Hooligan-Demo: Autonome überfallen Citykneipe Larifari

Erstveröffentlicht: 
17.11.2014

Am Rande der Demonstrationen hat es mehrere - zum Teil auch schwere - Zwischenfälle gegeben. Trotzdem ist der Tag angesichts der Vorkommnisse in Köln im Oktober und des in Hannover versammelten Gewaltpotenzials weitgend friedlich verlaufen. Ein Überblick:

 

Verletzter bei Überfall auf Kneipe

Hannover. Es war ein gezielter Angriff am frühen Nachmittag: Am ZOB löste sich die HoGeSa-Kundgebung gerade auf, auch die Gegendemonstration zerbröckelte, als plötzlich in der Andreaestraße hinter Karstadt und Gisy Scheiben barsten und bengalische Feuer brannten. Ein Pulk Autonome aus der Antifa-Bewegung griff unvermittelt die City-Kneipe Larifari an.

 

Mit einer Stahlstange zertrümmerte einer der Angreifer die Butzenscheiben der Kneipe. Die Vermummten schleuderten Flaschen und Böller auf die Fassade, während sie „Nazi-Schweine“ grölten. Nachdem einer der Gäste im Innenraum die Tür aufgerissen und einen Barhocker nach draußen geworfen hatte, zertrümmerte ein Autonomer mit dem Stuhl die Tür. Nach wenigen Sekunden war der Spuk vorbei - die sofort anrückende Polizei konnte die Täter nicht mehr ergreifen. Für mindestens einen der Besucher der Kneipe aber soll der Vorgang heftige Folgen haben: Nach Darstellung eines Beteiligten liegt er im Krankenhaus.

Kneipenwirt Werner Rieb stand wie die übrigen Anwesenden nach der Attacke zunächst unter Schock. Die Gewalt gegen sein Lokal könne er sich nicht erklären. Vielleicht hätten sich die Autonomen von ein paar Deutschlandfahnen über der Tür provoziert gefühlt, vermutet ein Besucher. „Wir sind keine Nazis“, sagt ein anderer. Bei Facebook drohte gestern ein anonymer Linksextremist: „Das nächste Mal brennt euer Fascholaden.“

Im Internet kursieren zwei Videos, die den blitzartigen Überfall auf das Larifari zeigen. Eine Aufzeichnung stammt von Anliegern, die andere offenbar aus Täterkreisen. Neben dem Angriff auf die Kneipe zeigt Letztere auch, wie die Vermummten anschließend auf einen Mann eintreten, der vor dem nahe gelegenen McDonald’s am Boden liegt. Außerdem ist eine Attacke auf einen Mann in der Bahnhofstraße zu sehen.

Bei der Polizei haben sich die beiden Verletzten offenbar noch nicht gemeldet. Zumindest waren den Beamten bis gestern keine entsprechenden Anzeigen bekannt. Es ist daher nicht auszuschließen, dass es sich bei den Angegriffenen um Hooligans handeln könnte.

 

Hauptbahnhof kurzfristig gesperrt

Reisenden, die am Sonnabendvormittag Hannover mit dem Zug verlassen wollten, bot sich am Bahnhof ein seltsames Bild. Wegen der Ankunft der ­HoGeSa-Demonstranten und der Gegener der Veranstaltung aus dem linken Lager hatte die Bundespolizei in der Haupthalle und auf den Bahnsteigen Gitter aufgestellt. Sie sollten verhindern, dass die Fahrgäste der Deutschen Bahn zwischen die Fronten der Hooligans und der Linksautonomen gerieten.

Deshalb hatte die Bundespolizei auch die Zahl ihrer Einsatzkräfte im Bahnhof deutlich verstärkt. Insgesamt war die Behörde mit dem Verlauf des Einsatzes in Hannover zufrieden. Währen der Abreise der Demonstranten beider Lager am frühen Abend musste der Hauptbahnhof allerdings kurzzeitig komplett geschlossen werden, weil HoGeSa-Sympathisanten auf Gegendemonstranten getroffen waren. Die Polizei, die sich auch an den übrigen Wochenenden des Jahres mit gewaltbereiten Fahrgästen aus dem Fußballumfeld befassen muss, bekam die Lage schnell unter Kontrolle, so dass der Bahnhof wieder für alle frei gegeben werden konnte.

Doch nicht nur in Hannover waren Bundespolizisten im HoGeSa-Einsatz. Sie begleiteten auch die Regionalbahnen und Intercityzüge, mit denen die Hooligans und Rechtsradikalen am Sonnabend nach Hannover reisten. Eine der Aufgaben der Einsatzkräfte: Die Überwachung des am Sonnabend gültigen strikten Alkoholverbots in den Zügen. So begleiteten sie unter anderem die 180 Hooligans aus dem Raum Dortmund – viele von ihnen Anhänger der berüchtigten Borussenfront, nach Niedersachsen. Auch auf den Bahnhöfen im Ruhrgebiet, in Ostdeutschland, in Hamburg und in Göttingen, wo die Züge der Antiislamisten und der Linksautonomen starteten, wurden von der Bundespolizei überwacht.

Die Händler im Bahnhof hatten bereist in der Nacht alle Hände voll zu tun. Da im Bahnhof und auf dem ZOB ein striktes Glasflaschenverbot galt, mussten sie ihr Sortiment ändern und Bier-, Wein- und Schnapsflaschen aus den Regalen räumen. Einige Geschäfte hatten wegen des Hooligantreffens am Sonnabend ganz geschlossen, darunter die Filialen der Drogeriekette Rossmann und die der Schnellrestaurantkette Burger King.

Scharmützel überschatten Gegen-Demo

Auf der Goseriede haben mehr als 1000 Menschen gegen die Hooligan-Demo protestiert. Bei der von Gewerkschaften, Parteien und Kirchen organisierten Kundgebung sagte IG-Metall-Bezirkschef Hartmut Meine an die Adresse der Neonazis und Hooligans: „Haut ab, das ist unsere Stadt.“ Er sei froh, dass „in Hannover die Nazis in der letzten Ecke hinter dem Hauptbahnhof demonstrieren müssen“. Allerdings sei es unbegreiflich, dass Neonazis in Deutschland überhaupt noch Veranstaltungen durchführen dürften.
Nach Ansicht von Oberbürgermeister Stefan Schostok ist es gelungen, ein Zeichen von Vielfalt und Respekt zu setzen. Stadtsuperintendent Hans-Martin Heinenann fordert zu Toleranz gegenüber Fremden auf.

Nur ein paar Meter entfernt von dieser Kundgebung hatten sich auf dem Steintorplatz linksgerichtete Gegendemonstranten versammelt. Von dort starteten sie gegen 13 Uhr zu einem Demonstrationszug durch die Innenstadt zum Andreas-Hermes-Platz starteten.

Der Protest blieb weitgehend friedlich. Allerdings störten immer wieder Linksautomone den ruhigen Verlauf der Protestveranstaltung. Während sich die Vermummten mit der Polizei anlegten, folgte der Großteil der Demonstranten dem Veranstaltungsmotto „Bunt statt Braun“ und zeigte die Weltoffenheit der Landeshauptstadt. Die Polizei begleitete die Demonstranten mit mehreren Hundertschaften und versuchten Ausschreitungen durch Deeskalation zu verhindern.

Erfolgreich war diese Strategie, als der Protestzug auf Höhe Marktkirche plötzlich anhielt. „Wir werden nicht weitergehen, bis ihr die Helme abgenommen habt“, ertönte es vom Lautsprecherwagen. Die Schutzausrüstung werde als Provokation aufgefasst. Zahlreiche Polizisten nahmen daraufhin die Helme ab, was viele Demonstranten mit lautstarkem Applaus bedachten und weitergingen.

Anschließend kam es dennoch zu vereinzelten Scharmützeln. Vermummte Linksautonome versuchten die festgelegte Route zu verlassen, wurden aber von der Polizei unter anderem mit Reiterstaffeln zurückgedrängt. Vereinzelt flogen Flaschen, und Böller wurden gezündet. Aufgrund der andauernden Provokationen brachten die Beamten zwischenzeitlich auch einen Wasserwerfer in Stellung, der aber nicht eingreifen musste. Auf ihrem Heimweg griffen Linksautonome eine Straßensperre in der Königstraße an. Die Verkehrspolizisten konnten sich unverletzt in Sicherheit bringen, ihr Fahrzeug wurde allerdings erheblich beschädigt.

Gegen mehrere Gegendemonstranten leitete die Polizei Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung sowie Verstößen gegen Versammlungs- und Waffengesetz ein. Ein Flaschenwerfer erlitt bei seiner Festnahme einen Schulterbruch. Weitere verletzte Demonstranten sind nicht bekannt. Laut Polizeivizepräsident Thomas Rochell habe es sich bei der Hälfte der 3000 Teilnehmer um „problematisches Klientel“ gehandelt.

Für die Polizei war es der größte Einsatz seit der Expo

Kurz habe Hannover den Atem angehalten – „jetzt können wir alle wieder durchatmen“. Mit diesen Worten leitete am Sonntag ein sichtlich gelöster Polizeivizepräsident und Einsatzleiter Thomas Rochell die vorläufige Bilanz der Geschehnisse rund um die Hooligan-Demo ein. 5200 Polizisten aus insgesamt acht verschiedenen Bundesländern und 100 Mitarbeiter der Behörde waren ihm am Sonnabend unterstellt, um die Sicherheit für Bürger und alle Demoteilnehmer in der Stadt zu gewährleisten – so viele, wie seit der Expo im Jahr 2000 nicht mehr. Weitere 1300 Einsatzkräfte unterstanden der Bundespolizei.

Der Arbeitstag der Beamten hatte gegen 6.30 Uhr begonnen. Uniformierte Polizisten und zivile Beamte überprüften die Fahrzeuge auf den großen Zubringerstraßen. Entdeckten sie in einem Fahrzeug Personen, von denen ein besonderes Risiko drohte, begleiteten die Beamten die Fahrzeuge bis in die Innenstadt. Auch Busse wurden überprüft. „Dabei ist uns auch der Materialbus der HoGeSa-Veranstalter und der Bus der Band Kategorie C aufgefallen“, sagt Rochell. Nach der Überprüfung durften beide Fahrzeuge ihren Weg fortsetzen.

Am ZOB durchsuchten die Beamten jeden einzelnen Teilnehmer der HoGeSa-Demo. Für die Demonstranten, die mit dem Zug angereist waren, hatte die Behörde ein Zelt auf dem Gelände des neuen ZOB aufgebaut. Alle übrigen, die mit Bussen oder Privatwagen angereist waren, wurden am anderen Ende kontrolliert. Die Behörde hatte vor dem Hooligan-Protest ausdrücklich angekündigt, die Teilnehmer nicht auf dem Platz einkesseln zu wollen. Als am frühen Nachmittag, weit vor dem offiziellen Ende der HoGeSa-Demo, größere Gruppen den Platz verlassen wollten, begleiteten Polizisten die Abreisewilligen zu Zügen und Autos. „Wir haben sie aber nicht zum Einkaufen in die Stadt gelassen“, sagt der Einsatzleiter.

Der Bereich um den Bahnhof war weiträumig abgesperrt. Mindestens sechs Wasserwerfer und mehrere Räumpanzer hatte die Polizei am ZOB in Stellung gebracht. Vom Parkhaus Lister Tor beobachteten Ermittler das Geschehen. Auch im Bahnhof war das Aufgebot immens. Reisende wurden mit Gittern von den Hooligans getrennt. Nach Abschluss der Veranstaltung begleiteten Motorradstaffeln drei HoGeSa-Busse mit problematischen Demonstranten an Bord bis nach Mönchengladbach, Köln und nach Landau in die Pfalz zurück.

Insgesamt zeigte sich die Polizei sehr zufrieden mit dem Verlauf des Einsatzes. Die Lehren aus dem Auftritt der HoGeSa in Hannover seien aber ebenfalls eindeutig, so Rochell. „Es ist nicht möglich, Aufzüge dieser Gruppierung zuzulassen“, sagte er. Ein Protestmarsch der Hooligans durch eine Stadt, sei nur mit einer deutlich größeren Zahl an Einsatzkräften als in Hannover möglich. „Das ist dann aus meiner Sicht nicht mehr zu vertreten“, sagt der Vizebehördenchef.

Von Tobias Morchner und Christian Link