um die Zone à defendre (ZAD) in Notre-Dame-des-Landes angelehnt. Der Staat reagierte auf diese ZAD in Sivens mit harter Repression bis hin zur Ermordung des Demonstranten Rémi Fraisse am 26. Oktober 2014 durch eine Polizeigranate.

 

Die auf Rémis Tod folgenden Riots in ganz Frankreich setzten dem polizeilichen Vorgehen ein abruptes Ende. In der Folge übernahmen jedoch rechte Milizen die Aufgabe der Unterdrückung des linksradikalen Widerstandes. Von nichtstaatlichen Checkpoints auf den Straßen des Departements Tarn bis hin zu paramilitärischen Überfällen nicht-gekennzeichneter Einheiten auf die ZAD – das staatliche Gewaltmonopol wurde zu diesem Zeitpunkt teilweise durch die Milizen übernommen, die mit dem Präfekten und den ihm unterstellten Bullen kooperierten. Nach einer zehntägigen Hungerblockade der AktivistInnen durch die Polizei, die rechte Bauerngewerkschaft (FNSEA) und die Milizen wurde die ZAD am 6. März geräumt.

 

Touche pas aux zones humides au TestetContre le Barrage de SivensContre le Barrage de Sivens#GAZADStop au barrage d'irrigation du Sivens

 

Staudamm: NON au barrage du Testet

 

Im Oktober 2013 begann die Kampagne gegen das bereits seit über 40 Jahren geplante Staudammprojekt im südfranzösischen Tarn. Der Staudamm im Testet-Feuchtgebiet ist ein Projekt der Regionalregierung, welche aktuell von den SozialdemokratInnen dominiert wird. Durch den Damm soll der Fluss Tescou aufgestaut und ein Wasserreservoir angelegt werden, das zur Bewässerung der monokulturellen, maislastigen Agrarindustrie im Tal genutzt werden soll.

 

NON au barrage !NON au barrage !NON au barrage !NON au barrage !

 

Das geplante Projekt „retenue SIVENS“ soll inmitten des Départements Tarn, etwa 10km von Gaillac entfernt, realisiert werden. Der Tescou sollte ursprünglich entlang des Sivens-Waldes bis zum Ort Barat gestaut werden. Durch die Errichtung dieses Dammes sollten 48ha Land geflutet werden, wovon 29ha als Naturschutzgebiet klassifiziert sind. Für die Stauung wurde das letzte wichtige Feuchtgebiet des Tescou zerstört und viel Wald gerodet. Das Feuchtgebiet und der Wald waren wichtig für das ökologische Gleichgewicht der Region. Das Gebiet wies die höchste Biodiversität im Département auf und war der letzte Lebensraum vieler bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Zudem filterten die Feuchtgebiete viele Schadstoffe, weshalb die Region bis zur Zerstörung des Feuchtgebiets als sehr sauber galt.

 

Finanzierung: Le prix du barrage

 

Der geplante Staudamm sollte entsprechend den ursprünglichen Plänen 1,5 Millionen Kubikmeter Wasser fassen, 1,5km lang, 230m breit und durchschnittlich 4m tief werden. Das Projekt wird zu 100% aus Steuergeldern finanziert und ist mit insgesamt 8,4 Millionen Euro veranschlagt. Davon bezahlt die Regionalregierung Conseil Général du Tarn 10%, das Departement Tarn-et-Garonne 10% und die Wasseragentur Agence de l'Eau Adour-Garonne 50%. Die restlichen 30% werden durch das EU-Programm Fonds européen agricole pour le développement rural (FEADER) finanziert.

 

Conseil général à AlbiConseil général à AlbiConseil général à AlbiConseil général à Albi

 

Die Idee des Dammes stammt bereits aus den 1970er Jahren. Realisiert wird das Projekt durch die Firma Compagnie d’Aménagement des Coteaux de Gascogne (CACG). Das gestaute Wasser soll größtenteils für die Bewässerung von über 300ha industrieller Landwirtschaft dienen. Davon profitieren zwischen 10 und 20 Großbetriebe in der Region.

 

Besetzung: ZAD, deuxième épisode

 

In den Jahren 2010 und 2011 begannen ÖkoaktivistInnen verschiedener Nichtregierungsorganisationen mit der Informationsarbeit zum Staudammprojekt. Offensivere Leute trafen sich im Oktober 2013 auf dem zukünftigen Baugelände zu einer Versammlung und gaben ihrem Kollektiv den Namen Tant qu'il y aura des bouilles. Dabei wurde entschieden, den Kampf ab sofort auf einer andere Ebene zu führen und das Gelände zu besetzen. Am 23. Oktober wurde ein verlassenes Steingebäude besetzt: La Métairie neuve. In Anlehnung an den Namen, den die Protestierenden gegen den geplanten Großflughafen in Notre-Dame-des-Landes gewählt haben, wurde das Gebiet rund um den Staudamm ebenfalls „Zone a défendre“ (wörtlich: Zu verteidigende Zone, abgekürzt: ZAD) genannt.

 

ZAD partout : Notre-Dame-des-Landes

 

Ebenfalls seit den 1970er Jahren regt sich Widerstand gegen den mittlerweile vom Konzern VINCI (Siehe Rodung des Khimki-Waldes in Russland) geplanten Großflughafen Notre-Dame-des-Landes (NDDL) nördlich von Nantes. Von ursprünglich verplanten 1350 ha Fläche will die Regionalregierung noch immer 1200 ha zur Errichtung eines internationalen Flughafens versiegeln. Seit 2007 gibt es immer mehr Besetzungen und seit dem Klimaaktionscamp 2009 hat der Protest in der Region teils spektakuläre Dimensionen erreicht. Neben Demonstrationen mit mehreren 10.000 Menschen in Nantes hat sich der teilweise militante Widerstand verstärkt – und auch die staatliche Repression. Der einst von staatlicher Seite genutzte Begriff ZAD sollte in den Ursprüngen des Flughafenprojektes NDDL eine Zone d'aménagement différé (Sonderbauzone) bezeichnen. Die GegnerInnen des Großprojekts (Zadistes) kaperten den Begriff und nannten die ZAD ab der Besetzung Zone A Défendre (Zu verteidigende Zone). Das Konzept ZAD findet seither auf zahlreichen (umweltpolitischen) Besetzungen in Frankreich Verwendung, so auch im Tescou-Tal...

 

Quelle: Sivens sans retenue, Feuilles d'automne 2014, Éditions La Lenteur, 978-2-9540696-6-1, 2015

 

Anfangs zogen nur wenige AktivistInnen in die Testet-Zone. Im Oktober und November 2013 verlief die Besetzung sehr ruhig. Seit Dezember wurden immer wieder Hütten niedergebrannt. Die Situation änderte sich grundlegend, als am Nachmittag des 23. Januar 2014 etwa 20 Vermummte La Métairie angriffen. Dabei bedrohten und schubsten sie die zwei anwesenden Bewohnerinnen. Sie drangen gewaltsam in das Haus ein, zerstörten Scheiben und das Dach und machten es mit stinkenden und klebrigen Chemikalien unbewohnbar. Viel deutet darauf hin, dass die verwendeten Chemikalien Vergrämungsmittel waren, wie sie normalerweise gegen Wildtiere eingesetzt werden.

 

Eskalation: Sous les octets la plage ?

 

Die BesetzerInnen realisierten nun, dass es eine gut vernetzte Gruppe gab, die auch zu physischen Angriffen bereit war. Von den AktivistInnen werden diese in zivil auftretenden, hierarchisch organisierten, untereinander gut koordinierten sowie zielgerichtet und gewalttätig auftretenden Angreifer „les milices“ genannt – „die Milizen“. Nach den ersten Angriffen wurden Wachschichten an den Wohnorten der BesetzerInnen und an der Staudamm-Baustelle organisiert. Die Frage der Selbstverteidigung wurde immer breiter diskutiert.

 

 

Am 27. Februar wurde das Camp La Bouillonnante von den Bullen geräumt. In den folgenden Wochen gab es immer wieder Besetzungen, bis die lokale Verwaltung bekannt gab, dass die Bauarbeiten bis September 2014 ruhen würden. Nachdem die meisten BesetzerInnen das Gelände verlassen hatten, wurde die gesamte Zone am 16. Mai geräumt. Für den 15. August wurde dazu aufgerufen, die ZAD erneut zu besetzen. Während der Besetzung wurde ein Camp in der Nähe der Maison de la forêt aufgebaut, das die BesetzerInnen „Woodstock“ nannten.

 

Gaz au petit matin du 1er septembreSivens, septembre 2014Sivens, septembre 2014Sivens, septembre 2014

 

Vom 23. bis 25. August 2014 kam es wegen der beginnenden Rodungsarbeiten zu den ersten größeren Aufständen. Die Presse schrieb reißerisch von mehr als 80 auf die Bullen geworfenen Molotov-Cocktails. Die systematische Zerstörung des Waldes wurde von einem massiven Polizeiaufgebot durchgesetzt. Innerhalb eines Monats wurde ein Großteil der Bäume abgeholzt, die AktivistInnen sprachen von einer dadurch entstandenen „Wüste“. Die Auseinandersetzungen verlagerten sich in der Folge vom Wald auf offene Flächen.

 

Repression: Le pouvoir prépare l'offensive

 

Bis zum 25. Oktober 2014 gab es täglich direkte und militante Aktionen. Die Polizeigewalt erreichte einen ersten Höhepunkt am 8. September, dem „Tag der Eingegrabenen“. Mehrere AktivistInnen hatten sich bei Blockaden bis zum Hals eingegraben. Die Bullen agierten auch gegenüber den Eingegrabenen äußerst gewalttätig, traten ihnen gegen die Köpfe und beschossen die Wehrlosen mit Tränengas. Anschließend zerstörten die Bullen alle bewohnten Strukturen wie Hütten und Zelte. Auch die persönlichen Gegenstände der AktivistInnen wurden geklaut und verbrannt, sogar die Nahrungsmittelvorräte und die Erste Hilfe-Ausrüstung wurden auf dem Boden verteilt und mit Pfefferspray eingesprüht. Auch pazifistische AktivistInnen waren massiver Polizeigewalt ausgesetzt. Am 9. September wurde der Sitz der Lokalverwaltung von Tarn in Albi besetzt, während im Testet-Gebiet Baumkletterer in den Baumwipfeln von Bullen gejagt wurden.

 

La rage contre le barrageLa rage contre le barrageLa rage contre le barrageLa rage contre le barrage

 

La rage contre le barrageLa rage contre le barrageLa rage contre le barrageLa rage contre le barrage

 

La rage contre le barrageLa rage contre le barrageLa rage contre le barrageLa rage contre le barrage

 

Neben den normalen Polizeieinheiten der Gendarmerie wurden gegen die ZAD auch besonders gewalttätige Sondereinheiten eingesetzt. Nach der PSIG, einer auf Überwachung und Intervention spezialisierten Sondereinheit der Gendarmerie, kamen Riotbullen der CRS und die Aufstandsbekämpfungseinheiten der Gendarmerie Mobile. Schließlich hatten die BesetzerInnen sogar mit Anti-Terror-Einheiten zu kämpfen. Die Bullen nutzten die ZAD auch als Experimentierfeld für neue Technologien. So wurden etwa neue Arten von Tränengas in der Praxis erprobt. Dabei wurde auch ein Gas eingesetzt, dass die Betroffenen vorübergehend körperlich lähmte.

 

Mitte September erklärten sich Gruppen von SchülerInnen aus Gaillac und Castres mit den BesetzerInnen solidarisch. Für den 25. Oktober wurde zu einem großen Widerstandswochenende aufgerufen. Die Bullen zogen sich am Tag zuvor zurück, kamen aber in der Nacht wieder.

 

Mord: L'Etat tue Rémi Fraisse

 

Am Wochenende vom 24.-26. Oktober 2014 kamen zwischen 5.000 und 7.000 AktivistInnen ins Testet-Gebiet, um gegen die Errichtung der Staumauer zu demonstrieren. Bereits zuvor hatten die Bullen fast alle Baumaschinen in Sicherheit gebracht, einige wenige Verbleibende wurden von StaudammgegnerInnen niedergebrannt. In der Nacht auf den 26. Oktober wurde ein junger Aktivist durch eine von den Bullen abgefeuerte Granate getötet. Rémi Fraisse, ein 21 Jahre alter Umweltaktivist aus Toulouse, wurde von einer besonders starken TNT-Knallgranate getroffen und tödlich verletzt. Die Bullen vertuschten und verschwiegen den Mord in den nächsten 72 Stunden und versuchten sich mit Lügen aus der Verantwortung zu stehlen. Nach dem Mord an Rémi war die Empörung in ganz Frankreich enorm, es gab in vielen Städten Demonstrationen der Solidarität und der Wut.

 

In den darauf folgenden Wochen gab es, nicht nur in Frankreich, diverse Aktionen gegen staatliche Gewalt und die Willkür der Bullen. Unter anderem wurden Polizeidienststellen blockiert und angegriffen. In zahlreichen Städten gab es Demonstrationen und Riots gegen die Bullengewalt.

 

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Nach dem Mord und den darauf folgenden Reaktionen zogen sich die Bullen aus der ZAD zurück, da der öffentliche Druck zu groß geworden war. Das Projekt wurde von der Umweltministerin Ségolène Royal auf Eis gelegt. Die BesetzerInnen kehrten zurück, es wurden wieder Strukturen aufgebaut. Als im Laufe des Winters weitere Räumungen stattfanden, wurde der Kampf medial noch präsenter, neue Leute kamen dazu und es entwickelte sich eine starke Dynamik. Die Besetzung konnte permanent aufrecht erhalten werden.

 

Milizen: Pro-barrage et anti-pellut

 

Zunehmend hatten die BesetzerInnen auch mit BefürworterInnen des Staudamms zu kämpfen, aus deren Kreisen sich auch die Milizen rekrutierten. Am 15. November 2014 fand erstmals eine Pro-Staudamm-Demonstration unter Beteiligung der Milizen statt. Dieser Aufmarsch wurde von der Bauerngewerkschaft Fédération Nationale des Syndicats d'Exploitants Agricoles (FNSEA) organisiert. Die FNSEA gilt als rechts, einflussreich, befürwortet intensive Landwirtschaft und Umweltzerstörung.

 

Bereits im Juni 2014 war eine Kooperation zwischen Gendarmerie und FNSEA vereinbart worden. Unter dem Vorwand, gemeinsam gegen Diebstahl auf Bauernhöfen und Privatgrundstücken vorgehen zu wollen, wurde der FNSEA das Recht gegeben, die „notwendigen Mittel“ anzuwenden. Teilweise trugen die FNSEA-Mitglieder Kleidung mit dem Aufdruck „Unterstützung der Polizeikräfte von Sivens“ und „Brigade anti-pellut“. Bei dem Wort „pellut“ (es stammt aus der lokalen Sprache, okzitanisch, und heißt wörtlich: behaart, langhaarig) handelt es sich um eine negativ konnotierte Bezeichnung für alternative Menschen. Von den Pro-barrage wird es als Schimpfwort verwendet. Mehrere Mitglieder der FNSEA wurden in den Reihen der Milizen erkannt, teilweise rekrutierten die Milizen auch FNSEA-Mitglieder aus den angrenzenden Départements.

 

Parce qu'on a la rageParce qu'on a la rageParce qu'on a la rageParce qu'on a la rage

 

In der Öffentlichkeit lancierte die FNSEA einen neuen Diskurs: „Bauern brauchen Wasser für die Ernährung der Bevölkerung“. Nach dieser Darstellung würden „die Extremisten“ durch ihren Widerstand gegen den Staudamm die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gefährden. Der FNSEA-Präsident bezeichnete die AktivistInnen als „grüne Djihadisten“In der öffentlichen Debatte ging es anschließend nicht mehr um Befürwortung oder Ablehnung des Staudamms, sondern um Unterstützung oder Gegnerschaft zu den BesetzerInnen. Auch die Frage, wie Landwirtschaft betrieben werden sollte, wurde in der Öffentlichkeit nicht weiter diskutiert.

 

Blockade: Semaine déterminante !

 

Zum Jahreswechsel 2015 wurde die ZAD vermehrt von Milizen angegriffen, die im Schutz der Gendarmerie agierten. Beide Gruppen arbeiteten dabei eng zusammen, um die BesetzerInnen aus der ZAD zu vertreiben. Nachts wurden sogar Schüsse um die Zone herum gehört.

 

Am 6. März 2015 sollte die Lokalregierung über den Weiterbau des Staudamms entscheiden. In der Woche zuvor riegelten etwa 400 Mitglieder der Milizen und ähnlich viele Bullen sämtliche Zugänge zur ZAD du Testet ab. Mit der Blockade wurden die BesetzerInnen von der Nahrungsmittelversorgung abgeschnitten und sollten so ausgehungert werden. Auf diese Weise war die Kommunikation der etwa 50 BesetzerInnen mit den solidarischen UnterstützerInnen außerhalb der Zone unmöglich. Die Vollversammlungen der AktivistInnen in der ZAD waren im Monat vor der Blockade verhindert worden. In der weiteren Umgebung führten die Milizen eigenmächtig Straßenkontrollen durch, bei welchen sie Ausweise kontrollierten, Autos durchsuchten und Fotos machten. Die Gewalt der Milizen ging noch weiter: Zerstörung von Autos, Verfolgungsjagden, Androhungen von Vergewaltigungen, Prügelorgien, ...

 

Die Milizionäre drohten den BesetzerInnen, sich bei einer Entscheidung der Lokalregierung für den Staudamm an der dann anstehenden Räumung zu beteiligen.

 

22, v'là les flics !22, v'là les flics !22, v'là les flics !22, v'là les flics !

 

Gegen Ende der Hungerblockade organisierten UnterstützerInnen und AnwohnerInnen einen Konvoi, der von Gaillac aus Lebensmittel in die ZAD bringen sollte. Der Konvoi wurde von Milizen und Bullen nicht durchgelassen – im Widerspruch zu den Ankündigungen des Bürgermeisters von Gaillac und des Präfekten, mit welchen sie die Situation befrieden wollten. In mehreren Dörfern der Region wurden Versammlungen der UnterstützerInnen verhindert.

 

Räumung: Expulsé-e-s mais pas vaincu-e-s, la résistance continue !

 

Am 6. März entschied der Conseil Général mit 46 zu 43 Stimmen, dass der Staudamm gebaut werden und damit die ZAD geräumt werden solle. Auch an der Größe des Projekts hatte sich trotz der Diskussionen kaum etwas geändert. Die Aufrufe zum Widerstand konnten die am selben Tag stattfindende Räumung der ZAD nicht verhindern.

 

Auch Wochen nach der Räumung bleibt das Testet-Gelände vollständig abgeriegelt, nicht einmal AnwohnerInnen können die Checkpoints der Gendarmerie passieren. Doch der Widerstand in der Tarn-Region geht weiter und wird immer weiter gehen.

 

La zone humide du Testet en France

 


 

Interview des Autonomen Medienkollektivs Tarn mit eineR ZAD-AktivistIn einen Monat nach der Räumung der ZAD du Testet

 

AuMeKo: Wie kam es dazu, dass die Milizen die Macht haben, andere Leute zu kontrollieren?
ZADist@: Hier sind wir auf dem Land, jedeR kennt jedeN. Die Pro-Staudamm-Fraktion hat gesagt, dass die BesetzerInnen von außerhalb kommen würden. In der Region wird fast ausschließlich Landwirtschaft betrieben. Überall in der Familie und der Umgebung gibt es Menschen, die Gerüchte verbreiten, etwa dass die BesetzerInnen klauen würden oder so. Die Blockaden der Pro-Staudamm-Fraktion wurden sogar von AnwohnerInnen mit Lebensmitteln und anderem unterstützt. Die größte und stärkste Initiative von uns war der Versuch des Essenskonvois von Gaillac. Aber wir konnten damit nicht viel ausrichten. Der Sitz der FNSEA wurde für zwei Stunden besetzt, woraufhin mit Gas geräumt wurde. Es war zu dem Zeitpunkt sehr schwer sich zu organisieren, da es kaum Plätze und Infrastruktur gab. Versammlungen wurden meist präventiv verboten.

 

 

AuMeKo: Habt ihr versucht, herauszufinden, wer hinter den Milizen steckt?
ZADist@: Die StaudammbefürworterInnen sind meist sehr ländlich sozialisiert und organisiert, sie stammen aus dem bäuerlichen Milieu. Sie wollen keine Leute von außerhalb und versuchen die Wut gegen die BesetzerInnen zu instrumentalisieren. Der Aufbau der Milizen war nur möglich, weil die FNSEA das Land regiert. Die Hofstrukturen machen das Leben hier aus. Seit der Nacht zum 26. Oktober, der Todesnacht von Rémi, waren aufgrund des öffentlichen Drucks die Bullen nicht mehr dafür geeignet, die ZAD zu räumen. Es bedurfte einer nicht-polizeilichen Lösung. Dies war der Plan des Präfekten. Die Milizen führten die Repression schlussendlich aus. Dies könnte ein Vorbild für die Bekämpfung anderer ZADs sein. Wegen dieser neu erlebten, erstmaligen Art von Repression wollten wir mit euch reden.

 

La Métairie NeuveLa Métairie NeuveLa Métairie NeuveLa Métairie Neuve

 

AuMeKo: Waren die Pro-Staudamm-Leute bewaffnet?
ZADist@: Ja, das sind Menschen, die auf die Jagd gehen. In der Auseinandersetzung haben sie die BesetzerInnen gejagt, mit Hunden und Gewehren. Es wurden Schüsse gehört, ob sie auf Menschen gezielt haben, ist ungewiss. Die Miliz war auch mit Eisenstangen bewaffnet. Einigen Leuten wurden die Frontscheiben ihrer Autos damit eingeschlagen.

 

AuMeKo: Sind die Bauern nur aufgeheizt oder haben sie auch einen finanziellen Nutzen vom Damm?
ZADist@: Es gibt nur circa 20 Bauern, die vom Staudamm profitieren. Die anderen BewohnerInnen solidarisieren sich mit diesen Bauern.

 

 

AuMeKo: Wie stark ist der Front National (FN) in der Gegend hier?

ZADist@: Das ist eher keine lokale, sondern eine nationale Frage. Der Südwesten von Frankreich ist eher progressiv, aber der FN ist stark. Das gilt für alle ländlichen Bereiche in Frankreich. Im Jahr 2002 haben die BewohnerInnen eines Dorfes in der Gegend zu über 90% FN gewählt. Viele Menschen der Region kennen kaum Leute, die nicht von hier stammen. Die Fremdenfeindlichkeit geht soweit, dass selbst Menschen aus anderen Teilen Frankreichs davon betroffen sind. Dies wurde und wird strategisch gegen die ZAD verwendet, da viele AktivistInnen aus anderen Gegenden kommen.

 

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AuMeKo: Wie war die Räumung für euch? Wollt ihr nach solchen Ereignissen noch hier leben?
ZADist@: Viele fühlen sich sehr gedemütigt. Die politische Wende von „gegen den Damm“ zu „gegen die ZADistInnen“ ist sehr frustrierend. Die Räumung ist erst einen Monat her, aktuell sind die Menschen noch sehr wütend. Es kommt langsam erst die Distanz zu den Ereignissen, die Wut bleibt aber bestehen. Viele arbeiten momentan an anderen Projekten.

 

AuMeKo: Gibt es neue Projekte für das Gebiet? Sind die Leute nun demotiviert?
ZADist@: Nein! Der Platz der ZAD ist jetzt verlassen. Es gibt aber verschiedene andere Projekte im Umfeld.

 


 

Fotos: Justin Raymond & Autonomes Medienkollektiv Tarn

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Mittlerweile wurde La Métairie zugemauert...

La Métairie murée… Sur les ouvertures murées de la Métairie... Sur les ouvertures murées de la Métairie...

 

...aber der Widerstand ist noch da!

 

C’est le printemps…

 

Bouilles Hebdo du 18 au 24 mai

Bouilles Hebdo du 25 au 31 mai

Dans le Tarn, des milices fascisantes au service des notables locaux et de l'ordre dominant

témoignage collectif d'occupants et de sympathisants de la ZAD du Testet (PDF)